Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 AL 231/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 182/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Zahlung einer sogenannten Turboprämie als Abfindung, die zur Voraussetzung hatte, dass Mitarbeiterinnen der XY-Service-Center B-Stadt GmbH bis zum 30.03.2010 einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, stellt weder einen wichtigen Grund im Sinne der Sperrzeitnorm dar noch führt sie zur Reduzierung der Regelsperrzeit wegen des Vorliegens einer besonderen Härte, da eine Kündigung nicht zum gleichen Beendigungszeitpunkt hätte ausgesprochen werden können.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 23.12.2010.
Die 1958 geborene Klägerin stand bei XY. Service-Center B-Stadt GmbH vom 5.8.1997 bis 30.9.2010 in einem Beschäftigungsverhältnis. Dieses wurde durch Aufhebungsvertrag vom 30.3.2010 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 53.380,00 EUR beendet. Die Klägerin meldete sich am 24.8.2010 zum 1.10.2010 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Durch Bescheid vom 1.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 23.12.2010 fest und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei der Firma XY. durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Unerheblich sei, ob die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages von hier oder dem ehemaligen Arbeitgeber ausgegangen sei. Entscheidend sei, dass der Aufhebungsvertrag ohne die Zustimmung der Klägerin nicht zu Stande gekommen wäre. Sie habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos wäre. Ein wichtiger Grund für das Verhalten sei nicht mitgeteilt worden.
Hiergegen richtete sich der am 21.10.2010 erhobene Widerspruch.
Durch weiteren Bescheid vom 1.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt des Ruhens des Arbeitslosengeldbezuges im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 30.3.2011 fest und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe eine Abfindung in Höhe von 53.380,00 EUR erhalten. Der Anspruch ruhe, da der Arbeitgeber ihr nur bei Zahlung einer Abfindung hätte ordentlich kündigen können. Hiermit werde sie so behandelt, als hätte sie eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Diese Frist sei nicht eingehalten worden, so dass Leistungen erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten werden könnten.
Hiergegen richtete sich der am 21.10.2010 erhobene Widerspruch. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag habe eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres gegolten. Diese Kündigungsfrist sei bei Abschluss des Aufhebungsvertrages eingehalten worden, so dass ein Ruhen des Arbeitslosengeldes nicht in Betracht komme. Darüber hinaus gelte der Status der Unkündbarkeit nur für Mitarbeiter, die am 31. Dezember 2004 bei der XY. AG vor dem Betriebsübergang in die XY. Service-Center B-Stadt GmbH eine Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren erreicht hätten. Dies treffe auf die Klägerin nicht zu.
Durch Widerspruchsbescheid vom 5.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich der Sperrzeit mit der Begründung zurück, die Klägerin habe das Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages aufgelöst, ohne eine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt zu haben. Somit sei die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund liege ebenso nicht vor. Zutreffend sei, dass die Schließung des Servicecenters der XY. in B-Stadt zum 30. September 2010 beschlossen wurde. Eine arbeitgeberseitige Kündigung zu diesem Zeitpunkt sei nicht erfolgt bzw. hätte auch unter Beachtung der einfachen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Vierteljahresschluss nicht zum 30. September 2010 erfolgen können. Bevor eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden wäre, hätte der XY Konzern im so genannten Clearingverfahren für die Mitarbeiter eine andere (zumutbare) Beschäftigung im Konzernverbund gesucht. Alternativ sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2010 durch Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag unter Zahlung einer Abfindung mit der so genannten "Turboprämie" angeboten worden. Die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sei bis 30. März seit 1010 angeboten worden. In das anschließende Clearingverfahren seien nur Mitarbeiter aufgenommen worden, welche sich nicht bis zum 30. März 2010 zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages entschlossen hätten. Das Clearingverfahren hätte im Laufe des April 2010 erfolgen sollen. Hätte im Clearingverfahren ein zumutbarer Arbeitsplatz durch den XY-Konzern nicht angeboten werden können, wäre dann eine arbeitgeberseitige Kündigung erfolgt. Folglich hätte der Arbeitgeber keine betriebsbedingten Kündigungen zum 30. September 2010 ausgesprochen bzw. aussprechen können. Solche wären frühestens zum 31. Dezember 2010 möglich gewesen. Durch die Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag habe die Klägerin den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu einem Zeitpunkt selbst verursacht, zu dem dieser bei Abwarten der arbeitgeberseitigen Kündigung nicht eingetreten wäre. Es seien auch keine Gründe erkennbar, welche das Abwarten einer Kündigung durch den Arbeitgeber unzumutbar gemacht hätten. Allein der Vorteil, zu der nach dem Sozialplan zustehenden Abfindung eine zusätzliche Prämie zu erhalten, lasse in der Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag einen wichtigen Grund nicht erkennen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 16.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich des Ruhens zurück und führte zur Begründung aus, der Arbeitgeber wende den Tarifvertrag zum Schutz von Mitarbeitern im Konzern der Deutschen XY. (TV Schutz) an. Nach § 6 Abs. 5 des Tarifvertrages seien Arbeitnehmer mit mindestens 15 Jahren Beschäftigungszeit unkündbar. Eine Öffnungsklausel bestehen nicht. Arbeitnehmer, welche noch nicht mindestens 15 Jahre beschäftigt waren, seien nach §§ 6 Abs. 1 und 2 des Tarifvertrages besonders kündigungsgeschützt. Für diese Arbeitnehmer bestehe eine tarifliche Öffnungsklausel die den Arbeitgeber berechtige zu kündigen, wenn er keinen zumutbaren Arbeitsplatz innerhalb des Konzerns anbieten könne oder wenn der Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung pauschal ablehne. Wäre das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers mit weniger als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit aufgrund eines in der tariflichen Öffnungsklausel benannten Sachverhalts beendet, betrage die fiktive Kündigungsfrist ein Jahr, wenn der Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten. Die Klägerin sei noch keine 15 Jahre bei dem XY. Konzern beschäftigt gewesen. Sie habe auf das so genannte Clearingverfahren verzichtet und dadurch Anspruch auf eine zusätzliche Prämie erhalten. Folglich gelte die Kündigungsfrist von 12 Monaten, weil die Klägerin durch die Zustimmung zum Aufhebungsvertrag auf den besonderen Kündigungsschutz verzichtet und eine Abfindung erhalten habe.
Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid bezüglich der Sperrzeit richtet sich die am 18.11.2010 zum Sozialgericht Kassel zum Aktenzeichen S 3 AL 231/10 erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, nachdem feststand, dass das Servicecenter zum 30. September 2010 schließen werde, sei jeder Mitarbeiter Anfang bis Mitte März 2010 zu einem so genannten Aufklärungsgespräch mit dem Geschäftsleiter gebeten worden. In diesem Gespräch sei auf die Modalitäten der Zahlung einer Turboprämie hingewiesen worden. Ferner seien sie darauf hingewiesen worden, dass sie, soweit sie nicht bis spätestens 30. März 2010, 12:00 Uhr einen Aufhebungsvertrag unterschreiben würden, in ein so genanntes Clearingverfahren kämen. Da für die Klägerin eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Flughafen aus persönlichen Gründen nicht in Betracht komme, habe sie dem Aufhebungsvertrag zugestimmt. Als nächst gelegener Einsatzort sei für sie der Flughafen C-Stadt in Betracht gekommen. Ein Umzug sei für sie nicht in Betracht gekommen und die Pendelzeiten vom Wohnort aus unzumutbar lang. Eine Kündigung hätte mithin noch bis zum 31. März 2010 zum 30. September 2010 erfolgen können. Von diesem Kündigungsrecht hätte die frühere Arbeitgeberin mit Sicherheit Gebrauch gemacht.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1.10.2010 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin, für den Fall, in dem sie dem Aufhebungsvertrag nicht zugestimmt hätte, in das Clearingverfahren aufgenommen worden wäre, welches im April 2010 begonnen hätte. Eine arbeitgeberseitige Kündigung nach Feststellung, ob ein zumutbarer Arbeitsplatz nicht angeboten werden könne, wäre daher frühestens im April 2010 erfolgt. Somit sei eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2010 nicht mehr möglich gewesen. Im Übrigen beruft sie sich auf die Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Im Verfahren zum Aktenzeichen S 3 AL 301/10 hat das Gericht im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen folgende Fragen das XY. Service-Center B-Stadt GmbH mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 gestellt, die von dort unter dem 11. Januar 2011 wie folgt beantwortet worden: 1. Wie viele Mitarbeiter waren bei ihnen beschäftigt? Antwort: Im Januar 2010 waren 176 Mitarbeiter bei der XY. Service-Center B-Stadt GmbH beschäftigt. 2. Wie viele hiervon haben auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 15. Februar 2010 einen Aufhebungsvertrag geschlossen? Antwort: Auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 15. Februar 2010 haben 131 beschäftigte einen Aufhebungsvertrag geschlossen. 3. Wie viele Mitarbeiter sind in das Clearingverfahren gegangen? Antwort: 25 Beschäftigte haben sich für das Clearingverfahren entschieden. 4. Welche konkreten Arbeitsplätze an welchen Standorten mit welchen Aufgaben hätten für diese Mitarbeiter konkret zur Verfügung gestanden? Antwort: Die Frage welche Arbeitsplätze an welchen Standorten mit welchen Aufgaben zur Verfügung gestanden hätten, kann in dieser Form nicht beantwortet werden, da dies nicht Gegenstand des Verfahrens war. Im Rahmen der Vereinbarungen zum Interessenausgleich und Sozialplan wurde zusätzlich die "Betriebsvereinbarung zum freiwilligen Ausscheiden" geschlossen, um den Mitarbeitern eine Alternative zum Clearingverfahren zu bieten. Die Mitarbeiter hätten innerhalb der Frist die Möglichkeit gehabt, sich entweder für den Aufhebungsvertrag gem. der Betriebsvereinbarung oder für die Aufnahme in das Clearingverfahren zu entscheiden. Ob konkret Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns zur Verfügung gestanden hätten sei nicht geprüft worden. Die Suche nach konkreten alternativen Arbeitsplätzen habe für die Mitarbeiter, die sich gegen einen Aufhebungsvertrag und für das Clearingverfahren entschieden haben, im April 2010 begonnen. Als Vorbereitung für den Vermittlungsprozess sei für diesen Mitarbeiter Kreis eine mit dem Betriebspartner abgestimmte, anonymisierte Qualifikationsliste erstellt worden. Im Anschluss hieran sei die Vermittlungstätigkeit aufgenommen worden.
Auf weitere Anfrage teilte das XY. Service-Center B-Stadt unter dem 10. Februar 2011 mit, dass es neue/alternative Beschäftigungsmöglichkeiten im Umkreis von 100 km nicht gäbe. Die regional nächstmöglichen Standorte bei denen abstrakt ein Einsatz infrage käme, befänden sich in C-Stadt bzw. D-Stadt. Mit Schreiben vom 29. März 2011 forderte das Gericht von der XY. Service-Center B-Stadt GmbH Übersendung des Manteltarifvertrages Boden. Auf das beantwortende Schreiben vom 5. Mai 2011 wird Bezug genommen.
Der vorgenannte Schriftwechsel zum Verfahren S 3 AL 301/10 wurde zum Gegenstand des anhängigen Rechtsstreites gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte; weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 1. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 ist rechtmäßig. Die Klägerin wird hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat zu Recht den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 23. Dezember 2010 festgestellt und in diesem Zeitraum kein Arbeitslosengeld gezahlt sowie den Leistungsanspruch um ein Viertel der Anspruchsdauer vermindert.
Nach § 144 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) in der hier anzuwendenden ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2848) tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen u.a. dann ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet (§ 144 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Sie verkürzt sich von zwölf Wochen auf sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von zwölf Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 144 Abs. 3 Nr. 2b SGB III). Während der Sperrzeit ruht der Leistungsanspruch (§ 144 Abs. 1 S. 1 SGB III).
Die Klägerin hat durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 30.3.2010 das Beschäftigungsverhältnis gelöst. Somit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 SGB III vor; denn zwischen der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses und der Arbeitslosigkeit hat vorliegend ein ursächlicher Zusammenhang vorgelegen. Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer insoweit anschließt, muss dieser ursächliche Zusammenhang in Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung gegeben sein. Danach ist eine Bedingung als ursächlich oder mitursächlich im Rechtssinne anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (vgl. BSG vom 28.06.1991, 11 RAr 81/90, BSGE 69, 108).
Trotzdem die Klägerin vorträgt, ihr hätte theoretisch zum gleichen Zeitpunkt gekündigt werden können, besteht zur Überzeugung des Gerichts der ursächliche Zusammenhang, da die Klägerin eben von ihrem Arbeitgeber zum gleichen Zeitpunkt nicht hätte gekündigt werden können. Ausweislich des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrages für die XY. Servicecenter B-Stadt GmbH vom 31.12.2004 hätte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden können (§ 25 Abs 2 6. Alt. MTV). Eine Kündigung hätte mithin in dem Fall, in dem die Klägerin keinen Aufhebungsvertrag abgeschlossen hätte, nur noch bis spätestens zum Ablauf des 31.3.2010 ausgesprochen werden können. Hieran war die XY. aber rechtlich gehindert und es bestand von Seiten der XY., wie am 11.Januar 2011 von dieser schriftsätzlich zum Verfahren S 3 AL 301/10 erklärt, auch keine Absicht dies zu tun, da sie davon ausging, dass für die Mitarbeiter, die keinen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, das Clearingverfahren im April 2010 beginnt. Rechtlich gehindert war die XY. an einer Kündigung, weil § 6 Abs. 1 des Tarifvertrages Schutzabkommen in der Fassung vom 1.10.1995 (TV-Schutz), der unstreitig auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung fand, eine arbeitgeberseitige Kündigung unter den dort näher beschriebenen Umständen ausschloss. Aus der Regelung von § 3 Abs. 4 des Interessenausgleichs vom 15. Februar 2010 ergibt sich nichts anderes. Zwar eröffnet die Vorschrift scheinbar die Kündigungsmöglickeit für den Fall, dass ein Mitarbeiter den Abschluss eines Aufhebungsvertrages abgelehnt hat oder sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen nicht rückgeäußert hat. Indessen muss die Vorschrift im Lichte des § 6 TV-Schutz ausgelegt werden, wonach ein Kündigungsrecht für den Arbeitgeber nur im Falle von § 6 Abs. 4 TV-Schutz besteht, was hier indessen nicht der Fall war, weil im Fall der Ablehnung des Aufhebungsvertrages zunächst das Clearingverfahren, welches im April 2010 begann, durchgeführt werden musste.
Somit bestand ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum maßgeblichen Zeitpunkt am 30. September 2010 und der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit, weil ansonsten eine Kündigung frühestens erst mit Abschluss des 4. Quartals 2010 möglich gewesen wäre.
Insoweit hat die Klägerin auch zur Überzeugung des Gerichts grob fahrlässig gehandelt, denn sie hat den Aufhebungsvertrag abgeschlossen, obwohl ihr zum Zeitpunkt des Abschlusses klar gewesen sein muss, dass sie keinen Anschlussarbeitsplatz in Aussicht hatte.
Ein wichtiger Grund stand ihr hierfür nicht zur Seite.
Ein wichtiger Grund wird von der Rechtsprechung dann angenommen, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft bzw. der Allgemeinheit ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (vgl. Karmanski in Niesel/Brand, SGB III, Kommentar, 5. Aufl., 2010, § 144, Rz.120).
Ein wichtiger Grund liegt hierbei keineswegs nur dann vor, wenn ein Abwarten der arbeitgeberseitigen Kündigung deshalb unzumutbar ist, weil Nachteile für das berufliche Fortkommen zu befürchten sind; vielmehr handelt es sich hierbei nur um einen der in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte (BSG Urteil vom 12. April 1984 - 7 RAr 28/83 - und vom 25. April 2002 - B 11 AL 100/01 R -, jeweils veröffentlicht in juris). Demgemäß können auch sonstige Umstände zu der Annahme führen, dass ein Abwarten der Arbeitgeberkündigung unzumutbar war. Anders formuliert: Bei einem Aufhebungsvertrag ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die mit einer Kündigung typischerweise einhergehenden Nachteile nicht eingetreten wären. Anknüpfend hieran hat das BSG in seinem Urteil vom 17. November 2005 (= SozR 4-4300 § 144 Nr 11) zur Mitwirkung eines leitenden Angestellten bei der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses entschieden, dass bereits das Interesse, sich (im Hinblick auf den ohnehin nicht zu vermeidenden Eintritt der Beschäftigungslosigkeit) durch den Aufhebungsvertrag wenigstens die ihm angebotene Abfindung zu sichern, im Rahmen der Prüfung des wichtigen Grundes als schützenswert anzusehen ist und somit ein wichtiger Grund mithin bereits unter diesem Aspekt zu bejahen ist (BSG v. 12.7.2006, B 11a AL 47/05 R, BSGE 97, 1).
Indessen muss der wichtige Grund objektiv bestehen und insbesondere den Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses decken (BSG v. 12.11.1981, 7 RAr 21/81, SozR 4100 § 119 Nr 17; Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 Rz. 347; Mutschler in KSW, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl., 2011, SGB III § 144 Rz. 80).
Dies war, wie oben ausgeführt, nicht der Fall, da die Arbeitgeberin nicht zum Zeitpunkt des Auslaufens des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2010 hätte kündigen können.
Eine Reduzierung der Sperrzeit auf sechs Wochen nach § 144 Abs. 3 Nr. 2b SGB III, wegen des Vorliegens einer besonderen Härte war vorliegend nicht vorzunehmen.
Eine besondere Härte im Sinne der Vorschrift liegt dann vor, wenn nach den Gesamtumständen des Einzelfalls der Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen im Hinblick auf den konkreten Sachverhalt objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist; es gelten insoweit die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes als Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips (Voelzke in Spellbrink/Eicher, a.a.O., § 12 Rz. 384; Winkler in Gagel, SGBII/SGB III, Kommentar, Stand: März 2011, § 144 Rz. 220 mwN).
Derartige Anhaltspunkte, die dazu führen würden, dass eine besondere Härte vorliegt, lagen für die Kammer nicht vor. Es steht hierbei zwar außer Zweifel, dass der Anreiz der Klägerin die sogenannte "Turboprämie" in Höhe von zusätzlichen 1.500,00 EUR pro vollendetem Beschäftigungsjahr (Ziff. 6 der Betriebsvereinbarung vom 15.2.2010) neben der üblichen Abfindung zu realisieren, ausgesprochen hoch war. Auf der anderen Seite dürfen die Interessen der Versichertengemeinschaft bei der Beurteilung, ob eine besondere Härte vorliegt, nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben; im Übrigen haben bei der Prüfung der besonderen Härte Umstände außer Betracht zu bleiben, die keine unmittelbare Beziehung zum Sperrzeittatbestand haben. Dies sind insbesondere allgemeine Umstände persönlicher oder wirtschaftlicher Art, die zwar die Folgen der Sperrzeit beeinflussen, jedoch nicht für das zur Sperrzeit führende Verhalten des Arbeitslosen maßgebend waren (BSG v. 13.3.1997, 11 RAr 25/96, SozR 3-4100 § 119 Nr 11). Somit kann aber die Zahlung einer Abfindung nicht zu einer Reduzierung der Regelsperrzeit führen, da es sich hierbei um eine Gegebenheit handelt, die außerhalb des Sperrzeittatbestandes liegt (im Allgemeinen auch Voelzke in Spellbrink/Eicher, a.a.O., § 12 Rz. 388).
Zutreffend hat die Beklagte schließlich den Leistungsanspruch der Klägerin im Sinne von § 128 Abs. 1 Nr. 4 um ein Viertel vermindert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 23.12.2010.
Die 1958 geborene Klägerin stand bei XY. Service-Center B-Stadt GmbH vom 5.8.1997 bis 30.9.2010 in einem Beschäftigungsverhältnis. Dieses wurde durch Aufhebungsvertrag vom 30.3.2010 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 53.380,00 EUR beendet. Die Klägerin meldete sich am 24.8.2010 zum 1.10.2010 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Durch Bescheid vom 1.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 23.12.2010 fest und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei der Firma XY. durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Unerheblich sei, ob die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages von hier oder dem ehemaligen Arbeitgeber ausgegangen sei. Entscheidend sei, dass der Aufhebungsvertrag ohne die Zustimmung der Klägerin nicht zu Stande gekommen wäre. Sie habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos wäre. Ein wichtiger Grund für das Verhalten sei nicht mitgeteilt worden.
Hiergegen richtete sich der am 21.10.2010 erhobene Widerspruch.
Durch weiteren Bescheid vom 1.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt des Ruhens des Arbeitslosengeldbezuges im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 30.3.2011 fest und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe eine Abfindung in Höhe von 53.380,00 EUR erhalten. Der Anspruch ruhe, da der Arbeitgeber ihr nur bei Zahlung einer Abfindung hätte ordentlich kündigen können. Hiermit werde sie so behandelt, als hätte sie eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Diese Frist sei nicht eingehalten worden, so dass Leistungen erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten werden könnten.
Hiergegen richtete sich der am 21.10.2010 erhobene Widerspruch. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag habe eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres gegolten. Diese Kündigungsfrist sei bei Abschluss des Aufhebungsvertrages eingehalten worden, so dass ein Ruhen des Arbeitslosengeldes nicht in Betracht komme. Darüber hinaus gelte der Status der Unkündbarkeit nur für Mitarbeiter, die am 31. Dezember 2004 bei der XY. AG vor dem Betriebsübergang in die XY. Service-Center B-Stadt GmbH eine Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren erreicht hätten. Dies treffe auf die Klägerin nicht zu.
Durch Widerspruchsbescheid vom 5.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich der Sperrzeit mit der Begründung zurück, die Klägerin habe das Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages aufgelöst, ohne eine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt zu haben. Somit sei die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund liege ebenso nicht vor. Zutreffend sei, dass die Schließung des Servicecenters der XY. in B-Stadt zum 30. September 2010 beschlossen wurde. Eine arbeitgeberseitige Kündigung zu diesem Zeitpunkt sei nicht erfolgt bzw. hätte auch unter Beachtung der einfachen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Vierteljahresschluss nicht zum 30. September 2010 erfolgen können. Bevor eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden wäre, hätte der XY Konzern im so genannten Clearingverfahren für die Mitarbeiter eine andere (zumutbare) Beschäftigung im Konzernverbund gesucht. Alternativ sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2010 durch Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag unter Zahlung einer Abfindung mit der so genannten "Turboprämie" angeboten worden. Die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sei bis 30. März seit 1010 angeboten worden. In das anschließende Clearingverfahren seien nur Mitarbeiter aufgenommen worden, welche sich nicht bis zum 30. März 2010 zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages entschlossen hätten. Das Clearingverfahren hätte im Laufe des April 2010 erfolgen sollen. Hätte im Clearingverfahren ein zumutbarer Arbeitsplatz durch den XY-Konzern nicht angeboten werden können, wäre dann eine arbeitgeberseitige Kündigung erfolgt. Folglich hätte der Arbeitgeber keine betriebsbedingten Kündigungen zum 30. September 2010 ausgesprochen bzw. aussprechen können. Solche wären frühestens zum 31. Dezember 2010 möglich gewesen. Durch die Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag habe die Klägerin den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu einem Zeitpunkt selbst verursacht, zu dem dieser bei Abwarten der arbeitgeberseitigen Kündigung nicht eingetreten wäre. Es seien auch keine Gründe erkennbar, welche das Abwarten einer Kündigung durch den Arbeitgeber unzumutbar gemacht hätten. Allein der Vorteil, zu der nach dem Sozialplan zustehenden Abfindung eine zusätzliche Prämie zu erhalten, lasse in der Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag einen wichtigen Grund nicht erkennen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 16.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich des Ruhens zurück und führte zur Begründung aus, der Arbeitgeber wende den Tarifvertrag zum Schutz von Mitarbeitern im Konzern der Deutschen XY. (TV Schutz) an. Nach § 6 Abs. 5 des Tarifvertrages seien Arbeitnehmer mit mindestens 15 Jahren Beschäftigungszeit unkündbar. Eine Öffnungsklausel bestehen nicht. Arbeitnehmer, welche noch nicht mindestens 15 Jahre beschäftigt waren, seien nach §§ 6 Abs. 1 und 2 des Tarifvertrages besonders kündigungsgeschützt. Für diese Arbeitnehmer bestehe eine tarifliche Öffnungsklausel die den Arbeitgeber berechtige zu kündigen, wenn er keinen zumutbaren Arbeitsplatz innerhalb des Konzerns anbieten könne oder wenn der Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung pauschal ablehne. Wäre das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers mit weniger als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit aufgrund eines in der tariflichen Öffnungsklausel benannten Sachverhalts beendet, betrage die fiktive Kündigungsfrist ein Jahr, wenn der Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten. Die Klägerin sei noch keine 15 Jahre bei dem XY. Konzern beschäftigt gewesen. Sie habe auf das so genannte Clearingverfahren verzichtet und dadurch Anspruch auf eine zusätzliche Prämie erhalten. Folglich gelte die Kündigungsfrist von 12 Monaten, weil die Klägerin durch die Zustimmung zum Aufhebungsvertrag auf den besonderen Kündigungsschutz verzichtet und eine Abfindung erhalten habe.
Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid bezüglich der Sperrzeit richtet sich die am 18.11.2010 zum Sozialgericht Kassel zum Aktenzeichen S 3 AL 231/10 erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, nachdem feststand, dass das Servicecenter zum 30. September 2010 schließen werde, sei jeder Mitarbeiter Anfang bis Mitte März 2010 zu einem so genannten Aufklärungsgespräch mit dem Geschäftsleiter gebeten worden. In diesem Gespräch sei auf die Modalitäten der Zahlung einer Turboprämie hingewiesen worden. Ferner seien sie darauf hingewiesen worden, dass sie, soweit sie nicht bis spätestens 30. März 2010, 12:00 Uhr einen Aufhebungsvertrag unterschreiben würden, in ein so genanntes Clearingverfahren kämen. Da für die Klägerin eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Flughafen aus persönlichen Gründen nicht in Betracht komme, habe sie dem Aufhebungsvertrag zugestimmt. Als nächst gelegener Einsatzort sei für sie der Flughafen C-Stadt in Betracht gekommen. Ein Umzug sei für sie nicht in Betracht gekommen und die Pendelzeiten vom Wohnort aus unzumutbar lang. Eine Kündigung hätte mithin noch bis zum 31. März 2010 zum 30. September 2010 erfolgen können. Von diesem Kündigungsrecht hätte die frühere Arbeitgeberin mit Sicherheit Gebrauch gemacht.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1.10.2010 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin, für den Fall, in dem sie dem Aufhebungsvertrag nicht zugestimmt hätte, in das Clearingverfahren aufgenommen worden wäre, welches im April 2010 begonnen hätte. Eine arbeitgeberseitige Kündigung nach Feststellung, ob ein zumutbarer Arbeitsplatz nicht angeboten werden könne, wäre daher frühestens im April 2010 erfolgt. Somit sei eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2010 nicht mehr möglich gewesen. Im Übrigen beruft sie sich auf die Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Im Verfahren zum Aktenzeichen S 3 AL 301/10 hat das Gericht im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen folgende Fragen das XY. Service-Center B-Stadt GmbH mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 gestellt, die von dort unter dem 11. Januar 2011 wie folgt beantwortet worden: 1. Wie viele Mitarbeiter waren bei ihnen beschäftigt? Antwort: Im Januar 2010 waren 176 Mitarbeiter bei der XY. Service-Center B-Stadt GmbH beschäftigt. 2. Wie viele hiervon haben auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 15. Februar 2010 einen Aufhebungsvertrag geschlossen? Antwort: Auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 15. Februar 2010 haben 131 beschäftigte einen Aufhebungsvertrag geschlossen. 3. Wie viele Mitarbeiter sind in das Clearingverfahren gegangen? Antwort: 25 Beschäftigte haben sich für das Clearingverfahren entschieden. 4. Welche konkreten Arbeitsplätze an welchen Standorten mit welchen Aufgaben hätten für diese Mitarbeiter konkret zur Verfügung gestanden? Antwort: Die Frage welche Arbeitsplätze an welchen Standorten mit welchen Aufgaben zur Verfügung gestanden hätten, kann in dieser Form nicht beantwortet werden, da dies nicht Gegenstand des Verfahrens war. Im Rahmen der Vereinbarungen zum Interessenausgleich und Sozialplan wurde zusätzlich die "Betriebsvereinbarung zum freiwilligen Ausscheiden" geschlossen, um den Mitarbeitern eine Alternative zum Clearingverfahren zu bieten. Die Mitarbeiter hätten innerhalb der Frist die Möglichkeit gehabt, sich entweder für den Aufhebungsvertrag gem. der Betriebsvereinbarung oder für die Aufnahme in das Clearingverfahren zu entscheiden. Ob konkret Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns zur Verfügung gestanden hätten sei nicht geprüft worden. Die Suche nach konkreten alternativen Arbeitsplätzen habe für die Mitarbeiter, die sich gegen einen Aufhebungsvertrag und für das Clearingverfahren entschieden haben, im April 2010 begonnen. Als Vorbereitung für den Vermittlungsprozess sei für diesen Mitarbeiter Kreis eine mit dem Betriebspartner abgestimmte, anonymisierte Qualifikationsliste erstellt worden. Im Anschluss hieran sei die Vermittlungstätigkeit aufgenommen worden.
Auf weitere Anfrage teilte das XY. Service-Center B-Stadt unter dem 10. Februar 2011 mit, dass es neue/alternative Beschäftigungsmöglichkeiten im Umkreis von 100 km nicht gäbe. Die regional nächstmöglichen Standorte bei denen abstrakt ein Einsatz infrage käme, befänden sich in C-Stadt bzw. D-Stadt. Mit Schreiben vom 29. März 2011 forderte das Gericht von der XY. Service-Center B-Stadt GmbH Übersendung des Manteltarifvertrages Boden. Auf das beantwortende Schreiben vom 5. Mai 2011 wird Bezug genommen.
Der vorgenannte Schriftwechsel zum Verfahren S 3 AL 301/10 wurde zum Gegenstand des anhängigen Rechtsstreites gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte; weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 1. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 ist rechtmäßig. Die Klägerin wird hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat zu Recht den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 23. Dezember 2010 festgestellt und in diesem Zeitraum kein Arbeitslosengeld gezahlt sowie den Leistungsanspruch um ein Viertel der Anspruchsdauer vermindert.
Nach § 144 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) in der hier anzuwendenden ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2848) tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen u.a. dann ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet (§ 144 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Sie verkürzt sich von zwölf Wochen auf sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von zwölf Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 144 Abs. 3 Nr. 2b SGB III). Während der Sperrzeit ruht der Leistungsanspruch (§ 144 Abs. 1 S. 1 SGB III).
Die Klägerin hat durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 30.3.2010 das Beschäftigungsverhältnis gelöst. Somit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 SGB III vor; denn zwischen der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses und der Arbeitslosigkeit hat vorliegend ein ursächlicher Zusammenhang vorgelegen. Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer insoweit anschließt, muss dieser ursächliche Zusammenhang in Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung gegeben sein. Danach ist eine Bedingung als ursächlich oder mitursächlich im Rechtssinne anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (vgl. BSG vom 28.06.1991, 11 RAr 81/90, BSGE 69, 108).
Trotzdem die Klägerin vorträgt, ihr hätte theoretisch zum gleichen Zeitpunkt gekündigt werden können, besteht zur Überzeugung des Gerichts der ursächliche Zusammenhang, da die Klägerin eben von ihrem Arbeitgeber zum gleichen Zeitpunkt nicht hätte gekündigt werden können. Ausweislich des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrages für die XY. Servicecenter B-Stadt GmbH vom 31.12.2004 hätte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden können (§ 25 Abs 2 6. Alt. MTV). Eine Kündigung hätte mithin in dem Fall, in dem die Klägerin keinen Aufhebungsvertrag abgeschlossen hätte, nur noch bis spätestens zum Ablauf des 31.3.2010 ausgesprochen werden können. Hieran war die XY. aber rechtlich gehindert und es bestand von Seiten der XY., wie am 11.Januar 2011 von dieser schriftsätzlich zum Verfahren S 3 AL 301/10 erklärt, auch keine Absicht dies zu tun, da sie davon ausging, dass für die Mitarbeiter, die keinen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, das Clearingverfahren im April 2010 beginnt. Rechtlich gehindert war die XY. an einer Kündigung, weil § 6 Abs. 1 des Tarifvertrages Schutzabkommen in der Fassung vom 1.10.1995 (TV-Schutz), der unstreitig auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung fand, eine arbeitgeberseitige Kündigung unter den dort näher beschriebenen Umständen ausschloss. Aus der Regelung von § 3 Abs. 4 des Interessenausgleichs vom 15. Februar 2010 ergibt sich nichts anderes. Zwar eröffnet die Vorschrift scheinbar die Kündigungsmöglickeit für den Fall, dass ein Mitarbeiter den Abschluss eines Aufhebungsvertrages abgelehnt hat oder sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen nicht rückgeäußert hat. Indessen muss die Vorschrift im Lichte des § 6 TV-Schutz ausgelegt werden, wonach ein Kündigungsrecht für den Arbeitgeber nur im Falle von § 6 Abs. 4 TV-Schutz besteht, was hier indessen nicht der Fall war, weil im Fall der Ablehnung des Aufhebungsvertrages zunächst das Clearingverfahren, welches im April 2010 begann, durchgeführt werden musste.
Somit bestand ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum maßgeblichen Zeitpunkt am 30. September 2010 und der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit, weil ansonsten eine Kündigung frühestens erst mit Abschluss des 4. Quartals 2010 möglich gewesen wäre.
Insoweit hat die Klägerin auch zur Überzeugung des Gerichts grob fahrlässig gehandelt, denn sie hat den Aufhebungsvertrag abgeschlossen, obwohl ihr zum Zeitpunkt des Abschlusses klar gewesen sein muss, dass sie keinen Anschlussarbeitsplatz in Aussicht hatte.
Ein wichtiger Grund stand ihr hierfür nicht zur Seite.
Ein wichtiger Grund wird von der Rechtsprechung dann angenommen, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft bzw. der Allgemeinheit ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (vgl. Karmanski in Niesel/Brand, SGB III, Kommentar, 5. Aufl., 2010, § 144, Rz.120).
Ein wichtiger Grund liegt hierbei keineswegs nur dann vor, wenn ein Abwarten der arbeitgeberseitigen Kündigung deshalb unzumutbar ist, weil Nachteile für das berufliche Fortkommen zu befürchten sind; vielmehr handelt es sich hierbei nur um einen der in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte (BSG Urteil vom 12. April 1984 - 7 RAr 28/83 - und vom 25. April 2002 - B 11 AL 100/01 R -, jeweils veröffentlicht in juris). Demgemäß können auch sonstige Umstände zu der Annahme führen, dass ein Abwarten der Arbeitgeberkündigung unzumutbar war. Anders formuliert: Bei einem Aufhebungsvertrag ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die mit einer Kündigung typischerweise einhergehenden Nachteile nicht eingetreten wären. Anknüpfend hieran hat das BSG in seinem Urteil vom 17. November 2005 (= SozR 4-4300 § 144 Nr 11) zur Mitwirkung eines leitenden Angestellten bei der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses entschieden, dass bereits das Interesse, sich (im Hinblick auf den ohnehin nicht zu vermeidenden Eintritt der Beschäftigungslosigkeit) durch den Aufhebungsvertrag wenigstens die ihm angebotene Abfindung zu sichern, im Rahmen der Prüfung des wichtigen Grundes als schützenswert anzusehen ist und somit ein wichtiger Grund mithin bereits unter diesem Aspekt zu bejahen ist (BSG v. 12.7.2006, B 11a AL 47/05 R, BSGE 97, 1).
Indessen muss der wichtige Grund objektiv bestehen und insbesondere den Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses decken (BSG v. 12.11.1981, 7 RAr 21/81, SozR 4100 § 119 Nr 17; Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 Rz. 347; Mutschler in KSW, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl., 2011, SGB III § 144 Rz. 80).
Dies war, wie oben ausgeführt, nicht der Fall, da die Arbeitgeberin nicht zum Zeitpunkt des Auslaufens des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2010 hätte kündigen können.
Eine Reduzierung der Sperrzeit auf sechs Wochen nach § 144 Abs. 3 Nr. 2b SGB III, wegen des Vorliegens einer besonderen Härte war vorliegend nicht vorzunehmen.
Eine besondere Härte im Sinne der Vorschrift liegt dann vor, wenn nach den Gesamtumständen des Einzelfalls der Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen im Hinblick auf den konkreten Sachverhalt objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist; es gelten insoweit die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes als Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips (Voelzke in Spellbrink/Eicher, a.a.O., § 12 Rz. 384; Winkler in Gagel, SGBII/SGB III, Kommentar, Stand: März 2011, § 144 Rz. 220 mwN).
Derartige Anhaltspunkte, die dazu führen würden, dass eine besondere Härte vorliegt, lagen für die Kammer nicht vor. Es steht hierbei zwar außer Zweifel, dass der Anreiz der Klägerin die sogenannte "Turboprämie" in Höhe von zusätzlichen 1.500,00 EUR pro vollendetem Beschäftigungsjahr (Ziff. 6 der Betriebsvereinbarung vom 15.2.2010) neben der üblichen Abfindung zu realisieren, ausgesprochen hoch war. Auf der anderen Seite dürfen die Interessen der Versichertengemeinschaft bei der Beurteilung, ob eine besondere Härte vorliegt, nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben; im Übrigen haben bei der Prüfung der besonderen Härte Umstände außer Betracht zu bleiben, die keine unmittelbare Beziehung zum Sperrzeittatbestand haben. Dies sind insbesondere allgemeine Umstände persönlicher oder wirtschaftlicher Art, die zwar die Folgen der Sperrzeit beeinflussen, jedoch nicht für das zur Sperrzeit führende Verhalten des Arbeitslosen maßgebend waren (BSG v. 13.3.1997, 11 RAr 25/96, SozR 3-4100 § 119 Nr 11). Somit kann aber die Zahlung einer Abfindung nicht zu einer Reduzierung der Regelsperrzeit führen, da es sich hierbei um eine Gegebenheit handelt, die außerhalb des Sperrzeittatbestandes liegt (im Allgemeinen auch Voelzke in Spellbrink/Eicher, a.a.O., § 12 Rz. 388).
Zutreffend hat die Beklagte schließlich den Leistungsanspruch der Klägerin im Sinne von § 128 Abs. 1 Nr. 4 um ein Viertel vermindert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG.
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