L 8 U 1328/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 5769/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1328/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. März 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Schultergelenkserkrankung rechts Folge des Arbeitsunfalls vom 13.06.1971 ist.

Der 1952 geborene Kläger erlitt am 13.06.1971 einen Motorradunfall, als er Benzin für den Motormäher holen wollte, um Mäharbeiten für den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb fortsetzen zu können. Infolge dieses Unfalls wurde am 15.07.1971 die linke Hand im proximalen Unterarmbereich amputiert. Aufgrund des vom Kläger im Februar 2003 gestellten Antrags ist mit Bescheid der Beklagten vom 09.07.2004 dieser Unfall als Arbeitsunfall und als dessen Folgen multiple Narben und Druckstellen am Unterarmstumpf links sowie eine Verschmächtigung der Schulter- und Oberarmmuskulatur links festgestellt. Zudem wurde eine Rente ab 01.01.1998 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. bewilligt. Degenerative Veränderung in der rechten Schulter mit Rotatorenmanschettenruptur und Bandscheibenvorfälle wurden nicht als Unfallfolgen anerkannt. Die Beklagte stützte ihre Entscheidung auf das Gutachten von Prof. Dr. W. vom 28.06.2004.

Auf Widerspruch des Klägers, wonach u.a. die einseitige Belastung zu Bandscheibenvorfällen und einer Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter geführt habe, holte die Beklagte das Gutachten von Prof. Dr. H. vom 17.11.2004 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, denn nach den Gutachten vom 28.06.2004 und 17.11.2004 stünden die Beschwerden an der rechten Schulter und die Rückenbeschwerden nicht im Zusammenhang mit der Unterarmamputation links.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte am 06.09.2006 die Erhöhung der Rente, da sich das unfallbedingte Beschwerdebild in den letzten beiden Jahren deutlich verschlimmert habe (Schriftsatz vom 02.09.2006). Auf Anregung des Klägers beauftragte die Beklagte Dr. B. mit der Erstattung eines Gutachtens. In seinem Gutachten vom 09.12.2006 beurteilte Dr. B. die von ihm beschriebene ungünstige Weichteil- und Knochenendverhältnis am Amputationsstumpf links mit Narbenkontrakturen und Muskelminderung am linken Arm und Funktionsbeeinträchtigungen im linken Ellenbogen und Schultergelenk mit einer MdE um 50 v.H. Die langjährige unfallbedingte Gebrauchsminderung des linken Armes mit einer zwangsläufigen Überlastung des rechten Armes und Folge eines vorzeitig rascheren Verschleißes sei sehr wahrscheinlich anzunehmen. Selbst wenn dies nicht zu einer wesentlich höheren MdE-Bewertung habe führen können, bleibe eine Wiederherstellung oder Besserung der Erwerbsfähigkeit auf Dauer ausgeschlossen. Mit Bescheid vom 18.12.2006 wurde festgestellt: 1. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei nicht eingetreten 2. Die unfallbedingte MdE betrage nach wie vor 50 v.H. und 3. Die Erhöhung der Verletztenrente werde abgelehnt.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, der Widerspruch richte sich nicht gegen Nr. 2 und Nr. 3 des Ablehnungsbescheids, sondern gegen die Feststellung, dass keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Veränderungen und schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigungen im rechten Schultergelenk seien auf die kompensatorische Überbelastung durch die Folgen des Unfalles zurückzuführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen und mit Urteil vom 24.04.2008 (S 1 U 3542/07) wies das Sozialgericht Karlsruhe die Klage ab. Im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (L 1 U 2313/08) wurde auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG von Dr. B. das Gutachten vom 11.02.2009 eingeholt. Am 07.04.2009 schlossen die Beteiligten vor dem Landessozialgericht zur Beendigung des Rechtsstreits den Vergleich, wonach die Beklagte im Einverständnis des Klägers ein weiteres Gutachten einholen sollte und sie sich verpflichtete, eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung über das Vorliegen weiterer Unfallfolgen und über Gewährung von Verletztenrente ab Monat Dezember 2006 zu erlassen.

In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten nach Aktenlage vom Mai 2009 kam der Gutachter Dr. P. zu dem Ergebnis, die unfallbedingte MdE sei mit 50 v.H. korrekt eingeschätzt. Bei der von ihm diagnostizierten Schultereckgelenk-Arthrose mit degenerativem Verschleißleiden der Rotatorenmanschette der rechten Schulter und bei dem Zustand nach operativer Rotatorenmanschettennaht mit subacromialer Dekompression der rechten Schulter am 14.02.2003 handele es sich um unfallunabhängige Gesundheitsstörungen. Mit Bescheid vom 07.05.2009 lehnte die Beklagte die Rentenerhöhung und die Anerkennung weiterer Unfallfolgen, weder als unmittelbare noch mittelbare, ab. Entgegen der Auffassung von Dr. B. im Gutachten vom 11.02.2009 sei die Degeneration der Rotatorenmanschette am rechten Schultergelenk keine mittelbare Folge der Unterarmamputation links.

Auf Widerspruch des Klägers holte die Beklagte die ergänzende Äußerung von Dr. P. vom 09.06.2009 ein, wonach die Unterarmamputation links nicht zu einer Fehlbelastung der rechten Schulter geführt habe. Eine primäre Gelenkfehlstellung sei hierdurch nicht eingetreten. Der Humeruskopfhochstand der rechten Schulter sei nicht mittelbare Folge der Amputation links, sondern Ausdruck eines altersbedingten Sehnenverschleißes rechts. Eine Mehrbelastung des rechten Armes führen nicht zwangsläufig zu einer unphysiologisch schnelleren Degeneration der Rotatorenmanschette. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 22.12.2009 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe, das von Amts wegen das Gutachten vom 07.07.2010 mit Ergänzung vom 13.01.2011 einholte. Darin führte der Sachverständige Prof. Dr. L. aus, es gebe in der Literatur keinen Beweis dafür, dass eine verstärkte Belastung des Armes und der Schulter im Rahmen der Berufsausübung aber auch von Freizeitaktivitäten zu einem vorzeitigen Verschleiß der Rotatorenmanschette führe. Es gebe auch keinerlei Hinweise in der Literatur, dass bei Einarmigkeit durch eine reaktive Überlastung des verbliebenen Armes frühzeitig athrotische Veränderungen oder vorzeitige Verschleißläsionen an der Rotatorenmanschette aufträten. In einem Zwischenbericht der von der Deutschen Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie eingesetzten Arbeitsgruppe sei dargestellt, dass eine retrospektive Analyse von Patienten mit Rotatorenmanschettenrupturen ergeben habe, dass darunter Patienten aus dem Baugewerbe und der Land- und Forstwirtschaft signifikant überrepräsentiert seien. Nach der verfügbaren Datenlage könne daher mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass es durch die Belastung in der Land- und Forstwirtschaft zu einem frühzeitigen Verschleiß der Schulter komme. Einen gesicherten Hinweis darauf, dass die Tatsache, dass die meisten körperlichen Tätigkeiten überwiegend einarmig verrichtet werden mussten, einen Einfluss auf das Zu-Stande-Kommen der beim Kläger feststellbaren Gesundheitsbeschädigungen gehabt hätten, gäbe es daher nicht. Mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.03.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung darauf abgestellt, es könne gar keine wissenschaftlichen Studien mit ausreichender Signifikanz aufgetretener Rotatorenmanschettenrupturen für den seltenen Ausnahmefall geben, dass nach einer Amputation mit der verbliebenen rechten Extremität noch Arbeiten als Waldarbeiter und Landwirt - mit Viehhaltung - in längeren Zeiträumen verrichtet werden. Der Sachverständige Prof. Dr. L. hätte daher die konkreten Belastungsumstände so wie dies im Gutachten von Dr. B. geschehen sei, ermitteln und berücksichtigen müssen. Es sei die berufsspezifische Überbeanspruchung der Arme, die auch nach Prof. Dr. L. zu einer signifikanten Überrepräsentation von Rotatorenmanschettendefekten bei Patienten aus dem Baugewerbe oder aus der Land- und Forstwirtschaft führe. Wenn es daher bereits bei beidarmiger Belastung zu einem gehäuften Auftreten von Rotatorenmanschettenrupturen komme, gelte dies erst recht bei kompensatorischen einseitigen Mehrbelastungen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.03.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Veränderungen und Funktionsbeeinträchtigungen im rechten Schultergelenk als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 13.06.1971 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die einen Zusammenhang verneinenden Gutachten, die im vorliegenden und in den vorangegangenen Verfahren eingeholt worden sind. Der Auffassung von Dr. B. könne daher auch nicht gefolgt werden.

Mit Beschluss vom 22.08.2011 hat der Senat den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts einschließlich der Akten des vorangegangenen Klage- und Berufungsverfahrens, sind beigezogen worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und die beim Senat angefallene Berufungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Karlsruhe mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 01.03.2011 die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen wegen des Arbeitsunfalles vom 13.06.1971 nicht zu. Die Ablehnung der Rentenerhöhung im angefochtenen Bescheid der Beklagten ist nicht angefochten und daher bestandskräftig geworden.

Ob im vorliegenden Fall noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII , BGBl. I 1996 S. 1254) anzuwenden sind, weil Gegenstand des Rechtsstreits der Anspruch auf Feststellung von Unfallfolgen aus einem vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Versicherungsfall am 13.06.1971 ist (vgl. §§ 212, 214 Abs. 1 SGB VII), kann dahinstehen. Die streitige Rechtsfrage zur Feststellung beurteilt sich an den auch nach der Rechtsänderung fortbestehenden Rechtsgrundsätzen der Kausalität der wesentlichen Bedingung.

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie (Äquivalenztheorie) als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).

Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 RdNr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).

Ob die Verursachung eines Gesundheitsschadens oder des Todes eines Versicherten "durch" einen Arbeitsunfall festgestellt werden kann, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - letztlich danach, ob das Unfallereignis selbst und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache die wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung bildet (st. Rspr. des BSG; vgl. stellvertretend BSGE 63, 277 , 278 = SozR 2200 § 548 Nr 91 m.w.N). Welcher Umstand entweder für den Eintritt eines Arbeitsunfalls oder - worauf es bei der Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität entscheidend ankommt - für den Eintritt des Schadens als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Frage kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mit bewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Zur Bewertung der Qualität einer bestimmten Bedingung hat die Rechtsprechung (vgl. etwa BSGE 59, 193 , 195 = SozR 2200 § 548 Nr. 77 m.w.N.) vielfach auf die Auffassung des "täglichen" oder "praktischen" Lebens abgestellt. Es kommt bei der Wertung im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 8/03 R -, SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.).

Gibt es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war (BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr 69 zu § 542 RVO a.F.). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).

Das Sozialgericht hat in Anwendung dieser Grundsätze im angefochtenen Gerichtsbescheid mit zutreffender Begründung den unfallbedingten Zusammenhang der geltend gemachten Gesundheitsstörung verneint. Der Senat verweist nach eigener Prüfung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid (Seite 9-12; § 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zwingt zu keiner anderen Beurteilung.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist mit dem von Prof. Dr. L. beschriebenen Untersuchungsergebnis der Arbeitsgruppe der Deutschen Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Unfallzusammenhang nachgewiesen. Insoweit fehlt es bereits an der naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie. Maßstab der Beurteilung sind nach den oben dargelegten Bewertungskriterien allein die Erkenntnisse, die dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Lehrmeinung entsprechen. Nach Prof. Dr. L. sind die in einem Zwischenbericht der Arbeitsgruppe veröffentlichten Ergebnisse allenfalls erste Hinweise auf belastungsbedingte Entstehungsursachen eines Rotatorenmanschettendefekts. Es fehlen aber noch exakte Arbeitsplatzanalysen mit Erfassung der individuellen berufsbedingten Exposition, weshalb sich noch keine herrschende wissenschaftliche Meinung hierzu gebildet hat (Gutachten vom 07.07.2010, Seite 20). Die Studie gibt nur berechtigten Anlass für weiterführende Untersuchungen, in denen in einer Longitudinal-Studie ein Vergleich mit belasteten und nichtbelasteten Schultergelenken nach wissenschaftlichen Kriterien zu empirisch belastbaren Daten führt (ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. L. vom 13.01.2011, Seite 5). Die nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft als bloße Möglichkeit einzuschätzenden Entstehungszusammenhänge begründen daher noch keine ausreichende Beurteilungsgrundlage für die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit.

Darüber hinaus ist auch bei unterstellter Möglichkeit eines auch belastungsbedingten Zusammenhangs von Schultergelenkerkrankungen im konkreten Fall des Klägers kein unfallbedingter Zusammenhang hinreichend wahrscheinlich. Es gibt in der Literatur nach Prof. Dr. L. keinerlei Hinweise darauf, dass bei Einarmigkeit durch Überlastung des verbliebenen Armes frühzeitig athrotische Veränderungen oder vorzeitig Verschleißläsionen an der Rotatorenmanschette der verbliebenen Gliedmaße auftreten. Dies ist die übereinstimmende Auffassung der Ärzte Prof. Dr. W. , Prof. Dr. H. und Dr. P ... Dies wird auch bestätigt in der Längsschnittbetrachtung der beim Kläger erhobenen Röntgenbefunde am rechten und linken Schultergelenk. Bereits 1996 fand sich am linken Schultergelenk eine ausgeprägte Arthrose des Schultereckgelenks mit nach unten gerichteter knöcherner Ausziehung der vorderen Schulterblattgräte, wie Prof. Dr. L. in Auswertung des von Dr. B. am 15.01.1996 erhobenen Befundes beschreibt. Eine am rechten Arm vorauseilende Arthrose gegenüber dem der Amputation unterworfenen linken Arm ist nicht ersichtlich. Vergleichbare Verhältnisse beschrieb Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 28.06.2005 anhand des von ihm am 18.05.2004 erhobenen Röntgenbefundes beider Schultern. Auch danach bestand links eine AC-Gelenksarthrose wie auf der Gegenseite. Auch hierauf hat das Sozialgericht im Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 24.04.2008 zutreffend hingewiesen. Übereinstimmend haben alle sich gutachterlich äußernde Ärzte, mit Ausnahme von Dr. B. , auch für den Senat überzeugend dargelegt, dass Rotatorenmanschettendefekte sich - von spezifischen traumatisch bedingten Einwirkungen und den unterstellten Belastungen einmal abgesehen - grundsätzlich anlagebedingt entwickeln und dies nach dem Erscheinungsbild beim Kläger der Fall ist.

Dass unter den behaupteten erschwerten Bedingungen der Tätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft der unfallbedingten Einarmigkeit des Klägers eine wesentliche Mitursache zukommt, ist bei dieser Ausgangslage nicht ersichtlich. Die - einmal unterstellte - belastungbedingten Erkrankungen der Rotatorenmanschette - wobei eine mitursächliche anlagebedingte Disposition nach Prof. Dr. L. noch zu klären wäre - dürften danach auch in diesen Berufsgruppen vorwiegend an der hauptbelasteten Extremität, d.h. an der als Führhand genutzten Extremität, - also ebenso einseitig - entstehen.

Soweit nach Vorbringen des Klägers eine Fehlgängigkeit mit Folgen für die Rotatorenmanschette dadurch angegeben wird, dass die typischen "ruckartigen Überdehnungsereignisse" bei beidhändig auszuführenden Arbeiten, die er aber nur mit einer Hand hat auszuführen können, auftreten, ist dies wenig überzeugend. Den im Berufungsvorbringen in Bezug genommene Darlegungen von Dr. B. (Seite 31 seines Gutachtens vom 11.02.2009) ist gemeinsam, dass hierbei von überraschenden Zugbelastungen der Rotatorenmanschette auszugehen ist. Die überraschende Belastung beträfe im Beispielsfall des Einsatzes beider Extremitäten den linken wie den rechten Arm gleichermaßen, weshalb im Falle des Klägers eine übermäßige Belastung der nach Amputation allein verbliebenen Extremität nicht erkennbar ist. Sollte daher der Rotatorenmanschettendefekt auf diese Umstände zurückzuführen sein, wäre daher allein maßgebend die Besonderheit der beruflichen Tätigkeit und nicht der Unfall. Selbst wenn bei beidhändiger Ausführung der entsprechenden Arbeiten eine Extremität - im Wechsel mit der anderen Hand oder überwiegend durch die Führhand, was offen bleiben kann - die Belastung der anderen in Einzelfällen reflexhaft zu kompensieren vermöchte, sind damit die aus der Amputation folgenden Umstände nicht wesentlich ursächlich. Nach wertender Betrachtung käme der beruflichen Belastung als solche - nicht dem Unfall - die überragende Bedeutung als (Mit-)Ursache der Rotatorenmanschettenerkrankung zu, wenn als Ausgangspunkt eine belastungsbedingte Entstehungsursache als generell möglich unterstellt wird. Darauf hat Prof. Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2011 (Seite 2) auch überzeugend abgestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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