L 7 KA 17/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 31/98 KZA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 17/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 1999 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat dem Beklagten und der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufsichtsverfügung des beklagten Landes, die gegenüber der klagenden Kassenzahnärztlichen Vereinigung ergangen ist.

Die Klägerin und die beigeladene Krankenkasse konnten sich über die Höhe der Gesamtvergütung des Jahres 1996 im vertragszahnärztlichen Bereich des Landes Berlin nicht einigen. Daraufhin setzte das Landesschiedsamt für die vertragszahnärztliche Versorgung auf Antrag der Beigeladenen die Gesamtvergütung mit Schiedsspruch vom 4. November 1997 fest. Danach wurde der Punktwert für die bis Ende 1995 durch § 85 Abs. 3 a bis c Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- gesetzlich budgetierten Leistungen im Bereich konservierende Chirurgie, Kieferbruch und Parodontologie auf 1,3110 DM festgesetzt.

Die Klägerin sah in diesem Verhalten der Beigeladenen einen Bruch des Vergütungsvertrages vom 28. August 1995, in dessen § 7 sich die Beigeladene zur Vergütung der vertragszahnärztlichen Leistungen mit einem Mindestpunktwert von 1,4173 DM für das Jahr 1996 verpflichtet habe, und das zu einer Rückzahlungsforderung überzahlten vertragszahnärztlichen Honorars in Höhe von ca. 13 Mio. DM führe. Sie fügte ihrem Rundschreiben Nr. 8 vom 7. November 1997 einen Aufruf zu einer Protestveranstaltung gegen den „Honorardiebstahl“ der Beigeladenen am 21. November 1997 bei. Darin heißt es u.a.:
Liebe Berliner Kolleginnen und Kollegen!
Jetzt reicht’s!!
Fast 11 Pfennig Absenkung des Punktwertes bei der AOK Berlin sind nicht mehr hinnehmbar! Kommen Sie deswegen zu unserer Protestveranstaltung gegen den Honorardiebstahl der AOK. Schließen Sie am Freitag, dem 21. November 1997, für ein paar Stunden Ihre Praxis und kommen Sie um 11.00 Uhr ins Kongreßzentrum am Alexanderplatz.
- Machen Sie mit uns der Öffentlichkeit klar, daß unter den gegebenen Umständen eine verantwortungsbewußte Zahnheilkunde für Versicherte der AOK Berlin nicht mehr gewährleistet ist!
- Der Notdienst für den 21. November und damit die Versorgung unserer Patienten ist selbstverständlich sichergestellt.“

Mit Beratungsschreiben vom 13. November 1997 wies die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales die Klägerin darauf hin, dass der Aufruf gegen ihren Sicherstellungsauftrag aus §§ 72 und 75 Abs. 1 SGB V verstoße und auch mit § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht zu vereinbaren sei. Auf die dem widersprechende Äußerung der Klägerin vom 17. November 1997 hin verfügte die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales gegenüber der Klägerin mit Verpflichtungsbescheid vom 18. November 1997 unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit, die Durchführung ihrer für Freitag, den 21. November 1997 von 11.00 Uhr an geplanten Protestveranstaltung „Zahnärzte demonstrieren gegen Honorardiebstahl der AOK Berlin“ in dem Kongresszentrum am Alexanderplatz zu unterlassen und ihren Aufruf an die Berliner Vertragszahnärzteschaft zur Teilnahme an dieser Protestveranstaltung, beigefügt dem KZV-Rundschreiben Nr. 8 vom 7. November 1997, unverzüglich in Form einer öffentlichkeitswirksamen Presseerklärung zu widerrufen. Die Organisation und die Durchführung einer Protestveranstaltung in der von der Klägerin durch ihren Aufruf angekündigten Weise verstoße gegen §§ 72 in Verbindung mit 75 Abs. 1 SGB V, wonach die Klägerin vertragszahnärztliche Versorgung sicherzustellen habe. Die Durchführung einer öffentlichkeitswirksamen Protestveranstaltung gehöre nicht zu den gesetzlichen Aufgaben einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung. Entgegen ihrer Stellungnahme vom 17. November 1997 sei die Organisation und Durchführung einer Protestveranstaltung, verbunden mit einem inhaltlich falschen Aufruf, der lediglich dazu geeignet sei, in unverantwortlicher Weise Panikstimmung zu erzeugen, nicht von § 75 Abs. 2 Satz 1 SGB V gedeckt, wonach eine Kassenzahnärztliche Vereinigung die Rechte der Zahnärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen habe. Darüber hinaus verstoße die Organisation und Durchführung der Protestveranstaltung gegen § 72 in Verbindung mit § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V, wonach die Klägerin die Erfüllung der den Vertragszahnärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragszahnärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs. 5 SGB V vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten habe. Der dem Rundschreiben Nr. 8 beigefügte Aufruf an die Berliner Vertragszahnärzteschaft enthalte die ausdrückliche Aufforderung, die Praxis an diesem Tage für ein paar Stunden zu schließen. Damit fordere der Vorstand der Klägerin die Vertragszahnärzte in Berlin dazu auf, ihre Patienten an diesem Werktag in der üblichen Sprechstundenzeit nicht zu behandeln. Damit sei die übliche vertragszahnärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt. Mit dem Aufruf zu dieser Verweigerung ihrer zahnärztlichen Tätigkeit verstoße die Klägerin in eklatanter Weise gegen die gesetzlichen Aufgaben und Pflichten einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung. In Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens sei die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales zu dem Ergebnis gekommen, dass der Erlass des Verpflichtungsbescheides unerlässlich sei. Ohne diesen Verpflichtungsbescheid seien Rechtsverstöße zu erwarten, deren Auswirkungen nicht hinnehmbar seien. Die rechtswidrige Durchführung der Protestveranstaltung und der damit verbundene rechtswidrige Aufruf an die Berliner Vertragszahnärzteschaft zur rechtswidrigen Teilnahme habe nicht nur zur Folge, dass einerseits die teilnehmenden Zahnärztinnen und Zahnärzte sich rechtswidrig verhielten und dass andererseits zum Nachteil der AOK Berlin eine rufschädigende öffentlichkeitswirksame Aktion durchgeführt würde, sondern dies bedeute zugleich die Missachtung der Schiedsamtsentscheidung vom 4. November 1997. Hiergegen könne die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin erheben, womit ihre Interessen im Rahmen der Rechtsordnung hinreichend gewahrt seien. Die Untersagung der von der Klägerin beabsichtigten Protestveranstaltung und der Widerruf des Teilnahme-Aufrufs in Form einer öffentlichkeitswirksamen Presseerklärung seien die erforderlichen Mittel. Insbesondere der Widerruf des Aufrufs zur Teilnahme an der Protestveranstaltung in Form einer öffentlichkeitswirksamen Presseerklärung sei erforderlich, da zum einen der Konflikt bereits in die Öffentlichkeit getragen worden sei und zum anderen ein erneutes (Sonder-)Rundschreiben in der Kürze der Zeit nicht mehr rechtzeitig vor dem 21. November 1997 die zu der Veranstaltung eingeladenen Zahnärzte erreichen würde. Dies hätte zwangsläufig zur Folge, dass es dann doch zu einer Gefährdung des Sicherstellungsauftrages durch Praxisschließungen kommen würde.

Die Protestveranstaltung wurde am 21. November 1997 in der von der Klägerin geplanten Weise vom Verband der Zahnärzte von Berlin organisiert und durchgeführt.

Gegen den Verpflichtungsbescheid hat die Klägerin in der Hauptsache das Sozialgericht mit dem Ziel angerufen, den Verpflichtungsbescheid des Beklagten vom 18. November 1997 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Verpflichtungsbescheid des Beklagten vom 18. November 1997 und die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit dieses Bescheides rechtswidrig gewesen seien. Das Sozialgericht Berlin hat die AOK Berlin zu dem Rechtsstreit beigeladen und die Klage mit Urteil vom 12. Mai 1999 abgewiesen. Soweit die Klägerin die Aufhebung des Verpflichtungsbescheides des Beklagten im Wege der Anfechtungsklage begehre, sei die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Klägerin sei durch den angefochtenen Verpflichtungsbescheid nicht mehr belastet, da das Datum der Protestveranstaltung am 21. November 1997, zu deren Teilnahme die Klägerin aufgerufen habe, bereits verstrichen und ein Widerruf zu diesem Aufruf deshalb nicht mehr vorstellbar sei. Der hilfsweise gestellte Antrag sei unbegründet. Denn der Aufruf der Klägerin zur Teilnahme an der Protestveranstaltung am 21. November 1997 verstoße in seiner konkreten Art und Weise gegen den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag nach §§ 72, 75 Abs. 1 SGB V. Der Aufruf der Klägerin erwecke in seiner Gesamtheit den Eindruck, dass aufgrund des gesetzwidrigen Tuns der Beigeladenen die bei ihr versicherten Patienten nicht mehr die erforderliche zahnärztliche Behandlung erhalten könnten. Die Beigeladene werde hierfür als die Verantwortliche bezeichnet, die mit gesetzwidrigen Handlungen die Honorare der Berliner Vertragszahnärzte kürze und sie auf diese Weise dazu zwinge, die Versicherten der Beigeladenen als Patienten zweiter Klasse zu behandeln. Damit sei der Aufruf der Klägerin in besonderer Weise geeignet, das Vertrauen der Versicherten der Beigeladenen in deren Integrität und Leistungsfähigkeit zu erschüttern. Diese Aussage des Aufrufs zur Teilnahme an der Protestveranstaltung stehe daher mit dem gesetzlichen Sicherstellungsauftrag nicht mehr in Einklang. Die Klägerin könne sich zur Rechtfertigung ihres Aufrufs und der Durchführung der Protestveranstaltung auch nicht auf Artikel 5 und Artikel 8 des Grundgesetzes stützen. Da der Aufruf der Klägerin zur Teilnahme an einer Protestveranstaltung in dieser Form gegen ihren gesetzlichen Sicherstellungsauftrag verstoße, sei der Beklagte berechtigt gewesen, die Unterlassung der Veranstaltung zu verlangen. Soweit die Klägerin meine, der Widerruf zu diesem Aufruf durch eine öffentlichkeitswirksame Presseerklärung sei ein untaugliches Mittel gewesen, folge dem die Kammer nicht. Angesichts der zeitlich unmittelbar bevorstehenden Veranstaltung sei nicht erkennbar, dass ein anderer Weg, die angesprochenen Berliner Vertragszahnärzte noch zu erreichen, überhaupt bestanden habe. Es sei damit zu rechnen gewesen, dass immerhin zahlreiche Zahnärzte den veröffentlichten Widerruf zur Kenntnis genommen hätten. An der Veranstaltung interessierte Vertragszahnärzte wären nicht mehr zum Veranstaltungsort gekommen und auch die nicht an einer Teilnahme interessierten Zahnärzte hätten erfahren, dass die Klägerin an der Protestveranstaltung nicht mehr festhalte. Der Umstand, dass nicht alle Berliner Vertragszahnärzte die Pressemitteilung tatsächlich gelesen hätten, hätte an der Geeignetheit dieser Maßnahme zur Gewährleistung des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages nichts geändert. Schließlich sei auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Verpflichtungsbescheides des Beklagten rechtmäßig gewesen.

Gegen das ihr am 22. Juli 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. August 1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor: Die Beigeladene habe mit der Anrufung des Schiedsamtes in eklatanter Weise ihre vertragliche Selbstbindung zur Vereinbarung eines Mindestpunktwertes von 1,4173 DM verletzt. Ein derartiges partnerschaftswidriges und vertragsuntreues Verhalten habe nicht ohne standespolitische Reaktion der Klägerin hingenommen werden können. Diese sei schon deshalb nötig gewesen, um den zu erwartenden Unmut in der zahnärztlichen Kollegenschaft nicht unkontrolliert - etwa gegenüber Versicherten der AOK Berlin - ausbrechen zu lassen, sondern diesen kanalisieren zu können. Eine gerichtliche Auseinandersetzung über den Schiedsspruch sei nicht möglich gewesen, weil es in der Folgezeit zu keiner Ausfertigung des Schiedsamtsbeschlusses durch den Vorsitzenden gekommen sei. Wie berechtigt der Standpunkt der Klägerin in dieser Vergütungsfrage gewesen sei, zeige sich auch darin, dass das Schiedsamt in seiner erneuten Verhandlung für 1996 mit Beschluss vom 31. März 1999 die budgetfreie Einzelvergütung für das Jahr 1996 festgestellt und den 1995 mit der Beigeladenen vereinbarten Mindestpunktwert von 1,4173 DM bestätigt habe.

Die aufsichtsbehördliche Aufforderung die Protestveranstaltung zu unterlassen, sei unter dem Gesichtspunkt des Sicherstellungsauftrages nicht gerechtfertigt gewesen, weil dieser nicht gefährdet gewesen sei. Dies zeige sich eindeutig in der Rückschau: Nach der vom Verband der Zahnärzte übernommenen und durchgeführten Veranstaltung sei es zu keinerlei Beschwerden der Versicherten über den Ausfall notwendiger Behandlungen gekommen. Im Übrigen hätte die Aufsichtsbehörde als milderes Mittel anstelle eines Verbotes geeignete Auflagen für die Durchführung der Veranstaltung erlassen und deren Erfüllung durch einen ihrer Bediensteten überwachen lassen können. Bei der Entscheidung über die Recht- und insbesondere Verhältnismäßigkeit der aufsichtsbehördlichen Verbotsverfügung sei zu berücksichtigen, dass diese in zentraler Weise die berufspolitisch sensible Fragestellung betreffe, inwieweit es demokratisch gewählten Repräsentanten einer freiberuflichen Selbstverwaltung verboten werde, die ihnen gesetzlich auferlegte Pflicht zur Interessenwahrnehmung für ihre Mitglieder zu erfüllen. Die angefochtene Aufsichtsanordnung betone einseitig nur die Pflichtenstellung der Klägerin als Körperschaft öffentlichen Rechts, lasse aber jede Würdigung ihrer Aufgaben als genossenschaftsähnliche Vertretung ihrer Mitglieder gegenüber den Krankenkassen vermissen. Eine derart einseitige Ermessensausübung sei ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Darüber hinaus liege jedenfalls ein unverhältnismäßiger Eingriff in grundrechtliche Schutzbereiche vor. Durch das aufsichtsbehördliche Verbot, eine Versammlung in geschlossenen Räumen überhaupt durchzuführen, sei das schrankenfreie Grundrecht der Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 Grundgesetz verletzt worden, das als zentrales demokratisches Freiheitsrecht gerade auch einer vereins- und genossenschaftsähnlich strukturierten Mitgliedsorganisation wie der Vereinigung der Berliner Vertragszahnärzte zustehen müsse, damit in der Gemeinschaft der Mitglieder Informationen ausgetauscht und gesammelt, Meinungen gebildet sowie Beschlüsse gefasst werden könnten. Darüber hinaus greife die Maßnahme auch in das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz ein. Bei der Wahrnehmung dieser Interessen ihrer zahnärztlichen Mitglieder gegenüber den Krankenkassen handele es sich um eine gesetzliche Pflichtaufgabe der Klägerin gemäß § 75 Abs. 2 SGB V. Die Fehlerhaftigkeit des von dem Beklagten gegen die Klägerin und zugunsten der Beigeladenen ausgeübten Eingriffsermessens werde auch dadurch bestätigt, dass dieser gegen vergleichbare Protestaktionen der Berliner Ärzteschaft nicht eingeschritten sei. Bei dieser Sachlage sei auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit fehlerhaft gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 1999 aufzuheben und festzustellen, dass der Verpflichtungsbescheid des Beklagten vom 18. November 1997 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt zur Begründung im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen sowie den Inhalt des Verpflichtungsbescheides Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Der Senat entscheidet in der sich aus §§ 33, 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- ergebenden Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Vertragszahnärzte, weil es sich um eine Angelegenheit der Kassenzahnärzte im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 2 SGG und nicht des Kassenzahnarztrechts im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG handelt. Die in der Rechtsprechung im Vordergrund stehende Unterscheidung bei der Besetzung des Gerichts danach, wie die Verwaltungsstelle zusammengesetzt ist, die über die in dem Rechtsstreit angefochtene Verwaltungsentscheidung zu befinden hat, betrifft nur Streitverhältnisse zwischen Zahnarzt und einer Verwaltungsinstitution (BSG SozR 3-1500 § 60 SGG Nr. 4 mit weiteren Nachweisen). Bei Aufsichtsmaßnahmen kommt es nach den Grundsätzen des Urteils des BSG vom 28. August 1996 (BSG SozR 3-2500 § 80 Nr. 2 S. 10 f. mit weiteren Nachweisen) darauf an, ob Gegenstand der Aufsichtsmaßnahme eine Entscheidung ist, die allein von Mitgliedern der Kassenzahnärztlichen Vereinigung getroffen worden ist, oder ob ihr Gegenstand ein paritätisch - d.h. unter Mitwirkung auch eines Vertreters der Krankenkassen - gefasster Beschluss ist. Im letzteren Fall sind Außenrechtsbeziehungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zu den Krankenkassen betroffen, in ersterem Fall nicht. Darauf, ob in der Sache Rechtsfragen im Zusammenhang mit Vergütungsvereinbarungen zugrunde liegen, kommt es dagegen nicht an. Ausschlaggebend ist, dass die vorliegend angefochtenen Verfügungen der beklagten Aufsichtsbehörde sich gegen Maßnahmen richten, die allein vom Vorstand der Klägerin beschlossen wurden. Deshalb sind keine Außenrechtsbeziehungen der Klägerin zu den Krankenkassen im Streit, so dass das Gericht in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Vertragszahnärzte zu entscheiden hat (vgl. BSG SozR 3-1500 § 60 SGG Nr. 4 S. 13 und 14).

2. Die gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig. Der Übergang von der Anfechtungs- auf die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, weil die Klägerin ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Denn die Frage, ob die Klägerin Protestveranstaltungen in der vorliegend umstrittenen Form unter Berufung auf § 75 Abs. 2 Satz 1 SGB V bzw. auf Artikel 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Grundgesetz -GG- durchführen darf oder nicht, ist auch nach Auffassung der Beteiligten von zentraler Bedeutung für den Ablauf gegenwärtiger und zukünftiger Vergütungsverhandlungen, so dass jederzeit mit einer Wiederholung der streitigen Aufsichtsverfügung gerechnet werden muss, da die Klägerin sich die Durchführung vergleichbarer Veranstaltungen vorbehält.

3. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet. Die aufsichtsbehördliche Anordnung des Beklagten ist in formell und materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Organisation der Veranstaltung am 21. November 1997 durch die Klägerin, ihr Aufruf an die Berliner Vertragszahnärzteschaft daran teilzunehmen sowie die geplante Durchführung der Protestveranstaltung war mit dem SGB V und sonstigem Recht nicht zu vereinbaren.

Nach § 78 Abs. 1 SGB V übt die für die Sozialversicherung zuständige oberste Landesbehörde - das ist im Land Berlin die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales - die Aufsicht über die Klägerin aus. Die Aufsicht erstreckt sich nach § 78 Abs. 3 Satz1 SGB V auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht. Nach Satz 2 a.a.O. gelten die §§ 88 und 89 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch -SGB IV- entsprechend. Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV soll dann, wenn durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt wird, die Aufsichtsbehörde zunächst beratend darauf hinwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt. Kommt der Aufsichtsunterworfene dem innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde ihn verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben (Satz 2 a.a.O.), wie dies hier geschehen ist.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Aufsichtsanordnung vom 18. November 1997 in verfahrensmäßiger Hinsicht als rechtmäßig angesehen. Die formellen Voraussetzungen für ihren Erlass haben vorgelegen, weil der in § 89 Abs. 1 SGB IV angelegte Vorrang einer Beratung vor Erlass eines Verpflichtungsbescheides (vgl. dazu BSG SozR 3-2400 § 89 Nr. 1) durch das vorangegangene Beratungsschreiben vom 13. November 1997, dem die Klägerin entgegengetreten ist, gewahrt ist.

Die Organisation der Protestveranstaltung am 21. November 1997 wegen „Honorardiebstahl“ sowie die Aufforderung an die Berliner Vertragszahnärzte für einige Stunden ihre Praxen zu schließen und daran teilzunehmen, verstößt gegen §§ 75 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit 72 Abs. 1 SGB V.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben u.a. die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Die Sicherstellung umfasst auch die vertragszahnärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst). Die Kassenzahnärztlichen Versorgungen haben darüber hinaus die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Sie haben die Erfüllung der den Vertragszahnärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragszahnärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs. 5 SGB V vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Zur Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung wirken die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen zusammen (§ 72 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V). Im Mittelpunkt des Sicherstellungs- und Vertretungsauftrages der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen steht die Aufgabe, die vertragszahnärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden (§ 72 Abs. 2 SGB V). Die Vergütung der an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen werden von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen mit den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen durch Gesamtverträge geregelt (§ 82 Abs. 2 SGB V). Die Krankenkassen entrichten nach Maßgabe des Gesamtvertrages für die gesamte vertragszahnärztliche Versorgung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die Kassenzahnärztliche Vereinigung, die von dieser unter die Vertragszahnärzte auf der Grundlage des im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festgesetzten (Honorar-)Verteilungsmaßstabes verteilt wird (§ 85 Abs. 1 und 4 SGB V). Zur effektiven Wahrnehmung des Sicherstellungs- und Vertretungsauftrages hat der Gesetzgeber den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen (§ 77 Abs. 5 SGB V), der alle Vertragszahnärzte des Landes als Zwangsmitglieder angehören müssen (§ 77 Abs. 1 SGB V).

Die den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen durch das Gesetz übertragenen Aufgaben und Befugnisse dokumentieren, dass die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen durch (ausschließ=ADlich) öffentlich-rechtliches Handeln als Organisationen der mittelbaren Staatsverwaltung an der Erfüllung der Verfassungsrang besitzenden öffentlichen Aufgabe, den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung einen angemessenen und finanzierbaren Schutz bei Krankheit zu gewähren, mitzuwirken haben. Nur als öffentlich-rechtlich strukturierte Organisationen der mittelbaren Staatsverwaltung sind sie berechtigt, ihren Mitgliedern gegenüber hoheitlich, d.h. im Subordinationsverhältnis durch Erlass (belastender) Verwaltungsakte und notfalls unter Anwendung disziplinarischer Maßnahmen gegenüber zu treten (vgl. BSG USK 81172 sowie Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Sozialgesetzbuch V § 77 Rdnr. 18). Sowohl aus dem Sicherstellungsauftrag als auch der öffentlich-rechtlichen Organisationsform und vor allem der Zwangsmitgliedschaft der Vertragszahnärzte eines Landes ergibt sich, dass der Kassenzahnärztlichen Vereinigung nur die sich aus dem Sozialgesetzbuch ergebenden Aufgaben und Kompetenzen zustehen (in diesem Sinne auch Hencke a.a.O. § 77 Rdnr. 6). Darüber hinausgehende Befugnisse, wie sie insbesondere berufsständische Organisationen oder Gewerkschaften auf der Grundlage des Artikel 9 Abs. 1 und Abs. 3 GG wahrnehmen, haben sie nicht. Sie sind deshalb insbesondere nicht befugt, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder Arbeitskämpfe zu führen oder vergleichbare Maßnahmen zu organisieren, zu unterstützen oder zu billigen. Dies würde ihrer Verpflichtung aus § 72 Abs. 1 SGB V widersprechen, zur Sicherung der vertragszahnärztlichen Versorgung mit den Krankenkassen zusammen zu wirken (vgl. Hencke a.a.O. § 72 Rdnr. 14) und wäre auch mit dem Recht ihrer Mitglieder auf negative Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren, vom Vorstand oder der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung unter Verwendung von Zwangsbeiträgen nicht zu einem Arbeitskampf gezwungen werden zu können.

Dass die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen nicht als eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtungen bestehen, sondern ihre Funktionen (ausschließlich) in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben besteht, wird vor allem im Rahmen der ergänzenden gesetzlichen Bestimmungen zur Festsetzung der vertragszahnärztlichen Vergütung deutlich. Die angemessene Vergütung der vertragszahnärztlichen Leistungen ist nur ein Kriterium, das der Festsetzung der Gesamtvergütung zugrunde zu legen ist. Der Angemessenheitsgrundsatz des § 72 Abs. 2 SGB V ist durch § 71 Abs. 2 SGB V im Hinblick auf die Festsetzung der Gesamtvergütung sogar dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität untergeordnet (BSG, Urteil vom 10. Mai 2000 - B 6 KA 19/99 R -); der Grundsatz der Beitragssatzstabilität stellt eine verbindliche rechtliche Obergrenze der zulässigen Vergütung dar, dessen Einhaltung aufsichtsbehördlich und gerichtlich in vollem Umfang der Rechtskontrolle unterliegt. Er stellt eine verbindliche gesetzliche Vorgabe für Vergütungsvereinbarungen dar, deren Beachtung grundsätzlich der Beanstandung durch die Aufsichtsbehörde und der gerichtlichen Nachprüfung zugänglich ist (BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Verletzen Verträge diesen Grundsatz, können sie aufsichtsbehördlich beanstandet werden. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität enthält damit zwar kein generelles Verbot von Beitragssatzerhöhungen, bindet diese aber daran, dass die Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeschöpft sind und die notwendige medizinische Versorgung ohne Beitragssatzanstieg nicht zu wahren ist. Beide maßgeblichen Aspekte - zum einen die Sicherung der notwendigen medizinischen Versorgung der Versicherten und zum anderen das Vermeiden von Beitragssatzerhöhungen - sind kumulativ Inhalt des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (BSG a.a.O.). Daraus ist zu schließen, dass die Kassenzahnärztliche Vereinigung beim Aushandeln der Gesamtvergütung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Krankenkassen Rücksicht nehmen muss; daraus folgt für den Ablauf der Verhandlungen, dass sie nicht befugt ist, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder durch unmittelbaren oder durch die Öffentlichkeit vermittelten Druck so wahrzunehmen, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität verletzt würde. Anders als genossenschaftlich organisierten Berufsverbänden oder Gewerkschaften steht es ihr auch nicht frei, zur Durchsetzung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder (vorübergehend) auf das Aushandeln eines Vergütungsvertrages zu verzichten, um auf diese Weise Druck auf die Krankenkassen auszuüben. Kommt ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande, setzt gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 SGB V das Schiedsamt eines Landes innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Dies gilt sogar dann, wenn keine der Vertragsparteien bei dem Schiedsamt den Antrag stellt, eine Einigung herbeizuführen. In diesem Fall geht das Antragsrecht gemäߧ 89 Abs. 1 a SGB V auf die zuständigen Aufsichtsbehörden über.

Der Sicherstellungsauftrag verpflichtet darüber hinaus die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen als Aufsichtsbehörde, sogar gegen Mitglieder, die die erforderliche vertragszahnärztliche Versorgung auch nur zeitweise bzw. kurzfristig oder den Mitgliedern nur einer gesetzlichen Krankenkasse gegenüber verweigern, gemäߧ 81 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit ihrer Satzung disziplinarisch vorzugehen, wenn sie beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen ihre Rechte aus dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs nicht verlieren will (vgl. dazu §§ 72 a, 79 a SGB V). Daraus folgt zwingend, dass sie kollektive - und sei es auch nur kurzfristige - Versorgungsverweigerungen nicht organisieren und dazu aufrufen darf.

Danach war die Beklagte berechtigt, gegen die Klägerin mit der angefochtenen Aufsichtsanordnung vorzugehen. Denn die Protestveranstaltung sollte die Beigeladene durch öffentlich vermittelten Druck zwingen, die Gesamtvergütung für wesentliche vertragszahnärztliche Leistungen im Jahre 1996 entgegen der Entscheidung des Landesschiedsamtes - der gesetzlich vorgesehenen Behörde bei einem Nichtzustandekommen des Gesamtvertrages -, zu erhöhen. Dabei hat der Senat nicht zu entscheiden, ob eine solche Vorgehensweise schlechthin immer gegen den Sicherstellungsauftrag und das Gebot zur Zusammenarbeit mit den Krankenkassen verstößt, weil dadurch der gesetzlich vorgesehene Entscheidungsweg vor das Schiedsamt und die Sozialgerichte umgangen werden soll. Denn jedenfalls durch die Form des Aufrufes und die Wortwahl der damit angestoßenen Auseinandersetzung hat die Klägerin eine zügige Klärung der vergütungsrechtlichen Fragen für das Jahr 1996 erschwert und damit gegen das Gebot zur Zusammenarbeit mit den Krankenkassen verstoßen. Auf die Frage, ob die Klägerin in der der Protestveranstaltung zugrunde liegenden vergütungsrechtlichen Frage im Recht war, kommt es demgegenüber nicht an. Das Gebot mit anderen Vertragspartnern zusammenzuwirken, beinhaltet die Verpflichtung, sich im Interesse des Wohls der Versicherten aufgrund eigener Entschließungen zu einem gemeinsamen Vorgehen zusammenzufinden, die gesetzlichen Aufgaben der Partner zu respektieren und sich zur Erfüllung der Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung jede gesetzlich zulässige Hilfe zu gewähren. Damit ist eine Diffamierung der Partner nicht zu vereinbaren (Hencke a.a.O. § 72 Rdnr. 14). Einer solchen hat sich die Klägerin hier jedoch durch den Hinweis auf den „Honorardiebstahl“ der Beigeladenen bedient. Denn durch diesen Begriff, der das Motto der Protestveranstaltung darstellte, sollte gegenüber einer interessierten Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden, die Beigeladene verhalte sich rechtswidrig, ja sogar strafbar.

Vor allem aber hat die Klägerin dadurch gegen § 75 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 72 Abs. 1 SGB V verstoßen, dass sie ihre Mitglieder aufgefordert hat, ihre Praxen in einer Zeit, in der Zahnärzte üblicherweise der vertragszahnärztlichen Versorgung der Versicherten zur Verfügung stehen, zu schließen, um an der Veranstaltung teilzunehmen. In der damit verbundenen mehrstündigen Schließung der Zahnarztpraxen liegt eine nicht nur unerhebliche Verweigerung vertragszahnärztlicher Versorgung, die in ihrer Wirkung einem Warnstreik der Beschäftigten eines öffentlichen Versorgungsunternehmens gleichkommt, bei dem ebenfalls aufgrund einer kurzfristigen Arbeitsniederlegung durch die Öffentlichkeit vermittelter Druck auf die Verhandlungspartner ausgeübt werden soll. Eine solche Vorgehensweise ist der Klägerin jedoch - wie oben im Einzelnen dargelegt - verboten, ohne dass es darauf ankäme, ob die Versicherten aufgrund einer rechtzeitigen Information durch die Klägerin auf eine zahnärztliche Behandlung in dieser Zeit verzichtet haben, die Klägerin durch einen erweiterten Notdienst einem Versorgungsausfall entgegengewirkt hat oder die in Berlin bestehende Überversorgung mit Zahnärzten einen solchen gar nicht erst entstehen ließ. Denn die Rechtswidrigkeit arbeitskampfähnlicher Maßnahmen der Klägerin kann nicht vom Verhalten der Versicherten oder der Versorgungsstruktur eines Gebietes abhängig sein.

Zu Unrecht beruft sich die Klägerin zur Rechtfertigung ihres Vorgehens auf die Grundrechte der Artikel 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 8 Abs. 1 GG. Als organisatorisch in den Staat eingegliederte Selbstverwaltungskörperschaft, die ihre wesentlichen Aufgaben, Befugnisse und Kompetenzen vom Staat ableitet (vgl. dazu BVerfGE 18, 385, 386; 19, 129, 133 ff.) und in erster Linie in fremdnützigem Interesse der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung auszuüben hat, steht der Klägerin auch kein Grundrechtsschutz gegenüber der Aufsichtsbehörde zu. Denn die Klägerin ist aufgrund von Kompetenzen und nicht in Wahrnehmung von Freiheit tätig (vgl. BVerfGE 68, 193, 206) und daher Adressat und nicht Träger der Grundrechte. Wie im Interorganstreitverfahren darf sie lediglich übermäßige und deswegen rechtswidrige Eingriffe der Aufsichtsbehörde in die ihr gesetzlich zugewiesenen (Selbst-)Verwaltungsrechte sozialgerichtlich abwehren. Dass sie Grundrechte ihrer Mitglieder weder im eigenen noch im fremden Namen zur Durchführung von Protestveranstaltungen geltend machen darf, bedarf keiner weiteren Darlegung. Zu einer solchen „Rechtsvertretung“ berechtigt sie § 75 Abs. 2 SGB V nicht, schon gar nicht, soweit es um höchstpersönliche Rechte aus Artikel 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 sowie 8 Abs. 1 GG geht.

Die danach festgestellten Rechtsverletzungen rechtfertigen die von dem Beklagten ergriffenen Maßnahmen; diese sind deshalb nicht ermessensfehlerhaft. Nur durch die Untersagung, die streitbefangene Veranstaltung am 21. November 1997 zu organisieren, zur Teilnahme daran aufzurufen und diese durchzuführen, konnte den Verstößen gegen §§ 72, 75 SGB V wirksam begegnet werden. Die Aufforderung, den Aufruf zur Teilnahme durch eine Veröffentlichung in der Presse zu widerrufen, war im Hinblick auf die verbleibenden drei Tage bis zur Durchführung der geplanten Veranstaltung die einzige effektive Möglichkeit, teilnahmebereite Vertragszahnärzte und die Öffentlichkeit davon zu unterrichten, dass die Klägerin zur Organisation und Durchführung der Veranstaltung in der gewählten Form nicht berechtigt war. Die dagegen von der Klägerin vorgebrachten Einwände liegen ebenso neben der Sache wie die von ihr behauptete Möglichkeit der Aufsichtsbehörde, statt der Unterlassungsverfügung eine geringer belastende Maßnahme zu ergreifen. Ebenso wenig kann die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Aufsichtsanordnung daraus herleiten, dass die Aufsichtsbehörde es - möglicherweise fehlerhaft - unterlassen hat, gegen vergleichbare Veranstaltungen der Kassenärztlichen Vereinigung vorzugehen. Aus rechtswidrigen staatlichen Maßnahmen können Rechte nicht abgeleitet werden.

Im Übrigen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des sozialgerichtlichen Urteils gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs.4 SGG in Verbindung mit § 116 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung -BRAGO-.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 zugelassen, weil der Frage des Umfangs des Vertretungsrechts der Klägerin gegenüber den Krankenkassen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 SGB V einerseits und des Sicherstellungsauftrages aus § 75 Abs. 1 SGB V andererseits im Hinblick auf von den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen durchgeführte Protestveranstaltungen grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Rechtskraft
Aus
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