L 13 AS 2059/11 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 4209/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2059/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2009 aufgehoben.

Den Klägerinnen wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung für das Klageverfahren S 17 AS 4209/09 bewilligt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerinnen hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Die Ausschlusstatbestände des § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 und Nr. 2 SGG greifen nicht ein.

Die Beschwerde ist auch begründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Unter Beachtung dieser Maßstäbe kann eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage nicht verneint werden. Das (ruhende) Klageverfahren vor dem SG wird darüber geführt, ob die Klägerinnen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis 31. Mai 2010 weitere Kosten der Unterkunft zu gewähren sind. Hierbei steht insbesondere im Streit, ob die Beklagte die Angemessenheit der Mietaufwendungen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise anhand des qualifizierten Mietspiegels 2009 für die Stadt Freiburg beurteilt hat. Ob und in welcher Weise der Mietspiegel 2009 für die Stadt Freiburg zur Prüfung der abstrakten Angemessenheit der Unterkunftskosten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch herangezogen werden kann, war Gegenstand des beim BSG anhängig gewesenen Revisionsverfahrens B 14 AS 106/10 R. Das BSG hat in seinem Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 106/10 R - veröffentlicht in Juris) entschieden, dass die Praxis des Beklagten, nicht den Durchschnitts- oder Basismietpreis des geeigneten qualifizierten Mietspiegels, sondern eine fiktive Wohnung mit bestimmten prozentualen Abschlägen zugrunde zu legen, um dem einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard Rechnung zu tragen, konkrete Feststellungen, dass es im räumlichen Vergleichsbereich Unterkunftsalternativen zu der insofern berechneten abstrakt angemessenen Nettokaltmiete in einer bestimmten Häufigkeit gibt, erfordert. Derartige Feststellungen sind vom Beklagten nicht getroffen worden, weshalb das BSG das zugrunde liegende Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 5. Juli 2010 (L 1 AS 3815/09) aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen hat. Nachdem der vorliegende Rechtsstreit einen gleich gelagerten Fall und dieselbe Fassung des Mietspiegels betrifft, bietet die Rechtsverfolgung in der Hauptsache hinreichende Aussicht auf Erfolg; da die Klägerinnen auch bedürftig im Sinne der Vorschriften über die PKH sind, war ihnen antragsbemäß PKH zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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