Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 10 AL 213/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 52/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die am. 1963 geborene Antragstellerin ist von Geburt an aufgrund ihrer Blindheit schwerbehindert. Sie verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als staatlich geprüfte Masseurin und Medizinische Bademeisterin mit einer Zusatzqualifikation im Bereich Lymphdrainage und Ödemtherapie. Diese Zusatzqualifikation erwarb die Antragstellerin in einer vom Februar bis April 2008 dauernden Weiterbildungsmaßnahme, die die Antragsgegnerin förderte. Vom 1. September 2008 bis Ende Mai 2011 war die Antragstellerin als Masseurin in einer Massage- und Physiotherapiepraxis in H beschäftigt. Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses förderte die Antragsgegnerin die Beschäftigung der Antragstellerin mit Lohnkostenzuschüssen. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung, der das Integrationsamt beim Landesverwaltungsamt in H ... mit Bescheid vom 26. April 2011 zustimmte. Nach den Angaben der Antragstellerin war es zu einer Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses gekommen. Vorangegangen seien auch Schwierigkeiten, weil sie als blinder Mensch Verordnungen und Patientenakten nicht ohne Hilfemittel lesen konnte und vom Arbeitgeber nur unzureichend unterstützt wurde. Der Arbeitgeber gab gegenüber dem Integrationsamt unter anderem fachliche Defizite der Antragstellerin und eine unzureichende Integration in das vorhandene Team an.
Die Antragstellerin bewarb sich um die Teilnahme einer am 1. September 2011 beginnenden verkürzten (achtzehnmonatigen) Ausbildung zur Physiotherapeutin beim SFZ B ...werk für Blinde und Sehbehinderte C ... gGmbH und erhielt von dort mit Schreiben vom 1. Juli 2011 eine Zusage unter der Voraussetzung der Bewilligung und Finanzierung durch den zuständigen Leistungsträger. Die Antragstellerin sprach Anfang Juli 2011 bei der Antragsgegnerin vor und erkundigte sich nach einer Förderung der von ihr begehrten Bildungsmaßnahme. Am 18. Juli 2011 stellte sie einen entsprechenden Antrag bei der Antragsgegnerin, den diese mit Bescheid vom 1. August 2011 ablehnte: Erst nach entsprechender Eigeninitiative bei der Arbeitsuche und parallel dazu durchgeführten Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit könne geprüft werden, ob eine Eingliederung anders als durch eine Weiterbildung nicht möglich sei. Die Antragstellerin erhob Widerspruch und führte unter anderem aus, für sie sei die begehrte Bildungsmaßnahme nur in einer Einrichtung für Blinde und Sehbehinderte möglich, da aufgrund ihrer Einschränkung mehr Unterstützung im Unterricht erforderlich sei. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2011 zurück: Die Notwendigkeit der Förderung der Ausbildung zur Physiotherapeutin sei im Fall der Antragstellerin nicht gegeben. Im Zielberuf (Masseurin bzw. Medizinische Bademeisterin) bestehe eine bundesweite Nachfrage. Die Antragstellerin habe sich für eine Vermittlung bundesweit zur Verfügung gestellt und ihr sei ein Vermittlungsgutschein ausgestellt worden. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit einer noch beim Sozialgericht Halle (SG) anhängigen Klage.
Die Antragstellerin hat am 23. August 2011 einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz beim SG mit dem Begehren gestellt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die am 1. September 2011 beginnende verkürzte Ausbildung zur Physiotherapeutin zu fördern. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 12. September 2011 als unbegründet zurückgewiesen und ausgeführt: Ein Anspruch auf die Förderung der Weiterbildung bestehe nicht. Es bestehe die begründete Aussicht, dass die Antragstellerin mit den von ihr schon erworbenen beruflichen Qualifikationen in Arbeit integriert werden könne.
Gegen den ihr am 12. September 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 13. September 2011 Beschwerde erhoben und vorgetragen: Aufgrund der bei ihr vorliegenden Vollblindheit sei eine umfassende Förderung erforderlich, um sie auf dem Arbeitsmarkt einzugliedern. Ihre zwischenzeitlichen Bewerbungen hätten bisher nicht zum Erfolg geführt. Sie sei darauf angewiesen, die durch die Behinderung vorhandenen Defizite durch eine maximale Qualifikation auszugleichen. Die Qualifizierung zur Physiotherapeutin würde ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Es würden weniger Massagen verordnet, aber es gebe noch zahlreiche Verordnungen für von Physiotherapeuten auszuführende Anwendungen. Die Ausbildung in C. umfasse auch ein Praktikum in einem Betrieb der physiotherapeutische Leistungen anbiete.
Die Antragstellerin hat eine Liste mit den Anschriften von elf Betrieben vorlegt, bei denen sie sich bisher als Masseurin beworben hat. Weiter hat sie die bisher als Reaktion auf die Bewerbungen erhaltenen vier Ablehnungsschreiben vorgelegt. Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. September 2011 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihre Teilnahme an der am 1. September 2011 begonnenen verkürzten Ausbildung zur Physiotherapeutin beim SFZ B werk für Blinde und Sehbehinderte C ... gGmbH zu fördern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung fest, im Falle der Antragstellerin habe die Vermittlung Vorrang. Die Notwendigkeit der begehrten Weiterbildung sei nicht gegeben. Sie verweist auch darauf, dass eine entsprechende Weiterbildung auch jeweils am 1. April des Jahres beim B werk in M ... angeboten wird.
Auf eine Anfrage des Berichterstatters hat das SFZ B.werk für Blinde und Sehbehinderte C gGmbH mit Schreiben vom 20. September 2011 mitgeteilt, die Antragstellerin könne noch bis Anfang Oktober 2011 in die begonnene Maßnahme einsteigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Das Begehren der Antragstellerin ist auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gerichtet. Danach kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer solchen Anordnung ist, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und einen Anordnungsgrund von der Antragstellerin glaubhaft gemacht worden sind. Dies ist hier der Fall.
Der Anordnungsgrund liegt vor, wenn die vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist. Dass ein solcher Fall vorliegt, hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht. Drohender Nachteil ist hier, dass die Antragstellerin ohne eine vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Kostenübernahme nicht an der bereits am 1. September 2005 begonnenen Weiterbildung in C ... teilnehmen kann. Die Antragstellerin kann insofern auch nicht darauf verwiesen werden, sie könne einen entsprechenden Lehrgang zu einem spätern Zeitpunkt beginnen, denn auch insofern ist eine Förderung ungewiss.
Der Senat hat im Rahmen der im Eilverfahren alleine möglichen summarischen Prüfung nicht das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs feststellen können. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass mehr dafür als dagegen spricht, dass die Antragstellerin in der Sache einen Anspruch auf die von ihr begehrte Förderung bezogen auf die am 1. September 2011 begonnenen berufliche Bildungsmaßnahme hat.
Die Antragstellerin ist ein schwerbehinderter Mensch. Der Senat geht ohne weitere Glaubhaftmachung davon aus, dass im Falle der Antragstellerin die Weiterbildung zur Physiotherapeutin nur in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen, nämlich einem Berufsbildungswerk für blinde und sehbehinderte Menschen durchgeführt werden kann. Auf die Förderung einer solchen Ausbildung war der Antrag der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin bei verständiger Auslegung auch von vornherein gerichtet. Der Anspruch hierauf kann sich aus § 97 Abs. 1 i.V.m. § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) ergeben. Die Beklagte wäre dann der für die Förderung zuständige Träger. Nach § 97 Abs. 1 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Sind die besonderen Leistungen für behinderte Menschen im Sinne des § 102 SGB III erforderlich, besteht ein nicht in das Ermessen des Leistungsträgers gestellter Rechtsanspruch. Als Ziel der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wird in der der trägerübergreifenden Regelung im § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) formuliert, die Leistungen würden erbracht um die Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Ob für die Erreichung dieses Ziels bestimmte Leistungen im Sinne des § 97 Abs. 1 SGB III erforderlich sind, ist prognostisch zu beurteilten. Dabei ist hier zu beachten, dass die derzeit arbeitslose Antragstellerin auf dem Arbeitsmarkt überwiegend mit ausgebildeten Masseuren und medizinischen Bademeistern ohne körperliche Einschränkungen konkurriert. Die Antragstellerin hat glaubhaft vorgetragen, dass sie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt im Verhältnis zu Menschen mit Sehvermögen in einem Teilbereich eingeschränkt ist. Dies betrifft nicht den Kernbereich der ihr möglichen Arbeit als Masseurin. Sie kann aber etwa Verordnungen nur mit Hilfsmitteln und langsamer als andere Arbeitsnehmer lesen kann; dies gilt auch für das Lesen und Bearbeiten von Patientenakten. Dies kann aus Sicht eines Arbeitgebers den Nachteil begründen, dass die Antragstellerin eine etwas längere Zeit für mit einem festen Satz abrechenbare Behandlungen aufwenden muss und dass auch gewisse Vorkehrungen im Betriebsablauf zu treffen sind. Vergleichbare Beeinträchtigungen würden auch bei der Ausübung des Berufs der Physiotherapeutin bestehen. Insofern spricht nach Auffassung des Senats zumindest derzeit mehr dafür, die Antragstellerin vorrangig in der Form zu unterstützen, dass ihr die optimale Versorgung für einen besseren Ausgleich der Behinderung (durch technische Geräte, die ihr optimal und ohne große Zeitverzögerung soweit wie möglich helfen, Geschriebenes in Blindenschrift zu übertragen oder akustisch wiederzugeben) zur Verfügung gestellt wird. Die Antragstellerin ist letztlich darauf angewiesen, einen Arbeitgeber zu finden, der ihr durch eine Einstellung die Chance gibt, ihn ggf. innerhalb einer Probezeit davon zu überzeugen, dass sie entsprechend ihrer Ausbildung in der Praxis gute Arbeit leisten kann. Deshalb spricht viel dafür, dass die Aufnahme einer Beschäftigung zunächst wieder mit Lohnkostenzuschüssen zu fördern wäre. Der Senat kann nicht erkennen, dass unter den genannten Voraussetzungen eine Eingliederung der Antragstellerin in Arbeit als Masseurin und medizinische Bademeistern aussichtslos ist bzw. dass eine Prognose so negativ ist, dass nicht mit einem Erfolg zu rechnen ist. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin aufgrund der Behinderung in dem Beruf der Masseurin und medizinischen Bademeisterin keine Arbeitstelle finden wird. Die Schwierigkeit, einen einstellungsbereiten Arbeitgeber zu finden, der der Antragstellerin eine echte Chance einräumt, sich in der praktischen Arbeit einzubringen und mit ihren Fähigkeiten zu überzeugen, hätte die Antragsstellerin auch nach einer Ausbildung zur Physiotherapeutin. Getragen von diesen Erwägungen vermag der Senat deshalb derzeit nicht die Notwendigkeit zu erkennen, die von der Antragstellerin gewünschte Ausbildung zu fördern. Dies bedeutet nach Auffassung des Senats aber nicht, dass für die Zukunft die Notwendigkeit einer solchen Qualifizierung nicht anders zu beurteilen sein kann und sich dann die Notwendigkeit aufdrängt, die Eingliederungschancen der Antragstellerin durch eine Verbreitung ihrer beruflichen Qualifikation zu verbessern.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mehr mit einer Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die am. 1963 geborene Antragstellerin ist von Geburt an aufgrund ihrer Blindheit schwerbehindert. Sie verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als staatlich geprüfte Masseurin und Medizinische Bademeisterin mit einer Zusatzqualifikation im Bereich Lymphdrainage und Ödemtherapie. Diese Zusatzqualifikation erwarb die Antragstellerin in einer vom Februar bis April 2008 dauernden Weiterbildungsmaßnahme, die die Antragsgegnerin förderte. Vom 1. September 2008 bis Ende Mai 2011 war die Antragstellerin als Masseurin in einer Massage- und Physiotherapiepraxis in H beschäftigt. Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses förderte die Antragsgegnerin die Beschäftigung der Antragstellerin mit Lohnkostenzuschüssen. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung, der das Integrationsamt beim Landesverwaltungsamt in H ... mit Bescheid vom 26. April 2011 zustimmte. Nach den Angaben der Antragstellerin war es zu einer Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses gekommen. Vorangegangen seien auch Schwierigkeiten, weil sie als blinder Mensch Verordnungen und Patientenakten nicht ohne Hilfemittel lesen konnte und vom Arbeitgeber nur unzureichend unterstützt wurde. Der Arbeitgeber gab gegenüber dem Integrationsamt unter anderem fachliche Defizite der Antragstellerin und eine unzureichende Integration in das vorhandene Team an.
Die Antragstellerin bewarb sich um die Teilnahme einer am 1. September 2011 beginnenden verkürzten (achtzehnmonatigen) Ausbildung zur Physiotherapeutin beim SFZ B ...werk für Blinde und Sehbehinderte C ... gGmbH und erhielt von dort mit Schreiben vom 1. Juli 2011 eine Zusage unter der Voraussetzung der Bewilligung und Finanzierung durch den zuständigen Leistungsträger. Die Antragstellerin sprach Anfang Juli 2011 bei der Antragsgegnerin vor und erkundigte sich nach einer Förderung der von ihr begehrten Bildungsmaßnahme. Am 18. Juli 2011 stellte sie einen entsprechenden Antrag bei der Antragsgegnerin, den diese mit Bescheid vom 1. August 2011 ablehnte: Erst nach entsprechender Eigeninitiative bei der Arbeitsuche und parallel dazu durchgeführten Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit könne geprüft werden, ob eine Eingliederung anders als durch eine Weiterbildung nicht möglich sei. Die Antragstellerin erhob Widerspruch und führte unter anderem aus, für sie sei die begehrte Bildungsmaßnahme nur in einer Einrichtung für Blinde und Sehbehinderte möglich, da aufgrund ihrer Einschränkung mehr Unterstützung im Unterricht erforderlich sei. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2011 zurück: Die Notwendigkeit der Förderung der Ausbildung zur Physiotherapeutin sei im Fall der Antragstellerin nicht gegeben. Im Zielberuf (Masseurin bzw. Medizinische Bademeisterin) bestehe eine bundesweite Nachfrage. Die Antragstellerin habe sich für eine Vermittlung bundesweit zur Verfügung gestellt und ihr sei ein Vermittlungsgutschein ausgestellt worden. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit einer noch beim Sozialgericht Halle (SG) anhängigen Klage.
Die Antragstellerin hat am 23. August 2011 einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz beim SG mit dem Begehren gestellt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die am 1. September 2011 beginnende verkürzte Ausbildung zur Physiotherapeutin zu fördern. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 12. September 2011 als unbegründet zurückgewiesen und ausgeführt: Ein Anspruch auf die Förderung der Weiterbildung bestehe nicht. Es bestehe die begründete Aussicht, dass die Antragstellerin mit den von ihr schon erworbenen beruflichen Qualifikationen in Arbeit integriert werden könne.
Gegen den ihr am 12. September 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 13. September 2011 Beschwerde erhoben und vorgetragen: Aufgrund der bei ihr vorliegenden Vollblindheit sei eine umfassende Förderung erforderlich, um sie auf dem Arbeitsmarkt einzugliedern. Ihre zwischenzeitlichen Bewerbungen hätten bisher nicht zum Erfolg geführt. Sie sei darauf angewiesen, die durch die Behinderung vorhandenen Defizite durch eine maximale Qualifikation auszugleichen. Die Qualifizierung zur Physiotherapeutin würde ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Es würden weniger Massagen verordnet, aber es gebe noch zahlreiche Verordnungen für von Physiotherapeuten auszuführende Anwendungen. Die Ausbildung in C. umfasse auch ein Praktikum in einem Betrieb der physiotherapeutische Leistungen anbiete.
Die Antragstellerin hat eine Liste mit den Anschriften von elf Betrieben vorlegt, bei denen sie sich bisher als Masseurin beworben hat. Weiter hat sie die bisher als Reaktion auf die Bewerbungen erhaltenen vier Ablehnungsschreiben vorgelegt. Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. September 2011 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihre Teilnahme an der am 1. September 2011 begonnenen verkürzten Ausbildung zur Physiotherapeutin beim SFZ B werk für Blinde und Sehbehinderte C ... gGmbH zu fördern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung fest, im Falle der Antragstellerin habe die Vermittlung Vorrang. Die Notwendigkeit der begehrten Weiterbildung sei nicht gegeben. Sie verweist auch darauf, dass eine entsprechende Weiterbildung auch jeweils am 1. April des Jahres beim B werk in M ... angeboten wird.
Auf eine Anfrage des Berichterstatters hat das SFZ B.werk für Blinde und Sehbehinderte C gGmbH mit Schreiben vom 20. September 2011 mitgeteilt, die Antragstellerin könne noch bis Anfang Oktober 2011 in die begonnene Maßnahme einsteigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Das Begehren der Antragstellerin ist auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gerichtet. Danach kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer solchen Anordnung ist, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und einen Anordnungsgrund von der Antragstellerin glaubhaft gemacht worden sind. Dies ist hier der Fall.
Der Anordnungsgrund liegt vor, wenn die vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist. Dass ein solcher Fall vorliegt, hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht. Drohender Nachteil ist hier, dass die Antragstellerin ohne eine vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Kostenübernahme nicht an der bereits am 1. September 2005 begonnenen Weiterbildung in C ... teilnehmen kann. Die Antragstellerin kann insofern auch nicht darauf verwiesen werden, sie könne einen entsprechenden Lehrgang zu einem spätern Zeitpunkt beginnen, denn auch insofern ist eine Förderung ungewiss.
Der Senat hat im Rahmen der im Eilverfahren alleine möglichen summarischen Prüfung nicht das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs feststellen können. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass mehr dafür als dagegen spricht, dass die Antragstellerin in der Sache einen Anspruch auf die von ihr begehrte Förderung bezogen auf die am 1. September 2011 begonnenen berufliche Bildungsmaßnahme hat.
Die Antragstellerin ist ein schwerbehinderter Mensch. Der Senat geht ohne weitere Glaubhaftmachung davon aus, dass im Falle der Antragstellerin die Weiterbildung zur Physiotherapeutin nur in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen, nämlich einem Berufsbildungswerk für blinde und sehbehinderte Menschen durchgeführt werden kann. Auf die Förderung einer solchen Ausbildung war der Antrag der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin bei verständiger Auslegung auch von vornherein gerichtet. Der Anspruch hierauf kann sich aus § 97 Abs. 1 i.V.m. § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) ergeben. Die Beklagte wäre dann der für die Förderung zuständige Träger. Nach § 97 Abs. 1 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Sind die besonderen Leistungen für behinderte Menschen im Sinne des § 102 SGB III erforderlich, besteht ein nicht in das Ermessen des Leistungsträgers gestellter Rechtsanspruch. Als Ziel der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wird in der der trägerübergreifenden Regelung im § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) formuliert, die Leistungen würden erbracht um die Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Ob für die Erreichung dieses Ziels bestimmte Leistungen im Sinne des § 97 Abs. 1 SGB III erforderlich sind, ist prognostisch zu beurteilten. Dabei ist hier zu beachten, dass die derzeit arbeitslose Antragstellerin auf dem Arbeitsmarkt überwiegend mit ausgebildeten Masseuren und medizinischen Bademeistern ohne körperliche Einschränkungen konkurriert. Die Antragstellerin hat glaubhaft vorgetragen, dass sie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt im Verhältnis zu Menschen mit Sehvermögen in einem Teilbereich eingeschränkt ist. Dies betrifft nicht den Kernbereich der ihr möglichen Arbeit als Masseurin. Sie kann aber etwa Verordnungen nur mit Hilfsmitteln und langsamer als andere Arbeitsnehmer lesen kann; dies gilt auch für das Lesen und Bearbeiten von Patientenakten. Dies kann aus Sicht eines Arbeitgebers den Nachteil begründen, dass die Antragstellerin eine etwas längere Zeit für mit einem festen Satz abrechenbare Behandlungen aufwenden muss und dass auch gewisse Vorkehrungen im Betriebsablauf zu treffen sind. Vergleichbare Beeinträchtigungen würden auch bei der Ausübung des Berufs der Physiotherapeutin bestehen. Insofern spricht nach Auffassung des Senats zumindest derzeit mehr dafür, die Antragstellerin vorrangig in der Form zu unterstützen, dass ihr die optimale Versorgung für einen besseren Ausgleich der Behinderung (durch technische Geräte, die ihr optimal und ohne große Zeitverzögerung soweit wie möglich helfen, Geschriebenes in Blindenschrift zu übertragen oder akustisch wiederzugeben) zur Verfügung gestellt wird. Die Antragstellerin ist letztlich darauf angewiesen, einen Arbeitgeber zu finden, der ihr durch eine Einstellung die Chance gibt, ihn ggf. innerhalb einer Probezeit davon zu überzeugen, dass sie entsprechend ihrer Ausbildung in der Praxis gute Arbeit leisten kann. Deshalb spricht viel dafür, dass die Aufnahme einer Beschäftigung zunächst wieder mit Lohnkostenzuschüssen zu fördern wäre. Der Senat kann nicht erkennen, dass unter den genannten Voraussetzungen eine Eingliederung der Antragstellerin in Arbeit als Masseurin und medizinische Bademeistern aussichtslos ist bzw. dass eine Prognose so negativ ist, dass nicht mit einem Erfolg zu rechnen ist. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin aufgrund der Behinderung in dem Beruf der Masseurin und medizinischen Bademeisterin keine Arbeitstelle finden wird. Die Schwierigkeit, einen einstellungsbereiten Arbeitgeber zu finden, der der Antragstellerin eine echte Chance einräumt, sich in der praktischen Arbeit einzubringen und mit ihren Fähigkeiten zu überzeugen, hätte die Antragsstellerin auch nach einer Ausbildung zur Physiotherapeutin. Getragen von diesen Erwägungen vermag der Senat deshalb derzeit nicht die Notwendigkeit zu erkennen, die von der Antragstellerin gewünschte Ausbildung zu fördern. Dies bedeutet nach Auffassung des Senats aber nicht, dass für die Zukunft die Notwendigkeit einer solchen Qualifizierung nicht anders zu beurteilen sein kann und sich dann die Notwendigkeit aufdrängt, die Eingliederungschancen der Antragstellerin durch eine Verbreitung ihrer beruflichen Qualifikation zu verbessern.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mehr mit einer Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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