S 10 KA 913/09

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 10 KA 913/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 57/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei implausiblen Abrechnungen aufgrund von Zeitprofilen kann die Implausibilität nicht einer Einzelleistung oder einzelnen Leistungen oder Leistungsbereichen zugeordnet werden. Die Implausibilität folgt vielmehr aus dem Gesamtumfang der abgerechneten Leistungen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfgremien dürfen deshalb von der Richtigkeit der Honoraranforderung ohne Bereinigung der statistischen Grundlagen ausgehen.
2. Soweit sich eine sachlich-rechnerische Berichtigung wegen Implausibilität und eine Honorarkürzung wegen Unwirtschaftlichkeit überlappen, ist im jeweils nachfolgenden Bescheid bei der Festsetzung des konkreten Kürzungsbetrages im Rahmen der Ermessensausübung die vorangehende Kürzung zu berücksichtigen.
3. Eine KV, die zur Umsetzung des Prüfbescheides offensichtlich die Honorarverteilung nochmals unter Abzug der wegen Unwirtschaftlichkeit gekürzten Leistungsmenge vornimmt, setzt sich in Widerspruch zu § 106 SGB V in der vom BSG vorgenommenen Rechtsauslegung (vgl. BSG, Urt. v. 15.05.2002 - B 6 KA 30/00 R - SozR 3-2500 § 87 Nr. 32 = MedR 2003, 54 = USK 2002-120, juris Rdnr. 15 ff.; BSG, Urt. v. 05.11.2003 - B 6 KA 55/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 4 = Breith 2004, 612 = USK 2003-155, juris Rdnr. 18; BSG, Urt. v. 23.02.2005 - B 6 KA 79/03 R - USK 2005-108, juris Rdnr. 26). Diese Vorgehensweise wird, da sie Vertragsärzte nur begünstigen kann, nicht im Klagewege angegangen mit der Folge, dass sie nur durch Maßnahmen der Aufsichtsbehörde beanstandet werden kann.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich der Leistungsgruppe 8 (Sonderleistungen) in den elf Quartalen III/03 bis I/06 in Höhe von insgesamt 126.137,00 EUR unquotiert bzw. 24.519,53 EUR nach Quotierung.

Der Kläger ist als Frauenarzt zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt seit 1986 zugelassen.

In den streitbefangenen Quartalen entwickelten sich die Fallkosten des Klägers (Kl.) im Vergleich zu seiner Fachgruppe der Frauenärzte (VG), gewichtet nach Rentneranteilen, wie folgt:

III/03 IV/03 I/04 II/04
Anzahl Praxen/Ärzte 606/719 608/723 609/722 608/719
Fallzahl Kl./VG 727/1.329 633/1.737 605/1.191 606/1.132
Rentneranteil in % Kl./VG 11/17 14/18 13/16 13/17
Fallkosten gesamt in EUR Kl./VG 47,78/31,24 55,79/32,98 56,52/32,95 56,52/32,95
Überschreitung in % 53 69 72 72

Fallkosten LG 8 Kl./VG in EUR 26,90/13,00 34,20/14,14 35,26/14,30 35,40/14,02
Überschreitung in EUR 13,90 20,06 20,96 21,38
Überschreitung in % 107 142 147 152

III/04 IV/04 I/05 II/05
Anzahl Praxen/Ärzte 606/720 605/718 599/713 590/698
Fallzahl Kl./VG 513/1.127 575/1.147 601/1.119 638/1.160
Rentneranteil in % Kl./VG 11/17 16/18 14/17 17/18
Fallkosten gesamt in EUR Kl./VG 57,73/33,48 59,36/34,30 56,12/33,28 82,14/38,29
Überschreitung in % 72 73 69 115

Fallkosten LG 8 Kl./VG in EUR 35,75/14,06 36,75/14,42 35,40/14,33 53,27/10,80
Überschreitung in EUR 21,69 22,33 21,07 42,47
Überschreitung in % 154 155 147 393

III/05 IV/05 I/06
Anzahl Praxen/Ärzte 584/695
Fallzahl Kl./VG 542/1.118 582/1.144 625/1.157
Rentneranteil in % Kl./VG 11/17
Fallkosten gesamt in EUR Kl./VG 80,20/38,75 82,38/39,73 79,36/39,75
Überschreitung in % 107 107 100

Fallkosten LG 8 Kl./VG in EUR 51,81/10,58 53,94/10,82 54,50/11,00
Überschreitung in EUR 41,23
Überschreitung in % 390 398 396

Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Hessen leitete mit Schreiben vom 27.04.2005 für die Quartale III und IV/03, vom 26.10.2005 für die Quartale I bis IV/04 und vom 20.01.2006 für das Quartal I/05 ein Prüfverfahren unter Hinweis auf die Überschreitungswerte bei den Sonderleistungen (Leistungsgruppe 8) ein.

Der Kläger wies unter Datum vom 20.05.2005 darauf hin, dass 90 % seiner Patienten Ausländerinnen seien. Diese litten öfters an psychosomatischen Erkrankungen. Die Einweisungen für stationäre Behandlungen und die Überweisungen seien beispiellos niedrig. Auch die Laborüberweisungen seien unvergleichbar niedrig. Gegenüber der Fachgruppe spare er bei der Medikamentenverordnung mind. 10 % ein.

Der Prüfungsausschuss setzte mit Beschluss aufgrund der Sitzung am 26.04.2006, was er mit Bescheid vom 15.09.2006 bekannt gab, eine Verminderung der Honoraranforderung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in der Leistungsgruppe 8 (Sonderleistungen) vor Quotierung für alle Quartale (III/03 bis I/05) fest, und zwar für das Quartal III/03 in Höhe von 9,00 EUR pro Fall bei 727 Gesamtfällen, für das Quartal IV/03 von 12,00 EUR bei 633 Gesamtfällen, für das Quartal I/04 von 12,00 EUR bei 605 Gesamtfällen, für das Quartal II/04 von 13,00 EUR bei 608 Gesamtfällen, für das Quartal III/04 von 13,00 EUR bei 513 Gesamtfällen, für das Quartal IV/04 von 14,00 EUR bei 575 Gesamtfällen und für das Quartal I/05 von 13,00 EUR bei 601 Gesamtfällen. Zur Begründung führte er aus, er habe für die Quartale III und IV/03 jeweils eine repräsentative Einzelfallprüfung durch einen sachverständigen Arzt veranlasst. Es seien 20% der Behandlungsscheine in fortlaufender Reihenfolge, aufgeteilt nach Mitgliedern, Familienversicherten und Rentnern durchgesehen worden. Der Referent habe festgestellt, dass Diagnosen wie "phobische Störung, Angststörung, sexuelle Beziehungsstörung, Persönlichkeits-/Verhaltensstörungen, affektive Störungen" nicht den Ansatz der Ziffern 850 und 851 rechtfertigten, da es sich um psychosomatische Leistungen handele. Solche und ähnliche Krankheitsbilder könnten nur von ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten behandelt werden. Auffällig sei ferner der Ansatz der Beratung zur Fertilisation, wenn ein bis zwei Tage später eine Schwangerschaft festgestellt worden sei. Ebenso würden in einigen Fällen mit der Schwangerschaft verbundene Zustände beschrieben werden, obwohl bei der betreffenden Patientin keine Schwangerschaft vorliege. Eine Sterilisationsberatung mitten in der Schwangerschaft bei einer 22jährigen Patientin erscheine nicht gerechtfertigt. Generell fehlte für den Ansatz der Leistungen nach den Ziffern 1084, und 360 und 777 eine entsprechende Diagnose. Bei der als Begründung angegebenen Diagnose "Mastodynie" handele es sich lediglich um ein Syndrom. Bei den durchgesehen Fällen befinde sich kein Mama-Fibrom, keine Mastophatie, keine Mama-Zyste und Mama-Karzinom, so dass der Ansatz dieser Ziffern nicht plausibel sei. Einsparungen seien im Bereich der Arzneikosten festzustellen, während die stationären Einweisungen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen über dem Fachgruppendurchschnitt lägen. Eine orientierende Durchsicht der Behandlungsscheine der übrigen Quartale habe analoge Beanstandungen ergeben. Die Medikamenteneinsparungen in den Quartale III und IV/03 seien nicht ursächlich. In den Quartalen I/04 bis I/05 lägen Überschreitungen gegenüber der Fachgruppe vor. Eine überdurchschnittliche Häufung schwerer Erkrankungen sei nicht ersichtlich. Auch wenn ausländische Patienten einen gleichsprachigen Arzt aufsuchten, folge nicht daraus, dass ein deutscher Patient weniger Beratungsleistungen benötige. In Bezug auf die Quartale III und IV/03 verweise er auf die beigefügte Anlage mit den Auflistungen der beanstandeten Fälle, die im Übrigen auch die Grundlage für die Berechnung der Kürzungssumme darstellten.

Hiergegen legte der Kläger am 11.10.2006 Widerspruch ein.

Der Prüfungsausschuss leitete mit Schreiben vom 11.10.2006 ein weiteres Prüfverfahren für das Quartal II/05 ein.

Nach Einholung eines weiteren Referentenberichts setzte er aufgrund des Beschlusses der Sitzung am 06.12.2006, den er mit Bescheid vom 23.04.2007 bekannt gab, eine Kürzung vor Quotierung in Höhe von 31,00 EUR pro Fall bei 638 Gesamtfällen im Bereich der Sonderleistungen fest. Er verwies zur Begründung auf seine Ausführungen im Bescheid bezüglich der Vorquartale. In der Rechtsbehelfsbelehrung führte er aus, gegen diesen Bescheid könne binnen eines Monats nach der Zustellung Widerspruch erhoben werden. Den Bescheid gab er am 23.04.2007 zur Post. Der Kläger bestätigte mit Datum vom 24.04.2007, den Bescheid per Übergabe-Einschreiben erhalten zu haben.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 01.06.2007, eingegangen beim Prüfungsausschuss am 01.06.2007, Widerspruch ein.

Der Beklagte wies den Kläger unter Datum vom 03.06.2009 auf die Versäumung der Widerspruchsfrist hin.

Der Kläger antwortete unter Datum vom 10.06.2009, er stelle einen Antrag auf Wiedereinsetzung. Wegen familiärer und privater Probleme habe er die Frist nur um sieben Tage versäumt.

Der Prüfungsausschuss leitete mit Schreiben vom 11.12.2006 ein Prüfverfahren für das Quartal III/05 ein. Er holte wiederum einen Prüfbericht ein.

Der Prüfungsausschuss setzte mit Bescheid vom 29.05.2007 aufgrund der Sitzung am 07.03.2007 eine Honorarkürzung in Höhe von 30,00 EUR pro Fall vor Quotierung bei 542 Gesamtfällen im Bereich der Sonderleistungen für das Quartal III/05 fest. Er wies im Wesentlichen darauf hin, er habe analog zu den Vorquartalen den doppelten Fachgruppendurchschnitt anerkannt.

Hiergegen legte der Kläger am 31.05.2007 Widerspruch ein.

Der Prüfungsausschuss leitete mit Schreiben vom 13.03.2007 und 09.05.2007 ein Prüfverfahren für die Quartale IV/05 und I/06 ein, wiederum im Bereich der Sonderleistungen. Er lies jeweils erneut einen Prüfbericht erstellen. Mit Bescheiden vom 17.07.2007 und 17.10.2007 aufgrund der Sitzungen am 23.05.2007 bzw. 25.06.2007 nahm er weitere Honorarberichtigungen im Bereich der Sonderleistungen vor Quotierung in Höhe von 32,00 EUR pro Fall bei 582 Gesamtfällen für das Quartal IV/05 und von 32,00 EUR pro Fall bei 625 Gesamtfällen für das Quartal I/06 vor. Hiergegen legte der Kläger jeweils am 20.07.2007 und 22.10.2007 Widerspruch ein.

Der Beklagte verband alle Widerspruchsverfahren und lud den Kläger unter Datum vom 03.06.2009 zu einer Prüfsitzung am 01.07.2009, an der der Kläger aber nicht teilnahm.

Der Beklagte wies mit Bescheid vom 25.11.2009 aufgrund des Beschlusses am 01.07.2009 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand betreffend des Quartals II/05 ab. Den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 15.09.2006 änderte er dahingehend ab, dass er für das Quartal III/03 dem Kläger eine Überschreitung von 50% im Vergleich zur Fachgruppe beließ. Im Übrigen wies er die Widersprüche zurück. Der Bescheid wurde am 23.11.2009 ausgefertigt und dem Kläger am 25.11.2009 zugestellt. Zur Begründung führte er aus, der Bescheid für das Quartal II/05 sei nach dem Auslieferungsbeleg der Deutschen Post am 24.04.2007 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 01.06.2007, eingegangen am selben Tag, habe der Kläger Widerspruch erhoben. Der Widerspruch sei verfristet. Ausreichende Hinderungsgründe seien nicht ersichtlich, weshalb der Kläger die Widerspruchsfrist bis zum 24.05.2007 haben nicht einhalten können. Die pauschale Behauptung über das Vorliegen von familiären und privaten Problemen lasse keinen Rückschluss darauf zu, dass wegen dieser behaupteten Umstände die Versäumnis der Rechtsbehelfsfrist unvermeidbar gewesen wäre. Die Abrechnungswerte des Klägers im Bereich der Leistungsgruppe 8 lägen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Dieses liege vor, wenn die Abrechnungswerte den Wert der Vergleichsgruppe um ca. 40% bis 50% oder mehr überschritten. Besonderheiten in der Behandlungsausrichtung oder im Praxisklientel des Klägers sei nicht festzustellen. Die Gesamtfallzahl sei unterdurchschnittlich im Vergleich zur Fachgruppe aber noch als ausreichend für einen statistischen Kostenvergleich anzusehen. Es handele sich zwar um eine kleine Frauenarztpraxis, das Patientengut unterscheide sich trotz des hohen Ausländeranteils nicht wesentlich von demjenigen anderer Frauenärzte. Eine besondere Häufung schwerer und behandlungsintensiver Fälle habe eine allgemeine Durchsicht der Behandlungsunterlagen nicht gezeigt. Es gebe keinen Erfahrungssatz, dass bei Ausländern generell ein erhöhter Behandlungsbedarf bestehe. Ein kausaler Zusammenhang mit unterdurchschnittlich veranlassten physikalisch-therapeutischen Maßnahmen und Arzneikosten liege nicht vor. Der Prüfungsausschuss habe in den Quartalen IV/03 bis I/06 Überschreitungswerte von +57% bis 106,2% absolut zugestanden, weshalb er sich veranlasst gesehen habe, dem Kläger auch für das Quartal III/05 anstatt des zugestandenen Überschreitungswertes von +37% einen Überschreitungswert von 50% zuzugestehen.

Hiergegen hat der Kläger am 21.12.2009 die Klage erhoben. Er trägt vor, es handele sich um eine kleine Praxis mit hohem Ausländeranteil von ca. 90%. Die Immigrantinnen litten öfters an psychosomatischen Erkrankungen. Durch Erbringung der Leistungen nach Ziffern 35100 und 35110 würden Kosten für die Medikamente sowie Labor und Einweisungen erspart werden. Der Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass viele Leistungen von ihm unterdurchschnittlich abgerechnet worden seien. Auch die Einsparungen an Medikamenten seien unvergleichbar. Der exponentielle Anstieg der Rückforderung sei nicht nachvollziehbar. Es sei falsch, dass kleine Praxen mit großen Praxen verglichen würden. Auch ambulante Operationen stellten eine Praxisbesonderheit dar. Die Beklagte habe wegen zeitbezogener Prüfungen für die Quartale II/05 bis I/07 zusätzlich eine Honorarberichtigung in Höhe von 4.959,91 EUR vorgenommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 25.11.2009 bzgl. der Quartale III/03 bis I/06 mit Ausnahme des Quartals II/05 den Beklagten zu verurteilen, ihn über seine Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er ist weiterhin der Auffassung, die Praxis des Klägers habe mit den anderen Frauenarztpraxen verglichen werden können. Kausale Ersparnisse seien im Bereich der Arzneikosten und Krankenhauseinweisungen nicht erkennbar. Die Einsparungen müssten substantiiert dargelegt und es müsse die Kausalität aufgezeigt werden. Dies sei nicht erfolgt. Die Durchführung von ambulanten Operationen sei berücksichtigt worden.

Die übrigen Beteiligten haben sich zum Verfahren schriftsätzlich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 10.03.2010 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 11.05.2010 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seiner Widersprüche gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 15.09.2006, 23.04.2007, 29.05.2007, 17.07.2007 und 17.10.2007. Die Klage war daher abzuweisen.

Gegenstand des Verfahrens ist nur der Bescheid des Beklagten, nicht auch der des Prüfungsausschusses. In Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses. Dieser wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses, der abweichend von § 95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird. Eine dennoch gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist unzulässig (vgl. BSG, Urt. v. 19.06.1996 - 6 RKa 40/95 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 35 = NZS 1997, 135 = USK 96134; zitiert nach juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.06.2000 - B 6 KA 36/98 R - USK 2000-165, juris Rdnr. 14).

Die Klage ist bezüglich des Quartals II/05 unbegründet.

Für das Quartal II/05 ist streitbefangen allein die Frage, ob der Widerspruch verfristet war und der Beklagte den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abweisen durfte.

Der Beklagte hat im angefochtenen Widerspruchsbescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass die Widerspruchsfrist nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG zum Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs abgelaufen war. Dies wird von dem Kläger auch nicht bestritten.

Nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 23.04.2007 wurde ausweislich des Auslieferungsbelegs am 24.04.2007 mit Übergabe-Einschreiben zugestellt. Die Zustellung kann auch durch Übergabe an einen Beschäftigten des Klägers erfolgen (vgl. VG Saarland, Beschl. v. 23.02.2010 - 10 L 2170/09 - juris Rdnr. 5). Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 des hier über das hessische Verwaltungszustellungsgesetz anzuwendenden Verwaltungszustellungsgesetz des Bundes (VwZG) gilt, dass der Bescheid am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt gilt, es sei denn, dass er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Ein tatsächlicher früherer Zugang ist unerheblich, da nach dem gesetzlichen Wortlaut ein Abweichen von der Drei-Tages-Fiktion nur erfolgt, wenn das Dokument "nicht" oder "zu einem späteren Zeitpunkt" zugeht (vgl. z. B. VG Koblenz, Urt. v. 18.10.2010 - 4 K 571/10.KO - NVwZ-RR 2011, 182, juris Rdnr. 19; VG Stuttgart, Urt. v. – A 5 K 4041/07 – juris Rdnr. 29, jeweils m.w.N.). Den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post hat die Prüfungsstelle entsprechend § 4 Abs. 2 Satz 3 VwZG in den Akten vermerkt. Danach wurde der Bescheid am 23.04.2007 abgesandt. Die Klagefrist von einem Monat lief daher vom 27.04. bis Montag, 28.05.2007. Der Widerspruch ging aber erst am 01.06.2007 ein und war damit verfristet.

Ob letztlich die Beklagte mit dem Auslieferungsbeleg zutreffend den Zugang des Bescheids der Prüfungsstelle nachgewiesen hat - dieser kann nicht eindeutig einem bestimmten Schriftstück zugeordnet werden, kann hier dahinstehen, da der Kläger jedenfalls die Zustellung des Bescheides am 24.04.2007 mit Empfangsbestätigung bestätigt hat.

Maßgeblich war auch die Monatsfrist, da der Bescheid der Prüfungsstelle mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen war (vgl. § 66 Abs. 1 SGG). Eine Rechtsmittelbelehrung ist auch ohne einen Hinweis auf die Möglichkeit, das Rechtsmittel mittels elektronischen Dokuments einzulegen, vollständig und richtig. Die Einlegung eines Rechtsmittels mittels elektronischen Dokuments unterliegt besonderen Voraussetzungen und Umständen auf die nicht gesondert hingewiesen werden muss (vgl. BFH, Beschl. v. 02.02.2010 – III B 20/09 – juris Rdnr. 5; LSG Hessen, Urt. v. 20.06.2011 - L 7 AL 87/10 - juris Rdnr. 16; VGH Bayern, Beschl. v. 18.04.2011 – 20 ZB 11.349 juris Rdnr. 3; SG Marburg, Urt. v. 15.06.2011 - S 10 KA 295/09 - juris, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 42/11 -). Von daher kann hier dahinstehen, ob überhaupt eine Widerspruchseinlegung per E-Mail möglich ist. Der nach Art. 4 Nr. 3 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JkomG) v. 22. März 2005 in das Sozialgerichtsgesetz eingefügte § 65a SGG eröffnet die Möglichkeit der Einreichung elektronischer Schriftsätze im gerichtlichen Verfahren. In Hessen ist dies für die Sozialgerichte seit 17.12.2007 möglich (Verordnung vom 26.10.2007, GVBl. 2007, 699; vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, § 65a, Rdnr. 7), wenn auch erhebliche Anforderungen an Übermittlungsart und Signatur der Dokumente bestehen. § 65a SGG sieht diese Verfahrensmöglichkeiten nicht aber für die Widerspruchseinlegung vor.

Der Beklagte hat auch zu Recht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Widerspruchsfrist einzuhalten. Der Kläger hat schon nicht darlegt, dass er überhaupt an einer Widerspruchseinlegung gehindert war. Sein Vortrag beschränkt sich auf den allgemeinen Hinweis, dass er wegen familiärer und privater Probleme die Frist nur um sieben Tage versäumt habe. Absolute Gründe, die eine Einlegung verhindert hätten, sind darin nicht zu sehen.

Die Klage ist auch bzgl. der übrigen streitbefangenen Quartale unbegründet.

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (§ 12 Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.

Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 19.12.2001 (BGBl. I 3773) bzw. für die Quartale ab I/04 in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 (BGBl. I 2190).

Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe – bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urt. v. 16.07.2003 - B 6 KA 45/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris, Rdnr. 17 m. w. N.).

Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urt. vom 15.03.1995 - 6 RKa 37/93 - BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106 Nr. 26 = NZS 1996, 33 = NJW 1996, 2448 = USK 9573, juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis hat das Bundessozialgericht früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem hat es - unter bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem Hintergrund hat das Bundessozialgericht es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R - SozR 3 2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urt. v. 16.07.2003 - B 6 KA 45/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 02.06.1987 - 6 RKa 23/86 - aaO., juris Rdnr. 23).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Prüfgremien ferner berechtigt, u. a. eine eingeschränkte Einzelfallprüfung durchzuführen. Bei der eingeschränkten Einzelfallprüfung untersuchen die Prüfinstanzen - ebenfalls regelmäßig unter Heranziehung von sachverständigen Ärzten - Behandlungsfälle eines Arztes aufgrund von dessen Behandlungsangaben und Behandlungsunterlagen. Die strenge Einzelfallprüfung unterscheidet sich von der eingeschränkten demnach dadurch, dass bei der letzteren der Prüfung der Behandlungsweise die Indikationsbeurteilung des geprüften Arztes zugrunde gelegt wird. Es handelt sich damit nicht um eine "wirkliche" Einzelfallprüfung, sondern im Kern um eine bloße Schlüssigkeitsprüfung. Sie kommt - nur - dann als geeignete Beweismethode in Betracht, wenn aussagekräftigere Beweismittel und -methoden nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Das Ergebnis einer eingeschränkten Einzelfallprüfung ist in seiner Aussagefähigkeit ebenfalls begrenzt. Da bei ihr die Angaben des zu prüfenden Arztes der Prüfung zugrunde gelegt werden, kann mit ihr zwar nicht der Nachweis der Wirtschaftlichkeit geführt werden. Die Ergebnisse können aber geeignete Grundlage einer wertenden Entscheidung der Prüfgremien sein, dass die Behandlung eines Arztes unwirtschaftlich ist (vgl. BSG, Urt. v. 08.04.1992 - 6 RKa 27/90 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 10 = BSGE 70, 246 = NZS 1992, 113 = SGb 1993, 124 = NJW 1993, 1549 = USK 92154, juris Rdnr. 38).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.

Der Beschluss ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Durch die Übersendung der Bescheide des Prüfungsausschusses und der Aufforderung, eine Begründung vorzulegen, hat eine ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X).

Der Beklagte hat auch sein Ergebnis ausreichend begründet. Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Der Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Der Kläger konnte als Frauenarzt mit der Fachgruppe der Frauenärzte verglichen werden. Die Praxis des Klägers war auch hinreichend groß.

Ein statistischer Kostenvergleich kann dann nicht durchgeführt werden, wenn die Fallzahl des zu prüfenden Arztes so gering ist, als sie (Fall-)Zahlenbereiche unterschreitet, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Die Prüfung nach Durchschnittswerten geht von der Grundannahme aus, dass es die Ärzte der Vergleichsgruppe unter Einbeziehung des geprüften Arztes im Durchschnitt mit dem gleichen Krankengut zu tun haben und deshalb im Durchschnitt aller Fälle in etwa die gleichen Behandlungskosten benötigen. Diese Annahme ist aber nur gerechtfertigt, wenn für den Vergleich einerseits eine hinreichend große Anzahl vergleichbarer Ärzte und andererseits bei dem zu prüfenden Arzt eine hinreichende Zahl von Behandlungsfällen zur Verfügung stehen. Zwar ist es statistisch genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, dass der zu prüfende Arzt mit geringer Fallzahl dieselbe Patientenstruktur aufweist wie die Ärzte seiner Vergleichsgruppe, so dass die Relation von behandlungsintensiven und weniger aufwändigen Behandlungsfällen in kleinen Praxen nicht notwendig anders sein muss als bei großen. Eine in Relation zur Vergleichsgruppe besonders niedrige Fallzahl des zu prüfenden Arztes kann aber zur Folge haben, dass einzelne schwere, besonders aufwändige Behandlungsfälle den Fallwert des betroffenen Arztes überproportional in die Höhe treiben Deshalb ist zu verlangen, dass der mit einer sehr geringen Fallzahl einhergehenden Vergröberung des Aussagewerts der statistischen Vergleichsprüfung durch die Einführung einer Mindestquote der in die Prüfung einzubeziehenden Fälle zu begegnen ist. Dabei ist an ein objektives Kriterium, nämlich die durchschnittliche Fallzahl der Vergleichsgruppe anzuknüpfen. Die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Krankenkasse ist daher nur mit der Einschränkung zugelassen worden, dass diese mindestens 20 v. H. der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ausmachen. Die Mindestquote von 20 % der Durchschnittsfallzahl der Vergleichsgruppe ist nicht nur bei der auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Kasse beschränkten Prüfung zu beachten, sondern muss auch dann erreicht sein, wenn die Zahl der insgesamt vom zu prüfenden Arzt behandelten Patienten besonders niedrig ist. Soweit seit 1995 die Wirtschaftlichkeit der (nunmehr einheitlichen) vertragsärztlichen Versorgung für den (früheren) RVO-Kassen- und den Ersatzkassenbereich einheitlich geprüft wird, hat dies zur Folge, dass die in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehenden Behandlungsfälle nunmehr das gesamte Spektrum der vertragsärztlichen Tätigkeit des zu prüfenden Arztes abdecken und nicht mehr - wie zuvor - jeweils nur einen Teilbereich. Dies spricht dafür, die absoluten Fallzahlenuntergrenzen bei einer die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit erfassenden Prüfung höher anzusetzen, als das bisher in besonderen Konstellationen für den einen oder anderen Kassenbereich für zulässig gehalten worden ist. Gegen eine starre Grenzziehung etwa bei 100 Fällen spricht, dass dann die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei kleineren Arztpraxen aus solchen Arztgruppen, deren Durchschnittsfallzahlen unter 500 liegen, häufig nicht als statische Vergleichsprüfung durchgeführt werden könnte. Angesichts der ständig verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z. B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht (vgl. BSG, Urt. v. 09.09.1998 - B 6 KA 50/97 R - SozR 3 2500 § 106 Nr. 45 = NZS 1999, 310 = Breith 1999, 664 = USK 98174, juris Rdnr. 15 bis 19).

Der Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen einer Praxisbesonderheit verneint.

Als Praxisbesonderheiten des geprüften Arztes kommen nur solche Umstände in Betracht, die sich auf das Behandlungs- oder Verordnungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe typischerweise nicht oder nicht in derselben Häufigkeit anzutreffen sind. Für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit ist es deshalb nicht ausreichend, dass bestimmte Leistungen in der Praxis eines Arztes erbracht werden. Vielmehr muss substantiiert dargetan werden, inwiefern sich die Praxis gerade in Bezug auf diese Merkmale von den anderen Praxen der Fachgruppe unterscheidet (vgl. BSG, Urt. v. 21.06.1995 - 6 RKa 35/94 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 27 = USK 9588 = NZS 1996, 583, juris Rdnr. 16). Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden, und diese Abweichung muss sich gerade auf die überdurchschnittlich häufig erbrachten Leistungen auswirken (vgl. BSG, Urt. v. 23.02.2005 - B 6 KA 79/03 R - USK 2005-108, juris Rdnr. 20). Ein bestimmter Patientenzuschnitt kann z. B. durch eine spezifische Qualifikation des Arztes, etwa aufgrund einer Zusatzbezeichnung bedingt sein kann (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2000 B 6 KA 24/99 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 18). Es muss sich um Besonderheiten bei der Patientenversorgung handeln, die vom Durchschnitt der Arztgruppe signifikant abweichen und die sich aus einem spezifischen Zuschnitt der Patientenschaft des geprüften Arztes ergeben, der im Regelfall in Wechselbeziehung zu einer besonderen Qualifikation des Arztes steht. Ein Tätigkeitsschwerpunkt allein stellt nicht schon eine Praxisbesonderheit dar (vgl. BSG, Urt. v. 06.05.2009 - B 6 KA 17/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 23 = USK 2009-35 = Breith 2010, 4 = NZS 2010, 521, juris Rdnr. 27).

Der Kläger selbst hat lediglich allgemein erklärt, dass 90 % seiner Patienten Ausländerinnen seien und diese öfters an psychosomatischen Erkrankungen litten. Im Gerichtsverfahren hat er ferner auf ambulante Operationen verwiesen.

Es ist Angelegenheit des Vertragsarztes, entscheidungserhebliche Umstände vorzutragen, die auf eine Abweichung von der Typik der Praxen der Fachgruppe schließen lassen. Der Vertragsarzt ist nicht nur gemäß § 21 Abs 2 SGB X allgemein gehalten, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Im Rahmen der Abrechnung der kassen- und vertragsärztlichen Leistungen hat er vielmehr eine entsprechende besondere Mitwirkungspflicht aus der Sache selbst, wie sie immer dann besteht, wenn ein Arzt sich auf ihm günstige Tatsachen berufen will und diese Tatsachen allein ihm bekannt oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (vgl. BSG, Urt. v. 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - SozR 3-1300 § 16 Nr. 1 = USK 95137, juris Rdnr. 26; BSG, Urt. v. 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 57 = SGb 2003, 540 = Breith 2003, 715 = USK 2002-148, juris Rdnr. 32; BSG, Urt. v. 16.07.2003 - B 6 KA 45/02 R – aaO., Rdnr. 26, alle m.w.N.). Den Vertragsarzt trifft hinsichtlich der Einwände gegen den Anschein der Unwirtschaftlichkeit die Darlegungslast. Die Amtsermittlungspflicht des Beklagten endet dort, wo Tatsachen beurteilungsrelevant werden, die mit den individuellen Praxisgegebenheiten des Arztes zusammenhängen. Die Prüforgane müssen nicht in die Praxis hinein ermitteln. Die Mitwirkungspflicht des Vertragszahnarztes ist gerichtet auf die umfassende Darlegung aller internen Umstände nebst deren vollständiger Verifizierung. Denn ebenso wie im privaten Geschäftsverkehr eine Rechnung ausreichend spezifiziert sein muss, ist auch der Vertragsarzt verpflichtet, seine Honorarforderung für die vertragsärztliche Tätigkeit, insbesondere einen außergewöhnlichen Mehraufwand, zu begründen und zu belegen (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 07.07.2010 - L 4 KA 99/09 - juris Rdnr. 37; LSG Hessen, Beschl. v. 05.08.2011 - L 4 KA 1/10 - Umdruck S. 12). Wegen des den Prüfgremien zustehenden Ermessensspielraums, aber auch wegen der gesamten Struktur des Verfahrens zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit vertragsärztlicher Leistungserbringung, kann dieser Vortrag in zeitlicher Hinsicht nur im Verwaltungsverfahren bis zur Entscheidung des Beschwerdeausschusses erfolgen und im Gerichtsverfahren nicht nachgeholt werden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 07.07.2010 - L 4 KA 99/09 -, aaO., Rdnr. 37).

Ein derart substantiiertes Vorbringen des Klägers ist im Verwaltungsverfahren vor dem Beklagten - aber auch nicht im Klageverfahren - nicht zu erkennen. Der Hinweis auf den hohen "Ausländer"-Anteil kann einen erhöhten Behandlungsaufwand nicht rechtfertigen. Allein aus der Herkunft eines Patienten kann nicht auf einen höheren Versorgungsbedarf geschlossen werden (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.2000 - B 6 KA 25/99 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 49 = MedR 2001, 157 = NZS 2001, 219 = NJW 2002, 1822 = USK 2000-153). Im Übrigen hat der Kläger im Verwaltungsverfahren weder den genauen Umfang der nur allgemein als "psychosomatische Erkrankungen" bezeichneten Krankheitsbilder noch die hieraus seiner Sicht notwendigen Leistungsanforderungen in Bezug auf die strittigen Leistungsbereiche angegeben.

In nicht zu beanstandender Weise hat der Beklagte auch kompensatorische Ersparnisse verneint.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ein Mehraufwand in einem Bereich der ärztlichen Behandlung/Verordnung nur dann durch anderweitige Einsparungen als kompensiert angesehen werden, wenn belegt bzw. nachgewiesen ist, dass gerade durch den Mehraufwand die Einsparungen erzielt werden und dass diese Behandlungsart medizinisch gleichwertig sowie auch insgesamt kostensparend und damit wirtschaftlich ist. (vgl. BSG, Urt. v. 28.01.1998 - B 6 KA 69/96 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 43 = NJW 1998, 3444 = USK 98124, juris Rdnr. 15 m. w. N.).

Ein Verzicht auf das Erfordernis des Nachweises eines kausalen Zusammenhanges oder die Einschränkung der Anforderungen an den Nachweis kann nicht etwa daraus abgeleitet werden, dass es letztlich nur auf eine Art Gesamtwirtschaftlichkeit ankomme und die ärztliche Tätigkeit als einheitlicher Kostenkomplex zu begreifen sei und Durchschnittsüberschreitungen in Teilbereichen ganz oder weitgehend hinzunehmen seien, wenn der Aufwand in anderen Bereichen unter dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe liege. Hierfür lässt sich nicht die gesetzliche Vorschrift über die Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) anführen. Deren Regelung, dass die Prüfung auch die Häufigkeit von Überweisungen, Krankenhauseinweisungen und Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit umfasst, hatte nicht etwa die primäre Zielrichtung, dass Durchschnittsunterschreitungen in diesen Bereichen gegen anderweitige Mehrleistungen gegengerechnet werden können. Anliegen dieser Regelung war es vielmehr, die Wirtschaftlichkeitsprüfung effektiver zu gestalten und Durchschnittsüberschreitungen auch in diesen Bereichen systematisch zu erfassen. Einsparungen in einem Leistungsbereich geben dem Arzt keine Art Freibrief, in anderen Leistungsbereichen mehr Aufwendungen haben zu dürfen. Der Arzt muss vielmehr umfassend wirtschaftlich handeln. Die Wirtschaftlichkeit muss grundsätzlich sowohl insgesamt als auch in jedem Teilbereich gegeben sein, sowohl beim Gesamtfallwert, in jeder einzelnen Sparte, bei jeder Einzelleistung sowie auch bei den Arzneiverordnungen, Überweisungen, Krankenhauseinweisungen und bei den Arbeitsunfähigkeits-Fällen. Die so verstandene Konzeption der Wirtschaftlichkeitsprüfung hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 106 SGB V übernommen, so wie sich auch sonst das Gesetz als Übernahme der in der Praxis seit langem angewandten und durch die Rechtsprechung bestätigten Methode des statistischen Kostenvergleichs darstellt. Aus diesem Ansatz des Gesetzes, das eine umfassende Wirtschaftlichkeit in jedem Teilbereich fordert, ergibt sich, dass ein Mehraufwand in einem Bereich im Hinblick auf anderweitige Einsparungen nur dann hingenommen werden kann, wenn belegt bzw. nachgewiesen ist, dass gerade durch den Mehraufwand die Einsparungen erzielt werden und dass diese Behandlungsart medizinisch gleichwertig sowie auch insgesamt kostensparend und damit wirtschaftlich ist. Dies bedeutet, dass zunächst zu prüfen ist, ob die Mehraufwendungen nicht auf anzuerkennenden Praxisbesonderheiten beruhen, die notwendigerweise Einsparungen in anderen Bereichen nach sich ziehen. Ist dies zu verneinen, ist festzustellen, ob unabhängig von Praxisbesonderheiten Einsparungen vorliegen, die sich anhand der Abrechnungsstatistik eindeutig belegen lassen oder aus anderen Gründen auf der Hand liegen. Weiterhin muss aufgezeigt werden, aufgrund welchen methodischen Zusammenhanges durch welche vermehrten Leistungen der Arzt in welcher Art von Behandlungsfällen aus welchem Grund welche Einsparungen erzielt hat. Ferner müssen die erbrachten Leistungen medizinisch gleichwertig sein. Schließlich muss der Kostenvergleich - sei es eine Kostenberechnung oder eine plausible Kostenschätzung - ergeben, dass der Mehraufwand insgesamt nicht höher ist als die anderweitig erzielten Einsparungen. Die Darlegungs- und Nachweislast liegt beim Arzt. Er muss das Vorliegen der Einsparungen, den methodischen Zusammenhang mit dem Mehraufwand, die medizinische Gleichwertigkeit und die kostenmäßigen Einsparungen darlegen und ggf. nachweisen. Das bedeutet nicht, dass der Arzt alle Einzelfälle - nach Art einer Einzelfallprüfung - anführen und medizinisch erläutern müsste; entscheidend ist vielmehr die strukturelle Darlegung der methodischen Zusammenhänge und der medizinischen Gleichwertigkeit. Gelingt der erforderliche Nachweis nicht, so geht das zu Lasten des Arztes (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 - 6 RKa 1/97 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 42 = USK 97140, juris Rdnr. 22 – 25 m.w.N.).

Der Kläger hat nicht dargelegt, weshalb er gerade durch die vermehrte strittige Leistungserbringung bei den Arzneikosten sowie Labor und Krankenhauseinweisungen Ersparnisse erzielt haben will.

Soweit die Beigeladene zu 1) wegen zeitbezogener Prüfungen für die Quartale II/05 bis I/07 und damit auch in den hier streitbefangen Quartalen III/05 bis I/06 zusätzlich eine Honorarberichtigung in Höhe von insgesamt 4.959,91 EUR vorgenommen hat, war dies vom Beklagten im Rahmen des hier streitbefangenen Bescheides nicht zu beachten.

Bei einer sachlich-rechnerischen Berichtigung, die zur Absetzung einzelner Leistungen führt, ist der Beklagte grundsätzlich gehalten, deren Ergebnis durch vorherige Bereinigung der Fallkostenstatistik zu berücksichtigen. Eine der Wirtschaftlichkeitsprüfung vorausgehende sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarabrechnung kann aber nur in Bezug auf solche Abrechnungsunrichtigkeiten in Betracht kommen, die offenkundig und aus den Behandlungsunterlagen ohne weiteres zu ersehen sind. Eine scharfe Trennung zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und Abrechnungskontrolle ist ansonsten weder praktisch durchführbar noch rechtlich geboten. Die Prüfungseinrichtungen dürfen deshalb im Zweifel davon ausgehen, dass der Arzt die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht hat, und haben lediglich zu prüfen, ob gegebenenfalls durch die unwirtschaftlichen Gebührenansätze andere, geringer bewertete Leistungen eingespart worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 09.03.1994 6 RKa 18/92 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 23 = BSGE 74, 70 = MedR 1995, 245 = SGb 1995, 301 = NJW 1995, 2435, juris Rdnr. 23). Ob und in welchem Umfang solche Fehlabrechnungen vorgekommen sind, kann im Nachhinein nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand festgestellt werden. Anders als in den Fällen der Unvereinbarkeit bestimmter Gebührenansätze oder anderer formaler Abrechnungshindernisse, in denen die Fehlabrechnung erkennbar ist und im Wege der Richtigstellung korrigiert werden kann, lässt sich die Frage, ob der Arzt in einem konkreten Behandlungsfall die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht oder nur eine geringer bewertete Leistung überhöht abgerechnet hat, anhand der Behandlungsausweise nicht beantworten. Eine nachträgliche Befragung des Arztes und des behandelten Patienten scheidet wegen der großen Zahl der Behandlungsfälle und der gleichwohl verbleibenden Ungewissheit aus. Für derartige Nachforschungen besteht auch kein Anlass, weil es der Arzt in der Hand hat, durch sorgfältige Lektüre der Gebührenordnung und gegebenenfalls Rückfrage bei seiner Kassenärztlichen Vereinigung fehlerhafte Honoraransätze zu vermeiden. Die Prüfungseinrichtungen dürfen deshalb bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung davon ausgehen, dass der Kassenarzt die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht hat, und diese Leistungen ihrer Beurteilung zugrunde legen (vgl. BSG, Urt. v. 28.10.1992 - 6 RKa 3/92 - BSGE 71, 194, 198 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 15 = USK 92203, juris Rdnr. 23 f.).

Dies gilt auch für implausible Abrechnungen aufgrund von Zeitprofilen.

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 01.07.1998 – B 6 KA 48/97 R - SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 = Breith 1999, 659 = USK 98163, zitiert nach juris, Rdnr. 15 m.w.N.). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 - SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 = BSGE 73, 234 = MedR 1994, 206 = NJW 1995, 1636 = USK 93141, juris Rdnr. 24 ff.; BSG, Urt. v. 08.03.2000 – B 6 KA 16/99 R - SozR 3-2500 § 83 Nr. 1 = BSGE 86, 30 = NZS 2001, 213 = USK 2000-111, juris Rdnr. 48). Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 6 RKa 70/91 – aaO., Rdnr. 24 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 – L 7 KA 56/03 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 21). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genügt bereits ein beliebiger falsch abgerechneter Tag (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).

Bei implausiblen Abrechnungen aufgrund von Zeitprofilen kann die Implausibilität nicht einer Einzelleistung oder einzelnen Leistungen oder Leistungsbereichen zugeordnet werden. Die Implausibilität folgt vielmehr aus dem Gesamtumfang der abgerechneten Leistungen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfgremien dürfen deshalb von der Richtigkeit der Honoraranforderung ohne Bereinigung der statistischen Grundlagen ausgehen.

Andererseits können sich beide Prüfverfahren überlappen, da die Implausibilität gerade auf der vermehrten Abrechnung von Leistungen beruht, die gerade Grundlage für die Annahme einer Unwirtschaftlichkeit sind. So weist die Beigeladene zu 1) in ihrem vom Kläger mit Widerspruch angefochtenen Berichtigungsbescheid vom 23.12.2008 darauf hin, dass charakteristisch für die erheblichen Zeitwertüberschreitungen die sehr hohe Koppelungsrate von Ordinationskomplexen nach Nr. 08211, 08212 EBM 2005 mit der Nr. 35100 EBM 2005 (Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände) sei. Die Nr. 35100 EBM 2005 fällt aber gerade in den hier strittigen Bereich der Leistungsgruppe 8 (Sonderleistungen) auch der Quartale III/05 bis I/06. Damit kann eine zweifache Honorarkürzung wegen des gleichen Sachverhalts einer unzulässigen Abrechnung nicht ausgeschlossen werden. Der Beklagten kann aber, wie bereits ausgeführt, von der Richtigkeit der Abrechnung ausgehen und die Honorarkürzung nur "zur Quote" feststellen, was vorliegend der Fall ist. Die Umsetzung dieser Honorarkürzung wird in der Praxis im Bereich der Beigeladenen zu 1) von dieser vorgenommen. Sie errechnet den tatsächlichen Kürzungsbetrag quartalsweise. Soweit im vorliegenden Verfahren die Umsetzung erst auf Anfrage der Kammer erfolgte und, da dies auch schon in anderen Verfahren der Fall war, zu vermuten ist, dass es nicht der ständigen Praxis der Beigeladenen zu 1) entspricht, dem betroffenen Vertragsarzt über den quotierten Kürzungsbetrag einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erteilen, so kann dies hier dahinstehen ebenso wie die Frage, ob der Beklagte oder die Beigeladene zu 1) hierfür zuständig ist. Soweit die Beigeladene zu 1) zur Umsetzung des Prüfbescheides offensichtlich die Honorarverteilung nochmals unter Abzug der wegen Unwirtschaftlichkeit gekürzten Leistungsmenge vornimmt, so setzt sie sich in Widerspruch zu § 106 SGB V in der vom Bundessozialgericht vorgenommenen Rechtsauslegung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dürfen Honorarkürzungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei budgetierten Leistungen grundsätzlich nur mit dem Wert erfolgen, den diese im Budget tatsächlich haben. Kürzungsbeträge sind als Folge von Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung von dem Honorarvolumen abzuziehen, das dem Arzt nach Anwendung der Vorschriften über das Praxisbudget zusteht (vgl. BSG, Urt. v. 15.05.2002 - B 6 KA 30/00 R - SozR 3-2500 § 87 Nr. 32 = MedR 2003, 54 = USK 2002-120, juris Rdnr. 15 ff.; BSG, Urt. v. 05.11.2003 - B 6 KA 55/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 4 = Breith 2004, 612 = USK 2003-155, juris Rdnr. 18; BSG, Urt. v. 23.02.2005 B 6 KA 79/03 R - USK 2005-108, juris Rdnr. 26). Gleiches gilt im Übrigen für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen. Auch hier bleibt der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumens ergeben hat. Es erfolgt keine Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten Punktzahlvolumens (vgl. BSG v. 11.03.2009 - B 6 KA 62/07 RBSGE 103, 1 = SozR 4 2500 § 106a Nr. 7 = USK 2009-11 = Die Leistungen Beilage 2010, 88, juris Rdnr. 13 ff.). Dies gilt grundsätzlich für alle Budgetierungsmaßnahmen und nicht bloß den sog. Praxisbudgets. Aber auch diese Vorgehensweise der Beigeladenen zu 1), die Vertragsärzte nur begünstigen kann und von daher nicht im Klagewege angegangen wird mit der Folge, dass sie nur durch Maßnahmen der Aufsichtsbehörde beanstandet werden kann, kann hier letztlich dahinstehen. Jedenfalls besteht ein ausreichender Schutz gegen eine evtl. zweifache Kürzung, wenn im jeweils nachgehenden Bescheid die vorangehende Honorarkürzung im Rahmen der Ermessensausübung beachtet wird. Insofern kommt der Beigeladenen zu 1) generell bei Festsetzung der Honorarkürzung aufgrund implausibler Abrechnungen ein Ermessen zu. Dem Beklagten kommt bei Festsetzung der Honorarkürzung aufgrund implausibler Abrechnung ebf. ein Ermessensspielraum zu. Soweit man die Umsetzung durch die Beigeladene zu 1) für zulässig hält, ist ihr diesbezüglich ebf. ein Ermessensspielraum einzuräumen. Im Ergebnis kommt es hier aber nicht auf die Berücksichtigung der Honorarkürzung wegen implausibler Abrechnung an, da Streitgegenstand nur die vom Beklagten festgesetzte Honorarkürzung vor Quotierung war.

Nach allem war die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung in § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil hat die Verfahrenskosten zu tragen.
Rechtskraft
Aus
Saved