L 5 AS 309/11 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 13 AS 1311/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 309/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Juni 2011 werden zurückgewiesen.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Antragstellerin und Beschwerdeführerin auf Einstiegsgeld nach § 16b Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Sinne einer Weitergewährung ab dem 18. April 2011.

Die Antragstellerin ist 1966 geboren. Sie bezieht mindestens seit Januar 2010 bis heute als Bedarfsgemeinschaft mit ihren zwei Kindern Regelleistungen nach dem SGB II von dem Antragsgegner. Am 9. Januar 2010 nahm sie eine bis zum 8. Januar 2011 befristete Tätigkeit als Mitarbeiterin in einem Servicecenter auf. Das monatliches Bruttogehalt betrug 975,00 EUR bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von "mindestens" 30 Stunden. Hierfür beantragte die Antragstellerin am 19. Januar 2010 die Gewährung von Einstiegsgeld. Mit Bescheid vom 1. Februar 2010 bewilligte der Antragsgegner Einstiegsgeld in Höhe von 179,50 EUR monatlich bis zum 8. Juli 2010.

Zum 1. Juli 2010 erhöhten sich die Arbeitszeit der Antragstellerin auf 35 Stunden/Woche und ihr monatliches Bruttoentgelt auf 1.137,50 EUR. Unter Berücksichtigung des erhöhten Gehaltes bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Bescheid vom 10. August 2010 bis zum 8. Januar 2011 ein Einstiegsgeld in Höhe von 161,55 EUR/Monat.

Im Dezember 2010 wurde das befristete Arbeitsverhältnis der Antragstellerin bis zum 8. Januar 2012 verlängert. Daraufhin stellte sie am 9. Dezember 2010 erneut einen Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld für die Zeit bis zum 8. Januar 2012. Dies lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 ab und führte aus, die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt sei hier bereits nachhaltig erfolgt, da das Arbeitsverhältnis verlängert worden sei. Das Ziel, die Hilfebedürftigkeit mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit zu überwinden, sei mit einer weiteren Förderung nicht erreichbar. Die Antragstellerin erhalte weiterhin Arbeitslosengeld II als ergänzende Leistung.

Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und führte aus, ihre berufliche und finanzielle Situation habe sich nicht geändert. Das Einstiegsgeld könne bis zu 24 Monate gewährt werden, soweit auch für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2011 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück und führte zur Begründung weiter aus, die Gewährung von Einstiegsgeld stehe im Ermessen des zuständigen Leistungsträgers. Bei der Entscheidung über den Verlängerungsantrag sei Ermessen ausgeübt worden. Neben der persönlichen Situation der Antragstellerin sei die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Erwerbstätigkeit am Wohnort in Magdeburg ausgeübt werde. Soweit Wohn- und Arbeitsort weniger als 30 km voneinander entfernt lägen, sei die Dauer der Förderung auf 12 Monate beschränkt. Für diesen Zeitraum sei bereits Einstiegsgeld gewährt worden. Hiergegen erhob die Antragstellerin eine bis heute bei dem Sozialgericht Magdeburg anhängige Klage.

Am 18. April 2011 hat sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Zahlung von Einstiegsgeld verlangt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Ermessen des Antragsgegners sei auf Null reduziert. Die Bewilligungsvoraussetzungen hätten sich nicht geändert. Von einer Nachhaltigkeit der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt könne angesichts der Befristung des Arbeitsvertrages nicht gesprochen werden. Nach dem gesetzgeberischen Willen solle ein finanzieller Anreiz für Hilfebedürftigen geschaffen werden, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, selbst wenn das Arbeitsentgelt nicht bedarfsdeckend sei (vgl. Bundestagsdrucksache [BT-Drs.] 15/1516, S. 59). Das Einstiegsgeld führe zu keiner direkten Lohnsubventionierung, weil die Leistung direkt an den Hilfebedürftigen und nicht an den Arbeitgeber fließe. Die Hilfebedürftigkeit müsse nicht vollständig überwunden werden. Durch das Einstiegsgeld würden auch die tatsächlichen Chancen auf eine dauerhafte Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erhöht, da die Erfolgsaussichten aufgrund der Berufspraxis höher einzustufen sei. Das Ermessen sei dahin begrenzt, dass im Regelfall das Einstiegsgeld zu gewähren sei, wenn die Einkünfte aus der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht die Höhe erreichten, die dem Lohnabstandsgebot entsprächen. Hier seien keine Gesichtspunkte ersichtlich, die ein Abweichen vom Regelfall rechtfertigten. Weiter hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe für das einstweilige Rechtsschutzverfahren beantragt.

Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass eine branchenübliche bzw. tarifliche Bezahlung geleistet würde. Hilfebedürftige und nicht mehr Hilfebedürftige sollten grundsätzlich gegenüber vergleichbaren Beschäftigten nicht besser gestellt werden. Eine Notwendigkeit der Weitergewährung von Einstiegsgeld über den Zeitraum von 12 Monaten hinaus sei hier unter Beachtung des Lohnabstandsgebots zu ungeförderten Beschäftigten nicht mehr erkennbar. Eine kurzzeitige Besserstellung könne vertreten werden, nicht jedoch eine langfristige Besserstellung. Diese sei vom Gesetzgeber nicht gewollt. Schließlich könne hier auch mittelfristig nicht von einem Wegfall, sondern allenfalls von einer Reduzierung der Hilfebedürftigkeit ausgegangen werden.

Mit Beschluss vom 11. Juli 2011 hat das Sozialgericht Magdeburg die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es eingehend dargelegt, dass das Einstiegsgeld eine Ermessensleistung sei und auch der Leistungsumfang in das Ermessen des Leistungsträgers gestellt sei. Ermessensfehler oder gar eine Ermessensreduzierung auf Null seien bei der vorliegenden Sachlage nicht erkennbar. Soweit die Antragstellerin ausführe, eine solche Ermessensreduzierung ergebe sich bereits daraus, dass ihr schon 12 Monate Einstiegsgeld gewährt und das Arbeitsverhältnis verlängert worden sei, so widerspreche diese Argumentation gerade dem Grundsatz, dass der Umfang und damit auch die Dauer des Bezuges des Einstiegsgeldes unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles im Ermessen des Leistungsträgers stünden. Zutreffend habe der Antragsgegner den Bezug von Einstiegsgeld im vorhergehenden Jahr, die räumliche Nähe von Arbeits- und Wohnort, den Erhalt einer branchenüblichen Bezahlung sowie das Ziel der Wahrung eines Lohnabstandsgebotes zu ungeförderten Beschäftigten berücksichtigt. Angesichts der Höhe des Bruttoentgeltes bestünden keine Zweifel, dass das Lohnabstandsgebot eingehalten werde. Es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Tätigkeit der Antragstellerin nicht leistungsgerecht oder anders als die sonstiger Mitarbeiter mit vergleichbarer Tätigkeit vergütet werde. Nach telefonischen Angaben des Arbeitgebers der Antragstellerin erhielten alle Mitarbeiter mit einer vergleichbaren Wochenarbeitszeit ein solches Gehalt. Eine weiter erforderliche Förderung der Antragstellerin gegenüber nicht geförderten Mitarbeitern könne aufgrund der brancheninternen Vergütung daher als Argument für eine zwingende Weitergewährung von Einstiegsgeld nicht mehr herangezogen werden. Schließlich sei eine Förderung auch ausgeschlossen, wenn die angestrebte Tätigkeit keinerlei berechtigte Chance und Hoffnung zulasse, dass sie auf Dauer dazu führen werde, die Hilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers und der Bedarfsgemeinschaft zu beenden. Es sei vorherzusehen, dass die Antragstellerin auch bei Weitergewährung des Einstiegsgelds im geförderten Zeitraum weiterhin Leistungen nach dem SGB II beziehen werde. Dies sei in die Ermessensentscheidung mit einzubeziehen. Mit demselben Beschluss hat das Sozialgericht auch den Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten abgewiesen.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 22. Juli 2011 sowohl hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz als auch bezüglich der Verweigerung von Prozesskostenhilfe Beschwerde eingelegt. Zugleich hat sie Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, für eine Leistungsbewilligung von weniger als 24 Monaten Dauer gebe es im § 16b Abs. 2 SGB II keine Rechtsgrundlage. Entsprechende allgemeine ermessensleitende Weisungen seien unwirksam. Auch die Einführung einer Grenze von 30 km zwischen Wohn- und Arbeitsort widerspreche dem Sinn und Zweck des § 16b SGB II. Das Ermessen des Antragsgegners sei hier aufgrund der Vorförderung auf Null reduziert. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes seien die Voraussetzungen für ein Dauer-Einstiegsgeld erneut zu prüfen. Übersteige das Einkommen in der Zwischenzeit den Bedarf, entfalle die Hilfebedürftigkeit und damit auch der Anspruch auf das Einstiegsgeld (Hinweis auf Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Auflage 2005, § 29 Rn. 30). Da hier kein bedarfsdeckendes Einkommen erzielt werde, sei weiter Einstiegsgeld zu bewilligen. Die Familienkomponente sowie die Dauer der vorherigen Arbeitslosigkeit seien auch nicht genügend berücksichtigt worden. Zudem komme vorliegend auch ein Anspruch auf eine Förderung nach § 16f SGB II in Frage. Dies habe der Antragsgegner bisher nicht gesehen; eine entsprechende Ermessungsausübung habe er nicht vorgenommen (Hinweis auf Beschluss des Landessozialgerichts [LSG] Berlin-Brandenburg vom 30 Juni 2010, L 14 AS 933/10 B ER).

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Juli 2011 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihr ab dem 18. April 2011 bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 8. Januar 2012 Einstiegsgeld zu gewähren sowie ihr Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren sowie zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten zu den Aktenzeichen L 5 AS 309/11 B ER, L 5 AS 310/11 B und S 13 AS 311/11 haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

A.

1) Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung ist nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 172 Abs. 3 Ziffer 1 SGG. Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR übersteigt. Das von der Antragstellerin geforderte Einstiegsgeld beläuft sich bereits für einen Zeitraum von sechs Monaten auf 969,30 EUR (161,55 EUR/Monat) und übersteigt die maßgebliche Grenze.

2) Die Beschwerde ist unbegründet. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.

Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 16b). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden. Ein Anordnungsanspruch ist nicht erkennbar.

a) Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 16b SGB II, da dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die arbeitslos sind, bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Das Einstiegsgeld kann auch erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit durch oder nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit entfällt.

§ 16b SGB II soll - wie die Vorgängervorschrift des § 29 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I 2006, S. 1706-1720) - dem Hilfebedürftigen einen Anreiz für die Aufnahme einer unselbstständigen oder selbstständigen Tätigkeit bieten (vgl. BT-Drucks 15/1516 S. 59). Er setzt mithin voraus, dass das Einstiegsgeld und die Aufnahme der Erwerbstätigkeit in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Eine Bewilligung scheidet insoweit grundsätzlich aus, wenn - wie hier - keine Leistung im Zusammenhang mit der Aufnahme, sondern die Förderung einer bereits ausgeübten Erwerbstätigkeit beantragt wird, ohne dass gleichzeitig Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung der Beschäftigung bestehen, beispielsweise von einer geringfügigen zu einer vollen Erwerbstätigkeit (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23. November 2006, B 11b AS 3/05 R, Juris Rn. 16 unter Hinweis auf Lauterbach in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2005, § 29 Rn. 9).

Hinzu kommt, dass in § 16b SGB II (wie zuvor in § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.a.O.) eine vorhergehende Arbeitslosigkeit des Hilfesuchenden vorausgesetzt wird. Ob der Begriff "arbeitslos" i.S. des § 16b SGB II mit den Kriterien des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung (SGB III) gleichzusetzen ist, bedarf hier keiner abschließenden Beurteilung. Die Antragstellerin war jedenfalls unter keinem Gesichtspunkt arbeitslos. Der Begriff der Arbeitslosigkeit ist in §§ 16 Abs. 1, 119 Abs. 1 SGB III definiert. Arbeitslosigkeit setzt danach Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen zur Beendigung der Beschäftigungslosigkeit, die Verfügbarkeit in subjektiver wie objektiver Hinsicht sowie schließlich die Arbeitslosmeldung voraus (BSG, a.a.O.). Die Antragstellerin hatte jedoch bei Antragstellung am 9. Dezember 2010 seit fast einem Jahr eine Tätigkeit im Umfang von zuletzt 35 Wochenstunden bei branchenüblicher bzw. tariflicher Bezahlung ausgeübt.

Ob die Antragstellerin bei der erstmaligen Antragstellung am 19. Januar 2010 einen Anspruch auf Gewährung von Einstiegsgeld für zwei Jahre gehabt hätte, kann der Senat offen lassen. Der Verwaltungsakt vom 1. Februar 2010 ist bestandskräftig. Anzumerken ist allerdings, dass die Ausführungen des Sozialgerichts zur Möglichkeit einer Unterschreitung der maximalen Förderdauer nachvollziehbar sind. Wenn die Förderung bereits dem Grunde nach in das Ermessen des Antragsgegners gestellt ist, sollte im Normalfall auch eine Teilförderung (insbesondere in zeitlicher Hinsicht) nicht ausgeschlossen sein.

Selbst wenn man - entgegen dem Wortlaut des § 16b SGB II - eine Weitergewährung von Einstiegsgeld bei Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages grundsätzlich für zulässig halten würde, so könnte eine Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Zahlung von Einstiegsgeld nur bestehen, wenn er in der Hauptsache zu einer positiven Entscheidung verpflichtet wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Denn die im Rahmen des § 16b SGB II von dem Antragsgegner getroffene Ermessensentscheidung wäre nicht zu beanstanden.

Die Besonderheit einer Ermessensleistung ist, dass das Gesetz der Verwaltung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelfall keine bestimmte Rechtsfolge vorgibt. Die Antragsteller haben in diesen Fällen lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nach § 39 des Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I), nicht jedoch auf eine bestimmte Leistung. Die gerichtliche Kontrolle ist beim Vorliegen eines Beurteilungsspielraums auf die Frage beschränkt, ob der Antragsgegner von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, und ob er die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat.

Es sind hier keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine Entscheidung des Antragsgegners, hier Einstiegsgeld nicht zu gewähren, stets ermessensfehlerhaft wäre. Nur wenn das Ermessen ausschließlich in einem bestimmten Sinne rechtmäßig ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung rechtswidrig wäre, besteht ein Anspruch auf diese einzig mögliche rechtmäßige Entscheidung. Eine "Ermessensreduzierung auf Null" ist jedoch nur dann gegeben, wenn nach dem festgestellten Sachverhalt eine anderweitige Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei ausgeschlossen ist. Grundsätzlich ist auch im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, außer in den Fällen einer Ermessensreduzierung auf Null, der Behörde ein Spielraum zur Ausführung des ihr auferlegten Ermessens zu belassen (so Beschluss des Senats vom 7. Juli 2011, L 5 AS 177/11 B ER, bisher unveröffentlicht). Das Gericht kann nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des Leistungsträgers setzen.

Bei der Ermessensentscheidung sind in einer umfassenden Gesamtschau die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Sollten die allgemeinen Richtlinien des Antragsgegners zur Ermessungsausübung fehlerhaft sein, so müsste er sein Ermessen neu ausüben. Dass nur eine Entscheidung zu Gunsten der Antragstellerin getroffen werden kann, ist nicht ersichtlich. Nach § 16b Abs. 2 SGB II wird das Einstiegsgeld, soweit für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24 Monate erbracht. Bei der Bemessung der Höhe des Einstiegsgeldes sollen die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit sowie die Größe der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden, in der die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte lebt. Hier war die Antragstellerin bei Antragstellung am 9. Dezember 2010 bereits fast ein Jahr nicht mehr arbeitslos. Dies soll nach dem Wortlaut des § 16b Abs. 2 SGB II bei der Entscheidung ermessenslenkend berücksichtigt werden. Damit kann auch eine Ablehnung gerechtfertigt werden.

Sofern man angesichts dieser Rechtslage noch eine Folgenabwägung für notwendig halten sollte, ginge diese ebenfalls zu Ungunsten der Antragstellerin aus. Denn ihr drohen keine weiteren Nachteile, wenn sie das Einstiegsgeld verspätet erhält (anders der Sachverhalt in dem Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 30. Juni 2010, L 14 AS 933/10 B ER, Juris). Sie hat neben den Regelleistungen nach dem SGB II eigenes Erwerbseinkommen. Es ist nicht unzumutbar, hiervon den Lebensunterhalt zu bestreiten; dies ist der Normalfall für die sogenannten Aufstocker. Weitere Härten sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

b) Der Senat kann offen lassen, ob hier die Möglichkeit einer Förderung nach § 16f SGB II trotz des Umgehungs- und Aufstockungsverbots (dazu BSG, Urteil vom 6. April 2011, juris Rn. 18; Thie in LPK-SGB II, § 16f Rn. 4) in Betracht kommt. Diese Leistungen stehen auf jeden Fall im Ermessen des Antragsgegners. Hier gilt damit nichts anderes als oben unter a) ausgeführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

B.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht ist gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO statthaft und im Übrigen zulässig. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da der Antragstellerin hierfür kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zusteht.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990, 1 BvR 94/88, NJW 1991, S. 413 f.). Prozesskostenhilfe kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BSG, Urteil vom 17. Februar 1998, B 13 RJ 83/97 R, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

Erfolgsaussichten in diesem Sinne lagen jedoch aus den o.g. Gründen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

C.

Aus dem gleichen Grunde wie bei B. ausgeführt war auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren (L 5 AS 309/11 B ER) abzulehnen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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