Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2679/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 4286/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Subjektiv verfügbar ist ein Arbeitsloser nicht, wenn er in Kenntnis des vom ärztlichen Dienst festgestellten Leistungsvermögens (hier 3 bis unter 6 Stunden mit qualitativen Einschränkungen) und trotz Hinweis auf die Folgen darauf beharrt, gar nicht mehr arbeiten zu können.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens die Aufhebung einer Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) mit Wirkung zum 1. Februar 2005.
Der 1968 geborene Kläger ist gelernter Fleischermeister und absolvierte eine Umschulung zum Kaufmann für Grund- und Wohnungswesen (Zeugnis vom 17. Januar 2003), ohne jedoch in diesem Beruf zu arbeiten. Ab 19. März 2003 war der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig krank. Er erhielt Krankengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 15. September 2004. Ein Antrag des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 26. August 2005, Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2006, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Januar 2008 - S 4 ER 1863/06 - und Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 25. Juli 2008 - L 4 R 660/08 - rechtskräftig).
Am 3. August 2004 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 16. September 2004 arbeitslos. Die Beklagte bewilligte Alg beginnend ab 16. September 2004 für 360 Kalendertage. Dr. S. vom ärztlichen Dienst der Beklagten kam in seinem Gutachten vom 10. Januar 2005 zu dem Ergebnis, der Kläger könne leichte Arbeiten täglich von 3 bis unter 6 Stunden in Tagesschicht und ohne verstärkte psychoemotionale Belastung verrichten. Das Gutachten wurde dem Kläger am 27. Januar 2005 eröffnet. Der Kläger gab an, er glaube nicht, dass er derzeit eine Tätigkeit bis vier Stunden ausüben könne, er traue sich auch keinen Arbeitsversuch zu. Nach dem Vermerk der Sachbearbeiterin vom gleichen Tag wurde der Kläger mehrfach eingehend über die Folgen der Arbeitsablehnung einer zumutbaren Tätigkeit/Verfügbarkeit hingewiesen.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2005 hob die Beklage die Bewilligung von Alg ab 1. Februar 2005 mit der Begründung auf, der Kläger habe erklärt, dass er dem arbeitsmedizinisch festgestellten Leistungsvermögen nicht gewachsen sei und keine versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben könne. Damit stehe er der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung, sei nicht mehr arbeitslos und habe keinen Leistungsanspruch mehr. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er sei - wie durch ein vorgelegtes Atteste von Dr. M. vom 28. Januar 2005 belegt - nicht arbeitsfähig, aufgrund seines sehr schlechten gesundheitlichen Zustands auch nicht in Zukunft. Er forderte die Beklagte auf, den "unrealistischen Arztbericht" von Dr. S. "zu vernichten". Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) endete am 23. August 2007 mit einem gerichtlichen Vergleich, wonach der Kläger die Klage zurücknahm, sich aber vorbehielt, nach Abschluss des Rentenstreits einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu stellen.
Nach den von der Deutschen Rentenversicherung Bund eingeholten Gutachten von Dr. T. (Orthopäde) vom 20. April 2005 und Dr. M. (Neurologe und Psychiater) vom 4. August 2005 war der Kläger noch in der Lage, Arbeiten von täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten ohne Publikumsverkehr. Im gerichtlichen Verfahren vor dem SG (S 4 R 1863/06) wurde zunächst auf Antrag des Klägers ein Sachverständigengutachten bei dem Anästhesisten Dr. e. eingeholt, der von einer schwankenden Arbeitsfähigkeit ausging und nicht glaubte, dass der Kläger über längere Zeit kontinuierlich drei Stunden arbeiten könne, er benötige spätestens nach ein bis zwei Stunden unterschiedlich lange Pausen. Nach dem sodann von Amts wegen eingeholten weiteren Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 26. September 2007 sollte der Kläger dagegen noch in der Lage sein, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Am 9. Juni 2008 stellte der Kläger einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X, welchen die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2008 mit der Begründung ablehnte, dass der Bescheid vom 27. Januar 2005 nicht zu beanstanden sei.
Hiergegen richtet sich die am 9. September 2008 zum SG erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass nunmehr feststehe, dass er arbeitsfähig gewesen sei und ihm somit Alg zustehe, nachdem seiner Klage auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente nicht stattgegeben worden sei. Die Voraussetzungen des § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) seien erfüllt, er sei objektiv verfügbar gewesen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe er nur deshalb ausstellen lassen und vorgelegt, weil die Beklagte dies verlangt habe. Keinesfalls könne daraus geschlossen werden, dass er nicht arbeitsbereit gewesen sei. Der Kläger beruft sich insoweit auf das Urteil des LSG Berlin vom 31. Januar 2003 (- L 10 AL 161/00 -).
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. Mai 2010 abgewiesen, da die Voraussetzungen des § 44 SGB X für eine Rücknahme des Bescheids vom 27. Januar 2005 nicht erfüllt seien, denn die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 1. Februar 2005 sei zu Recht erfolgt. Dem Kläger habe Alg ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zugestanden, da er nicht mehr arbeitslos gewesen sei und somit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S.v. § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten sei. Dem Kläger habe es nicht an der Arbeitsfähigkeit gefehlt, da er nach den Feststellungen der Beklagten und den damit in Einklang stehenden Feststellungen des Rentenversicherungsträgers eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe ausüben können. Es fehle aber die Arbeitsbereitschaft, denn obwohl dem Kläger das Gutachten von Dr. S. erläutert und er wiederholt eingehend auf die Folgen, sollte er sich nicht im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen, hingewiesen worden sei, habe er darauf beharrt, überhaupt nicht arbeiten zu können. Da Arbeitsfähigkeit bestanden habe, liege kein Fall des § 125 SGB III (Nahtlosigkeitsregelung) vor, der ohnehin nur die objektive Verfügbarkeit fingiere, während die hier fehlende Arbeitsbereitschaft gegeben sein müsse. Der Kläger könne insoweit auch nichts aus der genannten Entscheidung des LSG Berlin herleiten, denn ein Fall des § 125 SGB III liege nicht vor.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 23. August 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. September 2010 eingelegte Berufung des Klägers. Er vertritt nach wie vor die Auffassung, dass die Mitteilung, aus medizinischen Gründen nicht arbeiten zu können, nicht bedeute, überhaupt nicht arbeiten zu wollen. Die von der damaligen Sachbearbeiterin notierte Äußerung des Klägers, er glaube nicht, derzeit eine Tätigkeit bis vier Stunden ausüben zu können und traue sich keinen Arbeitsversuch zu, sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass seine eigenen Ärzte ihm stets vermittelt und bescheinigt hätten, dass sie ihn nicht als arbeitsfähig ansähen. Der Kläger habe zur damaligen Zeit auch Antidepressiva einnehmen müssen, es sei bei Einnahme dieser Medikamente nachvollziehbar, dass der Patient selbst nicht glaube, arbeitsfähig zu sein. Das LSG Berlin habe ausdrücklich ausgeführt, dass die Auffassung, dass derjenige, der behaupte, aus medizinischen Gründen nicht arbeiten zu können, auch nicht mehr arbeiten wolle, selbst wenn ihm der genaue Umfang der aus medizinischen Gründen nicht ausführbaren Arbeiten nicht bekannt sei, in dieser Allgemeinheit nicht zutreffe. Vielmehr geschehe es oft, dass Versicherte Ansprüche damit begründeten, zwar arbeiten zu wollen, dies aber aus gesundheitlichen Gründen nicht zu können. So liege der Fall hier.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 27. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2005 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass objektiv Verfügbarkeit gegeben gewesen sei, wenn auch nur eingeschränkt drei bis unter sechs Stunden. Als anzustrebende Maßnahme sei zunächst ein Arbeitsversuch im Rahmen von drei bis vier Stunden empfohlen worden. Am 27. Januar 2005 habe die Beklagte dem Kläger das Gutachten erläutert, worauf dieser sich geweigert habe, sich im Rahmen des Gutachtens zur Verfügung zu stellen. Er sei auch der Auffassung gewesen, einem Arbeitsversuch nicht gewachsen zu sein, was letztlich bedeute, dass er einen Arbeitsversuch abgelehnt habe. Angesichts mehrfacher eingehender Belehrungen über die Folgen seiner Haltung könne sich der Kläger nicht darauf zurückziehen, ihm sei von seinen eigenen Ärzten stets bescheinigt worden, arbeitsunfähig zu sein. Aus der Formulierung, der Kläger glaube nicht, eine Tätigkeit ausüben zu können, ergebe sich kein Hinweis auf eine irgendwie geartete Arbeitsbereitschaft. Das Urteil des LSG Berlin stütze die Auffassung des Klägers nicht, denn dort habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen, dort habe die Klägerin sich sehr wohl nach Eröffnung des amtsärztlichen Gutachtens bereit erklärt, jede zumutbare Beschäftigung aufzunehmen und erst in der Folgezeit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge einschließlich der beigezogenen Akte L 4 R 660/08 und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Aufhebung der Bewilligung von Alg im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1300 § 44 Nr. 24; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X Rdnr. 2; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, § 44 Rdnr. 1b).
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen hier nicht vor, denn der Bescheid vom 27. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2005 ist nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 1. Februar 2005 aufgehoben, denn ein Anspruch auf Alg stand dem Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu. Diese wesentliche Änderung in den Verhältnissen nach Erlass des Bewilligungsbescheids musste die Beklagte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X berücksichtigen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die wesentliche Änderung liegt vorliegend darin, dass der Kläger wegen fehlender subjektiver Verfügbarkeit nicht mehr arbeitslos war.
Nach § 117 Abs. 1 SGB III (i.d.F. des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, im Folgenden a.F.) haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Nach § 118 Abs. 1 SGB III a.F. ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, wenn er vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F. sucht eine Beschäftigung, wer den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht, wer also nach § 119 Abs. 2 SGB III a.F. arbeitsfähig (objektiv verfügbar) und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit (subjektiv verfügbar) ist. Arbeitsfähig ist nach § 119 Abs. 3 SGB III a.F., wer unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung aufnehmen und ausüben, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilnehmen und Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf.
Keine Zweifel bestehen vorliegend an der objektiven Verfügbarkeit, der Arbeitsfähigkeit. Nach den Feststellungen des ärztlichen Dienstes der Beklagten gemäß dem Gutachten von Dr. S. vom 10. Januar 2005 konnte der Kläger eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausüben. Diese Einschätzung wurde auch durch die umfangreichen Ermittlungen im Rentenverfahren bestätigt (vgl. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25. Juli 2008 - L 4 R 660/08 -). Damit liegt kein Anwendungsfall der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III vor, denn dies würde die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm - Minderung der Leistungsfähigkeit auf weniger als 15 Stunden wöchentlich für eine Dauer von über sechs Monaten - voraussetzen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 125 Nr. 2). Für die hier allein streitige Frage der Arbeitsbereitschaft trifft § 125 SGB III, welcher nur die objektive Verfügbarkeit fingiert, ohnehin keine Regelung (vgl. BSGE 71, 12 = SozR 3-4100 § 105a Nr. 4; BSGE 84, 262 = SozR 3-4100 § 105a Nr. 7; BSG SozR 4-4300 § 125 Nr. 2).
Der Senat teilt nach eigener Überprüfung die Auffassung des SG, dass sich der Kläger bei der persönlichen Vorsprache am 27. Januar 2005, bei welcher ihm das Gutachten von Dr. S. eröffnet und erläutert worden war, nicht länger im Rahmen seiner Arbeitsfähigkeit i.S.v. § 119 Abs. 2 SGB III a.F. arbeitsbereit gezeigt hat. Die Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren, der Leistungsfähigkeit entsprechenden Beschäftigung liegt im eigenen Verantwortungsbereich des Arbeitslosen. Die subjektive Verfügbarkeit ist insoweit dann zu bejahen, wenn der Arbeitslose bereit ist, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen; eine Bereitschaft zur Aufnahme von Beschäftigungen, zu denen der Arbeitslose objektiv nicht in der Lage ist, verlangt das Gesetz nicht (vgl. BSGE 47, 40 = SozR 4100 § 103 Nr. 18; BSGE 84, 262 = SozR 3-4100 § 105a Nr. 7). Dem Kläger war am 27. Januar 2005 das Gutachten von Dr. S. dargelegt worden, wonach die Beklagte von einer Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten ohne großen psychoemotionalen Druck und ohne hohen Leistungsdruck von drei bis unter sechs Stunden ausging. Eine Tätigkeit als Kaufmann für Grund- und Wohnungswesen wurde für nicht zumutbar erachtet. Damit war der Kläger konkret mit einer zeitlich und qualitativ eingeschränkten Arbeitsfähigkeit konfrontiert worden. Gleichwohl beharrte er ausdrücklich in Kenntnis der Folgen seiner Erklärung - wie der Vermerk über wiederholte Belehrungen hinsichtlich der Folgen fehlender Arbeitsbereitschaft im Rahmen des Gutachtens einschließlich des Hinweises auf fehlenden Versicherungsschutz zeigt - darauf, er könne gar nicht mehr arbeiten. Einen anderen Erklärungswert kann man den Äußerungen des Klägers nicht entnehmen, vielmehr hat er auch einen angesprochenen Arbeitsversuch im Umfang bis zu vier Stunden täglich letztlich abgelehnt, in dem er auch hierzu ausgeführt hat, dem nicht gewachsen zu sein. Dem entsprechen auch die Ausführungen des Klägers im Widerspruchsverfahren, in dem er unter Hinweis auf seine behandelnde Ärztin Dr. M. ausführt, er sei arbeitsunfähig und auch in Zukunft nicht arbeitsfähig. Damit hat der Kläger deutlich gemacht, dass er auch im Rahmen des von der Beklagten festgestellten Restleistungsvermögens nicht arbeitsbereit ist. Die im Antrag auf Alg durch Ankreuzen noch abgegebene Erklärung, sich bei Erforderlichkeit einer ärztlichen Begutachtung im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen, hat der Kläger damit nach konkreter Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Dr. S. nicht mehr aufrecht erhalten. Insoweit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar mit dem vom LSG Berlin entschiedenen Fall (Urteil vom 31. Januar 2003, a.a.O.), denn dort hatte die Klägerin lediglich Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt, ohne dass überhaupt klar war, auf welche Tätigkeiten sich diese Bescheinigungen bezogen und ob ihrer Vorlage somit ein subjektiver Erklärungswert hinsichtlich der Arbeitsbereitschaft entnommen werden konnte.
Nur ergänzend ist noch anzumerken, dass selbst dann, wenn man vorliegend - anders als der Senat - daran zweifeln wollte, dass die Aussagen des Klägers vom 27. Januar 2005 eine Einschränkung der Arbeitsbereitschaft beinhalteten, dies im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung führen würde. Denn im Verfahren nach § 44 SGB X geht die Nichterweislichkeit der Rechtswidrigkeit eines Bescheides zu Lasten desjenigen, der die Änderung begehrt. Anders als bei der zugrunde liegenden Aufhebung von Alg nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, bei der eine Nichterweislichkeit der Arbeitsbereitschaft zu Lasten der Beklagten gegangen wäre, träfe es vorliegend im Rahmen des § 44 SGB X den Kläger, wenn sich die Unrichtigkeit des Ausgangsbescheids nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen ließe (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 22. April 2010 - L 5 AL 86/06 - NZS 2011, 117).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens die Aufhebung einer Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) mit Wirkung zum 1. Februar 2005.
Der 1968 geborene Kläger ist gelernter Fleischermeister und absolvierte eine Umschulung zum Kaufmann für Grund- und Wohnungswesen (Zeugnis vom 17. Januar 2003), ohne jedoch in diesem Beruf zu arbeiten. Ab 19. März 2003 war der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig krank. Er erhielt Krankengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 15. September 2004. Ein Antrag des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 26. August 2005, Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2006, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Januar 2008 - S 4 ER 1863/06 - und Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 25. Juli 2008 - L 4 R 660/08 - rechtskräftig).
Am 3. August 2004 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 16. September 2004 arbeitslos. Die Beklagte bewilligte Alg beginnend ab 16. September 2004 für 360 Kalendertage. Dr. S. vom ärztlichen Dienst der Beklagten kam in seinem Gutachten vom 10. Januar 2005 zu dem Ergebnis, der Kläger könne leichte Arbeiten täglich von 3 bis unter 6 Stunden in Tagesschicht und ohne verstärkte psychoemotionale Belastung verrichten. Das Gutachten wurde dem Kläger am 27. Januar 2005 eröffnet. Der Kläger gab an, er glaube nicht, dass er derzeit eine Tätigkeit bis vier Stunden ausüben könne, er traue sich auch keinen Arbeitsversuch zu. Nach dem Vermerk der Sachbearbeiterin vom gleichen Tag wurde der Kläger mehrfach eingehend über die Folgen der Arbeitsablehnung einer zumutbaren Tätigkeit/Verfügbarkeit hingewiesen.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2005 hob die Beklage die Bewilligung von Alg ab 1. Februar 2005 mit der Begründung auf, der Kläger habe erklärt, dass er dem arbeitsmedizinisch festgestellten Leistungsvermögen nicht gewachsen sei und keine versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben könne. Damit stehe er der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung, sei nicht mehr arbeitslos und habe keinen Leistungsanspruch mehr. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er sei - wie durch ein vorgelegtes Atteste von Dr. M. vom 28. Januar 2005 belegt - nicht arbeitsfähig, aufgrund seines sehr schlechten gesundheitlichen Zustands auch nicht in Zukunft. Er forderte die Beklagte auf, den "unrealistischen Arztbericht" von Dr. S. "zu vernichten". Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) endete am 23. August 2007 mit einem gerichtlichen Vergleich, wonach der Kläger die Klage zurücknahm, sich aber vorbehielt, nach Abschluss des Rentenstreits einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu stellen.
Nach den von der Deutschen Rentenversicherung Bund eingeholten Gutachten von Dr. T. (Orthopäde) vom 20. April 2005 und Dr. M. (Neurologe und Psychiater) vom 4. August 2005 war der Kläger noch in der Lage, Arbeiten von täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten ohne Publikumsverkehr. Im gerichtlichen Verfahren vor dem SG (S 4 R 1863/06) wurde zunächst auf Antrag des Klägers ein Sachverständigengutachten bei dem Anästhesisten Dr. e. eingeholt, der von einer schwankenden Arbeitsfähigkeit ausging und nicht glaubte, dass der Kläger über längere Zeit kontinuierlich drei Stunden arbeiten könne, er benötige spätestens nach ein bis zwei Stunden unterschiedlich lange Pausen. Nach dem sodann von Amts wegen eingeholten weiteren Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 26. September 2007 sollte der Kläger dagegen noch in der Lage sein, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Am 9. Juni 2008 stellte der Kläger einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X, welchen die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2008 mit der Begründung ablehnte, dass der Bescheid vom 27. Januar 2005 nicht zu beanstanden sei.
Hiergegen richtet sich die am 9. September 2008 zum SG erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass nunmehr feststehe, dass er arbeitsfähig gewesen sei und ihm somit Alg zustehe, nachdem seiner Klage auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente nicht stattgegeben worden sei. Die Voraussetzungen des § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) seien erfüllt, er sei objektiv verfügbar gewesen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe er nur deshalb ausstellen lassen und vorgelegt, weil die Beklagte dies verlangt habe. Keinesfalls könne daraus geschlossen werden, dass er nicht arbeitsbereit gewesen sei. Der Kläger beruft sich insoweit auf das Urteil des LSG Berlin vom 31. Januar 2003 (- L 10 AL 161/00 -).
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. Mai 2010 abgewiesen, da die Voraussetzungen des § 44 SGB X für eine Rücknahme des Bescheids vom 27. Januar 2005 nicht erfüllt seien, denn die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 1. Februar 2005 sei zu Recht erfolgt. Dem Kläger habe Alg ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zugestanden, da er nicht mehr arbeitslos gewesen sei und somit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S.v. § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten sei. Dem Kläger habe es nicht an der Arbeitsfähigkeit gefehlt, da er nach den Feststellungen der Beklagten und den damit in Einklang stehenden Feststellungen des Rentenversicherungsträgers eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe ausüben können. Es fehle aber die Arbeitsbereitschaft, denn obwohl dem Kläger das Gutachten von Dr. S. erläutert und er wiederholt eingehend auf die Folgen, sollte er sich nicht im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen, hingewiesen worden sei, habe er darauf beharrt, überhaupt nicht arbeiten zu können. Da Arbeitsfähigkeit bestanden habe, liege kein Fall des § 125 SGB III (Nahtlosigkeitsregelung) vor, der ohnehin nur die objektive Verfügbarkeit fingiere, während die hier fehlende Arbeitsbereitschaft gegeben sein müsse. Der Kläger könne insoweit auch nichts aus der genannten Entscheidung des LSG Berlin herleiten, denn ein Fall des § 125 SGB III liege nicht vor.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 23. August 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. September 2010 eingelegte Berufung des Klägers. Er vertritt nach wie vor die Auffassung, dass die Mitteilung, aus medizinischen Gründen nicht arbeiten zu können, nicht bedeute, überhaupt nicht arbeiten zu wollen. Die von der damaligen Sachbearbeiterin notierte Äußerung des Klägers, er glaube nicht, derzeit eine Tätigkeit bis vier Stunden ausüben zu können und traue sich keinen Arbeitsversuch zu, sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass seine eigenen Ärzte ihm stets vermittelt und bescheinigt hätten, dass sie ihn nicht als arbeitsfähig ansähen. Der Kläger habe zur damaligen Zeit auch Antidepressiva einnehmen müssen, es sei bei Einnahme dieser Medikamente nachvollziehbar, dass der Patient selbst nicht glaube, arbeitsfähig zu sein. Das LSG Berlin habe ausdrücklich ausgeführt, dass die Auffassung, dass derjenige, der behaupte, aus medizinischen Gründen nicht arbeiten zu können, auch nicht mehr arbeiten wolle, selbst wenn ihm der genaue Umfang der aus medizinischen Gründen nicht ausführbaren Arbeiten nicht bekannt sei, in dieser Allgemeinheit nicht zutreffe. Vielmehr geschehe es oft, dass Versicherte Ansprüche damit begründeten, zwar arbeiten zu wollen, dies aber aus gesundheitlichen Gründen nicht zu können. So liege der Fall hier.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 27. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2005 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass objektiv Verfügbarkeit gegeben gewesen sei, wenn auch nur eingeschränkt drei bis unter sechs Stunden. Als anzustrebende Maßnahme sei zunächst ein Arbeitsversuch im Rahmen von drei bis vier Stunden empfohlen worden. Am 27. Januar 2005 habe die Beklagte dem Kläger das Gutachten erläutert, worauf dieser sich geweigert habe, sich im Rahmen des Gutachtens zur Verfügung zu stellen. Er sei auch der Auffassung gewesen, einem Arbeitsversuch nicht gewachsen zu sein, was letztlich bedeute, dass er einen Arbeitsversuch abgelehnt habe. Angesichts mehrfacher eingehender Belehrungen über die Folgen seiner Haltung könne sich der Kläger nicht darauf zurückziehen, ihm sei von seinen eigenen Ärzten stets bescheinigt worden, arbeitsunfähig zu sein. Aus der Formulierung, der Kläger glaube nicht, eine Tätigkeit ausüben zu können, ergebe sich kein Hinweis auf eine irgendwie geartete Arbeitsbereitschaft. Das Urteil des LSG Berlin stütze die Auffassung des Klägers nicht, denn dort habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen, dort habe die Klägerin sich sehr wohl nach Eröffnung des amtsärztlichen Gutachtens bereit erklärt, jede zumutbare Beschäftigung aufzunehmen und erst in der Folgezeit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge einschließlich der beigezogenen Akte L 4 R 660/08 und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Aufhebung der Bewilligung von Alg im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1300 § 44 Nr. 24; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X Rdnr. 2; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, § 44 Rdnr. 1b).
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen hier nicht vor, denn der Bescheid vom 27. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2005 ist nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 1. Februar 2005 aufgehoben, denn ein Anspruch auf Alg stand dem Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu. Diese wesentliche Änderung in den Verhältnissen nach Erlass des Bewilligungsbescheids musste die Beklagte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X berücksichtigen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die wesentliche Änderung liegt vorliegend darin, dass der Kläger wegen fehlender subjektiver Verfügbarkeit nicht mehr arbeitslos war.
Nach § 117 Abs. 1 SGB III (i.d.F. des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, im Folgenden a.F.) haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Nach § 118 Abs. 1 SGB III a.F. ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, wenn er vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F. sucht eine Beschäftigung, wer den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht, wer also nach § 119 Abs. 2 SGB III a.F. arbeitsfähig (objektiv verfügbar) und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit (subjektiv verfügbar) ist. Arbeitsfähig ist nach § 119 Abs. 3 SGB III a.F., wer unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung aufnehmen und ausüben, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilnehmen und Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf.
Keine Zweifel bestehen vorliegend an der objektiven Verfügbarkeit, der Arbeitsfähigkeit. Nach den Feststellungen des ärztlichen Dienstes der Beklagten gemäß dem Gutachten von Dr. S. vom 10. Januar 2005 konnte der Kläger eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausüben. Diese Einschätzung wurde auch durch die umfangreichen Ermittlungen im Rentenverfahren bestätigt (vgl. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25. Juli 2008 - L 4 R 660/08 -). Damit liegt kein Anwendungsfall der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III vor, denn dies würde die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm - Minderung der Leistungsfähigkeit auf weniger als 15 Stunden wöchentlich für eine Dauer von über sechs Monaten - voraussetzen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 125 Nr. 2). Für die hier allein streitige Frage der Arbeitsbereitschaft trifft § 125 SGB III, welcher nur die objektive Verfügbarkeit fingiert, ohnehin keine Regelung (vgl. BSGE 71, 12 = SozR 3-4100 § 105a Nr. 4; BSGE 84, 262 = SozR 3-4100 § 105a Nr. 7; BSG SozR 4-4300 § 125 Nr. 2).
Der Senat teilt nach eigener Überprüfung die Auffassung des SG, dass sich der Kläger bei der persönlichen Vorsprache am 27. Januar 2005, bei welcher ihm das Gutachten von Dr. S. eröffnet und erläutert worden war, nicht länger im Rahmen seiner Arbeitsfähigkeit i.S.v. § 119 Abs. 2 SGB III a.F. arbeitsbereit gezeigt hat. Die Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren, der Leistungsfähigkeit entsprechenden Beschäftigung liegt im eigenen Verantwortungsbereich des Arbeitslosen. Die subjektive Verfügbarkeit ist insoweit dann zu bejahen, wenn der Arbeitslose bereit ist, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen; eine Bereitschaft zur Aufnahme von Beschäftigungen, zu denen der Arbeitslose objektiv nicht in der Lage ist, verlangt das Gesetz nicht (vgl. BSGE 47, 40 = SozR 4100 § 103 Nr. 18; BSGE 84, 262 = SozR 3-4100 § 105a Nr. 7). Dem Kläger war am 27. Januar 2005 das Gutachten von Dr. S. dargelegt worden, wonach die Beklagte von einer Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten ohne großen psychoemotionalen Druck und ohne hohen Leistungsdruck von drei bis unter sechs Stunden ausging. Eine Tätigkeit als Kaufmann für Grund- und Wohnungswesen wurde für nicht zumutbar erachtet. Damit war der Kläger konkret mit einer zeitlich und qualitativ eingeschränkten Arbeitsfähigkeit konfrontiert worden. Gleichwohl beharrte er ausdrücklich in Kenntnis der Folgen seiner Erklärung - wie der Vermerk über wiederholte Belehrungen hinsichtlich der Folgen fehlender Arbeitsbereitschaft im Rahmen des Gutachtens einschließlich des Hinweises auf fehlenden Versicherungsschutz zeigt - darauf, er könne gar nicht mehr arbeiten. Einen anderen Erklärungswert kann man den Äußerungen des Klägers nicht entnehmen, vielmehr hat er auch einen angesprochenen Arbeitsversuch im Umfang bis zu vier Stunden täglich letztlich abgelehnt, in dem er auch hierzu ausgeführt hat, dem nicht gewachsen zu sein. Dem entsprechen auch die Ausführungen des Klägers im Widerspruchsverfahren, in dem er unter Hinweis auf seine behandelnde Ärztin Dr. M. ausführt, er sei arbeitsunfähig und auch in Zukunft nicht arbeitsfähig. Damit hat der Kläger deutlich gemacht, dass er auch im Rahmen des von der Beklagten festgestellten Restleistungsvermögens nicht arbeitsbereit ist. Die im Antrag auf Alg durch Ankreuzen noch abgegebene Erklärung, sich bei Erforderlichkeit einer ärztlichen Begutachtung im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen, hat der Kläger damit nach konkreter Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Dr. S. nicht mehr aufrecht erhalten. Insoweit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar mit dem vom LSG Berlin entschiedenen Fall (Urteil vom 31. Januar 2003, a.a.O.), denn dort hatte die Klägerin lediglich Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt, ohne dass überhaupt klar war, auf welche Tätigkeiten sich diese Bescheinigungen bezogen und ob ihrer Vorlage somit ein subjektiver Erklärungswert hinsichtlich der Arbeitsbereitschaft entnommen werden konnte.
Nur ergänzend ist noch anzumerken, dass selbst dann, wenn man vorliegend - anders als der Senat - daran zweifeln wollte, dass die Aussagen des Klägers vom 27. Januar 2005 eine Einschränkung der Arbeitsbereitschaft beinhalteten, dies im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung führen würde. Denn im Verfahren nach § 44 SGB X geht die Nichterweislichkeit der Rechtswidrigkeit eines Bescheides zu Lasten desjenigen, der die Änderung begehrt. Anders als bei der zugrunde liegenden Aufhebung von Alg nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, bei der eine Nichterweislichkeit der Arbeitsbereitschaft zu Lasten der Beklagten gegangen wäre, träfe es vorliegend im Rahmen des § 44 SGB X den Kläger, wenn sich die Unrichtigkeit des Ausgangsbescheids nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen ließe (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 22. April 2010 - L 5 AL 86/06 - NZS 2011, 117).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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