L 5 R 132/11

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 37 R 2060/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 132/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rentenversicherung - Krankenversicherung - Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers -
Abgrenzung des Umfangs der Leistungspflicht bei Hilfsmittelversorgung (hier: Hörgerät) - Hörgeräteakustiker
als Erfüllungsgehilfe der Krankenkasse - Wirtschaftlichkeitsgebot

1. Die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX erstreckt
sich im Falle des nicht fristgerecht weitergeleiteten Antrages des Versicherten nicht nur auf
Teilhabeleistungen sondern auch auf Leistungen der Krankenbehandlung, sofern solche Leistungen das
Begehren des versicherten Antragstellers decken können. Der im Falle nicht fristgerechter Weiterleitung
endgültig zuständig gewordene Leistungsträger hat den geltend gemachten Anspruch - hier auf das Hilfsmittel
Hörhilfe - anhand aller Rechtsgrundlagen, auch nach zuständigkeitsfremden Leistungsgesetzen, zu prüfen
und zu erbringen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation in Betracht kommen und dem Grunde nach
vorgesehen sind.

2. Der Hörgeräteakustiker ist zwar beauftragter Leistungserbringer der Krankenkasse, jedoch keine zur
Entgegennahme von Sozialleistungsanträgen befugte Stelle (§ 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Die Übergabe der
ohrenärztlichen Verordnung durch den Versicherten an den Hörgeräteakustiker kann daher nicht bereits als
Eingang des Antrages auf Hilfsmittelgewährung gegenüber der Krankenkasse gewertet werden. Erst die
Weiterleitung des Hilfsmittelbegehrens durch den Hörgeräteakustiker namens und im Auftrag des
Versicherten an die Krankenkasse stellt den Eingang des Leistungsantrages bei einem Sozialleistungsträger
dar.

3. Die Kostenerstattung eines selbstbeschafften Hörgeräts ist zwar davon abhängig, ob der Versicherte das
ihm Zumutbare getan hat, um die notwendige Leistung zur Vermeidung unnötiger Kosten zu ermitteln. Testet
der Versicherte bei einem von der Krankenkasse zugelassenen Hörgeräteakustiker jedoch mehrere
Hörgeräte, darunter auch solche zu Vertragsarztpreisen oder Festbeträgen, und liegen keine Anhaltspunkte
dafür vor, dass die Testung und Anpassung unsachgemäß erfolgte oder überteuerte bzw luxuriöse Geräte
angepasst worden sind, dann erfüllt der Versicherte regelmäßig diese Obliegenheit, soweit die Leistungsträger
nicht im Einzelfall Vorschläge unterbreiten, denen der Versicherte konkret nachgehen kann, um eine
preiswertere Hörgeräteversorgung mit gleichadäquaten Ergebnissen zu erreichen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 10. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als Krankenbehandlung, die Kosten für zwei digitale Mehrkanalhörgeräte mit Störschallunterdrückung und Spracherkennung in Höhe von 3.739,30 Euro abzüglich des von der Krankenkasse bereits geleisteten Festbetrages zu Vertragsarztsätzen in Höhe von 1.192,80 Euro und abzüglich des gesetzlichen Zuzahlungsbetrages in Höhe von 20 Euro zu erstatten.

Die Klägerin arbeitet seit Januar 1993 bei der Firma "i GmbH" zuletzt als Assistentin der Geschäftsführung sowie Teamassistentin und ist in dieser Tätigkeit mit der Terminplanung und Terminkoordinierung sowie Reiseorganisation für die Geschäftsführer und Mitarbeiter verantwortlich, nimmt an Beratungen und Besprechungen teil, führt buchhalterische und terminliche Projektabwicklungen durch, verantwortet die Telefonzentrale, führt Gehaltsabrechnungen und die Finanzbuchhaltung durch und hält persönlichen Kunden- und Lieferantenkontakt im Empfangsbereich. Sie erlitt im März 2009 einen Hörsturz mit akustischem Trauma.

Nach erstmaliger ohrenärztlicher Verordnung einer Hörhilfe wegen einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit und dekompensiertem Tinnitus durch Dr. St (Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde) vom 27. April 2009 und Einleitung der Test- und Hörgeräteanpassung im "Hörgerätestudio Am St. J -Stift" in D stellte die Klägerin am 11. Mai 2009 bei der Beklagten einen Antrag auf Zuschuss zu den verordneten Hörhilfen, da sie diese aus beruflichen Gründen für die sachgerechte Ausübung ihrer Tätigkeit als Assistentin der Geschäftsleitung benötige. Dem Antrag fügte sie eine Kopie der ohrenärztlichen Verordnung von Dr. St und das Ton- und Sprachaudiogramm vom 27. April 2009 bei. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Juni 2009 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2009 ab und führte zur Begründung aus: Zwar sei eine Hörhilfe aus medizinischen Gründen notwendig, es handele sich aber um eine Leistung der medizinischen Grundversorgung, weil eine über die Basisversorgung hinausgehende Versorgung mit höherwertigen Hörgeräten nicht wegen besondere Anforderungen während der Berufsausübung notwendig sei. Die Klägerin benötige bei jedweder Ausübung einer beruflichen Tätigkeit die begehrte Hörhilfe. Ihre konkrete Berufstätigkeit lasse keine spezifische, berufsbedingte Notwendigkeit der höherwertigen Hörgeräteversorgung erkennen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 30. November 2009 Klage zum Sozialgericht Dresden.

Nach Abschluss der Test- und Anpassungsphase im "Hörgerätestudio Am St. J -Stift", während der zwei Hörsysteme zu Vertragsarztpreisen sowie mehrere Hörsysteme über Vertragsarztpreisen getestet wurden, erwarb die Klägerin am 18. Januar 2010 auf der Grundlage der ohrenärztlichen Verordnung von Dr. St vom 27. April 2009 zwei digitale Mehrkanalhörgeräte mit Störschallunterdrückung und Spracherkennung der Marke "Siemens Pure 500 SN" zum Preis von insgesamt 3.739,30 Euro. Die Rechnung vom 18. Januar 2010 lies sie bei ihrer Krankenkasse am 18. Januar 2010 einreichen, die der Klägerin eine Leistung in Form der Festbetragsübernahme zu Vertragsarztpreisen in Höhe von 1.192,80 Euro, einschließlich Reparaturpauschale und abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung in Höhe von 20 Euro, gewährte. Den verbleibenden Restbetrag zahlte die Klägerin selbst. Am 3. Februar 2010 stellte die Klägerin bei der Krankenkasse einen Antrag auf vollständige Kostenübernahme, den diese mit Bescheid vom 9. Juli 2010 mit der Begründung ablehnte, die vom Hörgeräteakustiker angebotenen eigenanteilsfreien Hörgeräte seien nicht geeignet, den Hörverlust angemessen auszugleichen.

Das Sozialgericht Dresden hat im Rahmen des Klageverfahrens einen Befundbericht von Dr. St vom 4. August 2010 eingeholt, Auskünfte des "Hörgerätestudios Am St. J -Stift" vom 30. August 2010 beigezogen und die zuständige Krankenkasse der Klägerin mit Beschluss vom 28. Juli 2010 beigeladen. Gestützt auf die Auskünfte und Unterlagen des Hörgerätestudios hat das Sozialgericht Dresden mit Urteil vom 10. Januar 2011 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2009 verpflichtet, der Klägerin eine Kostenerstattung für die von ihr am 18. Januar 2010 erworbenen Hörgeräte vom Typ "Siemens Pure 500" in Höhe von 2.419,00 Euro zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Ein Erstattungsanspruch bestehe gegenüber der Beklagten zwar nicht nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, aber nach dem Recht der Krankenversicherung, weil die Beklagte erstangegangener Leistungsträger sei. Ein Anspruch nach rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften bestehe nicht, da die berufliche Tätigkeit der Klägerin keine besonderen, überdurchschnittlichen Anforderungen an das Hörvermögen stelle. Hingegen bestehe der Anspruch nach krankenversicherungsrechtlichen Regelungen, weil die Versorgung mit höherwertigen Hörhilfen vorliegend erforderlich sei um den Hörverlust auszugleichen. Eine gleichwertige Versorgung mit einem von der Klägerin getesteten Hörgerät, welches zum Festbetrag erhältlich gewesen wäre, sei nicht möglich gewesen. Mit den erworbenen Hörgeräten habe die Klägerin eine Verbesserung der Verständlichkeit von 95 % im Freifeld ohne Geräusche und von 30 % bzw. 20 % mit Geräusch erzielt. Die Regelungen über Festbeträge für Hilfsmittel würden den Anspruch der Klägerin nicht begrenzen, da die konkrete Behinderung mit dem Festbetrag nicht mit verfügbaren Hörgeräten in dem Maße ausgeglichen werden könne, wie dies von ihrem Anspruch auf Hilfsmittelversorgung bestimmt sei. Die Versorgung mit Hörgeräten diene dem unmittelbaren Behinderungsausgleich. Die Beklagte sei erstangegangener Leistungsträger im Sinne von § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), habe den Antrag nicht rechtzeitig weitergeleitet und sei daher zuständig geworden. In der Höhe sei die Klage in dem beantragten und tenorierten Umfang von 2.419,00 Euro begründet. Die beiden Hörgeräte seien mit einem Betrag von jeweils 1.600 Euro berechnet worden. Hiervon seien von der Krankenkasse die getragenen Festbeträge von 420 Euro und 336 Euro abzuziehen sowie der für das zweite Hörgerät gewährte Rabatt von 84 Euro. Erstattungsfähig sei darüber hinaus das von der Klägerin erworbene elektronische Trockensystem in Höhe von 59 Euro, sodass sich insgesamt ein Erstattungsbetrag von 2.419 Euro ergäbe.

Gegen das ihr am 7. Februar 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. März 2011 Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie aus: Sie sei weder formell noch zur Weiterleitung des Antrages verpflichtet gewesen, weil die Hörhilfen nicht auch Rehabilitationsleistungen, sondern als Leistungen der Krankenbehandlung zu erbringen seien. Im Übrigen seien Bedenken zu äußern, ob eine ausreichende Versorgung nicht auch zu Festbeträgen möglich gewesen wäre. Diese Beurteilung könne der Rentenversicherungsträger aber nicht treffen, diesbezüglich sei die Krankenversicherung die kompetente Ansprechpartnerin.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 10. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie führt aus: Die Beklagte komme sehr wohl als Sozialleistungsträger für Hörgeräte in Frage. Unstreitig seien von dort Kosten für Hörgeräte aus beruflichen Gründen in anderen Fällen übernommen worden. Auch die Klägerin argumentiere hiermit. Die Anwendbarkeit des § 14 SGB IX sei deshalb gegeben. Gegen die Auffassung des Sozialgerichts, eine ausreichende Versorgung sei zu Festbeträgen nicht möglich gewesen, bestünden erhebliche Bedenken.

Das Gericht hat die bei der Beigeladenen vorhandenen Unterlagen beigezogen.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden der Klage im Ergebnis und mit zutreffender Begründung stattgegeben hat. Der Ablehnungs- bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte den vom Sozialgericht Dresden ausgeurteilten Kostenanspruch der Klägerin bedient.

Zur Begründung und zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen kann auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil des Sozialgerichts Dresden verwiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden (§ 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Zur Ergänzung ist lediglich Folgendes auszuführen:

1. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich, nach dem sie sich die begehrten Hörgeräte selbst beschafft hat, aus § 15 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), weil die Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger zuständig geworden (und geblieben) ist und die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Vorschrift ist entweder unmittelbar anwendbar, weil sie trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Teilhabeleistungen normiert (so deutlich: BSG, 5. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 12). Oder sie ist über § 13 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) entsprechend heranzuziehen, weil zwar § 15 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf sie nicht verweist, aber § 13 Abs. 3 SGB V einen allgemeinen Gedanken für sämtliche selbstbeschafften Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für jeden in Betracht kommenden Rehabilitationsträger enthält (so angedeutet: BSG, 13. Senat, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R -JURIS-Dokument, Rn. 21 und 22 unter Bezugnahme auf BSG, 1. Senat, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 36/06 R - JURIS-Dokument, Rn. 18). Die Frage kann dahinstehen, weil das Ergebnis des Rechtsstreits von ihrer Beantwortung nicht abhängt.

Von den in § 15 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 SGB IX geregelten drei unterschiedlichen Tatbeständen, die zur Kostenerstattungspflicht führen können, kommt vorliegend nur die in § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX geregelte in Betracht. Danach besteht eine Erstattungspflicht, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Rehabilitationsträger im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist ausweislich des systematischen Zusammenhangs der Bestimmung mit § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB IX der zuständige Rehabilitationsträger. Nach Satz 3 ist der "zuständige" Rehabilitationsträger unter bestimmten Voraussetzungen zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn sich Leistungsberechtigte eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Erstattungspflicht des "zuständigen" Rehabilitationsträgers erstreckt Satz 4 auf die darin geregelten Tatbestände, indem er bestimmt, dass die Erstattungspflicht "auch" in diesen Fällen besteht. Zuständiger Rehabilitationsträger im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX verantwortliche Rehabilitationsträger (so deutlich: BSG, 5. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 14). § 14 SGB IX sieht im Grundsatz lediglich zwei Zuständigkeiten vor, die des erstangegangenen oder des im Wege der Weiterleitung zweitangegangenen Rehabilitationsträgers. Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX unverzüglich dem seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Im Falle der Nichtweiterleitung des Antrags ist danach der erstangegangene Rehabilitationsträger zuständig. Wird der Antrag demgegenüber weitergeleitet, gelten gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend. In diesem Fall hat dieser den Rehabilitationsbedarf festzustellen und ist gegenüber dem behinderten Menschen zuständig. Ein Weiterleitungsrecht besteht für ihn nicht, selbst wenn er nach den Leistungsgesetzen "eigentlich" nicht zuständig ist. Die Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX gegenüber dem behinderten Menschen ist eine ausschließliche Zuständigkeit. § 14 SGB IX zielt darauf ab, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern die Zuständigkeit schnell und dauerhaft zu klären. Die Vorschrift trägt dem Bedürfnis Rechnung, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken. Diesem Gesetzeszweck liefe es zuwider, für das Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten neben der Zuständigkeit eines Trägers nach § 14 SGB IX eine Zuständigkeit des nach den Leistungsgesetzen "eigentlich" verpflichteten Trägers für möglich zu halten (so deutlich: BSG, 5. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 15; offengelassen noch von: BSG, 13. Senat, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 36 unter Bezugnahme auf BSG, 4. Senat, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 4 R 19/06 R - JURIS-Dokument, Rn. 32), wie die Beklagte im Verfahren mehrfach angedeutet hat, indem sie von einer formellen und einer inhaltlichen Zuständigkeit ausgeht.

Da die Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers im Außenverhältnis diejenige aller anderen Träger ausschließt, kann im Gerichtsverfahren über diese Frage im Verhältnis zu den vom behinderten Menschen angegangenen Rehabilitationsträgern nur einheitlich entschieden werden. Wird die Zuständigkeit eines Trägers im Sinne von § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX festgestellt, so hat das zwingend zur Folge, dass im Verhältnis zwischen diesem und dem Leistungsberechtigten der Anspruch an Hand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen ist, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind (so ganz deutlich und einheitlich: BSG, 5. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R -JURIS-Dokument, Rn. 16; BSG, 13. Senat, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 30; BSG, 1. Senat, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - JURIS-Dokument, Rn. 24 ff.). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG unabhängig davon, ob die Beklagte als Träger der Rentenversicherung "eigentlich" (nur oder auch) zur Leistungserbringung zuständig war. Ist der erstangegangene Träger für eine Leistung der beantragten Art gar nicht zuständig, hat er die Leistung dem Antragsteller gegenüber nach den Vorschriften des "eigentlich" zuständigen Leistungsträgers zu erbringen und gegebenenfalls einen Erstattungsanspruch gegenüber dem "eigentlich" zuständigen Träger geltend zu machen (BSG, 5. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 16; BSG, 13. Senat, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 30; BSG, 1. Senat, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - JURIS-Dokument, Rn. 24 ff). Aus diesem Grund ist die von der Beklagten im Verfahren mehrfach geäußerte Auffassung, die Frage des erst- oder zweitangegangenen Trägers sei nachrangig gegenüber der inhaltlichen Fragestellung zur Abgrenzung des Umfangs der Leistungspflicht zwischen der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, unzutreffend. Ebenso unzutreffend ist die Ansicht der Beklagten, dass sich eine durch § 14 SGB IX begründete Zuständigkeit lediglich auf Teilhabeleistungen erstrecken und sie deshalb nicht verpflichtet werden könne, als zuständig gewordener Leistungsträger gänzlich zuständigkeitsfremde Leistungen, wie Leistungen für Hörhilfen als Krankenbehandlung (Hilfsmittel) nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zu erbringen (so wohl auch: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2011 - L 8 R 176/10 - JURIS-Dokument, Rn. 26). Denn diese Sichtweise entspricht nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die klargestellt hat, dass die durch § 14 SGB IX begründete Zuständigkeit des erstangegangenen Leistungsträgers die Erbringung von Leistungen an Hand aller in der konkreten Bedarfssituation in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen, auch nach "zuständigkeitsfremden Leistungsgesetzen" umfasst. Dies gilt auch dann, wenn die Versorgung mit Hörhilfen nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist. Denn § 14 SGB IX gilt seiner Intention nach auch in solchen Fällen, in denen eine Leistung, hier das Hilfsmittel Hörhilfe, beantragt wird, die nach dem Recht des zuerst angegangenen Leistungsträgers eine solche der medizinischen Rehabilitation, nach dem der ("eigentlich" mit- oder allein-)zuständigen Krankenkasse jedoch keine Leistung zur Teilhabe im Sinne der §§ 4, 5 SGB IX ist (so ganz deutlich: BSG, 13. Senat, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 38; im Ergebnis ebenso: BSG, 5. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 16 und 22: "der Anspruch ist an Hand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation vorgesehen sind").

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Beklagte der erstangegangene Rehabilitationsträger im Sinne von § 14 SGB IX ist. Die Klägerin beantragte bei ihr am 18. Mai 2009 Leistungen in Form der Hörgeräteversorgung, während sie sich über ihren Hörgeräteakustiker erst mit der Rechnung vom 18. Januar 2010 bezüglich der Gewährung des Festbetrages und mit separatem weiteren Antrag vom 1. Februar 2010 bezüglich der Übernahme der vollen Kosten hinsichtlich der höherwertigen Hörgeräte an die beigeladene Krankenkasse gewandt hatte. Soweit die Beklagte – zumindest indirekt – meint, erstangegangener Leistungsträger sei die Beigeladene, weil die Klägerin bereits im Mai 2009 die ohrenärztliche Verordnung vom 27. April 2009 dem Hörgeräteakustiker überreicht habe und dieser daraufhin die Anpassung eingeleitet habe und als beauftragter Leistungserbringer für die Krankenkasse deren Erfüllungsgehilfe sei, weshalb die Übergabe der ohrenärztlichen Verordnung als Antragstellung bei der Beigeladenen zu erachten sei, stellt diese Sichtweise eine Verkennung der rechtlichen Regelungen dar. Der Hörgeräteakustiker ist als von der Beigeladenen eingeschalteter oder im Vorfeld beauftragter Leistungserbringer keine zur Entgegennahme von Sozialleistungsanträgen befugte Stelle; nach § 16 Abs. 1 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) sind lediglich alle anderen Leistungsträger, alle Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch die amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland zur Entgegennahme von Sozialleistungsanträgen befugte Stellen. Der Hörgeräteakustiker kann lediglich als Erklärungsbote oder Erklärungsvertreter des Versicherten hinsichtlich der Weiterleitung des Antrages, nicht jedoch als Empfangsbote oder Empfangsvertreter der Krankenkasse angesehen werden. Auch wenn in der Übergabe der ohrenärztlichen Verordnung an den Hörgeräteakustiker ein Sozialleistungsantrag zu erblicken ist, entfaltet dieser erst mit der Weiterleitung und dem Eingang bei der Krankenkasse als dem zuständigen Leistungsträger (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SGB I) oder bei den in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I genannten Stellen Rechtswirkungen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem, von der Beklagten angesprochenen, "Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR (BIHA) und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V (VdAK/AEV)". Nach § 4 Nr. 1 Satz 2 und 3 sowie Anlage 2 dieses Vertrages wird erst mit der Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers gegenüber der Krankenkasse mitgeteilt, dass ein bestimmter Versicherter eine Hörgeräteversorgung begehrt und um "Zustimmung" der Versorgung bittet. Erst mit dem Eingang dieser Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse liegt ein Antrag beim zuständigen Leistungsträger vor, über den allein die Krankenkasse entscheidet, ohne die erbetene "Zustimmung" zur Hörgeräteversorgung an den Hörgeräteakustiker in irgendeiner Form im Vorfeld delegiert zu haben (vgl. dazu zutreffend: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 25. November 2010 - L 31 R 37/10 - JURIS-Dokument, Rn. 30).

Fest steht ebenfalls, dass die Beklagte den Antrag der Klägerin nicht wegen Unzuständigkeit innerhalb von zwei Wochen zur Entscheidung an die Beigeladene abgegeben, sondern mit Bescheid vom 8. Juni 2009 abschlägig beschieden, und bereits in diesem Bescheid auf Leistungen der medizinischen Grundversorgung verwiesen, hat. Die Beklagte ist danach der gegenüber der Klägerin umfassend zuständig gewordene Rehabilitationsträger. Sie hat sowohl die nach dem SGB VI als auch u.a. nach dem SGB V vorgesehenen Rehabilitationsleistungen und Leistungen der Krankenbehandlung, die das konkrete Begehren decken können, zu erbringen, weil sich die in § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit – wie ausgeführt – im Verhältnis zur Klägerin auf alle Rechtsgrundlagen erstreckt. Die Krankenkasse der Klägerin war hier jedoch als möglicherweise endgültig zuständiger Leistungsträger notwendig beizuladen (vgl. dazu: BSG, 5. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 16), was das Sozialgericht mit Beschluss vom 28. Juli 2010 zutreffend veranlasst hat.

Die Klägerin hat sich darüber hinaus die streitgegenständlichen zwei digitalen Mehrkanalhörgeräte mit Störschallunterdrückung und Spracherkennung der Marke "Siemens PURE 500" auch erst nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten (Ablehnungsbescheid vom 8. Juni 2009, Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2009), nämlich ausweislich der Rechnung des Hörgeräte-Studios am St. J -Stift am 18. Januar 2010, selbst und auf eigene Kosten beschafft, so dass dies einem Anspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX – ebenso wie einem solchen nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V – nicht entgegen steht (vgl. hierzu: BSG, 13. Senat, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 23; BSG, 3. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - JURIS-Dokument, Rn. 10-12). Die Ablehnung war auch ursächlich für die Selbstbeschaffung. Anhaltspunkte für eine Vorfestlegung der Klägerin auf die streitgegenständlichen Hörgeräte liegen nicht vor.

2. Zutreffend hat im Übrigen das Sozialgericht Dresden ausgeführt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Versorgung mit höherwertigen Hörgeräten zustand, den die Beklagte zu Unrecht im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX abgelehnt hat. Zwar waren die digitalen Hörgeräte nicht aus spezifisch beruflich bedingten Gründen erforderlich, da keine besondere berufliche Betroffenheit bei der Klägerin gegeben ist, allerdings stehen ihr die Hörgeräte nach Krankenversicherungsrecht zu.

Die von der Beklagten im Verfahren mehrfach in den Vordergrund gestellte Frage hinsichtlich der Abgrenzung des Umfangs der Leistungspflicht zwischen der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung beantwortet sich dabei nach der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG wie folgt: Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Insoweit hat der in § 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 SGB V genannte Zweck (ebenso auch: § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) für die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen. Im Vordergrund steht der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSG, 3. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - JURIS-Dokument, Rn. 15). Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben für die Beurteilung eines sich aus § 33 SGB V ergebenden Leistungsanspruchs gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse nicht an (BSG, 3. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - JURIS-Dokument, Rn. 16-17; im Grundsatz ebenso wohl auch: BSG, 5. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 22-24). Spezifische (objektivierbare) Nutzungsvorteile im Erwerbsleben können allerdings, vorbehaltlich einer durch § 14 Abs. 2 SGB IX bewirkten Zuständigkeitsverlagerung, den Rentenversicherungsträger dazu verpflichten, im Rahmen der medizinischen Rehabilitation (und gegebenenfalls im Ermessenswege) berufsbedingte Mehrkosten für ein einheitliches Hilfsmittel zu übernehmen (BSG, 13. Senat, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 41-45). Die Versorgung mit Hörgeräten dient grundsätzlich dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, weil dadurch das allgemeine Grundbedürfnis des täglichen Lebens in Form des Hörens befriedigt wird.

Nach § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX in Verbindung mit § 16 SGB VI gehört zu den Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherungsträger auch die Übernahme von Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können. Auch medizinische Hilfsmittel können dabei als Teilhabeleistungen erbracht werden. Die Abgrenzung zwischen dem Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits hat – wie erwähnt – danach zu erfolgen, ob das Hilfsmittel dem medizinischen Ausgleich der Behinderung dient oder ob es ausschließlich für Verrichtungen bei bestimmten Berufen oder Berufsausbildungen benötigt wird.

Im Falle der Klägerin steht auf Grund der bereits im sozialgerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen fest, dass die digitalen Hörgeräte nicht ausschließlich zum Ausgleich einer Behinderung für eine bestimmte Berufsausübung erforderlich sind, sondern generell für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit und auch für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben notwendig sind. Eine Notwendigkeit, die streitgegenständlichen Hörhilfen sich ausschließlich aus beruflichen Gründen anzuschaffen, bestand nicht. Die Klägerin ist als Assistentin der Geschäftsführung beschäftigt. Im Rahmen ihrer Tätigkeit plant und koordiniert sie Termine für die Geschäftsführung, nimmt an Beratungen und Besprechungen teil, trägt Verantwortung für die Telefonzentrale und führt telefonische und persönliche Gespräche mit Kunden, Lieferanten und anderen Dienstleistern. Die von ihr dabei zu leistende Kommunikation, sei es über persönliche Gespräche oder Telefonate, ist nicht auf ihren konkreten Arbeitsplatz beschränkt, vielmehr findet sie in gleicher oder ähnlicher Form auch im Privatleben oder in den meisten anderen beruflichen Tätigkeiten statt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ausschließlich in ihrer konkreten beruflichen Tätigkeit auf eine besondere bzw. spezielle Hörfähigkeit – wie etwa bei akustischen Kontroll- oder Überwachungsarbeiten oder beim feinsinnigen Unterscheiden zwischen bestimmten Tönen und Klängen – angewiesen wäre. Telefonate, Mehrpersonengespräche und Verständigungen unter Störgeräuschen gehören nahezu zu jeder beruflichen Tätigkeit. Störschall tritt auch in vielen Bereichen des täglichen Lebens, sei es im Straßenverkehr, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Einkaufs- und kulturellen Einrichtungen auf.

Auf Grund der bereits im sozialgerichtlichen Verfahren beigezogenen Auskünfte des Hörgeräteakustikers steht fest, dass die Klägerin unter einem stark von der Frequenz abhängigen Hörverlust leidet und zum Ausgleich dieser Hörverluste digitaler Hörgeräte bedarf. Hörsysteme zum Festbetrag konnten der Klägerin zwar auch in digitaler Form angeboten werden. Die getesteten zwei Geräte zum Festbetrag verfügten allerdings nicht über ausreichende Frequenzkanäle, um den stark frequenzabhängigen Hörverlust optimal auszugleichen. Insbesondere die Hervorhebung vom Sprachsignal im Vergleich zum Umgebungslärm (Autogeräusche) konnten durch die Festbetragsgeräte nicht ausreichend gewährleistet werden. Zum Ausgleich des Hörverlustes der Klägerin bedarf es einer Mehrkanaltechnik, einer Spracherkennung, einer guten Störgeräuschunterdrückung, einer Mehrfach-Mikrofontechnik und mehrerer Hörprogramme sowie einer optimalen Rückkopplungsunterdrückung für die offene Anpassung. Durch die streitgegenständlichen Geräte der Marke "Siemens Pure 500 SN" konnte ein Hörgewinn beidseits von 25 % erreicht werden, während dessen die getesteten und angepassten Festbetragsgeräte vom Typ "Y 111HDO SN" und "Swift 70 SN" lediglich einen beidseitigen Hörgewinn von 10 % erbrachten. Die getesteten Geräte zum Festbetrag ermöglichten keine ausreichende Verständigung im Störschall. Diese Angaben des Hörgeräteakustikers wurden durch den behandelnden Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. St bestätigt. Dieser teilte im Befundbericht vom 4. August 2010 mit, dass der prozentuale Hörverlust der Klägerin nach dem Tonaudiogramm rechts 19 % und links 21 % beträgt. Zum Ausgleich der bei ihr gemessenen Hörschwelle sind Hörgeräte erforderlich, die die höheren Frequenzbereiche verbessern. Das Tonaudiogramm vom 21. April 2009 erbrachte dabei eine ausgeprägte beidseitige Hochtonsenke. Dr. St bescheinigte im Übrigen am 25. Januar 2010 auf der Rückseite der ohrenärztlichen Verordnung, dass er sich davon überzeugt hat, dass durch die vorgeschlagenen Hörhilfen der Marke "Siemens Pure 500 SN" eine ausreichende Hörverbesserung erzielt wurde und die vorgeschlagenen Geräte die zweckmäßigsten sind. Im Befundbericht vom 4. August 2010 führte er zudem aus, dass die Hörgeräte nicht nur für den Beruf der Klägerin notwendig sind, sondern ihr auch bei der Bewältigung des Alltages eine wesentliche Erleichterung verschaffen.

Insgesamt steht damit fest, dass die Hörgeräteversorgung wegen des Ausmaßes der Hörstörung der Klägerin vor dem Hintergrund erfolgt ist, einen unmittelbaren Behinderungsausgleich zu erreichen, weil erst die höherwertigen digitalen Mehrkanalhörgeräte mit Störschallunterdrückung und Spracherkennung eine umgangssprachliche Verständigung im Störschall ermöglichen. Störschall tritt aber nicht ausschließlich bei der spezifischen Erwerbstätigkeit der Klägerin auf, sondern sowohl im Privatleben, als auch bei anderen beruflichen Tätigkeiten, die mit Kundenverkehr, Telefon-, Hintergrund- und Nebengeräuschen verbunden sind. Wenn sich, wie hier, durch die Grundversorgung automatisch auch Verbesserungen für die Kommunikation im Erwerbsleben ergeben, ist dies für den Teilhabeanspruch aus § 16 SGB VI nicht von rechtlich relevantem Belang (BSG, 3. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - JURIS-Dokument, Rn. 17). Aus diesem Grund ist der, sowohl vom Hörgeräteakustiker als auch von der Klägerin mehrfach in den Vordergrund gestellte Umstand, dass sie ihre Aufgaben als Assistentin der Geschäftsführung nur mit den höherwertigen digitalen Mehrkanalhörgeräten mit Störschallunterdrückung und Spracherkennung bewältigen kann, nicht ausschlaggebend. Es handelt sich hierbei lediglich um einen nützlichen Nebeneffekt bezüglich eines Teilbereichs der konkret von der Klägerin zu bewältigenden Arbeitsaufgaben, nicht aber um ein den Hilfsmittelbedarf erst ausschließlich begründendes spezifisch durch die konkrete Berufsausübung oder den konkreten Beruf hervorgerufenes Erfordernis.

Im Krankenversicherungsrecht hat der Versicherte nach §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit einer Hörhilfe, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen. Ist eine bestimmte Hörhilfe notwendig im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung, so hat der Versicherungsträger die Hörhilfe – von Zuzahlungen abgesehen – in vollem Umfang zu gewähren. Dieser Grundsatz gilt aber nur, wenn eine gegenüber den Festbetragsgeräten höherwertige Hörmittelversorgung medizinisch notwendig ist. Denn grundsätzlich erfüllt die Krankenkasse mit der Zahlung des Festbetrags ihre Leistungspflicht (vgl. § 12 Abs. 2 SGB V). Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag, der eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots darstellt, begrenzt die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung also dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (dazu ausführlich: BSG, 3. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - JURIS-Dokument, Rn. 23-41 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass ein solcher Behinderungsausgleich nicht durch Hörgeräte zum festgelegten Festbetrag bei der Klägerin zu erreichen war.

Wie bereits hervorgehoben hat der Hörgerätakustiker in der eingeholten Auskunft am 30. August 2010 nachvollziehbar mitgeteilt, dass die Klägerin unter einem stark von der Frequenz abhängigen Hörverlust leidet und Hörsysteme zum Festbetrag, auch wenn es sich um digitale Geräte handelt, nicht über ausreichend Frequenzkanäle verfügen, um den stark Frequenz abhängigen Hörverlust optimal auszugleichen, da insbesondere die Hervorhebung vom Sprachsignal im Vergleich zum Umgebungslärm nicht optimal erfolgt. Deshalb bedarf die für die Klägerin erforderliche Hörtechnik mehrerer Kanäle, einer Spracherkennung, einer guten Störgeräuschunterdrückung, einer Mehrmikrofontechnik, mehrerer Hörprogramme und einer optimalen Rückkopplungsunterdrückung für die offene Anpassung. Die getesteten Festbetragsgeräte konnten diese Ergebnisse nicht liefern. Soweit die Beigeladene und im Anschluss daran die Beklagte im Berufungsverfahren vorgetragen haben, es bestünden erhebliche Bedenken, ob eine ausreichende Versorgung nicht auch zu Festbeträgen möglich gewesen wäre, brauchte das Gericht diesen Hinweisen nicht nachzugehen, da es sich um unsubstantiierte Einwände handelt, die durch nichts belegt sind. Medizinische Unterlagen oder andere Erkenntnisse haben weder die Beigeladene noch die Beklagte vorgelegt. Insbesondere hat die Beigeladene weder im Vorfeld noch während des gerichtlichen Verfahrens konkrete Hinweise darauf geben können, welche Festbetragsgeräte der Klägerin einen optimalen Hörverlustausgleich gewährleisten könnten. Ebenso nebulös verhalten sich die Hinweise der Beigeladenen im Mehrkostenübernahmeablehnungsbescheid vom 9. Juli 2010 in dem lediglich ausgeführt wird, dass die Beigeladene der Meinung sei, dass die der Klägerin angebotenen eigenanteilsfreien Hörgeräte nicht geeignet seien den Hörverlust angemessen auszugleichen, ohne Handlungsalternativen oder andere Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

3. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass zwar nicht feststeht, ob im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung wesentlich preiswertere Geräte auf dem Markt zur Verfügung standen, die einen vergleichbaren Behinderungsausgleich ermöglicht hätten. Jedoch kann die volle Kostenerstattung nur davon abhängig gemacht werden, ob der Versicherte das ihm Zumutbare getan hat, um die notwendige Leistung zur Vermeidung unnötiger Kosten zu ermitteln. Denn: Begrenzt ist der aus §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V folgende Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit digitalen Mehrkanalhörgeräten mit Störschallunterdrückung und Spracherkennung durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Leistungsträger nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist; Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine kostenaufwendige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten nach ärztlicher Einschätzung in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile. Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen. Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl. auch dazu wiederum lediglich ausführlich: BSG, 3. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - JURIS-Dokument, Rn. 21 und 41 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; ebenso: BSG, 13. Senat, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 49).

Im Fall der Klägerin ist unter Berücksichtigung dieser Maßgaben festzustellen, dass sie bei einem von der Beigeladenen als Krankenkasse zugelassenen Hörgeräteakustiker mehrere Hörgeräte, darunter zwei Hörgeräte zum Festbetrag, getestet und anpassen lassen hat. Für die Klägerin lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Anpassung unsachgemäß erfolgte oder gar überteuerte bzw. luxuriöse Geräte angepasst worden sind. Vielmehr handelte es sich bei den ausgewählten Geräten um solche im mittleren Preissegment. Wie bereits hervorgehoben, war mit den zwei getesteten Hörsystemen zu Vertragsarztpreisen keine Verbesserung des Sprachverständnisses im stark Frequenz abhängigen Bereich zu erzielen. Ein unmittelbarer Behinderungsausgleich war mit den Festbetragsgeräten im Sinne eines wie vom Bundessozialgericht geforderten vollständigen Gleichziehens mit einem gesunden Menschen nicht zu erreichen. Hörbehinderten Menschen ist im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen sind dazu die nach dem Stand der Hörgerätetechnik (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen (BSG, 3. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R – JURIS-Dokument, Rdnr. 20). Die Klägerin musste deshalb insgesamt keine weiteren Anstrengungen unternehmen, um herauszufinden, ob noch günstigere gleichwertigere Hörhilfen auf dem gesamten Markt der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung standen. In diesem Zusammenhang ist gleichfalls zu beachten, dass weder die Beklagte noch die Beigeladene der Klägerin im Sinne der Wirtschaftlichkeit im Ansatz Vorschläge unterbreitet haben, denen die Klägerin hätte nachgehen können, um eine preiswertere Hörgeräteversorgung mit gleichadäquaten Ergebnissen erreichen zu können.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Jacobi Lübke Dr. Schnell
Rechtskraft
Aus
Saved