Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 279/08 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 158/08 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Ausbildung der Antragstellerin zur Ergotherapeutin bei der "IB-M. A. - staatlich anerkannte Schule für Ergotherapie", ZT., beginnend ab 01.10.2008 für die Dauer von 2 Jahren - längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens in der Hauptsache - zu fördern und Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erbringen.
Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
Gründe:
I.
Die Antragsstellerin (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin (Ag) zur Übernahme der Kosten der Ausbildung zur Ergotherapeutin ab 01.10.2008.
Die Ast. absolvierte in der Zeit 2003 bis 2006 eine Ausbildung zur Schauwerbegestalterin und war im Anschluss daran bis 2008 als Visual Merchandiserin bei der Firma H. beschäftigt. Aufgrund gesundheitlicher Probleme wurde sie ab 17.05.2008 von ihren arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Arbeitgeber freigestellt, nachdem der arbeitsmedizinische Dienst festgestellt hatte, dass ihre Beschwerden auf Farbstoffe in den Textilien zurückzuführen sind.
Ein von der Ast. Im Juli 2008 bei der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution gestellter Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wurde von dort am 04. Juli 2008 an die Agentur für Arbeit in Darmstadt als die nach Auffassung der Berufsgenossenschaft zuständige Rehabilitationsträgerin (§ 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX) weitergeleitet. Im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Ag. vom 04.08.2008 wurde als vermittlungs –und beratungsrelevante Gesundheitsstörung eine "allergisch-toxische Nierenentzündung bei Allergie auf Dichloranilin und Trichloranilin" festgestellt. Nach Auffassung des ärztlichen Dienstes der Ag. bestehen gegen eine Tätigkeit der Ast. als Ergo-Therapeutin aus ärztlicher Sicht keine Einwände.
Am 13.08.2008/23.08.2008 beantragte die Ast. bei der Ag. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Mit Schreiben vom 02. September 2008 teilte die Ag. der Ast. mit, die Bundesagentur sei zuständiger Rehabilitationsträger nach § 6 SGB IX. Wegen Art und Schwere der bei ihr vorliegenden Behinderungen seien ihre Aussichten am Arbeitsleben teilzunehmen nicht nur vorübergehend vermindert, weshalb sie Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötige. Ebenfalls mit Schreiben vom 02.09.2008 stellte die Ag. bei der Ast. die Notwendigkeit der beruflichen Qualifizierung fest und erteilte einen Bildungsgutschein. Darin heißt es:
"Mit diesem Bildungsgutschein werden die Kosten für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung übernommen, vorausgesetzt die Weiterbildung ist für die Weiterbildungsförderung nach § 85 SGB III zugelassen."
Am 12. September 2008 beantragte die Ast. bei der Ag. Leistungen zur Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme zur staatlich anerkannten Ergotherapeutin für die Zeit vom 01.10.2008 bis 30.09.2011 bei der IB-M. A. - Staatlich anerkannte Schule für Ergotherapie, A-Stadt, Maßnahmeort ZT.
Durch Bescheid vom 19.09.2008 lehnte die Ag. den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, § 85 Abs. 2 Satz 3, 3. Buch Sozialgesetzbuch – SGB III – lasse Maßnahmen zur Förderung zu, die um mindestens 1/3 der Ausbildungsdauer verkürzt werden könnten. Bei der von ihr angestrebten Ausbildung zur Ergotherapeutin sei eine Verkürzung der Ausbildungszeit aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen ausgeschlossen. Eine Förderung eines Maßnahmeteils bis zu 2/3 der Maßnahme sei möglich, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert sei. Die Förderung in diesen Fällen setze aber voraus, dass der Träger der Maßnahme die Finanzierung des fehlenden Drittels für den nach dem SGB III geförderten Teilnehmer erklären müsse. Der Gesetzgeber beziehe sich mit dieser Vorschrift und der damit verbundenen Sicherstellung der Finanzierung nicht auf den Teilnehmer, sondern auf den Maßnahme- bzw. Schulträger. Sie habe den Nachweis erbracht, dass sie das 3. Jahr der Maßnahme selbst finanzieren wolle und könne. Die Sicherstellung des 3. Teils durch Eigenfinanzierung des Teilnehmers entspreche jedoch nicht der Intention des Gesetzgebers, weil § 85 SGB III sich eindeutig auf die Anforderung an die Maßnahmen beziehe, weshalb eine Förderung der von ihr gewählten Form abzulehnen sei.
Am 19.09.2008 hat die Ast. bei dem Sozialgericht Darmstadt den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Der von der Ast. erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 zurückgewiesen. Die Ast. hat am 23.09.2008 Klage bei dem Sozialgericht in Darmstadt erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 11 AL 284/08 geführt wird.
Zur Begründung ihres Begehrens im einstweiligen Rechtschutzverfahren hat die Ast. ausgeführt, sie habe von der Ag. eine verbindliche Zusage der beruflichen Weiterbildung zur Ergotherapeutin erhalten und habe auf diese Zusage vertraut. Ein weiteres Zuwarten sei ihr nicht möglich, da die Ausbildung bereits am 01.10.2008 beginnen werde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Ergotherapeutin an der IB-M. A. - staatlich anerkannte Schule für Ergotherapie in ZT. ab 01.10.2008 für die ersten beiden Ausbildungsjahre zu gewähren.
Die Ag. hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung hat sie – ergänzend zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 – mit Schriftsatz vom 22.09.2008 ausgeführt, eine Förderung der ausgewählten Maßnahme mit dem Ziel einer Ausbildung zur Ergotherapeutin sei nicht möglich, weil die Maßnahme nach § 85 SGB III nicht zugelassen werden könne, denn die Maßnahmedauer sei nicht angemessen, weil sie nicht auf 2/3 verkürzt werden könne. Die Finanzierung des 3. Ausbildungsjahres sei nicht sichergestellt; eine Eigenleistung durch die Ast. erfülle diese Bedingung nicht.
Das Gericht hat telefonische Auskünfte bei der X. Versicherung sowie der IB-M. A., ZT. eingeholt.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Antragsakte sowie der bei der Ag. über die Ast. geführte Verwaltungsakte, die dem Gericht vorgelegen hat und auszugsweise zum Gegenstand der Entscheidung gemacht worden ist.
Gründe:
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Ast. vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Regelungsanordnung kann dabei eine Rechtsposition vorläufig begründen oder erweitern. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Ag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, als auch einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 06.07.2006 - L 7 AS 86/06 ER;. Beschluss vom 29.06.2005 - L 7 AS 1/05 ER - und vom 06.01.2006 - L 7 AS 87/05 ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86 b Rdnr. 27 und 29 m. w. N.). Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO - i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rdnr. 42).
Zur Überzeugung des erkennenden Gerichts ist vorliegend einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die Ast. hat gegenüber der Ag. einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. §§ 6 Abs. 1 SGB IX i. V. m. 19, 97 Abs. 1 ff SGB III. Die Ast. ist derzeit arbeitslos und bezieht Leistungen. Die Ast. gehört zum Personenkreis nach § 19 SGB III. Danach sind Menschen behindert, deren Aussicht, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art und Schwere ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert ist und sie deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen.
Die Notwendigkeit einer Maßnahme zur beruflichen Teilhabe ist zwischen den Parteien unstreitig.
Nach § 97 Abs. 1 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art und Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Nach § 97 Abs. 2 SGB III sind bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Kann die Eingliederung behinderter Menschen in das Arbeitsleben nur durch eine Maßnahme zur beruflichen Teilhabe sichergestellt werden, ist die Ag. zur Leistung verpflichtet. Sie hat dann nur noch ein Auswahlermessen für die Maßnahme, die geeignet ist, das Ziel zu erreichen.
Gem. § 98 Abs. 1 SGB III kommen für behinderte Menschen sowohl allgemeine Leistungen als auch besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen in Frage. Gem. § 98 Abs. 2 SGB III werden besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erbracht, wenn soweit nicht bereits die allgemeinen Leistungen die Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann. Für die Ast. kommen keine besonderen Leistungen in Frage, da sie durch die Teilnahme an einer allgemeinen Ausbildung zur Logopädin in das Arbeitsleben eingegliedert werden kann. Nach § 100 Nr. 6 SGB III i. V. m. § 77 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch die Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern (Nr.1) , vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist (Nr.2) und die Maßname und der Träger für die Förderung zugelassen sind (Nr.3).
Die Erbringung von allgemeinen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben steht im Ermessen der Ag (§ 3 Abs. 5 i. V. m. § 100 SGB III). Der Behinderte hat gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil – SGB I- nur einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung. Diese Ermessensbetätigungspflicht besteht für die Arbeitsagentur nur, wenn der Behinderte die Eingangsvoraussetzungen für die Förderung der beruflichen Eingliederung Behinderter erfüllt, was vorliegend zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Auch bei der Auswahl, d. h. bei der Prüfung des "Wie" der Erbringung der Leistung steht dem Behinderten nur ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung zu.
Dies steht dem Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 63,110) besteht ein auf Leistungsgewährung gerichteter Anordnungsanspruch dann, wenn das dem Leistungserbringer eingeräumte Ermessen auf Null reduziert ist. Daneben wird –wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs. 4 Grundgesetz -GG –) die Auffassung vertreten, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer positiven Ermessensentscheidung im Vorfeld der Ermessensreduktion für eine gerichtliche Leistungsgewährung ausreicht (Finklenburg-Jank, Vorläufiger Rechtschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. A. 1998 Rdnr. 1235).
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist vorliegend nach summarischer Prüfung eine positive Ermessensentscheidung im Vorfeld der Ermessensreduktion wahrscheinlich, denn die angestrebte Maßnahme der Ast. entspricht auch den Anforderungen des § 85 SGB III.
Nach § 85 Abs.1 Satz SGB III sind für die Förderung Maßnahmen zugelassen, bei denen eine fachkundige Stelle festgestellt hat, dass die Maßname
1. nach Gestaltung der Inhalte der Maßnahme sowie den Methoden und Materialien ihrer Vermittlung eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten lässt und nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist,
2. angemessene Teilnahmebedingungen bietet,
3. mit einem Zeugnis abschließt, das Auskunft über den Inhalt des Vermittelten Lehrstoffes bietet,
4. nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant und durchgeführt wird, insbesondere die Kosten und Dauer angemessen sind.
Diese Voraussetzungen liegen bei der geplanten Ausbildung zur Ergotherapeutin vor. Träger und Maßnahme sind zugelassen.
Nach § 85 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist die Dauer der Maßnahme angemessen, wenn sie sich auf den für das Erreichen des Bildungsziels erforderlichen Umfang beschränkt. Die Dauer einer Vollzeitmaßnahme, die zu einem Abschluss in einem allgemeinen anerkannten Ausbildungsberuf führt, ist angemessen, wenn sie gegenüber einer entsprechenden Berufsausbildung um mindestens 1/3 der Ausbildungszeit verkürzt ist (Satz 2). Diese Regelung steht vor dem Hintergrund, dass Arbeitnehmer, die an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen gegenüber Auszubildenden über eine größere Lebens- und Berufserfahrung verfügen und deshalb das Bildungsziel schneller erreichen können (BT-Drucks. 13/4941 S.171). Ist die Verkürzung um mindestens 1/3 der Ausbildungszeit aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen ausgeschlossen, so ist die Förderung eines Maßnahmeteils von bis zu 2/3 der Maßnahme nicht ausgeschlossen, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert ist. § 85 Abs.2 Satz 3 SGB III lässt damit Ausnahmen von der Verkürzung der Ausbildungsdauer zu. Dadurch wird die Förderung eines begrenzten Maßnahmeteils (maximal 2/3 der Maßnahme) für die Weiterbildung ermöglicht, sofern bestehende Bundes - oder Landesgesetze kürzere Ausbildungszeiten ausschließen. Weitere Voraussetzung dafür ist, dass bereits vor Maßnahmebeginn die Finanzierung für die Gesamtdauer der Maßnahme gesichert ist. Die Ausbildung der Ast. zur Ergotherapeutin dauert aufgrund landes- bzw. bundesgesetzlicher Regelungen drei Jahre und kann nicht verkürzt werden.
Die Übergangsvorschrift des § 434 d Abs. 1 SGB III, die für bis zum 31.12.2005 begonnene Weiterbildungen noch eine Förderung der gesamten Ausbildungsdauer durch die Ag. ermöglichte, greift zu Gunsten der Ast. nicht mehr.
Nach Auffassung des Gerichts ist vorliegend die Förderung eines Maßnahmeteils von bis zu 2/3 der Maßnahme nicht ausgeschlossen, weil bereits vor Maßnahmebeginn glaubhaft gemacht ist, dass die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert ist.
Die Ast. hat eine Versicherungspolice über eine 2003 abgeschlossene Berufsunfähigkeitsversicherung vorgelegt, wonach im Falle vollständiger Berufsunfähigkeit eine Jahresrente in Höhe von 7200,00 EUR, zahlbar in monatlichen Raten in Höhe von 600,00 EUR vereinbart worden ist. Im Jahr 2006 wurde die Jahresrente auf 10.800, 00 EUR, zahlbar in monatlichen Raten von 900,00 EUR aufgestockt. Nach telefonischer Auskunft der X. Versicherungsgesellschaft ist das Verfahren in Bearbeitung; eine Entscheidung wird in ca. 1 bis 2 Wochen getroffen werden. Nach telefonischer Auskunft der IB-M. A. ZT. betragen die monatlichen Schulkosten 405,00 EUR; zusätzlich fällt im 3. Ausbildungsjahr eine einmalige Prüfungsgebühr in Höhe von 627,00 EUR an.
Zusätzlich haben sich die Eltern der Ast. bereit erklärt, die gesamten Kosten des 3. Ausbildungsjahres zu übernehmen (Bestätigung vom 23.09.2008). Mithin ist es wahrscheinlich, dass die Ast. in der Lage sein wird, im 3. Ausbildungsjahr die Kosten für die Schule aufbringen und für ihren Lebensunterhalt aufkommen kann.
Die Auffassung der Ag., eine Finanzierung aus Eigenmitteln entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers, teilt das Gericht nicht. Nach Sinn und Zweck der Regelung soll verhindert werden, dass eine einmal begonnene und beitragsfinanzierte Maßnahme vorzeitig abgebrochen werden muss, weil der 3. Ausbildungsabschnitt vom Teilnehmer nicht finanziert werden kann. Diese Gefahr ist jedoch dann nicht gegeben, wenn bereits bei Beginn der Maßnahme die gesamte Finanzierung sichergestellt ist. Für diesen Sicherungszweck ist aber die Herkunft der Mittel unerheblich; sie können vom Maßnahmeträger, dem Teilnehmer oder von Seiten Dritter erfolgen. Entscheidend ist lediglich, dass die Finanzierung an sich gesichert ist (vgl. so auch SG Bremen, Beschluss vom 28.09.2006 - S 13 AL 183/06 ER; SG Berlin, Beschluss vom 12.01.2007- S 22 AL 4250/06 ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 08.10.2007 – L12 B 468/06 AL ER; a. A. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 29.11.2006 – L6 B 388/06 AL ER). Auch die Kommentarliteratur hält die Finanzierung durch Dritte für einen möglich denkbaren Fall (vgl. Stratmann in Niesel, SGB III, 4. A. § 85 Rdnr.13) Diese Auslegung wird auch durch die Gesetzesbegründung gestützt. Zu § 85 SGB III heißt es: "Die bisher bereits möglichen Maßnahmeformen und – inhalte bleiben vollständig erhalten." (Bundestagsdrucksache 15/25, Seite 30)."
Die von der Ag. vertretene Auffassung führt im Ergebnis dazu, dass Gesundheitsfachberufe als Maßnahme der beruflichen Weiterbildung ausscheiden würden, da diese sämtlich aufgrund landes- oder bundesrechtlicher Bestimmungen nur in 3-jähriger Ausbildung absolviert werden können und nicht verkürzbar sind. Diese Auslegung wäre nach Auffassung des erkennenden Gerichts mit Artikel 12 des Grundgesetz –GG nicht vereinbar. (vgl. a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2006, L 6 B 388/06 AL ER).
Die Ast. hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Ausbildung zur Ergotherapeutin beginnt am 01.10.2008. Das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache würde für die Ast. einen unzumutbaren Nachteil bedeuten, da der nächstmögliche Einstiegstermin erst wieder in einem Jahr erfolgen könnte.
Alledem war dem Antrag stattzugeben und die Ag. zu verpflichten die Maßnahme vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu fördern.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
Gründe:
I.
Die Antragsstellerin (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin (Ag) zur Übernahme der Kosten der Ausbildung zur Ergotherapeutin ab 01.10.2008.
Die Ast. absolvierte in der Zeit 2003 bis 2006 eine Ausbildung zur Schauwerbegestalterin und war im Anschluss daran bis 2008 als Visual Merchandiserin bei der Firma H. beschäftigt. Aufgrund gesundheitlicher Probleme wurde sie ab 17.05.2008 von ihren arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Arbeitgeber freigestellt, nachdem der arbeitsmedizinische Dienst festgestellt hatte, dass ihre Beschwerden auf Farbstoffe in den Textilien zurückzuführen sind.
Ein von der Ast. Im Juli 2008 bei der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution gestellter Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wurde von dort am 04. Juli 2008 an die Agentur für Arbeit in Darmstadt als die nach Auffassung der Berufsgenossenschaft zuständige Rehabilitationsträgerin (§ 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX) weitergeleitet. Im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Ag. vom 04.08.2008 wurde als vermittlungs –und beratungsrelevante Gesundheitsstörung eine "allergisch-toxische Nierenentzündung bei Allergie auf Dichloranilin und Trichloranilin" festgestellt. Nach Auffassung des ärztlichen Dienstes der Ag. bestehen gegen eine Tätigkeit der Ast. als Ergo-Therapeutin aus ärztlicher Sicht keine Einwände.
Am 13.08.2008/23.08.2008 beantragte die Ast. bei der Ag. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Mit Schreiben vom 02. September 2008 teilte die Ag. der Ast. mit, die Bundesagentur sei zuständiger Rehabilitationsträger nach § 6 SGB IX. Wegen Art und Schwere der bei ihr vorliegenden Behinderungen seien ihre Aussichten am Arbeitsleben teilzunehmen nicht nur vorübergehend vermindert, weshalb sie Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötige. Ebenfalls mit Schreiben vom 02.09.2008 stellte die Ag. bei der Ast. die Notwendigkeit der beruflichen Qualifizierung fest und erteilte einen Bildungsgutschein. Darin heißt es:
"Mit diesem Bildungsgutschein werden die Kosten für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung übernommen, vorausgesetzt die Weiterbildung ist für die Weiterbildungsförderung nach § 85 SGB III zugelassen."
Am 12. September 2008 beantragte die Ast. bei der Ag. Leistungen zur Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme zur staatlich anerkannten Ergotherapeutin für die Zeit vom 01.10.2008 bis 30.09.2011 bei der IB-M. A. - Staatlich anerkannte Schule für Ergotherapie, A-Stadt, Maßnahmeort ZT.
Durch Bescheid vom 19.09.2008 lehnte die Ag. den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, § 85 Abs. 2 Satz 3, 3. Buch Sozialgesetzbuch – SGB III – lasse Maßnahmen zur Förderung zu, die um mindestens 1/3 der Ausbildungsdauer verkürzt werden könnten. Bei der von ihr angestrebten Ausbildung zur Ergotherapeutin sei eine Verkürzung der Ausbildungszeit aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen ausgeschlossen. Eine Förderung eines Maßnahmeteils bis zu 2/3 der Maßnahme sei möglich, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert sei. Die Förderung in diesen Fällen setze aber voraus, dass der Träger der Maßnahme die Finanzierung des fehlenden Drittels für den nach dem SGB III geförderten Teilnehmer erklären müsse. Der Gesetzgeber beziehe sich mit dieser Vorschrift und der damit verbundenen Sicherstellung der Finanzierung nicht auf den Teilnehmer, sondern auf den Maßnahme- bzw. Schulträger. Sie habe den Nachweis erbracht, dass sie das 3. Jahr der Maßnahme selbst finanzieren wolle und könne. Die Sicherstellung des 3. Teils durch Eigenfinanzierung des Teilnehmers entspreche jedoch nicht der Intention des Gesetzgebers, weil § 85 SGB III sich eindeutig auf die Anforderung an die Maßnahmen beziehe, weshalb eine Förderung der von ihr gewählten Form abzulehnen sei.
Am 19.09.2008 hat die Ast. bei dem Sozialgericht Darmstadt den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Der von der Ast. erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 zurückgewiesen. Die Ast. hat am 23.09.2008 Klage bei dem Sozialgericht in Darmstadt erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 11 AL 284/08 geführt wird.
Zur Begründung ihres Begehrens im einstweiligen Rechtschutzverfahren hat die Ast. ausgeführt, sie habe von der Ag. eine verbindliche Zusage der beruflichen Weiterbildung zur Ergotherapeutin erhalten und habe auf diese Zusage vertraut. Ein weiteres Zuwarten sei ihr nicht möglich, da die Ausbildung bereits am 01.10.2008 beginnen werde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Ergotherapeutin an der IB-M. A. - staatlich anerkannte Schule für Ergotherapie in ZT. ab 01.10.2008 für die ersten beiden Ausbildungsjahre zu gewähren.
Die Ag. hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung hat sie – ergänzend zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 – mit Schriftsatz vom 22.09.2008 ausgeführt, eine Förderung der ausgewählten Maßnahme mit dem Ziel einer Ausbildung zur Ergotherapeutin sei nicht möglich, weil die Maßnahme nach § 85 SGB III nicht zugelassen werden könne, denn die Maßnahmedauer sei nicht angemessen, weil sie nicht auf 2/3 verkürzt werden könne. Die Finanzierung des 3. Ausbildungsjahres sei nicht sichergestellt; eine Eigenleistung durch die Ast. erfülle diese Bedingung nicht.
Das Gericht hat telefonische Auskünfte bei der X. Versicherung sowie der IB-M. A., ZT. eingeholt.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Antragsakte sowie der bei der Ag. über die Ast. geführte Verwaltungsakte, die dem Gericht vorgelegen hat und auszugsweise zum Gegenstand der Entscheidung gemacht worden ist.
Gründe:
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Ast. vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Regelungsanordnung kann dabei eine Rechtsposition vorläufig begründen oder erweitern. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Ag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, als auch einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 06.07.2006 - L 7 AS 86/06 ER;. Beschluss vom 29.06.2005 - L 7 AS 1/05 ER - und vom 06.01.2006 - L 7 AS 87/05 ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86 b Rdnr. 27 und 29 m. w. N.). Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO - i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rdnr. 42).
Zur Überzeugung des erkennenden Gerichts ist vorliegend einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die Ast. hat gegenüber der Ag. einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. §§ 6 Abs. 1 SGB IX i. V. m. 19, 97 Abs. 1 ff SGB III. Die Ast. ist derzeit arbeitslos und bezieht Leistungen. Die Ast. gehört zum Personenkreis nach § 19 SGB III. Danach sind Menschen behindert, deren Aussicht, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art und Schwere ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert ist und sie deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen.
Die Notwendigkeit einer Maßnahme zur beruflichen Teilhabe ist zwischen den Parteien unstreitig.
Nach § 97 Abs. 1 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art und Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Nach § 97 Abs. 2 SGB III sind bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Kann die Eingliederung behinderter Menschen in das Arbeitsleben nur durch eine Maßnahme zur beruflichen Teilhabe sichergestellt werden, ist die Ag. zur Leistung verpflichtet. Sie hat dann nur noch ein Auswahlermessen für die Maßnahme, die geeignet ist, das Ziel zu erreichen.
Gem. § 98 Abs. 1 SGB III kommen für behinderte Menschen sowohl allgemeine Leistungen als auch besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen in Frage. Gem. § 98 Abs. 2 SGB III werden besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erbracht, wenn soweit nicht bereits die allgemeinen Leistungen die Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann. Für die Ast. kommen keine besonderen Leistungen in Frage, da sie durch die Teilnahme an einer allgemeinen Ausbildung zur Logopädin in das Arbeitsleben eingegliedert werden kann. Nach § 100 Nr. 6 SGB III i. V. m. § 77 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch die Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern (Nr.1) , vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist (Nr.2) und die Maßname und der Träger für die Förderung zugelassen sind (Nr.3).
Die Erbringung von allgemeinen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben steht im Ermessen der Ag (§ 3 Abs. 5 i. V. m. § 100 SGB III). Der Behinderte hat gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil – SGB I- nur einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung. Diese Ermessensbetätigungspflicht besteht für die Arbeitsagentur nur, wenn der Behinderte die Eingangsvoraussetzungen für die Förderung der beruflichen Eingliederung Behinderter erfüllt, was vorliegend zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Auch bei der Auswahl, d. h. bei der Prüfung des "Wie" der Erbringung der Leistung steht dem Behinderten nur ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung zu.
Dies steht dem Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 63,110) besteht ein auf Leistungsgewährung gerichteter Anordnungsanspruch dann, wenn das dem Leistungserbringer eingeräumte Ermessen auf Null reduziert ist. Daneben wird –wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs. 4 Grundgesetz -GG –) die Auffassung vertreten, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer positiven Ermessensentscheidung im Vorfeld der Ermessensreduktion für eine gerichtliche Leistungsgewährung ausreicht (Finklenburg-Jank, Vorläufiger Rechtschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. A. 1998 Rdnr. 1235).
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist vorliegend nach summarischer Prüfung eine positive Ermessensentscheidung im Vorfeld der Ermessensreduktion wahrscheinlich, denn die angestrebte Maßnahme der Ast. entspricht auch den Anforderungen des § 85 SGB III.
Nach § 85 Abs.1 Satz SGB III sind für die Förderung Maßnahmen zugelassen, bei denen eine fachkundige Stelle festgestellt hat, dass die Maßname
1. nach Gestaltung der Inhalte der Maßnahme sowie den Methoden und Materialien ihrer Vermittlung eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten lässt und nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist,
2. angemessene Teilnahmebedingungen bietet,
3. mit einem Zeugnis abschließt, das Auskunft über den Inhalt des Vermittelten Lehrstoffes bietet,
4. nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant und durchgeführt wird, insbesondere die Kosten und Dauer angemessen sind.
Diese Voraussetzungen liegen bei der geplanten Ausbildung zur Ergotherapeutin vor. Träger und Maßnahme sind zugelassen.
Nach § 85 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist die Dauer der Maßnahme angemessen, wenn sie sich auf den für das Erreichen des Bildungsziels erforderlichen Umfang beschränkt. Die Dauer einer Vollzeitmaßnahme, die zu einem Abschluss in einem allgemeinen anerkannten Ausbildungsberuf führt, ist angemessen, wenn sie gegenüber einer entsprechenden Berufsausbildung um mindestens 1/3 der Ausbildungszeit verkürzt ist (Satz 2). Diese Regelung steht vor dem Hintergrund, dass Arbeitnehmer, die an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen gegenüber Auszubildenden über eine größere Lebens- und Berufserfahrung verfügen und deshalb das Bildungsziel schneller erreichen können (BT-Drucks. 13/4941 S.171). Ist die Verkürzung um mindestens 1/3 der Ausbildungszeit aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen ausgeschlossen, so ist die Förderung eines Maßnahmeteils von bis zu 2/3 der Maßnahme nicht ausgeschlossen, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert ist. § 85 Abs.2 Satz 3 SGB III lässt damit Ausnahmen von der Verkürzung der Ausbildungsdauer zu. Dadurch wird die Förderung eines begrenzten Maßnahmeteils (maximal 2/3 der Maßnahme) für die Weiterbildung ermöglicht, sofern bestehende Bundes - oder Landesgesetze kürzere Ausbildungszeiten ausschließen. Weitere Voraussetzung dafür ist, dass bereits vor Maßnahmebeginn die Finanzierung für die Gesamtdauer der Maßnahme gesichert ist. Die Ausbildung der Ast. zur Ergotherapeutin dauert aufgrund landes- bzw. bundesgesetzlicher Regelungen drei Jahre und kann nicht verkürzt werden.
Die Übergangsvorschrift des § 434 d Abs. 1 SGB III, die für bis zum 31.12.2005 begonnene Weiterbildungen noch eine Förderung der gesamten Ausbildungsdauer durch die Ag. ermöglichte, greift zu Gunsten der Ast. nicht mehr.
Nach Auffassung des Gerichts ist vorliegend die Förderung eines Maßnahmeteils von bis zu 2/3 der Maßnahme nicht ausgeschlossen, weil bereits vor Maßnahmebeginn glaubhaft gemacht ist, dass die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert ist.
Die Ast. hat eine Versicherungspolice über eine 2003 abgeschlossene Berufsunfähigkeitsversicherung vorgelegt, wonach im Falle vollständiger Berufsunfähigkeit eine Jahresrente in Höhe von 7200,00 EUR, zahlbar in monatlichen Raten in Höhe von 600,00 EUR vereinbart worden ist. Im Jahr 2006 wurde die Jahresrente auf 10.800, 00 EUR, zahlbar in monatlichen Raten von 900,00 EUR aufgestockt. Nach telefonischer Auskunft der X. Versicherungsgesellschaft ist das Verfahren in Bearbeitung; eine Entscheidung wird in ca. 1 bis 2 Wochen getroffen werden. Nach telefonischer Auskunft der IB-M. A. ZT. betragen die monatlichen Schulkosten 405,00 EUR; zusätzlich fällt im 3. Ausbildungsjahr eine einmalige Prüfungsgebühr in Höhe von 627,00 EUR an.
Zusätzlich haben sich die Eltern der Ast. bereit erklärt, die gesamten Kosten des 3. Ausbildungsjahres zu übernehmen (Bestätigung vom 23.09.2008). Mithin ist es wahrscheinlich, dass die Ast. in der Lage sein wird, im 3. Ausbildungsjahr die Kosten für die Schule aufbringen und für ihren Lebensunterhalt aufkommen kann.
Die Auffassung der Ag., eine Finanzierung aus Eigenmitteln entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers, teilt das Gericht nicht. Nach Sinn und Zweck der Regelung soll verhindert werden, dass eine einmal begonnene und beitragsfinanzierte Maßnahme vorzeitig abgebrochen werden muss, weil der 3. Ausbildungsabschnitt vom Teilnehmer nicht finanziert werden kann. Diese Gefahr ist jedoch dann nicht gegeben, wenn bereits bei Beginn der Maßnahme die gesamte Finanzierung sichergestellt ist. Für diesen Sicherungszweck ist aber die Herkunft der Mittel unerheblich; sie können vom Maßnahmeträger, dem Teilnehmer oder von Seiten Dritter erfolgen. Entscheidend ist lediglich, dass die Finanzierung an sich gesichert ist (vgl. so auch SG Bremen, Beschluss vom 28.09.2006 - S 13 AL 183/06 ER; SG Berlin, Beschluss vom 12.01.2007- S 22 AL 4250/06 ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 08.10.2007 – L12 B 468/06 AL ER; a. A. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 29.11.2006 – L6 B 388/06 AL ER). Auch die Kommentarliteratur hält die Finanzierung durch Dritte für einen möglich denkbaren Fall (vgl. Stratmann in Niesel, SGB III, 4. A. § 85 Rdnr.13) Diese Auslegung wird auch durch die Gesetzesbegründung gestützt. Zu § 85 SGB III heißt es: "Die bisher bereits möglichen Maßnahmeformen und – inhalte bleiben vollständig erhalten." (Bundestagsdrucksache 15/25, Seite 30)."
Die von der Ag. vertretene Auffassung führt im Ergebnis dazu, dass Gesundheitsfachberufe als Maßnahme der beruflichen Weiterbildung ausscheiden würden, da diese sämtlich aufgrund landes- oder bundesrechtlicher Bestimmungen nur in 3-jähriger Ausbildung absolviert werden können und nicht verkürzbar sind. Diese Auslegung wäre nach Auffassung des erkennenden Gerichts mit Artikel 12 des Grundgesetz –GG nicht vereinbar. (vgl. a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2006, L 6 B 388/06 AL ER).
Die Ast. hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Ausbildung zur Ergotherapeutin beginnt am 01.10.2008. Das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache würde für die Ast. einen unzumutbaren Nachteil bedeuten, da der nächstmögliche Einstiegstermin erst wieder in einem Jahr erfolgen könnte.
Alledem war dem Antrag stattzugeben und die Ag. zu verpflichten die Maßnahme vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu fördern.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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