S 7 R 55/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 R 55/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Beigeladenen, trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer durchgeführten Betriebsprüfung darüber, inwieweit bei der Klägerin tätige Praktikanten der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen oder nicht.

Die Beigeladene ist Studierende der "T G-Schule in F im Fach "Sozialpädagogik". Das Studium der Sozialpädagogik an der T G-Schule F ist stark praxisbezogen aufgebaut und setzt die Zahlung von Studiengebühren voraus.

Bei einer Gesamtdauer des Studiums von 4 Jahren findet an jeweils einem Tag in der Woche das Studium in Form von Vorlesungen und Kleingruppenarbeit statt. Neben diesen 8 Kontaktstunden sind 10 - 14 Stunden Vorbereitungszeit bzw. Nachbereitungszeit einzuplanen. Erforderlich sind daneben zumindest 20 Wochenstunden Einsatz an einem Praktikums - oder Arbeitsplatz im sozialpädagogischen Bereich (in der Regel eine soziale Einrichtung). Ziel des Studiums ist es, das Erlernte direkt in der Praxis umzusetzen und zu erproben. Voraussetzung für die Zulassung an der T G-Schule in F ist die deutsche Fachhochschulreife, Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Bei erfolgreichem Abschluss endet das Studium mit dem Erwerb eines Titels als "Diplom -Sozialpädagogen/in".

Zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung der Beklagten bei der Klägerin (Zeitraum ab 13.11.2006) zahlte die Klägerin wie folgt Praktikumsvergütung an die Praktikanten der T G-Schule F:

1. Jahr ca. 300 Euro 2. Jahr ca. 350 Euro 3. Jahr ca. 400 Euro 4. Jahr ca. 450 Euro Darüber hinaus zahlt die Klägerin in Einzelfällen, bei entsprechender Einstufung im kirchlichen Vergütungssystem (" Tarifvertrag ") 1000 - 1500 Euro.

Im Praktikumsbereich arbeiten die Praktikanten im Durchschnitt 25 Stunden.

Die Beigeladene erzielte als Praktikantin bei der Klägerin ein mtl. Entgelt von mehr als 400 Euro, zuletzt in Höhe von mehr als 900 Euro bei 25 Stunden wöchentlicher "Arbeitszeit".

Ausweislich der in den Akten befindlichen Gehalts - und Sozialversicherungsabrechnung wurde die Beigeladene dort mit dem Zusatz " Beruf Erziehungshelfer " geführt. In dem von der Klägerin formularmässig verwendeten Praktikantenvertrag hiess es: " Durch dieses Praktikumsverhältnis wird kein Arbeitsverhältnis begründet ". An anderer Stelle erfolgte eine ausdrückliche Einstufung in die Vergütungsgruppe IX BAT/KF ( Kirchliche Fassung ) als Mitarbeiterin in der Erziehungshilfe. In § 5 des Vertrages wurden die Ausbildungsleistungen der Klägerin näher beschrieben. Dort heisst es wörtlich: " Die Evgl. Jugendhilfe N gGmbH erklärt, nach ihren Gegebenheiten grundsätzlich in der Lage zu sein, Erfahrungen und Kenntnisse vermitteln zu können. Die Evgl. Jugendhilfe N gGmbH verpflichtet sich: a) bei der Durchführung der Ausbildung mit der Universität bzw. mit deren Beauftragten zusammenzuarbeiten ... "

Die Beklagte trat in eine inhaltliche Überprüfung der Versicherungspflicht aus Anlass ihrer Betriebsprüfung bei de Beklagten ein und vertrat in einem internen Vermerk die Auffassung, die "F-Praktikanten" seien wesentlich in den Betriebsablauf der Klägerin eingegliedert gewesen. Daneben sei die Arbeitnehmerposition auch dadurch zu erkennen, das die Notwendigkeit des Urlaubsantrages, des Einreichens einer AU-Bescheinigung, die Absolvierung einer Probezeit bestehe. Im übrigen stehe die Arbeit und nicht das Studium im Vordergrund, da die Praktikumszeit 25 Stunden in der Woche umfasse. Nach wertender Betrachtung seien die Praktikanten Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 21.2.2007 hörte die Beklagte die Klägerin zu dieser Rechtsauffassung an und teilte mit, für die Praktikanten werde ein Nachforderung von insgesamt 110.085,44 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen erhoben.

Hierzu vertrat die Klägerin weiterhin die Auffassung, die Praktikanten seien versicherungsfrei, da sie keine Arbeitnehmer seien.

Mit Bescheid vom 30.3.2007 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Praktikanten fest.

Auf den Widerspruch erging der ablehnende Widerspruchsbescheid vom 31.08.2007.

Mit der Klage vom 25.9.2007, abgetrennt durch Beschluss vom 1.10.2007, wendet sich die Klägerin gegen die Heranziehung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die beschäftigten Praktikanten der T G-Schule F. Sie vertritt weiterhin die Auffassung , das die Praktikanten sozialversicherungsfrei seien. Im übrigen sei auch bei Annahme der Richtigkeit der Rechstauffassung der Beklagten die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 30.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2007 insoweit aufzuheben, als die Versicherungspflicht der Beigeladenen hierin festgestellt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im Verwaltungsverfahren.

Im Erörterungstermin am 14.12007 ist die Sach - und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.8.2007 die Versicherungspflicht der Beigeladenen in der Sozialversicherung festgestellt und Sozialversicherungsbeiträge nebst Versäumniszuschlägen erhoben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn die Beigeladene ist in ihrer Tätigkeit als Erziehungspflegerin bei der Klägerin versicherungspflichtig und entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht als Studentin versicherungsfrei.

Nach § 28 p Abs. 1 S.1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle 4 Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen nach S. 5 der genannten Vorschrift im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken -, Pflege -, Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Zur vollen Überzeugung der Kammer hat die Beigeladene während ihrer Praxisphasen der Sozialversicherungspflicht in allen Bereichen der Sozialversicherung unterlegen. Sie ist während der praktischen Arbeit bei der Klägerin Beschäftigte im Sinne von § 7 SGB IV gewesen. In der praktischen Arbeit der Beigeladenen drückt sich eine solche Eingliederung in den Betrieb der Klägerin aus, da die Ausbildungsanteile demgegenüber zurücktreten. Für die Kammer handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 2 SGB IV, bei dessen Ausübung lediglich zusätzlich Ausbildungskenntnisse vermittelt werden. Insgesamt entspricht der Ausbildungsgang der Beigeladenen damit einer betrieblichen Ausbildung und nicht einer durch die universitären Anteile geprägten theoretischen Ausbildung.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Praktika dann Teile des Studiums, wenn sie aufgrund Hochschulrecht oder Fachhochschulrecht unmittelbarer Bestandteil des Studiums sind, weil die Prüfungsordnung der Hochschule dies vorschreibt (BSG in SozR 2200 § 1232 Nr. 26). Daneben muss auch das Praktikum durch die Hochschule geleitet bzw. begleitet werden. Insoweit hat die Kammer sich davon überzeugen können, das die "T G-Schule F" in ihrer Prüfungsordnung zumindest 20 Wochenstunden Einsatz an einem Praxis- oder Arbeitsplatz voraussetzt. Im Fall der Klägerin lagen die wöchentlichen Einsatzstunden bei der Klägerin sogar deutlich über den geforderten Mindeststunden.

Dennoch fehlt es für die Anerkennung der praktischen Tätigkeit der Beigeladenen bei der Klägerin als Teil der universitären Ausbildung an weiteren Umständen. So hat die Klägerin bei allen Studenten der "T G-Schule F" einen Mustervertrag verwendet, der überwiegend Elemente eines Arbeitsvertrages beinhaltet.

Zwar hat die Klägerin zugleich in dem Vertrag darauf verwiesen, das dieser Vertrag kein Arbeitsverhältnis begründen solle, doch wird dies an anderer Stelle durch Anforderungen wie an einen Arbeitnehmer durchbrochen. So wird der Praktikantin ausdrücklich eine Einstufung in den kirchlichen "Tarifvertrag" zugewiesen, die sich im Übrigen auch auf den Vergütungsabrechnungen wiederfindet. Daneben wird den Praktikanten abverlangt Urlaub zu beantragen, in Krankheitsfällen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzureichen und vor allem zu Beginn eine Probezeit zu absolvieren.

Für die Kammer sprechen sämtliche aufgeführten Punkte gegen ein durchgeführtes Praktikum und doch für eine arbeitnehmerähnliche Eingliederung in den Betrieb. Gerade die Planbarkeit des Arbeitseinsatzes der Beigeladenen verlangt sicherlich die Beantragung von Urlaub, die Einreichung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die Durchführung einer Probezeit, aber genau diese Punkte widerlegen zugleich die Vermutung eines Praktikums. Das Wesen eines Praktikums ist, das die Ausbildung derart prägend im Vordergrund steht, das keine volle Arbeitsleistung erwartet wird, mag sie auch manchmal durch Praktikanten erbracht werden.

Wenn dem Praktikanten eine solche Vielzahl von Arbeitnehmerpflichten abverlangt werden, spricht dies im Umkehrschluss auch für die Abverlangung von Arbeitnehmerleistung, die den Rahmen üblicher Anforderungen an Praktikanten eindeutig übersteigt. Offensichtlich drückt sich in der vertraglichen Vereinbarung aus, das die Klägerin die Praktikanten als Ersatz regulärer Arbeitskräfte in ihren Betrieb eingliedert, da ansonsten die Pflichten der "Praktikanten" nicht so ausführlich geregelt worden wären.

Diese Auffassung der Kammer kann durch die eher dürftige Bezugnahme im Arbeitsvertrag, auf den Ausbildungszweck und die hierzu erklärte Bereitschaft "Erfahrungen und Kenntnisse zu vermitteln", nicht überzeugend widerlegt werden. In der Gesamtschau wirken diese Bezugnahmen auf die Ausbildung und das Praktikum inhaltsleer und formelhaft. Es drückt sich eine tiefgehende Bereitschaft zur Erbringung von Ausbildungsleistungen durch die Klägerin in dem geschlossenen Vertrag gerade nicht aus. Aufgrund der Umstände dieses Sachverhaltes sieht die Kammer die Beigeladene in ihren Praktikumszeiten als in den Betrieb der Klägerin eingegliedert an. Es fehlt an einem prägenden inneren Zusammenhang zwischen Umfang und Intensität der praktischen Tätigkeit der Beigeladenen und der Ausbildung an der Hochschule. Mithin unterliegt die Beigeladene in ihren "Praktikumszeiten" der Versicherungspflicht in der gesamten Sozialversicherung.

(2) Ein anderes Ergebnis vermag die Kammer auch nicht durch die universitären Anteile der Ausbildung der Beigeladenen zu gewinnen. Zwar sieht die Ausbildungsordnung der "T G-Schule F" 8 Stunden (Kontaktstunden) an der Hochschule selber vor, zuzüglich 10 - 14 Stunden Vorbereitungszeit bzw. Nachbereitungszeit, aber auch dies führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn bereits die zeitliche Gewichtung zwischen theoretischem Unterricht und praktischer Arbeit ergibt ein Überwiegen der Arbeitsanteile. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage der Versicherungspflicht von Werkstundenten (BSGE 44,165) wurde immer die Frage des Umfangs der praktischen Arbeit als "Beweiszeichen" für oder gegen eine Versicherungspflicht angesehen.

So wurde in zahlreichen Entscheidungen dem zeitlichen Überwiegen der praktischen Anteile einer Ausbildung die Annahme einer Versicherungspflicht zugesprochen. Diese Rechtsprechung macht sich die Kammer zu Eigen und überträgt sie auf den vorliegenden Fall. Dies führt auch zu der Feststellung, das die universitäre Ausbildung so deutlich gegenüber der "Praktikumsphase" zurücktritt, das von einer Versicherungsfreiheit nicht mehr ausgegangen werden kann.

Rechtlich zutreffend hat die Beklagte daher die angefochtenen Bescheide erlassen. Eine Fehlerhaftigkeit kann nicht festgestellt werden.

Hinsichtlich der ebenfalls erhobenen Versäumniszuschläge ist die Klägerin darauf hinzuweisen, das die herangezogene Auskunft der Krankenkasse, Versicherungspflicht der "Praktikanten" sei nicht gegeben, rein rechtlich nicht von dieser Zahlungsverpflichtung freistellt. Es hätte im Rahmen der ordnungsgemäßen Überprüfung der Sozialversicherungspflicht nahe gelegen eine Auskunft der zuständigen Rentenversicherung einzuholen. Dies ist unterblieben und kann im Rahmen des Klageverfahrens nicht von der Klägerin exculpierend vorgebracht werden.

Dennoch ist in Anbetracht des rechtlich nicht einfach gelagerten Sachverhaltes die Beklagte nicht gehindert, über die Frage der Erhebung von Säumniszuschlägen erneut zu befinden. Hierbei könnte die bisher ungeklärte Rechtsfrage der Versicherungspflicht der "Praktikanten" der "T G-Schule F" noch einmal in Bezug auf die Erhebung von Säumniszuschlägen berücksichtigt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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