L 5 KR 956/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 2612/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 956/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01. Februar 2011 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auf 10.615,79 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Beitragsnachforderung in Höhe von EUR 10.615,79. Umstritten ist, ob der Beigeladene Nr. 1 für den Kläger als selbstständiger Kurierfahrer oder als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer im Zeitraum 01.05.2006 bis 31.05.2008 tätig war.

Der Kläger betreibt einen Kurierdienst zur Distribution von Werbe- und Medienartikeln (Gewerbe-Ummeldung vom 23.11.2006). Er ist insbesondere im Auftrag der D. K. Z. GmbH tätig, welche als Dienstleistungsunternehmen neben der täglichen Zustellung von Zeitungen und Briefen auch die Zustellung von Gemeindeblättern, Prospekten, Katalogen und Warenproben durchführt. Diese Gesellschaft ist ein Tochterunternehmen des S. K. in K ... Für den Kläger fuhren Ende 2007 26 Aushilfsfahrer auf der Basis von geringfügigen Beschäftigungen

Der 1961 geborene Beigeladene Nr. 1 ist gelernter Maler und war bis 30.04.2003 arbeitslos. Unter dem 25.03.2003 meldete er ein Gewerbe für Kleintransporte, Kurierfahrten, Hausmeisterservice und Schönheitsreparaturen (keine Durchführung von handwerklichen Tätigkeiten) an. Die Aufnahme dieser selbstständigen Tätigkeit wurde von der damaligen Bundesanstalt für Arbeit mit Bescheid vom 08.05.2003 ab 01.05.2003 mit einem Existenzgründungszuschuss in Höhe von EUR 600,00 monatlich gefördert. Weil der Beigeladene Nr. 1 nach eigenen Angaben die Kosten für eine Transportversicherung nicht aufbringen konnte, meldete er sein Gewerbe am 09.10.2003 um und beschränkte seine gewerbliche Tätigkeit auf den Hausmeisterservice. Die Gewährung des Existenzgründungszuschusses wurde in der Folge bis 30.04.2006 verlängert. Für den Beigeladenen Nr. 1 bestand bis dahin Versicherungspflicht als Bezieher eines Existenzgründerzuschusses. Da er seine Beiträge zur Rentenversicherung - angeblich wegen einer notwendigen Reparatur seines eigenen Kraftfahrzeugs (Bl. 32 der Akten der AA) - nicht entrichtete, enthält die vom Senat beigezogene Akte der Arbeitsagentur L. mehrere Verrechnungsersuchen der DRV BW.

Ab Februar 2005 führte der Beigeladene Nr. 1 für den Kläger Kurierfahrten durch. Die Beteiligten gingen dabei nach eigenen Angaben von einer selbstständigen Tätigkeit aus. Das Auto stellte der Kläger dem Beigeladenen Nr. 1 zur Verfügung, und kam auch für die Spritkosten auf. Auf der Basis eines Stundenlohns von EUR 7,20 (bis 25.07.2006) bzw. EUR 8,20 (von 8/06 bis 12/06) und ab 01.01. 2007 von EUR 9,20 stellte der Beigeladene Nr. 1 dem Kläger folgende Beträge in Rechnung:

Jahr Monat Stundenzahl Betrag EUR 2006 Mai 121 871,20 2006 Juni 159 1.148,40 2006 Jul 142,5 1.026,00 2006 August 171 1.402,20 2006 September 176,5 1.447,30 2006 Oktober 111 910,20 2006 November 114,5 938,50 2006 Dezember 145 1.189,00

Jahr Monat Stundenzahl Betrag EUR 2007 Januar 101 929,20 2007 Februar 80 736,00 2007 März 148 1029,00 2007 April 94,5 869,40 2007 Mai 115,5 1062,60 2007 Juni 123 1131,60 2007 Juli 133 1.223,60 2007 August 133 1.223,60 2007 September 102 938,40 2007 Oktober 108,5 998,20 2007 November 119 1.094,80 2007 Dezember 102,5 943,50

Jahr Monat Stundenzahl Betrag EUR 2008 Januar 96,5 887,80 2008 Februar 115 1.058,00 2008 März 121 1.113,20 2008 April 122 1.122,40 2008 Mai 19,5 179,40

Mehrwertsteuer wurde nicht berechnet, weil der Beigeladene Nr. 1 als Kleinunternehmer mit Umsätzen von weniger als 17.500,00 der Umsatzsteuer nicht unterfällt (vgl. Aussage des Steuerberaters F. vor dem SG am 01.02.2011). Für den Beigeladenen Nr. 1 wurden Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt. Der Beigeladene Nr. 1 war daneben mit seinem eigenen Kraftfahrzeug, einem kleinen VW-Bus, für eine Firma Sp. tätig, der er pro Stunde EUR 8,50 plus 30 Cent pro gefahrenen Kilometer in Rechnung stellte. Darüber hinaus arbeitete der Kläger als Handwerker bzw. Hausmeister für verschiedene Personen, die ihn aufgrund seiner früheren Tätigkeit noch kannten.

Gegenüber dem Hauptzollamt L. gab der Beigeladene Nr. 1 an (Vernehmungsprotokoll vom 16.6.2008), er habe Zeitungen und Werbemedien ausgeliefert. Die Zeitungen seien immer Dienstagnacht auszuliefern gewesen, bei den anderen Werbemedien sei immer zu unterschiedlichen Zeiten (meistens jedoch donnerstags oder freitags) die Auslieferung erfolgt. Ein Subunternehmervertrag sei nicht geschlossen worden. Er sei immer allein gefahren, Angestellte habe er nicht. Auch habe er kein eigenes Firmenlogo, sein eigenes Büro sei der Schreibtisch in seiner Wohnung. Er habe bei den Aufträgen des Klägers zeitliche Vorgaben insoweit gehabt, als die gesamten Medien alle bis spätestens Samstag 12.00 Uhr ausgeliefert sein mussten. Außerdem habe es einen Tourenplan gegeben, der unbedingt habe eingehalten werden müssen. Einmal sei er krank gewesen, er habe dann den Kläger angerufen, dass er nicht fahren könne. Die Arbeitsstunden habe er selbst erfasst und diese in einen Rapportzettel übertragen. Den Rapportzettel habe er am Monatsende mit der Rechnung dem Kläger vorgelegt. Die betrieblichen Nebenkosten habe der Kläger gezahlt. Der Kläger habe eigene Fahrzeuge und eigene Fahrer. Seit Mai 2008 arbeite er nicht mehr für die Firma B., weil diese ihm Rechnungen in Höhe von EUR 3.000,00 nicht bezahlt habe.

Der Kläger gab gegenüber der gleichen Ermittlungsbehörde an, ein Vertrag mit dem Beigeladenen Nr. 1 sei nie geschlossen worden. Für die Benutzung des Fahrzeugs seien beim Beigeladenen Nr. 1 keine Abzüge vorgenommen worden. Reparaturen und anderes habe er bezahlt. Der Beigeladene Nr. 1 habe quasi nur sich verkauft. Grundsätzlich sei es so, dass ein Subunternehmer dieselbe Arbeit verrichte wie jeder andere Arbeitnehmer auch. Einer Fahrerin habe er einmal, als er dringend Fahrer gesucht habe, zehn Euro in der Stunde gezahlt.

Das vom Hauptzollamt L. eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft F. mit Verfügung vom 16.12.2008 bis zum Vorliegen eines sozialgerichtlichen Urteils vorläufig eingestellt.

Mit Bescheid vom 09.12.2008 stellte die Beklagte einen Nachforderungsbetrag von insgesamt EUR 10.615,79 fest. Der Beigeladene Nr. 1 sei im Prüfzeitraum vom 01.02.2005 bis 31.05.2008 in der Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2008 beim Kläger als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer tätig gewesen. Für den Zeitraum vom 01.02.2005 bis 30.04.2006 gelte der Beigeladene Nr. 1 gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB IV als selbstständig Tätiger, weil er Empfänger eines Existenzgründungszuschusses nach § 421 SGB III gewesen sei. Es habe deswegen im Zeitraum 01.05.2006 bis 30.04.2008 Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und in der Arbeitslosenversicherung bestanden. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass der Beigeladene Nr. 1 Zeitungen und Werbemedien zum vom Auftraggeber vorgegebenen Zeitpunkt habe ausliefern und hierbei einen Tourenplan unbedingt habe einhalten müssen. Er habe somit seine Arbeitszeit nicht selbst bestimmen und sein Einsatzgebiet nicht selbst wählen können. Der Beigeladene Nr. 1 sei zwar neben seiner Tätigkeit für den Auftraggeber im Jahr 2004 auch noch für andere Firmen tätig gewesen und habe auch den Hausmeisterdienst in geringem Umfang ausgeführt. Der überwiegende Teil seiner Einnahmen habe sich jedoch aus seiner Tätigkeit für den Auftraggeber ergeben. Das Vorhandensein mehrerer auftraggebender Firmen begründe jedoch nicht zwangsläufig eine selbstständige Tätigkeit, insbesondere dann, wenn der Auftragnehmer im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sei. Der Beigeladene erfülle auch nicht die Voraussetzungen des § 407 HGB für die Ausübung eines selbstständigen Gewerbes, weil er beim Transport weder ein eigenes Fahrzeug einsetze noch für die Durchführung eine Erlaubnis nach § 3 Güterkraftverkehrsgesetz habe. Ein selbstständiges Gewerbe im Sinne des HGB habe der Beigeladene Nr. 1 deswegen nicht ausgeübt. Dass sich Auftraggeber und Auftragnehmer einig gewesen seien, dass zwischen ihnen kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestehe, sei nur dann rechtserheblich, wenn die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehung gleichermaßen für die Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung spreche.

Zur Begründung seines hiergegen am 02.01.2009 eingelegten Widerspruchs ließ der Kläger vortragen, der Beigeladene Nr. 1 habe auf der Frachtabwicklung mit einem Fahrzeug des Klägers bestanden, damit er sein eigenes Fahrzeug schonen könne und dieses nicht so schnell so viele Kilometer Laufleistung aufweise. Der Beigeladene Nr. 1 habe dem Kläger deutlich gemacht, dass sein Gewerbe schon recht gut angelaufen sei und er deswegen sein Hauptgeschäft bevorzuge. Dem Kläger sei deswegen klar gewesen, dass er den Beigeladenen Nr. 1 zu keinem Zeitpunkt verbindlich habe einplanen können. Auch habe der Beigeladene Nr. 1 weder einen Urlaubsanspruch gehabt noch Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Für den Fall des Urlaubs, der Krankheit und sonstigen Verhinderungen sei lediglich abgesprochen gewesen, dass der Beigeladene Nr. 1 den Kläger hiervon jeweils zum frühestmöglichen Zeitpunkt informiere. Der Beigeladene habe auch bei Erledigung der von ihm übernommenen Frachten keinen engeren Weisungen als jeder andere freie Frachtführer unterlegen. Innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens habe er bei bestimmten Lade- oder Abladestationen vorbeifahren müssen und dort Ware entgegennehmen oder abladen müssen.

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 19.01.2009 einem Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben hatte, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2009 den Widerspruch zurück. Für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen Nr. 1 spreche noch, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für den Kläger keinerlei Unternehmerrisiko getragen habe. Er habe nur seine Arbeitskraft angeboten, aber keinen Einsatz von Sachmitteln. Die Verwertung der Arbeitskraft spreche jedoch nur dann für Selbstständigkeit, wenn ihr auch eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehe. Auch die Bezahlung mit zunächst EUR 7,20, dann EUR 8,20 und schließlich EUR 9,20 entspreche einer typischen Entlohnung eines abhängig Beschäftigten. Im Ergebnis stelle sich diese Vergütung als Lohnzahlung dar. Die Verfügungsmöglichkeit des Beigeladenen Nr. 1 über seine eigene Arbeitskraft sei auch deutlich eingeschränkt gewesen, weil die Auslieferung nach festen Tourenplänen zu erfolgen hatte. Der Beigeladene habe sich somit an Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeit zu halten gehabt. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, stelle zwar grundsätzlich ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit dar, jedoch seien auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überlassen, ob er im Anforderungsfall tätig werden wolle oder ob er ein konkretes Angebot im Einzelfall ablehne.

Gegen den am 23.04.2009 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22.05.2009 bei dem Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend weist er darauf hin, dass das Fehlen eines schriftlichen Vertrags zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen Nr. 1 nicht für eine Scheinselbstständigkeit spreche. Es bestehe zur Wirksamkeit der getroffenen mündlichen Absprachen und Vereinbarungen kein gesetzliches Formerfordernis. Aus Sicht des Klägers sei der Beigeladene Nr. 1 in seiner unternehmerischen Freiheit durch nichts beeinträchtigt oder beschränkt worden. Insbesondere habe der Beigeladene Nr. 1 eigenständig entscheiden können, wann und wie oft und wie lange er Urlaub machen wolle.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Gründe des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2011 den Beigeladenen Nr. 1 angehört und den Steuerberater J. F. sowie den Sohn des Klägers H. V. B. als Zeugen befragt. Wegen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Niederschrift vom 01.02.2011 Bezug genommen. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG den Bescheid vom 09.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2009 aufgehoben. Die Beklagte habe zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beigeladene Nr. 1 in seiner Tätigkeit für den Kläger nur ein geringes Unternehmensrisiko getragen habe, weil er nicht sein eigenes Fahrzeug zur Durchführung der Transporte für den Kläger genutzt habe, allerdings bestünden erhebliche Zweifel daran, ob der vom Beigeladenen Nr. 1 genutzte VW Passat überhaupt zur Durchführung der vom Kläger benötigten Transporte wegen fehlender Beladungsmöglichkeiten geeignet gewesen sei. Die tatsächlich gelebte Beziehung habe sich als selbstständige Tätigkeit dargestellt. Der Beigeladene Nr. 1 habe nach dem Vorbringen des Klägers, das mit den Angaben des Zeugen B. und des Beigeladenen Nr. 1 übereinstimme, frei bestimmen können, wann und welche Touren er fahren wolle. Der Kläger habe sich nicht darauf verlassen können, dass der Beigeladene Nr. 1 an bestimmten Tagen arbeitete. Entsprechend habe er Fahrten ablehnen können, was er auch tatsächlich getan habe. Darüber hinaus sei der Beigeladene im Rechtsverkehr als selbständiger Kurierfahrer aufgetreten und habe seine Leistungen einer Vielzahl von Kunden angeboten. Tatsächlich habe er auch für andere Kunden Kurierfahrten und Hausmeisterdienste ausgeführt.

Entgegen dem Eindruck im Verwaltungsverfahren seien die Touren nicht festgelegt gewesen, es hätten lediglich bestimmte Zeitschriften und Werbemittel zu bestimmten Zeiten ausgeliefert werden müssen. Dem Beigeladenen Nr. 1 sei die Einteilung der Touren und deren Durchführung überlassen gewesen. Dementsprechend habe der Beigeladene Nr. 1 nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung zwei Touren zusammengelegt und die Touren neu definiert, um an einem Tag länger zu fahren und dafür am nächsten Tag frei zu haben. Insofern habe er auch an entsprechenden Tagen die übliche Arbeitszeit von 8 Stunden erheblich überschritten. Außerdem habe er nach der Erinnerung des Klägers an einem Tag selbstständig einen Ersatzfahrer gestellt, als er selbst bei einer zugesagten Tour verhindert gewesen sei.

Für die selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 spreche auch, dass dieser den Stundenlohn selbstständig erhöht habe. Der relativ geringe Stundensatz spreche für eine selbstständige Tätigkeit, weil nur selbstständig Tätige in der Gründungsphase für ihre Einführung in den Markt mit so geringen Sätzen ihre laufenden Kosten vorübergehend decken könnten. Entsprechend habe der Beigeladene Nr. 1 spätestens im Juni 2006 und damit nach Ablauf des existenzsichernden Existenzgründungszuschusses die Preise erhöht. Für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit spreche schließlich auch die Tatsache, dass der Beigeladene Nr. 1 ab 2007 Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt habe. Gleiches gelte für den Umstand, dass der Beigeladene Nr. 1 ca. 70 Prozent seiner Einnahmen aus der Tätigkeit beim Kläger erzielt habe. Es sei typisch für die Tätigkeit als einzelner Selbstständiger, dass er neben einigen kleineren Auftraggebern einen besonders lukrativen Auftraggeber habe, der ihm einen großen Teil seines Einkommens sichere.

Gegen das ihr am 15.02.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.03.2011 Berufung eingelegt. Der Beigeladene Nr. 1 habe bei seiner Zeugenvernehmung beim Hauptzollamt L. angegeben, dass die gesamten Medien bis spätestens Samstag 12.00 Uhr ausgeliefert sein mussten und es dabei einen unbedingt einzuhaltenden Tourenplan gegeben habe. Der Kläger habe seinerseits angegeben, der Beigeladene Nr. 1 habe bei ihm dieselbe Arbeit ausgeübt wie jeder andere Arbeitnehmer seiner Firma. Das SG habe das beim Beigeladenen Nr. 1 fehlende Unternehmerrisiko nicht gebührend gewürdigt. Wenn es zutreffe, dass der Beigeladene Nr. 1 mit seinem VW Passat die Aufträge hätte überhaupt nicht ausführen können, habe er von vornherein kein Verhandlungspotential gehabt, weswegen er nicht seinen Fahrdienst als Kurierunternehmer, sondern nur seine Arbeitskraft als Fahrer dem Kläger zur Verfügung gestellt habe. Von diesem sei er auch wie ein Arbeitnehmer, nämlich entsprechend den tatsächlich benötigten Stunden zu einem festen Stundensatz bezahlt worden. Vertragsverhältnisse, in denen ein Arbeitnehmer nur auf Abruf oder in Vertretungssituationen tätig werde, ließen die Möglichkeit zu, eine konkrete Arbeitsanforderung auch abzulehnen. Nehme der Betroffene das Angebot jedoch an, übe er eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus (Hinweis auf LSG BW - L 4 KR 4098/06). So sei es auch beim Beigeladenen Nr. 1 gewesen. Er habe bei Annahme eines Auftrags in gleichem Maße dem Weisungsrecht und den Vorgaben des Auftraggebers unterlegen wie die vielen anderen Arbeitnehmer des Klägers auch. Entgegen der Auffassung des SG spreche die Höhe des Stundensatzes jedenfalls für eine abhängige Beschäftigung, da es sich dabei um eine typische Entlohnung handle. Ein Selbstständiger müsse - insbesondere nicht nur zur Deckung seiner Lebenshaltungskosten sondern auch für seine Altersvorsorge und Krankenversicherung - grundsätzlich höhere Stundensätze ansetzen. Hinsichtlich der Stellung einer Ersatzkraft sei darauf hinzuweisen, dass es sich dabei lediglich um theoretische Möglichkeiten gehandelt habe. Der Nachweis, dass der Beigeladene Nr. 1 im Falle einer Arbeitsverhinderung eine Ersatzkraft gestellt habe, sei nicht erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01. Februar 2011 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er weist erneut darauf hin, dass der Beigeladene Nr. 1 zu keinem Zeitpunkt fest in den Betriebsablauf des Klägers eingebunden gewesen sei. Er habe vielmehr selbstständig und eigenständig entscheiden können, wann er was tue, wann er also eine Tour fahren wolle und wann nicht. Der Kläger sei sich deswegen zu keinem Zeitpunkt sicher gewesen, ob der Beigeladene Nr. 1 nun fahre oder nicht fahre.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Kopien der Akte der Staatsanwaltschaft F., die Akte der Bundesagentur für Arbeit über den Existenzgründungszuschuss sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 09.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2009 zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene Nr. 1 beim Kläger ein dem Grunde nach eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Der Kläger ist deshalb auch verpflichtet, die Beitragsnachforderung von EUR 10.615,79, deren Höhe insoweit unstreitig ist, zu bezahlen. Er hat die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen Nr.1 gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV zu tragen.

Die Beklagte war gemäß 28p Abs. 1 Satz 4 SGB IV befugt und verpflichtet, im Rahmen der Prüfung die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung durch Verwaltungsakt festzustellen bzw. festzusetzen sowie den Widerspruchsbescheid gegenüber dem Kläger als Arbeitgeber zu erlassen. Zu entsprechenden Regelungen war die Beklagte nach § 28p Abs. 1 Satz 4 SGB IV i.V.m. § 17 LFZG auch hinsichtlich der Umlagen nach dem LFZG zuständig (vgl. BSG SozR 3 2400 § 28p Nr. 1).

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 24 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und § 20 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 - BSGE 45, 199, 200 ff. = SozR 2200 § 1227 Nr. 8; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 13 S. 31 f.; zuletzt BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 S. 78; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -).

Für Frachtführer hat das BSG (Urt. v. 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R) entschieden, dass allein die festgestellte Nutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs für eine Bewertung des Vorliegens einer selbstständigen Tätigkeit nicht ausreicht, sondern es zusätzlich Feststellungen zur Art des Transportfahrzeugs und insbesondere zur Ausgestaltung der Tätigkeit und der Art und Weise der Vergütung bedarf. Dann können auch selbständige Frachtführer im Sinne des § 418 HGB und der Rechtsprechung des BAG jedenfalls dann als sozialversicherungsrechtlich abhängige Beschäftigte einzuordnen sein, wenn sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nicht auf die jeden Frachtführer treffenden gesetzlichen Bindungen beschränken, insbesondere wenn Vereinbarungen praktiziert werden, die die Tätigkeit engeren Bindungen unterwerfen (Hinweis auf BSG v. 22.6.2005 - B 12 KR 28/03 R). In der Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung liegt kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, wenn ein Transportfahrer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist (BSG v. 22.6.2005 - B 12 KR 28/03 R).

Umstritten ist vorliegend allein der Zeitraum vom 01.05.2006 bis 31.05.2008. Der Zeitraum vom 01.02.2005 bis 30.04.2006 wird von den angefochtenen Bescheiden nicht betroffen. Für diesen Zeitraum ist die Beklagte entsprechend der gesetzlichen Vermutung in dem durch Gesetz vom 23.12.2002 (BGBl. I 4621) mit Wirkung zum 1.1.2003 eingefügten und durch Gesetz vom 19.12.2007 (BGB. I 3024) mit Wirkung ab 1.7.2009 ersatzlos aufgehobenen, im vorliegenden Zeitraum mithin zur Anwendung kommenden § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB IV davon ausgegangen, dass der Beigeladene Nr. 1 eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat. Ob dies zutrifft und im Ergebnis rechtlich zwingend ist, kann dahingestellt bleiben, weil insofern die angefochtenen Bescheide zu Lasten des Klägers keine Beschwer enthalten. Hinsichtlich des Zeitraums vom 01.05.2006 bis 31.05.2008 vermag der Senat der vom Sozialgericht vorgenommenen Abwägung nicht zu folgen. Vielmehr stellt sich für den Senat das Gesamtbild der Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 als Fahrer für den Kläger als Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung dar.

Entsprechend der Beanstandung der Beklagten ist dem SG vorzuhalten, den Umstand des fehlenden Unternehmerrisikos nicht richtig gewürdigt zu haben. Wenn das BSG im Beschluss vom 16.08.2010 - B 12 KR 100/09 B die Auffassung vertritt, dass ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führen kann, nicht der Annahme einer abhängigen Beschäftigung entgegen steht, dann muss dies für den hier vorliegenden Fall des völligen Fehlens irgendwelchen unternehmerischen Risikos erst Recht gelten. Gegen den Unternehmerstatus des Beigeladenen Nr. 1 spricht somit maßgeblich, dass er ein eigenes Unternehmerrisiko nicht getragen hat, dieses vielmehr ausschließlich dem Kläger zur Last gefallen ist. Wagniskapital hat der Beigeladene Nr. 1 ersichtlich nicht eingesetzt. Er hat vielmehr seinerseits Wert darauf gelegt, nicht mit dem eigenen Pkw zu fahren, zum einen, um Abnutzungen des Autos zu vermeiden, zum anderen, um sich die für ein gewerbliches Fuhrunternehmen notwendigen Transportversicherungen zu ersparen. Deshalb ist der Beigeladene Nr. 1 bei sämtlichen Fahrten immer in Kraftfahrzeugen des Klägers gefahren, wobei der Kläger zusätzlich noch Nebenkosten wie Sprit, Reparaturen, Versicherungen und Wartung übernommen hat. Der Beigeladene Nr. 1 ist in seiner Rolle als Fahrer nicht anders in Erscheinung getreten als jeder andere der zahlreichen Fahrer des Klägers. Dies hat der Kläger in seiner Vernehmung gegenüber dem Hauptzollamt L. ausdrücklich bestätigt. Der Beigeladene nutzte damit, wie alle Arbeitnehmer allein seine Arbeitskraft, er trug deshalb nur das Risiko des Verlusts seiner Arbeitsstelle, nicht jedoch das Verlustrisiko eines Unternehmers. Dementsprechend waren ihm unternehmerische Gewinnaussichten, etwa durch Einflussnahme auf den Preis seiner Leistungen, auch nicht eröffnet. Es war ausschließlich Sache des Klägers, durch das Auftreten am Markt Frachtaufträge hereinzuholen und diese organisatorisch umzusetzen. Damit unterschied sich der Beigeladenen Nr. 1 von anderen Arbeitnehmern zu seinem Nachteil nur dadurch, dass Letztere lediglich im Rahmen der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsvorschriften entlassen werden konnten, während sich ein eventueller Arbeitsmangel beim Beigeladenen Nr. 1 unmittelbar und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ausgewirkt hätte, er also Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz war.

Da eine schriftliche vertragliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen Nr. 1 nicht vorliegt, kommt für die Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 der zwischen ihm und dem Kläger praktizierten tatsächlichen Abwicklung der Arbeit besondere Bedeutung zu. Ein maßgebendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung ist dabei der Umstand, dass der Beigeladene Nr. 1 auf der Grundlage eines Stundenlohns für die aufgewendete Arbeitszeit entlohnt wurde, nicht aber für die Erfüllung eines Auftrags zu einem Festpreis. Die Bezahlung nach einem festen Stundensatz ist aber typisch für Arbeitnehmer. Hinzu kommt, dass sich die Entlohnung des Beigeladenen Nr. 1 auch hinsichtlich ihrer Höhe nicht von den anderen Arbeitnehmern unterschieden hat. Die Höhe der Entlohnung lag in der Anfangszeit mit EUR 7,20 vielmehr an der unteren Grenze dessen, was für eine Arbeitnehmertätigkeit dieser Art im Juli 2006 überhaupt noch vertretbar und üblich war. Dass der Beigeladene Nr. 1 keine bessere Stellung hatte als andere Arbeitnehmer zeigt der Umstand, dass der Kläger, als er dringend Fahrer benötigte, einer Fahrerin auch einen Stundenlohn von EUR 10,00 bezahlte. Der Kläger liegt also auch nach der zum 01.01.2007 erfolgten Erhöhung auf EUR 9,20 in dem Entlohnungsbereich der anderen Arbeitnehmer des Klägers. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die Höhe des Stundenlohns ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung ist. Denn der selbstständige Frachtführer muss in einen eventuellen Stundenlohn sämtliche bei ihm anfallenden Nebenkosten anteilig einkalkulieren und dem Auftraggeber in Rechnung stellen, wenn er kostendeckend arbeiten will. Dies hat zur Folge, dass für selbstständige Tätigkeiten der Stundensatz regelmäßig deutlich höher liegt als für abhängig beschäftigte Arbeitnehmer. Auch dies spricht hier für eine Tätigkeit als Arbeitnehmer.

Soweit das SG in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten hat, der geringe Stundenlohn sei Zeichen einer selbstständigen Tätigkeit, weil er in Verbindung mit den Existenzgründerzuschüssen zusammen eine ausreichende Entlohnung zur Folge gehabt habe, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Anhaltspunkte dafür, dass der Beigeladene Nr. 1 absichtlich eine geringere Entlohnung in Kauf genommen hat, um mit dem Kläger ins Geschäft zu kommen bzw. sein Stundenlohn vom Kläger wegen des Existenzgründerzuschusses gedrückt wurde, lassen sich den Vernehmungsprotokollen nicht entnehmen und sind nicht vorgetragen worden. Den geringen Stundensatz als Folge unternehmerischer Freiheit oder sinnvollen unternehmerischen Vorgehens zu interpretieren, erscheint fernliegend.

Das SG verkennt außerdem, dass grundsätzlich jedes Beschäftigungs-/Auftragsverhältnis für sich daraufhin geprüft werden muss, ob es in abhängiger Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Der Umstand, dass der Kläger gegenüber der Firma Sp. wohl als Selbstständiger tätig geworden ist (er ist mit dem eigenen Fahrzeug gefahren, hat einen höheren Stundensatz verlangt und zuzüglich für jeden gefahrenen Kilometer einen Ausgleich in Rechnung gestellt) und die Tatsache, dass der Kläger auf dem Markt für Handwerksleistungen/Hausmeisterleistungen als Selbstständiger aufgetreten ist, zwingt nicht ohne weiteres zur Annahme, dass er auch im Verhältnis zum Kläger selbstständig tätig war. Eine Indizwirkung lässt sich insoweit nicht ableiten.

Auch die übereinstimmenden Auffassung sowohl des Beigeladenen Nr. 1 als auch des Klägers, der Beigeladene Nr. 1 sei als Selbstständiger für den Kläger tätig, stellt allenfalls ein schwaches Indiz dar. Grundsätzlich vermag der Wille der Beteiligten, ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auszuschließen, dies nur dann zu bewirken, wenn die objektiven Voraussetzungen dafür vorliegen. Auf die innere Willensrichtung ist grundsätzlich ansonsten nicht abzustellen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, über dessen Normen grundsätzlich nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden kann, schließen es nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 51, 164 bis 172, Urteil vom 25.01.2001 - B 12 KR 17/00 R und vom 12.02.2004 - B 12 KR 26/02 R) aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person - hier als abhängig beschäftigter Kraftfahrer oder als selbstständiger Fuhrunternehmer - allein die von den Vertragschließenden getroffenen Vereinbarungen entscheiden. Der in einer entsprechenden Abrede verlautbarte Wille der Vertragspartner kann für die Beurteilung der Versicherungspflicht eines der Partner nur dann maßgebend sein, wenn die übrigen Bestimmungen des Vertrags und insbesondere seine tatsächliche Durchführung der gewählten Vertragsform entsprechen (so BSG, Urteil vom 29.01.1981 - 12 RK 63/79 R).

Schließlich kann eine fehlende Weisungsabhängigkeit des Beigeladenen Nr. 1 nicht als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit angeführt werden. Für den Senat steht fest, dass der Beigeladene Nr. 1 als Fahrer für den Kläger Zeitungen und Werbematerial an bestimmten Stellen auf- bzw. abladen musste und dies zu bestimmten Zeiten bzw. innerhalb eines eng begrenzten Zeitrahmens zu erfolgen hatte. Als abhängiger Fahrer war er insofern weisungsabhängig, bei selbstständiger Ausübung der Tätigkeit wären die entsprechenden örtlichen und zeitlichen Vorgaben Gegenstand des Auftrags gewesen. In keinem der Fälle haben Fahrer einen größeren Spielraum zur Entscheidung, wie sie ihren Auftrag ausführen wollen. Wenn der Kläger vor dem SG angegeben hat, er habe sich seine Touren selbst zusammengestellt, dürfte dies unproblematisch gewesen sein, soweit sich dies innerhalb der zeitlichen und örtlichen Vorgaben gehalten hat. In einem solchen Fall wäre aber auch ein beschäftigter Arbeitnehmer nicht daran gehindert, die Fracht nach eigenem Ermessen durchzuführen. Aus der Weisungsabhängigkeit bzw. der Eingebundenheit in den organisatorischen Ablauf der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers können somit weder für eine selbstständige Tätigkeit noch für eine abhängige Beschäftigung gewichtige Indizien hergeleitet werden.

Gegen eine selbstständige Tätigkeit als Frachtführer spricht der Umstand, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 407 HGB nicht erfüllt. Diese Vorschrift setzt für die Durchführung eines selbstständigen Gewerbes voraus, dass der Frachtführer Transporte im eigenen Fahrzeug durchführt und zudem eine Erlaubnis nach § 3 Güterkraftverkehrsgesetz bzw. eine Gemeinschaftslizenz nach Art. 3 der Verordnung EWG 881/92 besitzt. Diese Voraussetzungen wurden vom Beigeladenen Nr. 1 nicht erfüllt. Sogar der Versicherungsschutz für die Fahrten des Beigeladenen Nr. 1 ist vom Kläger veranlasst und bezahlt worden.

Kein durchgreifendes Indiz lässt sich auch aus der Abrede zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen Nr. 1 für den Fall einer Verhinderung des Beigeladenen Nr. 1 ableiten. Vereinbart war insoweit, dass der Beigeladene Nr. 1 dem Kläger rechtzeitig absagen musste, wenn er an der Durchführung einer verabredeten Fahrt verhindert war. Eine solche Verpflichtung trifft einen Arbeitnehmer als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag ebenso wie in gleicher Weise einen selbstständigen Fuhrunternehmer als Nebenpflicht aus dem Frachtvertrag. Dass der Beigeladene Nr. 1 in diesem Zusammenhang einen Ersatzfahrer gestellt haben soll, entspricht der eigenen Erinnerung des Klägers und ist nicht weiter nachgewiesen. Als offensichtlich zweckgerichtetes Vorbringen in der mündlichen Verhandlung hätte das SG diesem Vorbringen skeptischer gegenüberstehen müssen, zumal weder der Kläger noch der Beigeladene Nr. 1 gegenüber dem Hauptzollamt - trotz entsprechender Fragen - konkrete Angaben hinsichtlich eines Ersatzfahrers gemacht haben. Im Übrigen lag der Verhinderungsfall nur sehr selten vor. Der Kläger hat gegenüber dem SG angegeben, er habe 6 oder 7 Touren abgesagt, wenn er im Urlaub gewesen sei, habe aber pro Woche ca. 2-3 Touren durchgeführt. Auf das Jahr gerechnet ergibt dies 6-7 abgesagte Touren bei ca. 130 durchgeführten Touren. Der Vorwurf des Klägers, er habe nie gewusst, ob er mit dem Beigeladene Nr. 1 rechnen könne, wird von diesen Angaben widerlegt.

Dem SG kann auch aus anderen Gründen nicht gefolgt werden, soweit es den klägerischen Vortrag übernimmt, die Touren seien nicht festgelegt und es habe dem Beigeladenen Nr. 1 völlig freigestanden, wann er fahren wolle und wann nicht. Die Aufstellungen der Touren, die sich aus den Unterlagen der Staatsanwaltschaft F. ergeben, zeigen (vgl. Bl. 225), dass der Kläger allein im Monat Oktober 2005 17 Fahrten, im Monat November 2005 ebenfalls 17 Fahrten und im Dezember 2005 ebenfalls 17 Fahrten durchgeführt hat. Dabei wurden die Ziele genau angegeben bzw. die Touren als Tour 06, Tour 01 oder Tour 05 beschrieben. Dies alles zeigt, dass der Beigeladene Nr. 1 nicht willkürlich Fahrten zu- oder absagen konnte, er vielmehr in die Organisation des Klägers fest eingebunden war. Wenn der Beigeladene Nr. 1 gleichwohl nach Absprache mit dem Kläger bestimmte Touren nicht selbst wahrgenommen haben sollte, so hat er sich nicht von einem Arbeitnehmer unterschieden, der mit seinem Vorgesetzten einvernehmlich eine Abänderung vorher abgesprochener Arbeitszeiten vornimmt. Das Vorbringen des Klägers, der Beigeladene Nr. 1 habe völlig freie Hand gehabt wann er habe fahren wollen, wird durch die tatsächliche Durchführung, die in den Rechnungen des Beigeladenen Nr. 1 dokumentiert ist, nicht gestützt.

Schließlich ist es nach alledem rechtlich nicht von Bedeutung, ob der Beigeladene Nr. 1 im Zusammenhang mit Fahrten für den Kläger 70 Prozent seiner Einkünfte erzielt hat oder nicht. Wie oben dargelegt, ist jede Tätigkeit für sich daraufhin zu prüfen, ob es sich um eine abhängige Beschäftigung oder um eine selbstständige Tätigkeit handelt.

Zusammenfassend ist damit zur Überzeugung des Senats festzustellen, dass der Beigeladene Nr. 1 in einem abhängigen, beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis während seiner Tätigkeit als Fahrer für den Kläger stand. Die für die Annahme einer Arbeitnehmertätigkeit sprechenden Gesichtspunkte sind gewichtig und überwiegen bei weitem. Den hier zugunsten einer selbstständigen Tätigkeit sprechenden Indizien kommt demgegenüber keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Aus diesen Gründen war das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. mit § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert entspricht der Höhe der bezifferten Nachforderung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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