Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 20/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 450/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 108/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein isolierter Antrag, einen Träger zur Grundsicherung für Arbeitsuchende zu Vermittlungsaktivitäten für einen Antragsteller zu verpflichteten, ist regelmäßig, unabhängig vom formalen Leistungbegehren, als Feststellungsantrag iSd § 55 SGG auszulegen, dass ein Leistungs- und Betreuungszusammenhang, mithin ein Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Leistungsträger besteht.
Zur Subsidiarität der Feststellungsklage im Verhältnis zur Leistungs-/ Verpflichtungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren.
Zur Subsidiarität der Feststellungsklage im Verhältnis zur Leistungs-/ Verpflichtungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.09.2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte für den Kläger Vermittlungstätigkeiten und Aufgaben der Arbeitsvermittlung wahrzunehmen hat.
Der Kläger bezog seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Anlässlich einer ärztlichen Begutachtung stellte der Beklagte fest, der Kläger sei erwerbsunfähig iSd § 8 SGB II und hob mit Bescheid vom 14.09.2006 den Bewilligungsbescheid vom 29.06.2006 (Bewilligungszeitraum vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 - monatliche Leistung 628,08 EUR) für die Zeit ab dem 01.10.2006 auf. Der Kläger erfülle mangels Erwerbsfähigkeit nicht mehr die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nach dem SGB II. Auf seinen Widerspruch vom 27.09.2006 hin er sei erwerbsfähig bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 07.11.2006 in der Fassung des Bescheides vom 16.11.2006 Alg II in Höhe von 628,08 EUR monatlich (01.10.2006 bis 30.11.2006) bzw. für Dezember 2006 in Höhe von 639,18 EUR.
Im Anschluss an einen Fortzahlungsantrag vom 28.09.2006 (für die Zeit ab dem 01.01.2007) bewilligte der Beklagte dem Kläger zudem Alg II für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 30.06.2007 in Höhe von 639,18 EUR monatlich (Bescheid vom 16.11.2006). Auch in der Folgezeit bis 30.09.2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II (zuletzt mit Bescheid vom 03.03.2008). Erst den am 05.09.2008 gestellten Fortzahlungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2009 ab. Mangels Erwerbsfähigkeit bestehe für die Zeit ab dem 01.10.2008 kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die hiergegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage (S13 AS 150/09) hat das SG mit Urteil vom 16.03.2011 abgewiesen. Über die hiergegen am 20.04.2011 zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.09.2006 als unzulässig zurück. Sowohl nach der Einschätzung des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Nürnberg als auch nach einer ärztlichen Stellungnahme des Landratsamtes Nürnberger Land - Gesundheitsamt - sei der Kläger nicht mehr erwerbsfähig. Mangels Leistungen durch den Träger der Sozialhilfe seien dem Kläger mit Bescheid vom 07.11.2006 jedoch weiterhin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.10.2006 bis 31.12.2006 bewilligt worden. Eine Beschwer durch den Bescheid vom 14.09.2006 sei nicht mehr gegeben. Zudem seien auch für den Zeitraum 01.01.2007 bis 30.06.2007 Leistungen nach dem SGB II erbracht worden.
Mit der hiergegen zum SG erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Aufhebung des Bescheides vom 14.09.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2006 beantragt sowie die Feststellung, erwerbsfähig zu sein, begehrt. Zur Frage der Erwerbsfähigkeit hat das SG ein Gutachten des Psychiaters Dr. H. eingeholt. Hiernach leide der Kläger an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (differentialdiagnostisch an einer anhaltenden wahnhaften Störung bzw. einer schizotypen Störung), die seine psychische Flexibilität erheblich beeinträchtige und ihm ein adäquates Verhalten für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitmarkt unmöglich mache. Die Kooperationsfähigkeit sowie die geistige und psychische Flexibilität des Klägers sei praktisch aufgehoben, so dass ihm eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch in einem Umfang von weniger als drei Stunden zumutbar sei. Es sei zwar von einer Chronifizierung der Erkrankung auszugehen, aufgrund der unsicheren Datenlage könne eine Besserung jedoch nicht ausgeschlossen werden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30.09.2008 hat der Kläger den Klageantrag, den Bescheid vom 14.09.2006 und den Widerspruchsbescheid von 04.12.2006 aufzuheben, für erledigt erklärt. Neben dem Antrag die Erwerbsfähigkeit festzustellen, hat er zudem beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm gegenüber weiterhin Vermittlungstätigkeiten zu entfalten und die Aufgaben der Arbeitsvermittlung wahrzunehmen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30.09.2008 abgewiesen. Einen Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit iSd § 16 SGB II habe der Kläger mangels Erwerbsfähigkeit nicht. Dies folge aus dem Gutachten des Dr. H ... Die darüber hinaus erhobene Feststellungsklage ziele auf eine isolierte Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers ab und sei als Elementenfeststellungsklage unzulässig.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hat der Kläger erneut vorgetragen, er sei psychisch gesund und weiterhin erwerbsfähig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil erster Instanz insoweit aufzuheben, als der Antrag des Klägers abgewiesen wurde, die Beklagte zu verpflichten, weiterhin Vermittlungstätigkeiten gegenüber dem Kläger zu entfalten und die Aufgaben der Arbeitsvermittlung wahrzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte und der Beigeladene halten die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nicht begründet.
Der Senat konnte trotz des Verlegungs- bzw. Vertagungsantrages in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2011 in der Sache entscheiden, denn der Kläger hat keine erheblichen Gründe glaubhaft gemacht, die die Vertagung der Verhandlung gerechtfertigt hätten (§ 202 SGG i.V.m. § 227 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO). Soweit der Kläger seine mangelnde Vorbereitung mit der Begründung geltend macht, er habe keinen vertretungsbereiten Rechtsanwalt gefunden, stellt dies keine hinreichende Entschuldigung dar (§ 227 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger hat nach den vorgelegten Unterlagen erst im Februar 2011 - und wohl auch nur in Zusammenhang mit dem Verfahren S 13 AS 150/09 vor dem SG - wieder begonnen einen Bevollmächtigten zu suchen, um diesen mit dem Mandat zu betrauen, obgleich er bereits im November 2010 das Mandat mit seiner vormaligen (dritte) Bevollmächtigten beendet hat. Der Senat sieht in diesem Verhalten des Klägers eine von ihm zu vertretende Nachlässigkeit in eigenen Angelegenheiten, die nicht als hinreichende Entschuldigung für eine eventuell mangelnde Vorbereitung angesehen werden kann. Im übrigen hatte er mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung ausreichend Zeit, sich mit seiner Angelegenheit zu befassen. Eine Vertagung zur weiteren Vorbereitung im Rahmen der eigenen Streitsache war daher nicht erforderlich.
Der Kläger wird durch das Urteil des SG vom 30.09.2008 nicht in seinen Rechten verletzt. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein noch der Antrag des Klägers, den Beklagten zu verpflichten, Vermittlungstätigkeiten ihm gegenüber zu entfalten und die Aufgaben der Arbeitsvermittlung wahrzunehmen. Diesen Antrag hat die bei Berufungseinlegung noch mandatierte (erste) Bevollmächtigte - unter Hinweis auf ihren Entwurf der Berufungsbegründung - unbedingt im Namen des Klägers gestellt. Weder der Kläger noch sein (zweiter) Bevollmächtigter haben diesen Antrag zu irgendeinem Zeitpunkt für erledigt erklärt, und weitergehende Anträge hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Auch die ursprüngliche Klagebegehren, Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.10.2006 bis 31.12.2006 zu erhalten, die der Beklagte dem Kläger ursprünglich mit Bescheid vom 29.06.2006 bewilligt und mit Aufhebungsbescheid vom 14.09.2006 wieder entzogen hat, sowie die Feststellung, er sei erwerbsfähig, hat der Kläger nicht mehr weiterverfolgt.
Das Berufungsbegehren, das der Kläger erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30.09.2008 im Rahmen einer Klageänderung geltend gemacht hat, erweist sich als unzulässig.
Der Kläger beantragt zwar formal den Beklagten zu einem Tätigwerden zu verpflichten. Im Ergebnis zielt dieses Verlangen jedoch allein darauf ab, festzustellen, dass der Kläger in einem Leistungs- und Betreuungszusammenhang zum Beklagten steht. Dieser Zusammenhang ist einerseits Grundlage für den Leistungsbezug des Klägers nach dem SGB II. Andererseits ist der Beklagte in der Folge dieses sozialrechtlichen Betreuungsverhältnisses - iS eines Forderns (§ 2 SGB II) und Förderns (§ 14 SGB II) - zwar berechtigt, vom Kläger Bemühungen zu erwarten, die seine Hilfebedürftigkeit beseitigen (Fordern), jedoch hat der Beklagte auch - im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 13/09 R - BSGE 104,185) - die Eingliederungsbemühungen des Klägers zu fördern, wobei sich aus dieser objektiv- rechtlichen Unterstützungspflicht keine subjektiv- rechtlichen Ansprüche herleiten lassen (vgl. Berlit in LPK - SGB II, 3. Aufl., § 14 Rn. 9 mwN).
Allein die Feststellung dieses Betreuungszusammenhanges hat der Kläger - entgegen der Auffassung des SG - geltend gemacht, denn Leistungen zur Eingliederung iSd des § 16 SGB II waren bis zur mündlichen Verhandlung am 30.09.2008 nicht Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Konkrete Eingliederungsmaßnahmen (iSd §§ 16ff SGB II) waren zu keinem Zeitpunkt beim Beklagten beantragt, so dass der klageändernde Antrag vor dem SG allein dahingehend zu verstehen war, dass der Beklagte auf der Grundlage des Betreuungszusammenhangs allgemein verpflichtet sei, insbesondere zukünftig Eingliederungsleistungen an den Kläger zu erbringen, mithin dass ein sozialrechtlicher Betreuungszusammenhang zwischen dem Kläger und dem Beklagten über den mit der Klageerhebung geltend gemachten Leistungszeitraum (01.10.2006 bis 31.12.2006) hinaus fortbestehe.
Dabei handelt es sich aber mangels Feststellungsinteresse um eine unzulässige Feststellungsklage, denn der Kläger kann sein Begehren, Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, vorrangig durch eine Leistungsklage verfolgen, und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass durch die Feststellungsklage eine umfassende Klärung des streitigen Rechtsverhältnisses möglich wäre.
Mit einer Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 55 Abs 1 Nr. 1 SGG). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse in diesem Sinne ist jedes anzuerkennende Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art, das gegeben ist, wenn Unsicherheit über die Rechtslage besteht, weil der Beklagte das Bestehen eines Rechtsverhältnisses leugnet (BSG, Urteil vom 30.01.1991 - 9a/9 RV 22/89 - BSGE 68, 128), wobei das Interesse an einer baldigen Feststellung regelmäßig anzunehmen ist, soweit die Unsicherheit bereits aktuell besteht (vgl. Keller in Meyer- Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9.Aufl., § 55 Rn.18).
Ein Feststellungsinteresse ist vorliegend wegen der vorrangig zu betreibenden Leistungsklagen jedoch ausgeschlossen, denn der Kläger hat für die Zeiträume bis einschließlich 30.09.2008 Leistungen nach dem SGB II bezogen und für die Folgezeiträume betreibt er ein Berufungsverfahren (L 11 AS 315/11) zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Diese Subsidiarität der Feststellungsklage wird im SGG - anders als in § 43 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und in § 41 Abs 2 Finanzgerichtsordnung (FGO), in denen die Nachrangigkeit explizit geregelt ist - gegenüber den anderen Klagearten zwar nicht ausdrücklich bestimmt. Jedoch ist eine Feststellungsklage grundsätzlich auch im sozialgerichtlichen Verfahren nur zulässig, wenn der Kläger sein Begehren nicht mit einer Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage verfolgen kann (st Rspr: BSG, Urteil vom 27.01.1977 - 12/8 Reh 1/75 - BSGE 43, 150; Urteil vom 16.03.1978 - 11 RK 9/77 - BSGE 46, 81; Urteil vom 09.10.1984 - 12 RK 18/83 - BSGE 57, 184; Urteil vom 22.05.1985 - 12 RK 30/84 - BSGE 58, 150; Urteil vom 09.09.1993 - 7/9b RAr 28/92 - BSGE 73, 83; Urteil vom 08.05.2007 - B 2 U 10/06 - BSGE 98,219).
Darüber hinaus ist ein weitergehendes Feststellungsinteresse des Klägers nicht zu erkennen, das allenfalls anzunehmen wäre, wenn das Feststellungsbegehren weitergehenden Rechtsschutz bieten würde als die von ihm betriebene Leistungsklage (vgl. hierzu Keller aaO § 55 Rn. 19b mwN).
Die allein im Streit stehende Frage der Verpflichtung des Beklagten zur Arbeitsvermittlung ist für die Zeit bis 30.09.2008 durch die Bewilligung von Alg II bereits im Sinne des Klägers entschieden, womit für eine eigenständige Feststellungsklage ein Feststellungsinteresse fehlt. Für die Zeit ab dem 01.10.2008 ist diese Frage in der vorrangigen Anfechtungs- und Leistungsklage gegen die Leistungsablehnung in dem weiteren Berufungsverfahren zu klären. Dies gilt auch soweit das Klagebegehren des Klägers dahingehend auszulegen wäre, seine Erwerbsfähigkeit sei festzustellen. Für die Zeit bis 30.09.2008 hat der Beklagte dies bereits durch die Leistungsbewilligung angenommen, und für die Zeit ab dem 01.10.2008 hat der Kläger eine vorrangige Leistungsklage erhoben, über die noch zu entscheiden ist.
Im Ergebnis ist die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte für den Kläger Vermittlungstätigkeiten und Aufgaben der Arbeitsvermittlung wahrzunehmen hat.
Der Kläger bezog seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Anlässlich einer ärztlichen Begutachtung stellte der Beklagte fest, der Kläger sei erwerbsunfähig iSd § 8 SGB II und hob mit Bescheid vom 14.09.2006 den Bewilligungsbescheid vom 29.06.2006 (Bewilligungszeitraum vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 - monatliche Leistung 628,08 EUR) für die Zeit ab dem 01.10.2006 auf. Der Kläger erfülle mangels Erwerbsfähigkeit nicht mehr die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nach dem SGB II. Auf seinen Widerspruch vom 27.09.2006 hin er sei erwerbsfähig bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 07.11.2006 in der Fassung des Bescheides vom 16.11.2006 Alg II in Höhe von 628,08 EUR monatlich (01.10.2006 bis 30.11.2006) bzw. für Dezember 2006 in Höhe von 639,18 EUR.
Im Anschluss an einen Fortzahlungsantrag vom 28.09.2006 (für die Zeit ab dem 01.01.2007) bewilligte der Beklagte dem Kläger zudem Alg II für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 30.06.2007 in Höhe von 639,18 EUR monatlich (Bescheid vom 16.11.2006). Auch in der Folgezeit bis 30.09.2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II (zuletzt mit Bescheid vom 03.03.2008). Erst den am 05.09.2008 gestellten Fortzahlungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2009 ab. Mangels Erwerbsfähigkeit bestehe für die Zeit ab dem 01.10.2008 kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die hiergegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage (S13 AS 150/09) hat das SG mit Urteil vom 16.03.2011 abgewiesen. Über die hiergegen am 20.04.2011 zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.09.2006 als unzulässig zurück. Sowohl nach der Einschätzung des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Nürnberg als auch nach einer ärztlichen Stellungnahme des Landratsamtes Nürnberger Land - Gesundheitsamt - sei der Kläger nicht mehr erwerbsfähig. Mangels Leistungen durch den Träger der Sozialhilfe seien dem Kläger mit Bescheid vom 07.11.2006 jedoch weiterhin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.10.2006 bis 31.12.2006 bewilligt worden. Eine Beschwer durch den Bescheid vom 14.09.2006 sei nicht mehr gegeben. Zudem seien auch für den Zeitraum 01.01.2007 bis 30.06.2007 Leistungen nach dem SGB II erbracht worden.
Mit der hiergegen zum SG erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Aufhebung des Bescheides vom 14.09.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2006 beantragt sowie die Feststellung, erwerbsfähig zu sein, begehrt. Zur Frage der Erwerbsfähigkeit hat das SG ein Gutachten des Psychiaters Dr. H. eingeholt. Hiernach leide der Kläger an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (differentialdiagnostisch an einer anhaltenden wahnhaften Störung bzw. einer schizotypen Störung), die seine psychische Flexibilität erheblich beeinträchtige und ihm ein adäquates Verhalten für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitmarkt unmöglich mache. Die Kooperationsfähigkeit sowie die geistige und psychische Flexibilität des Klägers sei praktisch aufgehoben, so dass ihm eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch in einem Umfang von weniger als drei Stunden zumutbar sei. Es sei zwar von einer Chronifizierung der Erkrankung auszugehen, aufgrund der unsicheren Datenlage könne eine Besserung jedoch nicht ausgeschlossen werden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30.09.2008 hat der Kläger den Klageantrag, den Bescheid vom 14.09.2006 und den Widerspruchsbescheid von 04.12.2006 aufzuheben, für erledigt erklärt. Neben dem Antrag die Erwerbsfähigkeit festzustellen, hat er zudem beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm gegenüber weiterhin Vermittlungstätigkeiten zu entfalten und die Aufgaben der Arbeitsvermittlung wahrzunehmen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30.09.2008 abgewiesen. Einen Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit iSd § 16 SGB II habe der Kläger mangels Erwerbsfähigkeit nicht. Dies folge aus dem Gutachten des Dr. H ... Die darüber hinaus erhobene Feststellungsklage ziele auf eine isolierte Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers ab und sei als Elementenfeststellungsklage unzulässig.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hat der Kläger erneut vorgetragen, er sei psychisch gesund und weiterhin erwerbsfähig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil erster Instanz insoweit aufzuheben, als der Antrag des Klägers abgewiesen wurde, die Beklagte zu verpflichten, weiterhin Vermittlungstätigkeiten gegenüber dem Kläger zu entfalten und die Aufgaben der Arbeitsvermittlung wahrzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte und der Beigeladene halten die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nicht begründet.
Der Senat konnte trotz des Verlegungs- bzw. Vertagungsantrages in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2011 in der Sache entscheiden, denn der Kläger hat keine erheblichen Gründe glaubhaft gemacht, die die Vertagung der Verhandlung gerechtfertigt hätten (§ 202 SGG i.V.m. § 227 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO). Soweit der Kläger seine mangelnde Vorbereitung mit der Begründung geltend macht, er habe keinen vertretungsbereiten Rechtsanwalt gefunden, stellt dies keine hinreichende Entschuldigung dar (§ 227 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger hat nach den vorgelegten Unterlagen erst im Februar 2011 - und wohl auch nur in Zusammenhang mit dem Verfahren S 13 AS 150/09 vor dem SG - wieder begonnen einen Bevollmächtigten zu suchen, um diesen mit dem Mandat zu betrauen, obgleich er bereits im November 2010 das Mandat mit seiner vormaligen (dritte) Bevollmächtigten beendet hat. Der Senat sieht in diesem Verhalten des Klägers eine von ihm zu vertretende Nachlässigkeit in eigenen Angelegenheiten, die nicht als hinreichende Entschuldigung für eine eventuell mangelnde Vorbereitung angesehen werden kann. Im übrigen hatte er mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung ausreichend Zeit, sich mit seiner Angelegenheit zu befassen. Eine Vertagung zur weiteren Vorbereitung im Rahmen der eigenen Streitsache war daher nicht erforderlich.
Der Kläger wird durch das Urteil des SG vom 30.09.2008 nicht in seinen Rechten verletzt. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein noch der Antrag des Klägers, den Beklagten zu verpflichten, Vermittlungstätigkeiten ihm gegenüber zu entfalten und die Aufgaben der Arbeitsvermittlung wahrzunehmen. Diesen Antrag hat die bei Berufungseinlegung noch mandatierte (erste) Bevollmächtigte - unter Hinweis auf ihren Entwurf der Berufungsbegründung - unbedingt im Namen des Klägers gestellt. Weder der Kläger noch sein (zweiter) Bevollmächtigter haben diesen Antrag zu irgendeinem Zeitpunkt für erledigt erklärt, und weitergehende Anträge hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Auch die ursprüngliche Klagebegehren, Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.10.2006 bis 31.12.2006 zu erhalten, die der Beklagte dem Kläger ursprünglich mit Bescheid vom 29.06.2006 bewilligt und mit Aufhebungsbescheid vom 14.09.2006 wieder entzogen hat, sowie die Feststellung, er sei erwerbsfähig, hat der Kläger nicht mehr weiterverfolgt.
Das Berufungsbegehren, das der Kläger erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30.09.2008 im Rahmen einer Klageänderung geltend gemacht hat, erweist sich als unzulässig.
Der Kläger beantragt zwar formal den Beklagten zu einem Tätigwerden zu verpflichten. Im Ergebnis zielt dieses Verlangen jedoch allein darauf ab, festzustellen, dass der Kläger in einem Leistungs- und Betreuungszusammenhang zum Beklagten steht. Dieser Zusammenhang ist einerseits Grundlage für den Leistungsbezug des Klägers nach dem SGB II. Andererseits ist der Beklagte in der Folge dieses sozialrechtlichen Betreuungsverhältnisses - iS eines Forderns (§ 2 SGB II) und Förderns (§ 14 SGB II) - zwar berechtigt, vom Kläger Bemühungen zu erwarten, die seine Hilfebedürftigkeit beseitigen (Fordern), jedoch hat der Beklagte auch - im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 13/09 R - BSGE 104,185) - die Eingliederungsbemühungen des Klägers zu fördern, wobei sich aus dieser objektiv- rechtlichen Unterstützungspflicht keine subjektiv- rechtlichen Ansprüche herleiten lassen (vgl. Berlit in LPK - SGB II, 3. Aufl., § 14 Rn. 9 mwN).
Allein die Feststellung dieses Betreuungszusammenhanges hat der Kläger - entgegen der Auffassung des SG - geltend gemacht, denn Leistungen zur Eingliederung iSd des § 16 SGB II waren bis zur mündlichen Verhandlung am 30.09.2008 nicht Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Konkrete Eingliederungsmaßnahmen (iSd §§ 16ff SGB II) waren zu keinem Zeitpunkt beim Beklagten beantragt, so dass der klageändernde Antrag vor dem SG allein dahingehend zu verstehen war, dass der Beklagte auf der Grundlage des Betreuungszusammenhangs allgemein verpflichtet sei, insbesondere zukünftig Eingliederungsleistungen an den Kläger zu erbringen, mithin dass ein sozialrechtlicher Betreuungszusammenhang zwischen dem Kläger und dem Beklagten über den mit der Klageerhebung geltend gemachten Leistungszeitraum (01.10.2006 bis 31.12.2006) hinaus fortbestehe.
Dabei handelt es sich aber mangels Feststellungsinteresse um eine unzulässige Feststellungsklage, denn der Kläger kann sein Begehren, Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, vorrangig durch eine Leistungsklage verfolgen, und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass durch die Feststellungsklage eine umfassende Klärung des streitigen Rechtsverhältnisses möglich wäre.
Mit einer Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 55 Abs 1 Nr. 1 SGG). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse in diesem Sinne ist jedes anzuerkennende Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art, das gegeben ist, wenn Unsicherheit über die Rechtslage besteht, weil der Beklagte das Bestehen eines Rechtsverhältnisses leugnet (BSG, Urteil vom 30.01.1991 - 9a/9 RV 22/89 - BSGE 68, 128), wobei das Interesse an einer baldigen Feststellung regelmäßig anzunehmen ist, soweit die Unsicherheit bereits aktuell besteht (vgl. Keller in Meyer- Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9.Aufl., § 55 Rn.18).
Ein Feststellungsinteresse ist vorliegend wegen der vorrangig zu betreibenden Leistungsklagen jedoch ausgeschlossen, denn der Kläger hat für die Zeiträume bis einschließlich 30.09.2008 Leistungen nach dem SGB II bezogen und für die Folgezeiträume betreibt er ein Berufungsverfahren (L 11 AS 315/11) zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Diese Subsidiarität der Feststellungsklage wird im SGG - anders als in § 43 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und in § 41 Abs 2 Finanzgerichtsordnung (FGO), in denen die Nachrangigkeit explizit geregelt ist - gegenüber den anderen Klagearten zwar nicht ausdrücklich bestimmt. Jedoch ist eine Feststellungsklage grundsätzlich auch im sozialgerichtlichen Verfahren nur zulässig, wenn der Kläger sein Begehren nicht mit einer Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage verfolgen kann (st Rspr: BSG, Urteil vom 27.01.1977 - 12/8 Reh 1/75 - BSGE 43, 150; Urteil vom 16.03.1978 - 11 RK 9/77 - BSGE 46, 81; Urteil vom 09.10.1984 - 12 RK 18/83 - BSGE 57, 184; Urteil vom 22.05.1985 - 12 RK 30/84 - BSGE 58, 150; Urteil vom 09.09.1993 - 7/9b RAr 28/92 - BSGE 73, 83; Urteil vom 08.05.2007 - B 2 U 10/06 - BSGE 98,219).
Darüber hinaus ist ein weitergehendes Feststellungsinteresse des Klägers nicht zu erkennen, das allenfalls anzunehmen wäre, wenn das Feststellungsbegehren weitergehenden Rechtsschutz bieten würde als die von ihm betriebene Leistungsklage (vgl. hierzu Keller aaO § 55 Rn. 19b mwN).
Die allein im Streit stehende Frage der Verpflichtung des Beklagten zur Arbeitsvermittlung ist für die Zeit bis 30.09.2008 durch die Bewilligung von Alg II bereits im Sinne des Klägers entschieden, womit für eine eigenständige Feststellungsklage ein Feststellungsinteresse fehlt. Für die Zeit ab dem 01.10.2008 ist diese Frage in der vorrangigen Anfechtungs- und Leistungsklage gegen die Leistungsablehnung in dem weiteren Berufungsverfahren zu klären. Dies gilt auch soweit das Klagebegehren des Klägers dahingehend auszulegen wäre, seine Erwerbsfähigkeit sei festzustellen. Für die Zeit bis 30.09.2008 hat der Beklagte dies bereits durch die Leistungsbewilligung angenommen, und für die Zeit ab dem 01.10.2008 hat der Kläger eine vorrangige Leistungsklage erhoben, über die noch zu entscheiden ist.
Im Ergebnis ist die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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