L 3 R 159/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 14 R 553/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 159/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 27. März 2009 geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

Die am ... 1957 geborene Klägerin hat nach ihrer Schulausbildung (sieben Klassen) von Oktober 1972 bis Dezember 1973 eine Teilfacharbeiterausbildung als Abfüllerin in einer Brauerei und im Rahmen eines Qualifizierungsvertrages nach einem Facharbeiterlehrgang im Juni 1984 eine Berufsausbildung zum Transport- und Lagerfacharbeiter abgeschlossen. Sie war als Abfüllerin, Lagerarbeiterin und im Anschluss an die Qualifizierung als Kantinenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Die Klägerin ist seit Beendigung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von 1992 bis 1995 (im Industrierückbau) arbeitslos und bezieht seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II.

Die Klägerin stellte am 26. Oktober 2006 bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den sie mit Schmerzen im Wirbelsäulen- und Rippenbereich und Bewegungseinschränkungen begründete. Aus dem von der Beklagten u.a. beigezogenen für den Amtsärztlichen Dienst des Landkreises B. erstellten Gutachten vom 19. September 2006 geht ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin für mittelschwere Arbeiten in Tagesschicht hervor. Auszuschließen seien Arbeiten unter Zeitdruck, in Nässe, Kälte, Zugluft, mit häufigem Bücken, Zwangshaltungen und einem häufigen Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel. Es lägen dauerhafte Leistungseinschränkungen durch die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit einer notwendigen medizinischen Behandlung und beruflichen Eingliederung in eine einfache Helfertätigkeit mit wechselnder Körperhaltung vor.

Die Beklagte holte sodann ein Gutachten von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Z. vom 26. Februar 2007 ein. Die Klägerin habe angeblich unerträgliche Schmerzen im Bereich der linken Schulter, des linken Armes und der linken Thoraxwand. Gelegentlich strahlten diese Schmerzen dann (belastungsabhängig) in den Schritt, die Leiste und den linken Fuß aus. Eine medikamentöse Versorgung erfolge mit Iboprofen 1200 mg (2 x 1). Es bestehe der Verdacht auf Simulation und einen artifiziellen Aspekt. Die allgemeine Lebenstüchtigkeit sei eindeutig vorhanden. Die Klägerin habe im Ablauf der auf sie einwirkenden Lebensereignisse offensichtlich den Aspekt der notwendigen sozialen Kommunikation nicht hinter sich gelassen. Deshalb bestehe auch eine positive Prognose für die weiteren Tätigkeitsmöglichkeiten. Die Klägerin befinde sich in einem guten Allgemeinzustand bei Adipositas (150 cm/83 kg). Sie sei in der Untersuchung bewusstseinsklar und zu allen Aspekten voll orientiert gewesen. Bei einem leicht unterdurchschnittlichen Intelligenzniveau bestünden keine Defizite im Bereich des Psychophysischen und des Leistungstempos. Psychopathologisch liege eine einfach unauffällige Persönlichkeit vor. Bei der Klägerin könnten Aspekte eines lokalen Schmerzsyndroms bei einem Schulter-Arm-Syndrom nachgewiesen werden. Diese Schmerzäußerungen hielten sich jedoch in Grenzen und bedürften keiner besonderen Schmerzmittelmedikation. Es sei bei ihr auch keine allgemeine Schmerzkrankheit und zusammenfassend keine allgemeine Minderung des Leistungsvermögens festzustellen. Ihr könnten leichte Arbeiten mit einem Wechsel [der Haltungsarten] und mit Einschränkungen bezüglich eines Hebens schwerer Lasten und häufigen Bückens zugemutet werden.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 12. April 2007 ab. Die Klägerin könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch holte die Beklagte ein Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie Dr. W. vom 27. Juni 2007 ein. Diesem ist zu entnehmen, die Klägerin habe konservativ behandelte Schulter-Arm-Beschwerden links seit Beginn des Jahres 2006 und einen zeitweiligen Kreuzschmerz seit einigen Jahren und manchmal einen Schulterbewegungsschmerz angegeben. Sie habe sich bei der Untersuchung in einem guten Allgemeinzustand bei Adipositas (150 cm/80 kg) befunden. Im neurologischen Befund bestünden keine Ausfälle. Bei der klinischen und röntgenologisch-sonografischen Untersuchung fänden sich hinsichtlich der geklagten Beschwerden an der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) in etwa adäquate pathologische Substrate. Die zeitweiligen Schulterschmerzen links seien "hingegen weniger eindeutig zu belegen". Als Diagnosen lägen vor:

Zervikobrachialsyndrom links.

Chronisch-rezidivierendes Lumbalsyndrom.

Capsulitis linkes Schultergelenk.

Insgesamt sei die Klägerin aus orthopädischer Sicht zwar erwerbsgemindert, aber in der Lage, eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit vollschichtig auszuführen. Möglich seien Arbeiten jeweils zeitweise im Stehen, Gehen oder Sitzen unter Berücksichtigung von Einschränkungen in Bezug auf den Bewegungs-/Haltungsapparat.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2007 als unbegründet zurück. Sie sei noch in der Lage, sechs Stunden und mehr täglich leichte Arbeiten unter Witterungsschutz, ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft, starke Temperaturschwankungen, Heben/Tragen von Lasten, Zwangshaltungen und ohne Überkopfarbeiten zu verrichten. Die Klägerin sei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, da sie in ihrem Hauptberuf als Kantinenhilfe der Gruppe der Ungelernten im Sinne des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (BSG) zuzuordnen sei.

Mit ihrer am 12. November 2007 bei dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie sei aus gesundheitlichen Gründen derart eingeschränkt, dass sie nicht mehr drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Sie habe starke Schmerzen in der linken Schulter und in beiden Füßen und könne die linke Schulter nicht anheben. Das bedeute auch, dass die Beweglichkeit des Armes stark eingeschränkt sei.

Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte eingeholt. Die praktische Ärztin Dr. R. hat in ihrem Befundbericht vom 18. Dezember 2007 angegeben, eine wesentliche Veränderung der Beschwerden der Kläger sei während des Behandlungszeitraums (5. Oktober 2006 bis 26. November 2007) nicht eingetreten. Trotz mehrfacher Versuche mit verschiedenen Schmerzmedikamenten, Neuropathiepräparaten und Antidepressiva zur Schmerzdistanzierung sei keine Besserung eingetreten. Aus dem beigefügten Entlassungsbericht des Klinikums B. vom 7. Juni 2007 ist zu entnehmen, bei der Klägerin lägen Somatisierungsstörungen mit Schmerzen in der gesamten linken Körperhälfte, mit intermittierenden Parästhesien und subjektivem Schwächegefühl linksseitig, ein HWS-Syndrom und Adipositas vor. Als Entlassungsmedikation ist angegeben: Metamizol (3 x 20 Tropfen), Etoricoxib 60 mg (1 x 1) und Tramadol 100 "bei Bedarf". Die Klägerin habe bei der Krankenhausaufnahme leicht depressiv gewirkt. Die durchgeführten radiologischen Untersuchungen der HWS und des Schädels hätten einen völlig unauffälligen Befund gezeigt. Die HWS-Symptomatik sei mit physiotherapeutischen Maßnahmen sowie einer Schmerztherapie behandelt worden. Bereits ein Jahr zuvor sei wegen identischer Beschwerden eine ausführliche Diagnostik einschließlich einer Magnetresonanztomografie (MRT) der gesamten Wirbelsäule erfolgt, die einen völlig unauffälligen Befund ergeben hätte. Bei Verdacht auf eine psychosomatische Komponente sei eine symptomatische Therapie der Beschwerden empfohlen worden. Ebenfalls sei von einem Invalidenrentenbegehren berichtet worden. Ggf. sei eine Anbindung an einen Psychologen oder einen nervenärztlichen Kollegen angeraten. Aus dem Befund der Gemeinschaftspraxis Sch. u.a. vom 17. September 2007 über die am 4. September 2007 durchgeführte MRT ergibt sich in der Beurteilung ein flacher, breitbasiger rechtsbetonter Prolaps in Höhe C 5/6 und eine Dorsalprotrusion der Bandscheiben in Höhe C 3/4, C 4/5 und C 6/7, ohne Hinweis auf eine intraspinale Demyelinisierung. Insgesamt ergebe sich im Vergleich zu den Voraufnahmen vom 6. März 2006 keine signifikante Änderung. Aus dem Arztbericht des Facharztes für Radiologische Diagnostik Sch. vom 15. Mai 2007 ist ein regelrechter Thoraxbefund bei der Klägerin zu entnehmen mit gleichbleibendem Status im Vergleich zur Voruntersuchung am 27. Januar 2005. Nach seinem Befundbericht vom 1. April 2008 hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. als Befunde eine leichte Taubheit (Hypästhesie) am linken hinteren Oberschenkel/der linken Wade und eine leichte HWS- und LWS-Blockierung mit der Hauptdiagnose Zervikal- und Lumbalsyndrom erhoben. Es habe sich keine wesentliche Änderung der Befunde ergeben; die Klägerin fühle sich aber behindert.

Das Sozialgericht hat sodann ein Gutachten von Dr. B., Chefarzt der Klinik für Neuro- und Wirbelsäulenchirurgie des Klinikums M., vom 8. September 2008 eingeholt. Die Klägerin habe sich bei der Untersuchung aufgeweckt und kooperativ, ohne Anhalt für eine Aggravation, Simulation oder Dissimulation gezeigt. Es bestehe eine sehr deutliche Adipositas. Die Charakteristik der von der Klägerin angegebenen Schmerzen müsse als chronifiziert/neuropathisch eingeschätzt werden. Es hätten sich keine neurologischen Abweichungen gezeigt. Die Hirnnervenfunktion, Motorik, Muskelspannung und Kraftentwicklung in Armen und Beinen seien regelgerecht und das Gangbild frei gewesen. Die Muskeleigenreflexe seien seitengleich allseits erhältlich gewesen, ohne objektivierbare Störungen der Oberflächen- und Tiefensensibilität. Die großen Gelenke und die Wirbelsäule seien in allen Ebenen frei beweglich gewesen. Bei diesen Untersuchungen sei von der Klägerin ein stechender Schmerz, welcher vom Becken bis zur Schulter gereicht habe, angegeben worden. Der psychopathologische Befund sei regelgerecht gewesen. Zusammenfassend bestehe eine erhebliche Diskrepanz zwischen den über Jahre vorgetragenen subjektiven Beschwerden und den objektivierbaren körperlichen und apparativen Untersuchungsbefunden. Dabei ergebe sich auch bei interpersoneller Beurteilung im Rahmen wiederholter gutachterlicher Untersuchungen, dass keine psychopathologische Auffälligkeit zu verzeichnen gewesen sei, sodass sich kein Anhalt für eine Aggravation oder Simulation ergeben habe. Die Entwicklung der Beschwerdesymptomatik, die Ausgestaltung und die nosologische Zuordnung erlaube gegenwärtig ausschließlich, von einem chronifizierten neuropathischen Schmerz-/Dysästhesie-Komplex auszugehen, wobei eine strenge wissenschaftliche Zuordnung und Erklärung trotz umfangreicher diagnostischer Maßnahmen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich gewesen sei. Die bildmorphologisch erhobenen Befunde seien nicht ausreichend, um hier eine Korrelation zwischen diesen und der körperlichen Beeinträchtigung herzustellen. Insgesamt ergebe sich zudem keine Progredienz der Beschwerden. Bei eindeutig fehlender diagnostischer Zuordnung erscheine gegenwärtig eine medikamentöse, operative, physiotherapeutische oder psychosomatische Therapie als wenig aussichtsreich. Die Frage "Welche Krankheiten, Gebrechen oder Schwächen der körperlichen oder geistigen Kräfte liegen bei der Klägerin vor?" ist beantwortet: "Es besteht ein subjektives Beschwerdebild mit brennenden Missempfindungen der linksseitigen Rumpfregion, wobei eine ätiologische Zuordnung, nach Überzeugung des Gutachters, gegenwärtig nicht eindeutig möglich ist." Es sei davon auszugehen, dass diese Beschwerden seit Rentenantragstellung in etwa gleichbleibend vorgelegen hätten, dauernd vorlägen und wenig Aussicht bestehe, dass sie sich in einem Zeitraum von zwei Jahren wesentlich bessern würden. Es ergäben sich im normalen Erwerbsleben keine Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit der Klägerin. Die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch ihre Beeinträchtigung als erheblich eingeschränkt anzusehen; er empfehle "für einen Zeitraum von zunächst zwei Jahren von [einer] ausgeschlossenen regelmäßigen Erwerbstätigkeit auszugehen, da auf Grund der geschilderten Beeinträchtigung ein ungestörtes Erwerbsleben gegenwärtig als aussichtslos erscheint". Für einen Zeitraum von vorgeschlagenen zwei Jahren werde der Klägerin allenfalls eine leichte körperliche Tätigkeit zuzumuten sei, wobei auf Grund der fehlenden beruflichen Qualifikationen sowie des intellektuellen Profils einfache Arbeiten infrage kämen. Arbeiten, welche in zeitweisem Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen verrichtet werden könnten, seien zumutbar. Gegenwärtig, mit einem vorgeschlagenen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren, seien nicht möglich Arbeiten unter Zeitdruck (im Akkord, am Fließband), in Wechselschicht, in Zwangshaltung, mit häufigem Bücken, Knien, häufigem Heben/Tragen/Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel und Arbeiten unter stärkerer klimatischer Beanspruchung.

Die Fragen zu IV. der Beweisanordnung des Sozialgerichts vom 17. Juni 2008 sind wie folgt gestellt und beantwortet:

Kann d. Kläg. unter Berücksichtigung der Einschränkungen zu III. noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich an 5 Wochentagen arbeiten?

Unter Berücksichtigung der Einschränkung, entsprechend Punkt III, kann die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegenwärtig allenfalls 4 Stunden an 5 Wochentagen arbeiten, wobei keine besonderen Pausen erforderlich wären. Leichte Beschäftigungen wie Sortierarbeiten oder Büroarbeiten, überwiegend im Sitzen, könnten ausgeübt werden, eine besondere Regelung der Ruhepausen ist dabei nicht einzuhalten.

Falls d. Kläg. täglich mindestens 6 Stunden arbeiten kann:

Muss d. Kläg. außer einer halbstündigen Arbeitspause (bzw. 2 Arbeitspausen von je 15 min., vgl. § 4 Arbeitszeitgesetz) während der mehr als 6-stündigen Arbeitszeit weitere zusätzliche Pausen einlegen? Falls ja, wie viele Pausen, von welcher Dauer und in welcher zeitlicher Verteilung? Aufgrund welcher Befunde?

[keine Antwort unter Bezeichnung dieses Fragepunktes]

Ist d. Kläg. noch in der Lage, eine leichte Beschäftigung - z.B. Sortierarbeiten oder Büroarbeiten - überwiegend im Sitzen mit den üblichen Ruhepausen sechs Stunden und mehr auszuüben?

[keine Antwort unter Bezeichnung dieses Fragepunktes]

Falls d. Kläg. nicht mehr als 6 Stunden, sondern nur noch weniger als sechs Stunden täglich arbeiten kann:

Könnte d. Kläg. [e]ine Beschäftigng unter den zu III. genannten Einschränkungen noch 3-6 Stunden oder unter 3 Stunden ausüben?

[keine Antwort unter Bezeichnung dieses Fragepunktes]

Welche der genannten Erkrankungen hindern d. Kläg. an einer mehr als 6-stündigen Arbeit?

Die im Gutachten genannten Beeinträchtigungen werden dazu führen, dass eine über diesen Zeitraum hinausgehende berufliche Tätigkeit nicht ausgeübt werden wird.

Welche Gründe sind hierfür im Einzelnen maßgeblich?

[keine Antwort unter Bezeichnung dieses Fragepunktes]

Welche gesundheitlichen Folgen wären zu erwarten, wenn von d. Kläg. eine leichte Arbeit von 6 Stunden täglich verlangt würde?

In dem genannten zeitlichen Rahmen und mit der genannten psychophysischen Belastung kann eine leichte Arbeit über den Zeitraum verlangt und geleistet werden.

Der Klägerin sei es zuzumuten, auch mehr als 500 Meter und ohne längere Pausen zu Fuß viermal täglich zurückzulegen. Es sei davon auszugehen, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit seit Oktober 2006 [dem in der Fragestellung genannten Zeitraum] ohne vorübergehende Änderung vorliege.

Die Klägerin hat in Bezug auf das Gutachten von Dr. B. mit Schriftsatz vom 27. November 2008 eine unzureichende konkrete und schlüssig nachvollziehbare Benennung ihrer Leistungsfähigkeit gerügt. Aus dem Gesamtzusammenhang lasse sich nur schlussfolgern, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt und darüber hinaus eine Erwerbstätigkeit nicht möglich sei. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 27. März 2009 ausgeführt, am 9. Dezember 2008 sei ihr durch Dr. B. eine Pumpe in die rechte Schulter zur Rückenmarkstimulation implantiert worden, die keine Besserung der Schmerzen erbracht habe.

Das Sozialgericht hat die Beklagte im Anschluss an diese mündliche Verhandlung mit Urteil vom 27. März 2009 unter Aufhebung des Bescheides vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2007 verurteilt, der Klägerin vom 1. Mai 2007 bis zum 30. April 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei auf vier Stunden täglich gesunken. Die Kammer folge insoweit den überzeugenden Feststellungen von Dr. B., der eine zum gegenwärtigen Zeitpunkt erheblich eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin festgestellt habe. Die im Rahmen des Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahrens eingeholten Gutachten setzten sich demgegenüber nicht genügend mit dem Schmerzsyndrom auseinander. Die Kammer halte eine weitere psychiatrische Begutachtung nicht für erforderlich, da Dr. B. das Bestehen eines Schmerzsyndroms nachvollziehbar belegt habe. Die für die frühere Erwerbsunfähigkeitsrente entwickelten Grundsätze zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes seien weiter anzuwenden, sodass der Klägerin auf Grund eines Leistungsfalls der teilweisen Erwerbsminderung im Oktober 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Mai 2007 bis zum 30. April 2010 zu bewilligen sei.

Gegen das ihr am 22. April 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Mai 2009 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, da sie über ein Leistungsvermögen von sechs Stunden täglich für leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen verfüge. Die von den Gutachtern erhobenen neurologischen, technischen und psychopathologischen Untersuchungsbefunde seien alle unauffällig gewesen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 27. März 2009 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der gesicherten Diagnose "Schmerz-Dysästhesie-Syndrom" handele es sich um neuropathische Schmerzen, die durch sensible Ausfälle und brennende Dauerschmerzen (vor allem in Ruhe), einschließlich Attacken und evozierte Schmerzen gekennzeichnet sei.

Es sind zunächst weitere Befundberichte eingeholt worden. Dr. R. hat in ihrem Befundbericht vom 18. Dezember 2009 angegeben, eine deutliche Änderung der Befunde sei nicht eingetreten. Es liege ein ständiger Wechsel der Schmerzproblematik zwischen dem Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) und der LWS vor. Aus dem beigefügten und von Dr. B. unterzeichneten Entlassungsbericht des Klinikums M. vom 8. Dezember 2008 über die dort vom 18. bis zum 26. November 2008 durchgeführte stationäre Behandlung und dem Arztbericht dieser Einrichtung vom 9. Dezember 2010 ergibt sich eine ambulante Implantation eines Itel3-Stimulators rechts pectoral. Nach dem Arztbericht des Universitätsklinikums H. vom 16. Oktober 2009 hat sich nach einer bildwandlergestützten Thermokoagulation des linken Iliosakralgelenks im Jul 2009 eine anhaltende Linderung der beklagten Lumboischialgien eingestellt, die sich qualitativ darin äußere, dass der Klägerin das Treppensteigen wieder möglich sei. Beschwerden bestünden noch durch das im November 2008 implantierte System zur rückenmarksnahen Neurostimulation, für die eine weitere Nachsorge von der implantierenden Einrichtung abgelehnt worden sei. In dem Bericht der Gemeinschaftspraxis Dr. S. u.a. vom 4. Juni 2009 wird eine signifikante Änderung im Vergleich mit den Voraufnahmen vom 4. September 2007 verneint. Im Übrigen haben der Facharzt für Neurologie/Nervenheilkunde Kappen und das Universitätsklinikum H. Befundberichte vom 21. Dezember 2009 und vom 22. Februar 2010 erstattet; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf Bl. 173 f. und Bl. 176 f. Bd. I der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Klägerin hat dem Senat einen Arztbrief der Fachärztin für Orthopädie, Chirotherapie Dipl.-Med. W. vom 3. Mai 2010 übersandt, aus dem als Befund normale Schwingungen der Wirbelsäule ohne wesentliche Bewegungseinschränkung oder motorische Ausfälle zu entnehmen sind. Am linken Bein zeigten sich deutliche Sensibilitätsstörungen. Die rechte Schulter sei vollkommen frei beweglich mit neuritischen Schmerzen im Nacken und am Oberarm. Nach dem ebenfalls übersandten Berichten des Universitätsklinikums H. vom 4. April und 16. Oktober 2010 war die Klägerin bei der Untersuchung am 18. März 2010 nach ihren Angaben von lumbaler Seite nahezu beschwerdefrei. Beim Treppensteigen träten Lumbalgien ohne radikuläre Ausstrahlung, bei Elevation und Adduktion ausgeprägte Schmerzen in der rechten Schulter auf.

Der Senat hat schließlich ein Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 6. November 2010 eingeholt. Ihren Ausführungen zu der Vorbegutachtung durch Dr. B. ist zu entnehmen, dass sie dessen Feststellungen dahin gehend verstanden hat, unter Berücksichtigung der Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien für die Klägerin gegenwärtig allenfalls Arbeiten von vier Stunden an fünf Wochentagen als zumutbar erachtet worden. Eine medikamentöse Behandlung erfolge mit Gabapentin 300 (3 x 1), Versatis 5 % Pflaster alle zwölf Stunden, Norspan 5 Pflaster alle sieben Tage. Bei der Untersuchung sei nur das Norspan-Pflaster geklebt gewesen. Krankengymnastik sei zuletzt im Sommer 2009 durchgeführt worden. Die Klägerin habe angegeben, unter leichten Kopfschmerzen bei Lageveränderung und stärkeren Kopfschmerzen drei- bis viermal im Monat (über Stunden anhaltend) zu leiden. Paracetamol 500 mg, das sie einmal pro Woche einnehme, helfe. Bei stärkeren Kopfschmerzen, die einseitig, pulsierend und pochend seien, träten Flimmerskotome und Übelkeit auf. Migränebeschwerden habe sie seit 1999. Sie habe unverändert brennende und teilweise unerträgliche Schmerzen im linken Schulter- und Thoraxbereich und im linken Arm seit Februar 2006, ohne Veränderung der Schmerzsymptomatik durch Therapie. Die Stimulation durch das implantierte System schalte sie wohl in Ruhepausen zwischen 13.00 und 18.00 Uhr an, selten in den Morgenstunden zwischen 7.00 und 10.00 Uhr. Sie habe seit 2008 unverändert Kribbelparästhesien im linken Arm und am 3. bis 5. Finger links. Unter Stimulation bestünden teilweise vermehrte Schmerzen. Sie habe auch Schmerzen im linken Bein, ausstrahlend vom Gesäß bis zu den Zehen, teilweise mit Kribbelparästhesien im 1. bis 4. Zeh, in der rechten Schulter, im rechten Oberarm und im rechten Rippenbogen mit brennendem Charakter. Sie habe Schmerzen in der rechten Brust beschrieben, insbesondere bei Neurostimulation, wobei die Schmerzen ganztägig, die Neurostimulation jedoch nur zeitweise angegeben worden sei. Sie leide unter einem gestörten Schlafverhalten. Im psychopathologischen Befund habe die Klägerin in der Eigenbeurteilung keine depressive Episode, Ängste, Panikzustände oder Suizidalität angegeben. Psychisch fühle sie sich ausgeglichen.

Die Klägerin befinde sich ein einem guten Allgemein- und deutlich adipösen Ernährungszustand. Ihr Gangbild sei flüssig mit regelgerechten Gang- und Standproben gewesen. In der neurologischen Untersuchung hätten sich ein sensomotorisches Defizit, Paresen oder eine Sensibilitätsstörung nicht gezeigt. Im psychischen Befund sei nur das Umstellungs- und Anpassungsvermögen auf Grund der leicht unterdurchschnittlichen intellektuellen Befähigung (IQ von 88) diskret eingeschränkt, mit Problemen beim flüssigen, schnellen und sinnerfassenden Lesen, beim Schreiben und Rechnen. Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen seien keinesfalls vorhanden. Die Klägerin habe ein recht stabiles Selbstwertgefühl mit der Fähigkeit in Kontakt zu anderen Menschen zu treten und die Tagesstrukturierung aufrecht zu erhalten. Ausgeprägt sei ihr Festhalten an der körperlichen Symptomatik. Als Diagnose liege seit Februar 2006 am ehesten eine Somatisierungsstörung vor, die chronifiziert sei und neuropathischen Charakter habe. Die von der Klägerin nun angegebenen Kopfschmerzen seien keinesfalls als leistungsmindernd zu beschreiben. In der Zusammenschau aller vorliegenden Befunde, insbesondere des neurochirurgischen Vorgutachtens, sei eine seit Februar 2006 unveränderte Beschwerdesymptomatik festzustellen. Zu keinem Zeitpunkt seien eine neurologische Symptomatik bzw. sensorische oder motorische Ausfälle dokumentiert worden. Die beschriebenen Kopfschmerzen bzw. Parästhesien im linken Arm, zeitweise auch die beschriebenen Schmerzen im linken Gesäß und Beinbereich, seien als glaubhaft anzunehmen; eine Migräne sei durchaus wahrscheinlich. Mit Sicherheit bestehe eine Schmerzproblematik mit einer chronifizierten Fixation auf dieses Beschwerdebild. Das psychische Leistungsvermögen der Klägerin innerhalb einfacher Tätigkeiten, ohne Zeitdruck, Fließband- bzw. Akkordarbeit, sei mit sechs Stunden und mehr zu benennen mit einer Ausdauer für eine Tätigkeit auf jeden Fall für bis zu vier Stunden. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Einschränkung des psychischen Leistungsvermögens bestanden. Seitens der körperlichen Tätigkeit sei auf Grund der chronifizierten Somatisierungsstörung bei neuropatischem Schmerz das Leistungsvermögen zwischen vier und sechs Stunden täglich "auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Konkurrenzbedingungen", ohne Arbeiten mit schwerem Heben/Tragen, auf Gerüsten bzw. Leitern, mit Zwangshaltungen, häufigem Bücken, Knien und ohne Arbeiten mit einem Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel zu beschreiben. Einfache körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Stehen und Gehen, vorwiegend im Sitzen mit Einschränkungen der genannten Bereiche könnten von der Klägerin abgeleistet werden. Sie sollte nicht an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten, im Schichtsystem, unter Einwirkung von Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe und nicht im Freien arbeiten. Sie könne eine leichte Sortier- oder Büroarbeit vier bis sechs Stunden täglich an fünf Wochentagen verrichten. Eine Tätigkeit von mehr als sechs Stunden könne sie mit Sicherheit nicht verrichten, da länger anhaltendes Sitzen zur Verstärkung der Beschwerdeproblematik führen würde. Die Klägerin könne beide Hände voll gebrauchen; ihre Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Nicht möglich sei ihr auf Grund des eingeschränkten Umstellungsvermögens eine Tätigkeit mit häufigem Publikumsverkehr und häufigen Telefonaten. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Die Fixation auf das Beschwerdebild sei mit zuzumutender Willensanspannung innerhalb von sechs Monaten in dem beschriebenen Ausmaß der zeitlichen Arbeitsbelastung zu überwinden. Weitergehende therapeutische Maßnahmen seien nicht zu empfehlen. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten und der regelgerechten Untersuchungsbefunde bestehe die Minderung der Leistungsfähigkeit unverändert seit Februar 2006 bis zum jetzigen Zeitpunkt. Sie weiche nicht von der Leistungsbeurteilung in den früheren Gutachten ab.

Die Klägerin hat ausgeführt, die zeitlichen Einschätzungen im Gutachten von Dr. S. seien ihrer Auffassung nach nicht konstant. Die erhobenen Befunde in der Akte seien veraltet und entsprächen nicht mehr ihrem tatsächlichen Gesundheitszustand.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senats erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Mit Einverständnis der Beteiligten hat der Berichterstatter anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Mai 2007 bis zum 30. April 2010 bejaht. Der angefochtene Bescheid ist auch bezogen auf einen Rentenanspruch der Klägerin für diesen Zeitraum rechtmäßig und verletzt sie deshalb nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Gemäß § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter diesen Bedingungen mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Dabei ist die Grenze von (genau) sechs Stunden durch den Gesetzgeber vorgegeben und bedingt damit eine Abgrenzungsentscheidung, für die nicht eine Begründung nach Minuten, die die Klägerin für notwendig erachtet, gefordert werden kann. Die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes werden durch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten charakterisiert (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 1/94 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 23). Es kommt insbesondere nicht auf die "Wettbewerbsfähigkeit" des betroffenen Versicherten unter "Konkurrenzbedingungen" an. Denn diese Einordnung hängt wesentlich von der Arbeitsmarktlage ab, die - wie in § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt - nicht Maßstab der Erwerbsminderung ist.

Die Klägerin war in dem hier allein maßgebenden Zeitraum von Oktober 2006 bis April 2010 noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten, vorwiegend im Sitzen, ohne Zwangshaltungen, ein Heben/Tragen/Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, häufiges Hocken, Knien oder Bücken, ohne Einwirkung von Kälte, Nässe und Zugluft und ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten zu verrichten. Die Gebrauchsfähigkeit ihrer Finger und Hände ist nicht wesentlich beeinträchtigt. Möglich sind ihr noch Arbeiten mit geistig einfachen Anforderungen, geringen Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und durchschnittlichen Anforderungen an Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit.

Dieses Leistungsbild ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen in den Gutachten von Dr. B. vom 8. September 2008, von Dr. Z. vom 26. Februar 2007 und von Dr. W. vom 27. Juni 2007, die durch die Feststellungen in dem - vor dem hier maßgebenden Zeitraum erstellten - Gutachten des Amtsärztlichen Dienstes vom 19. September 2006 und dem - nach dem hier maßgebenden Zeitraum erstellten – Gutachten von Dr. S. vom 6. November 2010 gestützt werden.

Soweit Dr. B. zwischen den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und leichten Sortier- und Büroarbeiten differenziert hat, ist die Einschätzung für die zuletzt genannten Arbeiten maßgebend. Für dieses hat Dr. B. in seinen Antworten zu der Frage IV 3d) eindeutig eine noch gegebene Einsatzfähigkeit der Klägerin für Arbeiten im Umfang von sechs Stunden täglich bejaht.

Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen bei der Klägerin degenerative Veränderungen der Wirbelsäule in Form eines Zervikobrachialsyndroms und eines chronisch-rezidivierenden Lumbalsyndroms, die sich im Rahmen der körperlichen und bildgebenden Untersuchungen haben objektivieren lassen. Daraus ergibt sich die Einschränkung des körperlichen Leistungsvermögens auf leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten oder überwiegend im Sitzen, ohne Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten und sonstige besondere Belastungen für die Wirbelsäule oder Gelenke. Darüber hinausgehende körperliche Defizite mit wesentlichen Auswirkungen auf das Leistungsvermögen der Klägerin sind von keinem Sachverständigen festgestellt worden. Die von der Klägerin dargelegten Beschwerden im Bereich des Schultergelenks, die von Dr. W. einer Capsulitis zugeordnet wurden, führen insbesondere nicht zu einer relevant herabgesetzten Gebrauchsfähigkeit der Hände.

Ein auffälliger neurologischer Befund ist von sämtlichen Gutachtern ausdrücklich verneint worden.

Ein krankhafter psychiatrischer Befund ist von Dr. S., die vom Senat auf Grund der von Dr. B. insoweit für erforderlich gehaltenen weiteren Abklärung des Sachverhalts mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden ist, in Übereinstimmung mit dem im Rahmen des Widerspruchsverfahrens tätig gewordenen Fachgutachter Z. verneint worden.

Die von der Klägerin bereits gegenüber dem Gutachter Z. dargestellte gravierende Schmerzproblematik kann für sich genommen die Feststellung eines aufgehobenen Leistungsvermögens nicht rechtfertigen. Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die Schmerzen von keinem Sachverständigen einem konkreten Erkrankungsbild zugeordnet werden können. Eine Simulation der Klägerin ist von Dr. B. und Dr. S. als nicht nahe liegend angegeben worden, von dem Gutachter Z. aber als Verdacht angeführt worden. Von sämtlichen Gutachtern ist indes eine erhebliche Diskrepanz zwischen den von der Klägerin vorgetragenen subjektiven Beschwerden und den objektivierbaren körperlichen und apparativen Befunden angegeben worden. Von dem Klinikum B. ist in dem Entlassungsbericht vom 7. Juni 2007 vor dem Hintergrund eines völlig unauffälligen Befundes auch auf den Gesichtspunkt des "Invalidenrentenbegehrens" hingewiesen worden. Nicht von der Hand zu weisen sind gewisse Inkongruenzen in der Darstellung der Klägerin zur Stimulationstherapie. Erhebliche Abweichungen finden sich auch zur Schmerzmittelversorgung der Klägerin während des hier maßgebenden Zeitraums. In Bezug auf diese Punkte scheint es der Klägerin auch schwer zu fallen, den maßgebenden Sachverhalt wiederzugeben. Auf der anderen Seite ist die als Beleg einer Glaubhaftigkeit der objektiven Beeinträchtigung der Klägerin herangezogene kontinuierliche Wahrnehmung von Behandlungen auch in Abhängigkeit von dem Umfang des Rentenbegehrens zu bewerten, der hier nicht eingeschätzt werden kann.

Nach dem Gutachten von Dr. S. sind Einschränkungen der Klägerin im Hinblick auf die geistig-psychischen Anforderungen der Arbeit zu berücksichtigen. Die eingeschränkte Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit ist vor dem Hintergrund der intellektuellen Fähigkeiten der Klägerin gesehen worden. Diese Fähigkeiten haben in der Vergangenheit aber genügt, um der Klägerin insbesondere eine erfolgreiche Qualifizierung zum Transport- und Lagerfacharbeiter zu ermöglichen.

Die von Dr. S. festgestellten bzw. in Bezug genommenen quantitativen Einschränkungen der Klägerin in ihrer körperlichen Belastbarkeit sind nicht von der insoweit durch das Sozialgericht fehlinterpretierten Feststellung des Fachgutachters Dr. B. zu lösen, der ein Leistungsvermögen "auf dem allgemeinen Arbeitsmarktes" nicht nur leichten körperlichen Arbeiten (unabhängig von der Arbeitsmarktlage) zugeordnet hat.

Folgt man den Ausführungen der Klägerin, wären im Übrigen Verschlechterungen ihres Gesundheitszustandes zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. gegenüber dem Zeitraum bis April 2010 zu berücksichtigen, welche die Relevanz der von Dr. S. ihrer Leistungsbeurteilung zugrunde gelegten körperlichen Befunde weiter relativieren würden.

Bei der Klägerin liegen auch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder ein Seltenheits- bzw. Katalogfall nicht vor, die trotz des Leistungsvermögens von sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für zumindest leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats (GS) des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f. und 35).

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit. Anspruch auf diese Rente haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nach § 240 Abs. 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig ist nach § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Anhaltspunkte für einen Berufsschutz der Klägerin, der Grundlage eines Anspruchs auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit sein könnte, sind bei ihrer hier maßgebenden letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung als Kantinenhilfe nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, die nicht von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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