L 5 AS 224/09 NZB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 13 AS 1148/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 224/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer und Kläger (im Folgenden Kläger) beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. Januar 2009 und die Durchführung des Berufungsverfahrens. In der Sache begehrt er die Aufhebung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides des Beklagten, mit dem dieser von ihm die Erstattung von 38,53 EUR für seines Erachtens zuviel gezahlter Leistungen für den Monat Juni 2006 gefordert hatte.

Der Kläger bezog vom Beklagten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Mit Bescheid vom 6. April 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. April 2005 bewilligte er ihm für den Zeitraum von April bis September 2005 in Höhe von 436,20 EUR/Monat. Mit Schreiben des Hauptzollamts M. vom 31. Mai 2006 erlangte der Beklagte Kenntnis von einer u.a. im Mai 2005 vom Kläger ausgeübten Nebentätigkeit, aus der er in diesem Monat einen Verdienst in Höhe von 96,66 EUR erzielte, der ihm im Juni 2006 zufloss.

Nach einer mit Schreiben vom 7. Juni 2006 erfolgten Anhörung des Klägers zur Aufhebung und Erstattung eines Betrages von 38,53 EUR für den Monat Juni 2005 wegen anzurechnenden Einkommens erließ der Beklagte unter dem 27. Juni 2006 einen entsprechenden Bescheid.

Nach durchgeführtem erfolglosem Widerspruchsverfahren (zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006) hat der Kläger beim Sozialgericht Dessau-Roßlau gegen den Bescheid Klage erhoben. Seine Klagebegründung hat er auch darauf gestützt, die ihm bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) seien zu niedrig gewesen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29. Januar 2009 die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten sei rechtmäßig. Unstreitig sei dem Kläger im Juni 2005 Einkommen in Höhe von 96,66 EUR zugeflossen. Die Voraussetzungen einer Rückforderung nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches – Arbeitsförderung (SGB III) lägen vor. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei auch nicht deswegen rechtswidrig, weil der Kläger einen höheren Anspruch auf KdU geltend gemacht habe. Ein solcher Anspruch stehe ihm nicht zu. Die KdU für das dem Kläger gehörende und zusammen mit seiner Mutter bewohnte Eigenheim seien kopfteilig zu berücksichtigen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem mit ihr geschlossenen Überlassungsvertrag. Höhere Heizkosten habe der Kläger für den Bewilligungsabschnitt nicht dargelegt und nachgewiesen. Die geltend gemachten Darlehenszinsen seien zwar grundsätzlich als KdU erstattungsfähig. Der Kläger habe jedoch nicht hinreichend belegt, dass er das Darlehen in vollem Umfang aufgenommen habe, um eine Umschuldung vorzunehmen und am Haus erforderliche Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten durchzuführen. Belege habe er nicht vorgelegt. Aus den sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befindlichen Unterlagen ergebe sich, dass er das Geld auch genutzt habe, um einen Kamin einzubauen. Bei vorhandener Ölzentralheizung sei eine solche Maßnahme jedoch nicht notwendig. Der Darlehensvertrag sei zudem bereits im Februar 2004 abgeschlossen worden. Da die vom Kläger monatlich aufgrund des Darlehensvertrags zu zahlenden Raten einen Tilgungs- und einen Zinsanteil enthielten, könne der von ihm behauptete Zinsbetrag in Höhe von 45,25 EUR im Monat Juni 2005 in dieser Höhe nicht mehr angefallen sein. Darüber hinaus wären nur die Zinsen für den auf die Umschuldung entfallenden Teil des Darlehens erstattungsfähig. Schließlich habe der Beklagte ohnehin annähernd 35 EUR im Monat auch unter Berücksichtigung der Darlehenszinsen zu viel KdU erstattet. Einen Anspruch auf Gewährung einer Instandhaltungspauschale habe er nicht. Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen.

Gegen das ihm am 27. Mai 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Juni 2009 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Das Sozialgericht habe die Amtsermittlungspflicht verletzt. Es sei zu dem Ergebnis gelangt, dass eine konkrete Berechnung trotz der vom Kläger vorgelegten Nachweise zu den Zinsbelastungen nicht erforderlich sei, da der Beklagte im Verfahren eine Überzahlung von 38 EUR für die KdU festgestellt habe. Diese Auffassung sei rechtfehlerhaft. Hinsichtlich der angeblichen Überzahlung sei keine Anhörung des Klägers erfolgt. Damit liege ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Die behauptete Überzahlung könne ihm nicht entgegengehalten werden. Es gelte nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens der Grundsatz der "reformatio in peius". Der Beklagte könne sich aufgrund eigener Rechenfehler ihm gegenüber nicht entlasten und ihm diesen Betrag entgegenhalten. Das Gericht sei daher verpflichtet gewesen, anhand der von ihm vorgelegten Unterlagen die tatsächlichen KdU und damit auch seine Darlehensverpflichtungen in tatsächlicher Höhe festzustellen. Der Beklagte hätte zumindest konkludent seinem Überprüfungsbegehren stattgegeben, sei jedoch nicht bereit, die Leistungsberechnung aus dem Bewilligungsbescheid vom 13. Mai 2005 (gemeint: April) abzuändern. Der Kläger habe sich zu den Darlehen und den einzelnen Aufwendungen erklärt und Fremdmittelbescheinigungen sowie Anschaffungsbelege vorgelegt, soweit diese noch vorhanden gewesen seien. Soweit er keine Belege habe vorlegen können, sei ihm dies nicht anzulasten. Zu keiner Zeit sei er seitens des Beklagten auf die Vorlagepflicht von Belegen hingewiesen worden. Der Beklagte habe insoweit seine Beratungspflicht verletzt. Das habe das Gericht übersehen. Der Umfang der Beratungspflicht des Beklagten sei von grundsätzlicher Bedeutung.

Zudem sei unberücksichtigt geblieben, dass angesichts des Rückforderungsbetrages von unter 50 EUR dem Beklagten nach § 44 SGB II ein Ermessen hinsichtlich des Absehens von dieser Rückforderung zustehe, von dem er jedoch keinen Gebrauch gemacht habe. Von grundsätzlicher Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, inwieweit eine Ermessensentscheidung zu einem Erlass der Rückforderung vom Beklagten und vom Sozialgericht hätte getroffen werden müssen.

Der Kläger beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. Januar 2009 zuzulassen und das Verfahren als Berufungsverfahren fortzuführen.

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Es seien keine Gründe für die Zulassung der Berufung erkennbar.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

II.

1.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist auch statthaft, da die Berufung nicht kraft Gesetzes zulässig ist. Gemäß § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR oder
2.bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 EUR
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Streitgegenstand ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 27. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2006, mit dem dieser vom Kläger die Erstattung zuviel gezahlter Leistungen im Monat Juni 2005 in Höhe von 38,53 EUR fordert. Diesen hat der Kläger mit der Anfechtungsklage angegriffen. Der Wert liegt unter dem Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR.

Nicht Streitgegenstand ist dagegen die Höhe der KdU für den gesamten Bewilligungsabschnitt von April bis September 2005. Der Bescheid vom 6. April 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. April 2005 ist mit Ausnahme des den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid betreffenden Teils bestandskräftig und somit zwischen den Parteien bindend geworden (§ 77 SGG). Einen Überprüfungsantrag hat der Kläger nicht gestellt. Soweit der Beklagte im Verfahren zur Höhe der KdU Stellung genommen hat, haben die Ausführungen offenkundig den Monat Juni 2005 betroffen.

2.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Berufung gegen das Urteil vom 29. Januar 2009 zu Recht nicht zugelassen.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn

1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sie ungeklärt ist und eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.

Soweit der Kläger darauf verweist, der Umfang der Beratungspflicht des Beklagten sei grundsätzlich festzustellen, so ist diese Rechtsfrage geklärt. Das Bundessozialgericht hat sich in dem von ihm zitierten Urteil (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007, B 14/11b AS 63/06 R, Rn. 14, 15) bereits mit dieser Frage allgemein auseinandergesetzt. Ob unter die Beratungspflicht konkret auch der Hinweis auf etwaig aufzubewahrende Belege zu Reparaturzwecken des Eigenheims gehören, ist eine Frage des Einzelfalls und damit keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich.

Auch er die Frage, ob die Voraussetzungen des § 44 SGB II bei jeder Rückforderung durch den Grundsicherungsträger und/oder vom Gericht zu prüfen sind, bedarf keiner grundsätzlichen Klärung. Der Erlass einer Forderung kann grundsätzlich erst nachträglich erfolgen und setzt eine Entscheidung des Verwaltungsträgers voraus (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 11/10 R, Rn. 19, Juris). Eine bestandskräftige Rückforderung ist mithin Voraussetzung für eine Erlassentscheidung. Diese kann daher nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens werden.

Es besteht auch keine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Diese liegt nur dann vor, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Berufungsgerichts oder des Bundessozialgerichts abweicht (Meyer-Ladewig, 9. Aufl., § 144, Rn. 30, 30a). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Auch ein Zulassungsgrund im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt nicht vor. Dieser ist nur dann gegeben, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, dieser vorliegt und die Entscheidung auf ihm beruht (Meyer-Ladewig a.a.O., § 144, Rn. 31). Unter einem Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt, zu verstehen, d.h. der Mangel muss im prozessualen Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil liegen.

Soweit der Kläger eine fehlende Anhörung seitens des Beklagten hinsichtlich angeblich zu viel bewilligter KdU rügt, stellt dies keinen Verfahrensmangel i.S. der o.g. Definition dar.

Soweit der Kläger geltend macht, das Sozialgericht habe trotz entgegenstehender Verpflichtung anhand der ihm vorgelegten Unterlagen seine tatsächlichen KdU unter Einbeziehung der Darlehensverpflichtungen nicht festgestellt, liegt ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ebenfalls nicht vor.

Der Kläger rügt damit die Verletzung der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG). Das Sozialgericht hat entgegen seiner Ansicht die geltend gemachten KdU geprüft, ist jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass sich (ohne Darlehenszinsen) kein Anspruch auf höhere als ihm bewilligte Leistungen ergibt. Die Darlehenszinsen hat es als grundsätzlich erstattungsfähig erachtet. Allerdings habe der Kläger keine Belege eingereicht. Dies hatte seinen Grund jedoch nicht in der fehlenden Amtsermittlung. Das Sozialgericht hatte ihn mit Schreiben vom 9. März 2007 aufgefordert, alle Positionen der geltend gemachten KdU unter Bezugnahme auf Unterlagen zu benennen. Da er jedoch nicht mehr über alle Belege verfügte, war es dem Sozialgericht nicht möglich, den Anteil des Darlehens, den er für notwendige Reparaturmaßnahmen verwandt hatte, konkret bestimmen zu können. Die daraus folgenden Ausführungen zur Höhe etwaig anzurechnender Zinsbelastungen stellen insoweit nur Hilfsüberlegungen dar.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Beschwerde nicht zulässig, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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