S 10 R 332/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 332/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 07.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2008 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin bei dem Beigeladenen ab dem 01.10.2006 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht besteht.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beigeladenen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Frage, ob die Klägerin ihre Tätigkeit als Buchhalterin für den Beigeladenen im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder als Selbständige ausübt.

Der Beigeladene betreibt eine Steuerberaterpraxis. Die Klägerin absolvierte eine Ausbildung zur Steuerfachgehilfin und war von 1987 bis Ende 2005 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei dem Beigeladenen tätig. Zuletzt arbeitete sie 30 Stunden wöchentlich und erzielte einen Bruttojahresverdienst von etwa 30.000,00 EUR. Aufgrund der Ertragslage der Steuerberaterpraxis nahm der Beigeladene Ende 2005 eine Umstrukturierung vor. Zweck der Umstrukturierung war die Reduzierung und Flexibilisierung der Arbeit der Klägerin und eine gleichzeitige Ausweitung des Tätigkeitsbereiches des Beigeladenen dahingehend, dass er in größerem Umfang Finanzbuchhaltungs- und Lohnbuchhaltungsarbeiten selbst ausführte.

Zu diesem Zweck schlossen die Klägerin und der Beigeladene am 20.09.2009 einen schriftlichen Vertrag, in dem vereinbart wurde, dass die Klägerin ab dem 01.10.2006 Finanzbuchführungs- und Lohnbuchführungsarbeiten sowie weitere Arbeiten nach gesonderter Vereinbarung für den Beigeladenen übernimmt. Danach führt die Klägerin die ihr übertragenen Arbeiten selbständig nach eigener Arbeits- und Zeiteinteilung aus, wobei für die Auftragsdurchführung die tatsächlichen Einrichtungen der Praxis zu nutzen sind. Die Abrechnung der durchgeführten Arbeiten erfolgt monatlich gegen Rechnung. Dabei wird nach der vertraglichen Vereinbarung von einem Stundensatz von 30,00 EUR ausgegangen, es sei denn, dass vorher ein anderer Betrag vereinbart worden ist.

Die Klägerin führt Finanzbuchhaltungs- und Lohnbuchhaltungsarbeiten für Mandanten des Beigeladenen aus, wobei es sich um kleine und mittelgroße Betriebe sowie um Selbständige handelt. Der Beigeladene selbst führt ebenfalls Finanzbuchhaltungs- und Lohnbuchhaltungsarbeiten durch. Diese Arbeiten nehmen seit Anfang 2006 etwa die Hälfte der Arbeitszeit des Beigeladenen in Anspruch. Ansonsten umfasst sein Tätigkeitsbereich die Erstellung von Steuererklärungen und die Durchführung von Beratungen, die häufig auch im Rahmen persönlicher Besuche bei den Mandanten erfolgt. Bei den Buchhaltungsarbeiten entscheidet der Beigeladene, ob er ausreichend Arbeitskapazitäten hat, um den Auftrag selbst auszuführen oder ob er die Ausführung der Arbeiten an die Klägerin überträgt. Andere Mitarbeiter stehen nicht zur Verfügung. Für den Beigeladenen arbeitet ansonsten lediglich eine Kraft für den Telefondienst im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses, die nach der Umstrukturierung der Praxis eingestellt worden ist und eine Reinigungskraft. Ob die Klägerin einen Auftrag des Beigeladenen übernimmt, hängt davon ab, ob sie ausreichend Zeit hat oder durch andere Aufträge anderweitig gebunden ist. Für den Fall, dass die Klägerin verhindert ist, führt der Beigeladene diese Arbeiten selbst durch.

Die Buchhaltungsarbeiten und Lohnabrechnungen sind für die Mandanten der Steuerberaterpraxis monatlich zu erstellen. Die Durchführung dieser fristgebundenen Arbeiten hängt davon ab, dass die Mandanten die notwendigen Unterlagen vorlegen. Wenn die Unterlagen in der Steuerberaterpraxis vorliegen, fragt der Beigeladene bei einer von ihm beabsichtigten Beauftragung der Klägerin bei der Klägerin an, ob sie die Buchhaltungsarbeiten für den Mandanten erledigen kann. Dabei überträgt der Beigeladene insbesondere Buchhaltungsarbeiten von Dauerkunden auf die Klägerin , die sie bereits kennt. Die Klägerin führt die Buchhaltungsarbeiten bei Annahme eines Auftrages in der Steuerberaterpraxis des Beigeladenen durch. Dies hat zum Einen den Grund, dass die notwendigen Unterlagen dort vorliegen. Zum anderen sind die Computer in der Steuerberaterpraxis an das DATEV-System angeschlossen, über das die Klägerin an ihrem in ihrer Wohnung eingerichteten Arbeitsplatz nicht verfügt. Der Erwerb des DATEV-Systems ist den steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen vorbehalten. Soweit ein Betrieb dieses System erwerben will, ist dies nur über einen Steuerberater zulässig.

Die Klägerin führt die Buchführungsarbeiten in der Steuerberaterpraxis nach eigener Zeiteinteilung innerhalb der Öffnungszeiten der Steuerberaterpraxis, dh zwischen 7.30 Uhr und 18.00 Uhr aus. Der Beigeladene gibt hinsichtlich der Erledigung der Arbeiten in zeitlicher Hinsicht keine Vorgaben. Soweit Fristen bei den Finanzbehörden einzuhalten sind, sind diese Fristen der Klägerin bekannt. In der Steuerberaterpraxis ist kein fester Arbeitsplatz für die Klägerin eingerichtet. Sie nutzt für die Durchführung der Buchführungsarbeiten einen von mehreren verfügbaren Computer. Soweit besondere Informationen der einzelnen Mandanten für die Durchführung der Arbeiten vorliegen, gibt der Beigeladene diese Informationen mündlich oder schriftlich an die Klägerin weiter. Die Abrechnungen gegenüber den Mandanten erfolgen ausschließlich durch den Beigeladenen. Die Klägerin stellt die von ihr durchgeführten Buchführungsarbeiten dem Beigeladenen monatlich in Rechnung. Dabei hat sie beispielsweise im Monat Oktober 2006 ohne Mehrwertsteuer 1.492,50 EUR in Rechnung gestellt, im Monat März 2007 1.132,50 EUR ohne Mehrwertsteuer und im Mai 2007 1.312,50 EUR ohne Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Eine Vergütung durch den Beigeladenen erfolgt nur dann, wenn die Arbeiten von der Klägerin ordnungsgemäß durchgeführt und abgeschlossen worden sind. Im Krankheits- und Urlaubsfall erhält die Klägerin keine Vergütung durch den Beigeladenen.

Die Klägerin hat ein Gewerbe angemeldet. Sie hat weitere Auftraggeber, für die sie Finanz- und Lohnbuchhaltungsarbeiten durchführt. Es handelt sich um kleinere Betriebe, die kein eigenes Personal für die Finanz- und Lohnbuchhaltung haben. Die Zahl der Auftraggeber ist schwankend und beträgt z. Z. 5 bis 8 Betriebe. Die Klägerin erzielt z. Z. 60 v.H. ihrer Einkünfte aus den Auftragsarbeiten für den Beigeladenen und 40 v.H. aus der Tätigkeit für die anderen Auftraggeber. Die Arbeiten für die anderen Auftraggeber führt die Klägerin an ihrem zu Hause eingerichteten Büroarbeitsplatz durch. Diese Buchführungsarbeiten erledigt sie über das Buchführungsprogramm Lexware, wobei die Übermittlung der Daten an die Betriebe über einen Stick erfolgt. Die erforderlichen Unterlagen holt sie in den Betrieben ab oder sie werden ihr nach Hause gebracht. Die Anwerbung von neuen Kunden erfolgt mittels Kleinanzeigen in der lokalen Zeitung.

Die Klägerin stellte am 09.02.2008 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung, dass sie die Tätigkeit als Buchhalterin für den Beigeladenen ab dem 01.10.2006 nicht im Rah-men eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt. Dabei legte sie einen Bescheid der Arbeitsagentur Wesel vom 04.10.2006 vor, mit dem ihr ab dem 01.10.2006 ein Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bewilligt worden war. Zur Begründung ihres Antrages führte die Klägerin aus, sie sei selbständig tätig, da sie ihre Arbeitszeiten frei wählen könne und selbst entscheiden könne, ob sie einen Auftrag des Beigeladenen übernehmen oder ablehnen möchte. Durch ihre Arbeit für verschiedene Auftraggeber sei es ihr möglich, ihren Verdienst selbst zu erhöhen oder auch weniger zu arbeiten und weniger zu verdienen. Wenn sie krank sei oder Urlaub habe, erziele sie keinen Verdienst. Da sie bereits über 15 Jahre in diesem Beruf tätig sei, seien fachliche Weisungen seitens des Beigeladenen oder anderer Auftraggeber nicht erforderlich. Sie verfüge über ein eigens für die Tätigkeit als Buchhalterin eingerichtetes Büro und benutze
einen eigenen PC bzw. Laptop und ein eigenes Buchführungsprogramm, soweit sie Aufträge für andere Auftraggeber als den Beigeladenen erledige.

Die Klägerin führte im Rahmen der von der Beklagten vorgenommenen schriftlichen Anhörung aus, dass nach ihrer Auffassung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Eine Eingliederung in den Betrieb des Beigeladenen erfolge nicht. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Beigeladene aus organisatorischen Gründen einen anderen Arbeitnehmer habe einstellen müssen, da er ihre Anwesenheit im Büro nicht einplanen könne und die Zeit der Nichtbesetzung des Büros ausgeglichen werden müsse. Sie führe den Hauptteil der Buchführungsarbeiten nur deshalb in der Steuerberaterpraxis und nicht in ihrem Büro aus, da es sich um überwiegend am Computer zu erledigende Arbeiten handele und nur in der Steuerberaterpraxis die Programme der DATEV zur Verfügung stünden. Ein unternehmerisches Risiko trage sie insoweit, als sie evtl. kein Geld für die von ihr erbrachte Arbeitsleistung erhalten würde. Die Ausführung ihrer Arbeiten erfordere grundsätzlich nicht die Anschaffung von teuren Geräten und Maschinen und einen damit verbundenen hohen finanziellen Aufwand. Eine Vergütung erhalte sie nur dann, wenn die Buchführungsarbeiten vollständig und korrekt ausgeführt worden seien. Durch ihr eigenes Auftreten am Markt habe sie in dem letzten Jahr einige Auftraggeber hinzugewinnen können.

Der Beigeladene äußerte sich im Rahmen der schriftlichen Anhörung ebenfalls dahingehend, dass nach seiner Ansicht ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin nicht vorliege.

Mit einem an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 07.05.2008 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Klägerin als Buchhalterin bei dem Beigeladenen seit dem 01.10.2006 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung vorliege. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe keine maßgeblichen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Art und Weise der Tätigkeitsausführung. Die Tätigkeit werde im Steuerberaterbüro des Beigeladenen ausgeübt und es erfolge eine Eingliederung in die betrieblichen Abläufe des Büros. Die Klägerin rechne nicht direkt mit den Kunden, sondern mit dem Beigeladenen ab, so dass sie nach Außen als dessen Mitarbeiterin wahrgenommen werde. Die Klägerin habe zwar die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen und abzulehnen, dies allein genüge jedoch nicht, um die Voraussetzungen einer selbständigen Tätigkeit zu erfüllen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin bis Ende 2005 bei dem Beigeladenen beschäftigt gewesen sei und im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses mit den gleichen Tätigkeiten betraut gewesen sei. Eine geringere oder bedarfsgerechte Beauftragung sei nicht gleichbedeutend mit der Annahme einer selbständigen Tätigkeit.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 15.05.2008 Widerspruch und trug zur Begründung ergänzend vor, dass eine Weisungsunterworfenheit nicht vorliege, da sie ihre Arbeiten selbständig ausführe und die Arbeitszeit und Dauer der Arbeit selbst gestalten könne. Sie werde auch nicht nach Außen hin von den Mandanten als Mitarbeiterin des Steuerberatungsbüros wahrgenommen, da alle darüber informiert seien, dass sie als Selbständige arbeite und auch nicht mehr über alle Vorgänge in der Steuerberaterpraxis informiert sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 26.09.2008 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, es sei unerheblich, dass die Klägerin noch für andere Auftraggeber tätig werde, da diese Tätigkeiten nicht Gegenstand des Statusfeststellungsverfahrens seien. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen Klägerin und Beigeladenem spreche der Umstand, dass der zeitliche Rahmen der Tätigkeit durch die Bürozeiten, durch die Verfügbarkeit der Arbeitsmittel sowie die Abgabetermine stark begrenzt sei. Zudem sei der Arbeitsort vorgegeben, da die Klägerin aufgrund des Ortes der Aktenführung und der Computerprogramme an die ihr zugewiesenen Räumlichkeiten gebunden sei. Des Weiteren liege eine Bindung an Weisungen inhaltlicher Art vor, da die Tätigkeit der Klägerin im Wesentlichen durch Vorgaben des Beigeladenen geprägt seien und ein wesentlicher Gestaltungsspielraum der übertragenen Dienstleistungen nicht gegeben sei. Somit unterliege die Klägerin bezüglich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausführung dem Direktionsrecht des Beigeladenen und sie sei zudem in die Arbeitsorganisation eingegliedert. Darüber hinaus liege kein erhebliches Unternehmerrisiko der Klägerin vor, da sie ihre eigene Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg einsetze. Ein Kapitaleinsatz, der auch mit der Möglichkeit eines Verlustes verbunden sei, liege nicht vor. Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses stehe auch nicht entgegen, dass die Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- und Krankheitsfall nicht erfolge. Eine Selbständigkeit werde nicht dadurch begründet, dass jemand Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernnehme, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinaus gingen.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 03.11.2008 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Merkmale nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung überwiegen würden. Es liege weder eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Steuerberaterpraxis noch ein Weisungsrecht des Beigeladenen hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung vor. Allein der Umstand, dass die Klägerin zur Ausführung der Buchhaltungsarbeiten auf das nur in der Steuerberaterpraxis verfügbare DATEV-Programm angewiesen sei, lasse aufgrund der notwendigen Gesamtschau aller Einzelfallumstände nicht die Wertung zu, dass die Klägerin ihre Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 07.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2008 festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin bei dem Beigeladenen ab dem 01.10.2006 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Ansicht, die Klägerin übe die Tätigkeit für den Beigeladenen im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Es liege insbesondere eine Eingliederung der Klägerin in die betrieblichen Abläufe beim Beigeladenen vor.

Der Beigeladene hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen. Er ist der Auffassung, die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände würden überwiegen.

Das Gericht hat im Termin vom 11.03.2010 eine Anhörung der Klägerin und des Beigeladenen durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.03.2010 Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der das Statusfeststellungsverfahren betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis ist ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 55 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Frage, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, betrifft zwar ein Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen, dh nicht ein Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten. Das Rechtsverhältnis im Sinne des § 55 Abs 1 Nr 1 SGG muss jedoch nicht notwendig zwischen den Hauptbeteiligten des Rechtsstreits bestehen, sondern es kann sich auch um eine Rechtsbeziehung eines Beteiligten zu einem Dritten, damit auch zu einem Beigeladenen des Rechtsstreits handeln (Meyer-Ladewig § 55 Rn 7; LSG Schleswig-Holstein vom 07.09.2005, Az: L 5 KR 47/04).

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs 2 S 1 SGG, da die Klägerin im streitigen Zeitraum seit dem 01.10.2006 die Tätigkeit als Buchhalterin nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt und damit keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht besteht.

Streitgegenstand ist die Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen in der Zeit seit dem 01.10.2006. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem angefochtenen Bescheid vom 07.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides, in dem festgestellt wurde, dass die Tätigkeit der Klägerin als Buchhalterin bei dem Beigeladenen seit dem 01.10.2006 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Die Klägerin hat zudem ihren Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status auf die Zeit ab dem 01.10.2006 bezogen und bei ihrer Antragstellung ausschließlich den Vertrag vom 20.09.2006 mit der für die Zeit ab dem 01.10.2006 geltenden Regelung vorgelegt.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungspflicht bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V; § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI; § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; § 25 Abs 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs 1 S 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgebers besteht. Persönliche Abhängigkeit erfordert eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrechts des Arbeitgebers. Insbesondere bei Diensten höherer Art kann dieses Weisungsrecht erheblich eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Auch bei Diensten höherer Art muss eine fremdbestimmte Dienstleistung verbleiben, dh die Dienstleistung muss zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 20; BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8). Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 8). Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, z. B. auch die vertragliche Ausgestaltung des Verhältnisses. Bei tatsächlicher Abweichung von der vertraglichen Regelung kommt es entscheidend auf die tatsächlichen Verhältnisse an (BSG SozR 4100 § 141 b Nr 41 mwN).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Gerichts unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles fest, dass die Klägerin seit dem 01.10.2006 ihre Tätigkeit als Finanz- und Lohnbuchhalterin für den Beigeladenen im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt, da die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände deutlich überwiegen.

Die Klägerin unterliegt hinsichtlich der Art der Arbeitsausführung keinem Weisungsrecht des Beigeladenen. Aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung führt sie die ihr übertragenen Finanzbuchhaltungs- und Lohnbuchhaltungsarbeiten eigenständig durch, ohne dass ihr der Beigeladene inhaltliche Weisungen erteilt und Vorgaben macht. Die Klägerin kennt mehr als die Hälfte der von ihr betreuten Mandanten des Beigeladenen, so dass sie zur Durchführung dieser Aufträge nicht auf Zusatzinformationen angewiesen ist. Soweit der Beigeladene für andere, der Klägerin nicht bekannte Mandanten die für die Auftragsdurchführung notwendigen Informationen des Mandanten weitergibt, erteilt er keine Weisungen inhaltlicher Art. Insoweit fungiert der Beigeladene als Überbringer notwendiger Informationen der Mandanten, zu denen er aufgrund seiner häufigen Präsenz in der Steuerberatungspraxis und aufgrund seiner Beratungstätigkeit einen engeren Kontakt hat als die Klägerin. Inhaltliche Vorgaben und fachliche Weisungen, wie die Arbeiten im Einzelnen auszuführen sind, werden der Klägerin nicht gegeben. Die Klägerin ist auch in ihrer Entscheidung, ob sie einen von dem Beigeladenen angebotenen Auftrag annimmt, völlig frei.

Die Klägerin unterliegt zudem hinsichtlich der Arbeitszeit keinerlei Weisungen des Beigeladenen, was gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht. Die Klägerin ist weder verpflichtet, an bestimmten Tagen in der Steuerberaterpraxis des Beigeladenen zu erscheinen, noch muss sie eine bestimmte Anzahl von Stunden pro Tag oder pro Woche arbeiten. Es liegt allein in ihrer Entscheidung, an welchen Tagen, zu welchen Tageszeiten und wie lange sie jeweils arbeitet, um die von ihr übernommenen Aufträge termingemäß fertig zu stellen. Hinsichtlich der Erledigung der Arbeiten gibt es zwar eine Bindung der Beigeladenen an bestimmte Termine, insbesondere die Lohnzahlungstermine bei den Lohnabrechnungen und die Termine für die Steuermeldungen bei den Finanzbuchhaltungsarbeiten. Die Einhaltung dieser Termine ist jedoch nicht Ausfluss eines Weisungsrechtes des Beigeladenen gegenüber der Klägerin , sondern entspricht der vertraglich gegenüber den Mandanten übernommenen Verpflichtung (vgl. für Buchhalter: BSG SozR Nr 4 zu § 2 AVG = Breithaupt 1967, 1, 3; BSG SozR Nr 18 zu § 539 = Breithaupt 71, 727).

Hinsichtlich der Arbeitsausführung ist die Klägerin darauf angewiesen, die von ihr übernommenen Aufträge in der Steuerberaterpraxis des Beigeladenen durchzuführen. Auch dies ist nicht Ausfluss des Weisungsrechtes des Beigeladenen, sondern einer praktischen Notwendigkeit, die sich daraus ergibt, dass die Klägerin für die Durchführung der Finanz- und Lohnbuchhaltung der Mandanten des Beigeladenen auf das Buchführungsprogramm DATEV angewiesen ist und der Erwerb dieses Programmes den steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen vorbehalten ist. Somit kann die Klägerin die ihr übertragenen Aufträge nur unter Nutzung des in der Steuerberaterpraxis verfügbaren DATEV-Systemes zu den täglichen Bürozeiten zwischen 7.30 Uhr und 18.00 Uhr ausführen. Daraus folgt, dass die Durchführung der Buchführungsarbeiten in der Praxis des Beigeladenen durch die Art der Tätigkeit bedingt ist und nicht gegen eine selbständige Tätigkeit spricht (ebenso für die Durchführung von Buchhaltungsarbeiten in den jeweiligen Betrieben: BSG SozR Nr 4 zu § 2 AVG; BSG SozR Nr 18 zu § 539 RVO; vgl. für die Durchführung von Buchhaltungsarbeiten in einer Steuerberaterpraxis: LSG Schleswig-Holstein vom 07.09.2005, Az: L 5 KR 47/04).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin nicht in die betrieblichen Abläufe der Steuerberaterpraxis eingegliedert. Ein ausschließlich für sie eingerichteter Arbeitsplatz steht in der Steuerberaterpraxis nicht zur Verfügung. Sie nutzt für die Durchführung der Buchhaltungsarbeiten einen von mehreren PC-Arbeitsplätzen. Die zeitliche Anwesenheit der Klägerin in der Steuerberaterpraxis orientiert sich allein an ihren Bedürfnissen und Kapazitäten und ist für den Beigeladenen mangels Vorhersehbarkeit nicht einplanbar. Dementsprechend erfolgt keine organisatorische Einbindung der Klägerin in die geschäftlichen Abläufe der Steuerberaterpraxis. Die Klägerin hat insbesondere nicht zu bestimmten Zeiten als telefonische Ansprechpartnerin zur Verfügung zu stehen oder Mandanten zu empfangen bzw. zu betreuen. Da die Klägerin für diese Aufgaben nicht (mehr) zur Verfügung steht, musste der Beigeladene beispielsweise für den Telefondienst eine neue Arbeitskraft einstellen.

Soweit die Beklagte das Fehlen eines mit dem Einsatz eigenen Kapitals verbundenen Unternehmerrisikos als gewichtiges Indiz gegen eine selbständige Tätigkeit der Klägerin ansieht, ist zu berücksichtigen, dass ein erheblicher Kapitaleinsatz bei Buchhaltungsarbeiten nicht tätigkeitsimmanent ist. Die Klägerin verfügt über ein eigenes Büro, einen Computer bzw. Laptop sowie über Buchführungsprogramme. Insoweit verfügt sie über die Arbeitsmittel, die zur Ausübung von Finanz- und Lohnbuchhaltungsarbeiten auch im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit erforderlich sind. Der Erwerb des DATEV-Programmes ist ihr nicht möglich, da dies den steuer- und wirtschaftsberatenden Berufsgruppen vorbehalten ist. Die Klägerin trägt insoweit ein unternehmerisches Risiko, als ihr der Erfolg des Einsatzes der Arbeitskraft für den Beigeladenen nicht gewiss ist (vgl. BSG vom 25.01.2001 Az: B 12 KR 17/00 KR). Eine Vergütung der von ihr ausgeführten Arbeiten erfolgt durch den Beigeladenen nur dann, wenn diese ordnungsgemäß durchgeführt und abgeschlossen worden sind.

Der Umstand, dass die Klägerin nur für tatsächlich aufgewandte Arbeitsstunden mit ei-nem pauschalen Stundensatz von 30,00 EUR vergütet wird und im Krankheits- und Urlaubsfall keine Vergütung erhält, spricht ebenfalls für eine selbständige Tätigkeit (BSG SozR Nr 4 zu § 2 AVG). Die Überbürdung des Risikos, bei krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfällen kein Honorar zu erhalten, spricht zwar nur dann für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, wenn dem auch eine größere Unabhängigkeit oder höhere Verdienstchancen gegenüberstehen (BSG vom 25.01.2001 Az: B 12 KR 17/00 R). Diese Voraussetzung liegt im Falle der Klägerin jedoch vor, da sie nicht mehr zu bestimmten Arbeitszeiten bzw. zur Ausführung zugewiesener Arbeiten verpflichtet ist und in zunehmenden Maße für andere Auftraggeber tätig wird. Dabei handelt es sich um Betriebe, für die sie die Finanz- und Lohnbuchhaltung durchführt und in Rechnung stellt. Nach den Angaben der Beigeladenen erzielt sie ihre Einkünfte nur noch zu 60 v.H. aus der Tätigkeit für den Beigeladenen und zu 40 v.H. aus Tätigkeiten für andere Auftraggeber.

Schließlich spricht für eine selbständige Tätigkeit der Klägerin, dass sie uneingeschränkt für andere Auftraggeber tätig werden darf (vgl. BSG SozR Nr 4 zu § 2 AVG). Auch wenn vorliegend allein die Rechtsbeziehung der Klägerin zu dem Beigeladenen zu beurteilen ist, kann eine Wertung des einzelnen Rechtsverhältnisses nur im Gesamtzusammenhang mit den anderen Rechtsbeziehungen der Klägerin erfolgen (BSG SozR Nr 18 zu § 539 RVG; LSG Schleswig-Holstein vom 07.09.2005, Az:L 5 KR 47/04). In diesem Zusammenhang ist das Gesamtbild der von der Klägerin ausgeübten beruflichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Nach dem Gesamtbild der von der Klägerin ausgeübten beruflichen Tätigkeit stellt die Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen lediglich ein Auftragsverhältnis neben einer Vielzahl anderer ähnlicher Auftragsverhältnisse dar, wobei auch die anderen Auftragsverhältnisse dadurch gekennzeichnet sind, dass die Klägerin aufgrund eigener Zeiteinteilung, ohne fachliche und inhaltliche Weisung der Auftraggeber und ohne Eingliederung in einen fremden Betrieb Finanz- und Buchführungsarbeiten durchführt.

Insgesamt überwiegen die für eine selbständige Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Umstände deutlich. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass die Klägerin zuvor in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis für den Beigeladenen tätig war und dass es insoweit des Nachweises wesentlicher Änderungen bedarf, um zu einer anderen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung zu gelangen. Zur Überzeugung des Gerichts haben sich die Rahmenbedingungen der Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen in so erheblicher Weise geändert, dass nunmehr eine selbständige Tätigkeit der Klägerin vorliegt. Dabei hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin in deutlich geringerem Umfang für den Beigeladenen tätig ist, dass der Beigeladene in erheblichem Umfang selbst früher von der Klägerin ausgeführte Finanz- und Lohnbuchhaltungsarbeiten übernommen hat, dass es keine für den Beigeladenen einplanbaren Anwesenheitszeiten der Klägerin mehr gibt, mit der daraus folgenden Notwendigkeit, eine weitere Arbeitskraft für den Telefondienst einzustellen und dass eine andere Bezahlung in Gestalt einer stundenweisen Vergütung erfolgt. Damit einhergehend hat die Klägerin in erheblichem Umfang neue Tätigkeiten für andere Auftraggeber aufgenommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da der Beigeladene selbst einen Antrag gestellt und ebenso wie die Klägerin obsiegt hat, entspricht es der Billigkeit, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
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