L 9 R 3906/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 R 6083/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3906/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1952 in Griechenland geborene Klägerin, die keine Berufsausbildung absolviert hat, war im Zeitraum vom 19. September 1967 bis 16. November 1979 in Deutschland - mit Unterbrechungen - in einer Schneiderei, einem Friseursalon und einer Metallfabrik versicherungspflichtig beschäftigt. Danach war sie - unterbrochen wegen einer Gesundheitsmaßnahme (20. Mai bis 20. Juni 1980) - bis 30. Dezember 1980 arbeitslos. Nach ihrer Rückkehr nach Griechenland im Jahr 1984 war sie dort wieder vom 27. Januar 1988 bis 31. Dezember 1991 versicherungspflichtig tätig, zuletzt als Schmuckhändlerin. Diese selbstständige Tätigkeit gab sie im Januar 1992 auf. Wegen der Einzelheiten der anerkannten versicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 20. Januar 2004 zum Rentenbescheid vom selben Tag in den Verwaltungsakten verwiesen.

Die Klägerin, bei der im Jahr 1993 eine Hysterektomie sowie eine Mastektomie der linken Brust wegen eines Karzinoms mit anschließender Chemotherapie erfolgte, bezieht vom griechischen Rentenversicherungsträger TEBE seit 1. Juli 1991 eine Invaliditätsrente nach einem Invaliditätsgrad von 67 %, inzwischen auf Dauer.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 15. September 1995 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. Dezember 1993 bis 30. November 1996 sowie - auf Grund eines Weitergewährungsantrages vom 8. August 1996 - mit Bescheid vom 18. Dezember 1996 bis 31. Dezember 1997.

Grundlage der Entscheidungen waren u. a. ärztliche Berichte aus Griechenland sowie ein Gutachten des Internisten und Kardiologen L. vom 15. März 1995 (Diagnosen [D]: Z. n. Mastektomie links nach Mammakarzinom, Z. n. Hysterektomie wegen Fibromyom, kleingra-diger Mitralklappenprolaps, Depression; Leistungsvermögen halb- bis unter vollschichtig) sowie eine Stellungnahme des Dr. H. vom 8. November 1996 (Leistungsvermögen halb- bis unter vollschichtig bis Dezember 1997).

Den Weitergewährungsantrag vom 28. August 1997 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. August 1998 und Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 1999 ab.

Grundlage dieser Entscheidung waren Bescheinigungen behandelnder Ärzte in Griechenland sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. C. vom 27. Januar 1998 (D: reaktive Depression, kein Tumorrezidiv; leichte Arbeiten seien vollschichtig möglich) sowie Stellungnahmen des Dr. G. vom 11. Mai 1998 (kein Rezidiv, kein Lymphödem; die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten), 17. Juli 1998 (Leistungsbeurteilung wie bisher) und - nach Vorlage ärztlicher Bescheinigungen aus Griechenland - vom 25. August und 30. November 1998 (vollschichtiges Leistungsvermögen).

Deswegen erhob die Klägerin am 26. April 1999 Klage (S 15 RJ 2214/99) beim Sozialgericht Stuttgart (SG), das die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen mit Urteil vom 28. Mai 2002 verurteilte, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2003 zu gewähren, weil das quantitative Leistungsvermögen auf Grund einer psychischen Erkrankung auf 4 Stunden arbeitstäglich gemindert sei. Am 30. August 2002 erteilte die Beklagte einen entsprechenden Ausführungsbescheid.

Grundlage der Entscheidung waren ärztliche Berichte der Psychiaterin Z. vom 9. Juli 1999 (reaktive Depression, medikamentös behandelt) sowie über eine stationäre psychiatrische Behandlung (31. März bis 9. April 1999) vom 8. Juli 1999 und ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten des Dr. J., Thessaloniki, vom 15. Dezem-ber 1999 nach einer Untersuchung vom 2. Dezember 1999 (D: reaktive Depression mit Somati-sierungskomponente, Z. n. Gebärmutterentfernung, Z. n. operiertem Mammakarzinom links; Leistungsvermögen 4 Stunden arbeitstäglich) mit ergänzender Stellungnahme vom 24. Mai 2000 (gegenüber der Begutachtung von Dr. C. sei eine Verschlimmerung eingetreten). Ferner hatte das SG die Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 2. Februar 2001 (D: anhaltende ängstliche Depression im Sinne einer Dysthymie; leichte Tätigkeiten seien vollschichtig zumutbar) und - nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - des Prof. K., eingegangen im April 2002 (D: Depression; die Klägerin sei völlig unfähig für eine berufliche Tätigkeit), eingeholt.

Auf den unter Vorlage einer Bescheinigung einer psychiatrischen Klinik von der Klägerin gestellten Weitergewährungsantrag vom 24. Februar 2003 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Oktober 2003 die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit weiter bis 30. Juni 2005.

Dem lagen u. a. ein ärztlicher Bericht aus Griechenland vom 4. August 2003 sowie ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. K. vom 4. September 2003 nach einer Untersuchung vom 7. August 2003 zu Grunde. Dieser hatte eine rezidivierende depressive Störung mit im Zeitpunkt der Untersuchung mittelgradiger Episode diagnostiziert und die Klägerin seit einer stationären Behandlung (31. Oktober bis 11. November 2002) für nicht leistungsfähig erachtet und eine nachhaltige Besserung nach adäquater Therapie nicht für ausgeschlossen gehalten. Dem hatte sich auch Dr. G. in der Stellungnahme vom 21. Oktober 2003 angeschlossen (halb- bis unter vollschichtiges Leistungsvermögen vom 1. Juli 2003 bis 1. Juli 2005 für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und den bisherigen Beruf, eine Besserung sei wahrscheinlich).

Den Weitergewährungsantrag vom 3. Februar 2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. November 2006 ab, da die Klägerin wieder vollschichtig leistungsfähig für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und damit nicht mehr erwerbs- bzw. berufsunfähig sei. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007 zurückgewiesen.

Grundlage der Entscheidung waren Berichte behandelnder Ärzte aus Griechenland (Prof. M. vom 20. Januar 2005 [starkes depressives Syndrom], Arzt P. vom 24. Januar 2005 [Herzkammer-Arrhythmien, Bigeminie - Trigeminie], Dr. C. vom 24. Janaur 2005 [Z. n. Mammakarzinom-Operation und 6 Chemotherapie-Zyklen], Arzt T. vom 24. Januar und 25. Juli 2005 [chronische starke Depression, ständige medikamentöse Behandlung], Dr. K. vom 14. Januar 2005 [Mammakarzinom linke Brust, starke Depression unter Behandlung, Herzkammer-Arrhythmie], Arzt G. vom 3. August 2005 [Z. n. Mammakarzinom-Operation 1993, am 30. März 2005 Schmerzen im Bereich der Wunde und am linken Oberarm] und Arzt Mentenopoulos vom 3. August 2005 [starke Depression, spezielle Therapie empfohlen]) sowie die Kopie des Gesundheitsbuches. Ferner lag der Entscheidung ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Prof. Dr. K. vom 20. September 2006 nach der Untersuchung vom 5. September 2006 zu Grunde. Er stellte die Diagnosen neurotische Störungen mit psychosomatischen Beschwerden und alte Brust-Operation. Die Klägerin fühle sich bei der Untersuchung besser, gebe aber eine allgemeine Schwäche an. Seit 7. August 2003 sei keine stationäre Behandlung mehr erfolgt und insgesamt keine schwere Krankheit mehr aufgetreten, insbesondere kein Rezidiv des Karzinoms. Damit sei das Leistungsvermögen seit 7. August 2003 wesentlich gebessert und könne die Klägerin inzwischen leichte Arbeiten - ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck sowie Eigen- oder Fremdgefährdung - vollschichtig verrichten und auch einen Arbeitsplatz mit zumutbaren Fußwegstrecken erreichen. Dem hatte sich auch Dr. G. in der Stellungnahme vom 20. Oktober 2006 angeschlossen (D: neurotische Störungen und psychosomatische Beschwerden, Mammakarzinom links, Mastektomie mit bisher unauffälligem Verlauf; Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Beachtung näher beschriebener qualitativer Einschränkungen über 6 Stunden). Weitere Grundlagen der Entscheidung waren dann noch ein Bericht des Oberarztes A. vom 24. Januar 2007 (chronisches depressives Syndrom, ständige Behandlung mit Medikamenten) und die Stellungnahme des Dr. G. vom 7. Februar 2007 (keine neuen Befunde, Leistungsbeurteilung wie bisher).

Deswegen hat die Klägerin am 8. August 2007 Klage beim SG erhoben.

Am 30. Oktober 2008 ist nach Feststellung eines Mammakarzinoms in der rechten Brust eine modifizierte radikale Brustoperation und eine weitere Chemotherapie erfolgt (Bescheinigung des Arztes G. vom 6. November 2008).

Das SG hat - nach Vorlage von Äußerungen behandelnder Ärzte (Frauenarzt Dr. C. vom 22. März 2007, Arzt T. vom 31. März 2007 [chronisch rezidivierende Major Depression mit ständiger medikamentöser Behandlung]) sowie von Stellungnahmen des Dr. G. vom 10. Dezember 2007 durch die Beklagte - ein Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Nervenheilkunde Prof. Dr. R. vom 14. Juli 2008 und - nach Einwänden der Beklagten und des Dr. H. vom 4. August 2008 - dessen ergänzende Stellungnahme vom 27. Oktober 2008 eingeholt. Prof. Dr. R. hat die Diagnosen chronisch depressive Störung vom Typ der Dysthymie gestellt und ist von einem Leistungsvermögen von unter 3 Stunden arbeitstäglich ausgegangen. Prof. Dr. K. stimme er hinsichtlich der Diagnose zu. Dieser verkenne jedoch den Schweregrad des Dysthymie und berücksichtige nicht die krankheitsbedingten emotionalen und kognitiven Störungen und deren Auswirkungen auf die psychische und physische Leistungsfähigkeit. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten und die ergänzende Stellungnahme verwiesen.

Das SG hat dann ein weiteres Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. V. vom 19. Juni 2009 eingeholt. Er ist unter Berücksichtigung weiterer ärztlicher Äußerungen, auch des Berichtes des Arztes G. vom 6. November 2008, und nach Anfertigung eines MRT des Gehirns zum Ergebnis gelangt, die Klägerin könne Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Bei der Untersuchung der oberen Extremitäten waren Trophik und Tonus intakt, die Beweglichkeit war passiv und aktiv frei und ungestört. Hinsichtlich der groben Kraft hat sich eine Kraftminderung bilateral nicht feststellen lassen und die Reflexe waren seitengleich normal auslösbar ohne Differenzen. Die Oberflächen- und Tiefensensibilität war ohne wesentliche Ausfälle. Es haben sich keine Muskelatrophien und kein Anhalt für einen raumfordernden infiltrierend wachsenden oder einen degenerativen intrakraniellen Prozess gefunden. Prof. Dr. V. hat auf neurologischem Gebiet die Diagnosen "Kleine ischämische bzw. Gliose-Herde an den Grenzen der Blutversorgungsgebiete zwischen Arterie Cerebri anterior und Arterie Cerebri media bilateral" (nach wiederholter Chemotherapie), "Restzustand nach einem Ischiassyndrom bilateral" gestellt. Auf psychiatrischem Gebiet hat er eine leichte reaktive Depression, eng verbunden mit Hypochondrie, Aggravation sowie Konversionsreaktion diagnostiziert. Unter Berücksichtigung dessen könne die Klägerin leichte übliche Arbeiten überwiegend im Sitzen - ohne Wechselschicht, Nachtschicht, besonderen Zeitdruck (z. B. Akkord, Fließband), häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten mit mehr als 5 kg (ohne mechanische Hilfsmittel), ohne Notwendigkeit der vollen Gebrauchsfähigkeit beider Hände, Eigen- und Fremdgefährdung, häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, Absturzgefahr, Tätigkeiten an gefährdenden Maschinen oder solche, die die volle körperliche oder psychische Gebrauchsfähigkeit sowie Denkfertigkeit, Initiative, andauernde Aufmerksamkeit, nervöse Anspannung und besondere Verantwortung erfordern, ohne große Anforderungen an das Sehvermögen, Anforderungen an räumliches Sehen, starke Temperaturschwankungen, inhalative Reizstoffe und Zusammenarbeit mit "eigenartigen" Kollegen - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, z. B. Montieren oder Verpacken von Kleinteilen oder Botentätigkeiten, mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Die Klägerin könne auch viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz bestünden nicht. Die Einholung weiterer Fachgutachten halte er nicht für erforderlich, bis auf die planmäßigen chirurgischen Fachgutachten.

Die Klägerin hat ärztliche Äußerungen vorgelegt und geltend gemacht, ihre psychischen und orthopädischen Gesundheitsstörungen sowie die Folgen nach Brustoperation stünden einer Erwerbstätigkeit von drei Stunden arbeitstäglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entgegen. Nach der erneuten Brustoperation, auch rechts, deretwegen eine weitere Chemotherapie erfolgt sei, sei sie in ihrem beruflichen Leistungsvermögen erheblich eingeschränkt. Hierzu hat sie zuletzt noch den Bericht des Arztes G. vom 8. September 2009 vorgelegt, wonach die Klägerin Schmerzen im Bereich der Wunde sowie der rechten Axelhöhle angebe und nach einer postoperativen Chemotherapie eine Hormontherapie für fünf Jahre vorgeschlagen werde.

Die Beklagte hat u. a. Stellungnahmen von Dr. G. vom 10. Dezember 2007 (die vorgelegten ärztlichen Äußerungen bedingten keine rentenberechtigende Einschränkung, eine Verschlimmerung aus psychiatrischer Sicht sei nicht belegt, insbesondere sei zwischen 25. Juli 2006 und 11. Juni 2007 keine stationäre psychiatrische Behandlung erfolgt und hätten ambulante psychiatrische Konsultationen mit Verordnung von Antidepressiva ca. alle drei Monate stattgefunden; unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. Dr. K. vom 20. September 2006 und des Gesundheitsbuches ergebe sich seit September 2006 eine Besserung des psychischen Zustandes; es handle sich nicht um eine Major Depression, sondern um eine Anpassungsstörung nach Mastektomie; aus internistisch-onkologischer Sicht bestünden keine Hinweise für eine Verschlimmerung; die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten). Zum nervenärztlichen Gutachten des Prof. Dr. R. hat die Beklagte die Stellungnahme des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. H. vom 4. August 2008 (die aus der Diagnose einer Dysthymia von Prof. Dr. R. gezogene Schlussfolgerung einer quantitativen Leistungsminderung sei auch auf Grund der beschriebenen Befunde nicht nachvollziehbar; weder Diagnose, noch Leistungseinschätzung sei nachvollziehbar) vorgelegt. Auf die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. R. und den Bericht des Arztes G. vom 6. November 2008 hat sie die Stellungnahmen des Dr. H. vom 25. November 2008 (es bestehe eine Diskrepanz in der Beschreibung des Affektes im psychischen Befund, auf die Prof. Dr. R. nicht eingehe, in der Gesamtschau ergebe sich keine Änderung der Leistungsbeurteilung) und des Dr. G. vom 22. Januar 2009 (Anregung, Unterlagen über die zweite Brustkrebsoperation beizuziehen und den weiteren Verlauf) vorgelegt. Zum Gutachten von Prof. Dr. V. hat sie die Stellungnahme von Dr. S. vom 30. Juli 2009 (aus dem MRT vom Mai 2009 ergäben sich keine wesentlichen pathologischen Prozesse, insbesondere kein Herdbefund, die Beiziehung weiterer Unterlagen über den Verlauf nach der zweiten Brustoperation werde empfohlen) vorgelegt. Nach Vorlage des Berichtes des Arztes G. vom 8. September 2009 hat die Beklagte die Stellungnahme von Dr. G. vom 20. Oktober 2009 vorgelegt. Er hat ausgeführt, aus dem Bericht ergäben sich ein Zustand nach beidseitig operiertem Mammakarzinom mit folgender Chemotherapie und Klagen über persistierende Schmerzen im Operationsbereich mit Bewegungseinschränkungen in beiden Schultern. Nach dem dokumentierten Verlauf sei die psychische Symptomatik in den Vordergrund getreten. Das Gutachten von Prof. Dr. R. enthalte Unschärfen hinsichtlich der Diagnosen im Zusammenhang mit seinen gemutmaßten Beeinträchtigungen, die nicht mit den geforderten ICD10- sowie ICF-Kriterien in Einklang zu bringen seien, weswegen auch die Aussagekraft der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung in Frage zu stellen sei. Der aktuell vorgelegte Ambulanzbericht bestätige auch nach erneuter Krebserkrankung der zweiten Brust nur wiederholt vorgebrachte, jedoch nicht durchgehend nachweisbare Beschwerden und treffe auch keinerlei Aussage zum psychischen Befund. Er enthalte keine wesentlich neuen Beurteilungskriterien seit der Begutachtung durch Prof. Dr. V., bei der eindeutig tendenzielle Verhaltensweisen erkennbar geworden seien.

Mit Urteil vom 10. Mai 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit (§§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI] in der Fassung bis 31. Dezember 2001 [a. F.] bzw. voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§§ 43, 240 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung [n. F.]) seien nicht erfüllt. Nach dem Ende der Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit habe Erwerbsunfähigkeit nicht mehr vorgelegen und danach sei auch kein Leistungsfall der Erwerbsminderung eingetreten. Dies ergebe sich im Wesentlichen aus dem Gutachten von Prof. Dr. K. vom September 2006 und zuletzt auch aus dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. V. vom Juni 2009. Danach hätten die wesentlichen Leiden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gelegen. Sie hätten sich aber im Verlauf nach der ersten Brustoperation gebessert. Es lägen noch eine depressive Reaktion, eine Hypochondrie, eine Aggravation und eine Konversionsstörung vor. Im Übrigen hätten auch Prof. Dr. K. im September 2006 nach der operativen Entfernung der linken Brust im Jahr 2003 wie auch Prof. Dr. V. im Juni 2009 nach der operativen Entfernung der rechten Brust im Oktober 2008 eine Besserung des Gesundheitszustandes festgestellt. Auf Grund dessen sei die berufliche Leistungsfähigkeit durch die neurologisch-psychiatrischen Gesundheitsstörungen quantitativ nicht beeinträchtigt. Den Leiden sei dadurch hinreichend Rechnung zu tragen, dass hier noch leichte Tätigkeiten - ohne Wechselschicht oder Nachtschicht, besonderen Zeitdruck und besondere Verantwortung - zugemutet werden könnten. Ein totaler Verlust der Alltagskompetenz, wie ihn die Klägerin gegenüber Prof. Dr. R. und Prof. Dr. V. angegeben habe, sei auf Grund der deutlichen Neigung der Klägerin zur Aggravation nicht glaubhaft gemacht und feststellbar. Es sei nicht nachvollziehbar, dass, wie behauptet, nicht einmal leichteste Hausarbeiten ausgeführt werden könnten, obgleich die Untersuchungen bei Prof. Dr. K. und Prof. Dr. V. keine Anhaltspunkte für orthopädische Gesundheitsstörungen ergeben hätten. Dabei sei jeweils die freie Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule - ohne Druck- und Klopfschmerz - festgestellt worden. Die grobe Kraft sei seitengleich nicht gemindert. Die Oberflächen- und Tiefensensibilität weise keine Ausfälle auf. Gehstörungen seien nicht festgestellt worden. Auch Prof. Dr. R. hatte lediglich einen leichtgradigen Haltetremor mitgeteilt, sonst jedoch keine orthopädischen oder neurologischen Ausfälle. Mithin sei kein Verlust der Alltagskompetenz in einem solchen Ausmaß ersichtlich, dass das berufliche Leistungsvermögen nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ eingeschränkt sei. Soweit Prof. Dr. R. wegen seiner Diagnose einer Dysthymia von einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden ausgehe, sei dies nicht nachvollziehbar. Wie das als qualifizierter Beteiligtenvortrag zu wertende Vorbringen von Dr. H. ergebe, seien Diagnose und Leistungsbeurteilung des Prof. Dr. R. nicht mit den angegebenen Befunden zu vereinbaren. Prof. Dr. R. habe auch keine Hinweise auf eine bewusstseinsnahe Simulation oder Aggravation von Beschwerden oder Symptomen erkannt, die hingegen Prof. Dr. V. schlüssig und nachvollziehbar dargelegt habe. Die Klägerin habe im Übrigen auch keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. Juli 2005 auf Grund eines entsprechenden neuen Leistungsfalles. Sie könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Auf Grund ihrer zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit sei sie auch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, da es sich um eine ungelernte Tätigkeit gehandelt habe. Die Tatsache, dass der griechische Rentenversicherungsträger Rente gewähre, sei für die Frage des Vorliegens von Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit unerheblich, da die Voraussetzung für die Feststellungen von Invalidität nach griechischem Recht einerseits und die der maßgeblichen Bestimmungen des SGB VI nicht identisch seien. Damit seien entsprechende Feststellungen und Entscheidungen des griechischen Versicherungsträgers nicht verbindlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftliche Urteil verwiesen.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 12. August 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. August 2010 Berufung eingelegt und zur Begründung auf ihr Vorbringen vor dem SG sowie das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. R. verwiesen. Sie leide unter schweren Depressionen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2007 zu verurteilen, ihr über den 30. Juni 2005 hinaus bzw. ab 1. Juli 2005 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit hilfsweise Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren Vortrag vor dem SG und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.

Die Beteiligten sind - mit der Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme - auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit über den 30. Juni 2005 hinaus, noch auf Rente wegen voller oder teilweise Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, auf Grund eines nach dem 30. Juni 2005 eingetretenen neuen Leistungsfalles.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit bzw. voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit - §§ 43, 44 SGB VI a. F. bzw. §§ 43, 240 SGB VI n. F. - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit bzw. voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil die Klägerin ihr zumutbare Tätigkeiten nach dem 30. Juni 2005 wieder vollschichtig verrichten konnte und auch danach ein Leistungsfall der Erwerbsminderung im weiteren Verlauf nicht eingetreten ist, weil die Klägerin ihr zumutbare Tätigkeiten unverändert wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, zumal die Klägerin im Berufungsverfahren nichts wesentlich Neues vorgetragen hat, sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen zur Überzeugung des Senats nicht feststellbar ist, dass die Klägerin nach dem 30. Juni 2005 außerstande war, ihr zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den sie auf Grund ihrer zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeiten (in Deutschland als ungelernte Fabrikarbeiterin, in Griechenland als ungelernte selbstständige Schmuckverkäuferin) vollschichtig zu verrichten.

Die nach der ersten Brustoperation in den Vordergrund getretenen psychischen Beeinträchtigungen stehen und standen nach dem 30. Juni 2005 jedenfalls entsprechenden leichten beruflichen Tätigkeiten, die der Klägerin zumutbar sind, nicht entgegen. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus den im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten des Prof. Dr. K. vom Jahr 2006, dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. V. und den als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen zu wertenden Stellungnahmen von Dr. H. und Dr. G ... Soweit hiervon abweichend Prof. Dr. R. von einer weitergehenden Einschränkung des Leistungsvermögens, auch quantitativer Art, ausgegangen ist, ist seine Leistungsbeurteilung ohne eine überzeugende Begründung geblieben. Insbesondere war weder die Diagnostik mit den beschriebenen Befunderhebungen in Einklang zu bringen, noch war sie geeignet, die von Prof. Dr. R. angenommene Leistungsbeurteilung schlüssig zu stützen. Außerdem hat Prof. Dr R. weder das Verhalten noch die aggravatorischen Tendenzen der Klägerin ausreichend gewürdigt und auch nicht - was angesichts der Verhaltensweisen angezeigt gewesen wäre - kritisch hinterfragt. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet einem vollschichtigen Leistungsvermögen nach dem 30. Juni 2005 nicht entgegenstanden und auch nach der erneuten Brustkrebsoperation im Jahr 2008, die vor der Begutachtung durch Prof. Dr. V. erfolgte, einer wenigstens sechsstündigen beruflichen Tätigkeit nicht entgegenstehen.

Im Übrigen liegen auch keine internistischen oder orthopädischen Erkrankungen vor, die die Klägerin hinderten, leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes jedenfalls noch im Jahr 2007 vollschichtig bzw. auch danach in einem Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich nachzugehen. Insbesondere sind von Prof. Dr. V., der die Klägerin nach der zweiten Brustkrebsoperation im Jahr 2008 untersuchte, keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen körperlicher Art festgestellt worden und ergeben sich solche auch nicht schlüssig und nachvollziehbar aus dem Bericht des Arztes G. vom 8. September 2009, also nahezu ein Jahr nach der zweiten Operation. So hat Prof. Dr. V. hinsichtlich der oberen Extremitäten festgestellt, dass Tophik und Tonus intakt waren und die Beweglichkeit passiv und aktiv frei und ungestört war. Die grobe Kraft zeigte bilateral keine Kraftminderung und die Reflexe waren seitengleich normal auslösbar, ohne Differenzen. Auch die Sensibilität hinsichtlich Oberflächen- und Tiefensensibilität war ohne wesentliche Ausfälle und es fanden sich auch keine Muskelatrophien. Angesichts dessen sind zur Überzeugung des Senats keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen im Zusammenhang mit der zweiten Brustkrebsoperation feststellbar, die leichten einfachen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, beispielsweise auch Sortier- und leichten Verpackungstätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich entgegen stünden.

Da die Klägerin somit keinen Anspruch auf die begehrte Rente hat, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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