L 13 AS 315/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 4116/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 315/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. November 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Übernahme von Mietschulden in Höhe von 2425,00 EUR für ihre ehemalige Wohnung in der S.-Str. in F.

Die 1957 geborene Klägerin bezog zusammen mit ihren mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern C. und J. seit 1. August 2007 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit 1. Juli 2006 bewohnten sie gemeinsam mit dem weiteren Kind der Klägerin J. die möblierte (Ferien-) Wohnung S.-Str. in F. Mieterin war die Klägerin; monatlich war eine Kaltmiete in Höhe von 800,00 EUR nebst Nebenkosten in Höhe von 200,00 EUR an die Vermieter zu leisten. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 28. Februar 2008 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines (Forderungs-) Schreibens ihrer Vermieter die Übernahme aufgelaufener Mietschulden in Höhe von 2425,00 EUR. Mit Bescheid vom 4. März 2008 lehnte die Beklagte die darlehensweise Übernahme der Mietrückstände ab. Zur Begründung führte sie aus, die aktuellen Mietkosten seien unangemessen hoch. Es sei deshalb zu erwarten, dass weitere Mietrückstände entstünden. Eine unangemessen teure Wohnung dauerhaft zu sichern, sei nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit beim Beklagten am 4. April 2008 eingegangenen Schreiben vom 30. März 2008 Widerspruch. Die Miete übersteige die Angemessenheitsgrenze nur geringfügig. Der Beklagte habe insbesondere außer Betracht gelassen, dass in der Gesamtmiete auch Mietanteile für Umlagen und Möblierung enthalten seien. Die tatsächliche Nettokaltmiete belaufe sich nur auf 618,00 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Voraussetzung für die Übernahme von Mietschulden sei, dass diese ihre Rechtfertigung in der Sicherung der Unterkunft finde. Dies könne bei unangemessen hohen Unterkunftskosten grundsätzlich nicht angenommen werden. Im Fall der Klägerin betrage die angemessene Kaltmiete 505,80 EUR monatlich. Die tatsächlich zu leistende Miete übersteige diesen Wert bei Weitem.

Mit der am 14. August 2008 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Mietrückstände seien bereits in der Zeit bis ca. November 2007 angefallen. Der Vermieter habe die Rückstände in der Folge nur mit ihren laufenden Zahlungen verrechnet. Außerdem sei ihr Sohn J. zu Unrecht nicht bei der Leistungsbewilligung berücksichtigt worden. Dieser habe zwar Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) bezogen, diese hätten jedoch nicht genügt um seinen Lebensunterhalt zu decken. Am 5. Februar 2009 ist die Klägerin nach B. in die B.-Allee verzogen. Mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die darlehensweise Übernahme von Mietschulden komme nur zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage in Betracht. Voraussetzung sei dementsprechend, dass durch die Schuldenübernahme eine drohende Wohnungslosigkeit abgewendet werden könne. Nach dem erfolgten Umzug der Klägerin nach Berlin sei eine Übernahme der Mietschulden für die aktuelle Wohnsituation ohne Relevanz. Der Gerichtsbescheid des SG ist der Klägerin gemäß Postzustellungsurkunde am 24. Dezember 2009 zugestellt worden.

Am 19. Januar 2010 hat die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie sei mit ihren Kindern schuldenfrei nach Deutschland gekommen und im Verlauf ihres vierjährigen Aufenthalts jeglicher Würde und Kreditwürdigkeit beraubt worden. Die aufgelaufenen Mietschulden seien in den ersten Monaten des Leistungsbezugs entstanden und von ihr nicht zu verantworten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. November 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 4. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2008 zu verurteilen, aufgelaufene Mietrückstände in Höhe von 2425,00 EUR zu übernehmen, hilfsweise ein Darlehen in dieser Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält seine Entscheidung für rechtmäßig und den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 18 AS 4116/08) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AS 315/10) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der den Antrag der Klägerin auf Übernahme von Mietrückständen in Höhe von 2425,00 EUR ablehnende Bescheid vom 4. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2008. Dieser erweist sich als rechtsmäßig und verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden durch den Beklagten nicht zu. Der Senat schließt sich zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheid vom 18. November 2009 an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Wie das SG im Ergebnis und in der Begründung zutreffend dargelegt hat, greift die allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommende Vorschrift des § 22 Abs. 5 SGB II nicht ein. Soweit danach eine Übernahme von Schulden dann in Betracht kommt, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist bzw. dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht, sind diese Voraussetzungen im Fall der Klägerin - offensichtlich - nicht erfüllt. Denn die genannte Bestimmung ist nach einer an ihrem Sinn und Zweck orientierten Auslegung nur dann einschlägig, wenn Schulden in Rede stehen, die im Kontext der Belastungen für Unterkunft und Heizung entstanden sind (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 101 f. unter Bezugnahme auf BT-Drucks 16/688, S. 14 zu Nr. 6) und zudem - soweit wie hier Wohnungslosigkeit vermieden werden soll - der Sicherung der tatsächlich innegehaltenen Unterkunft dienen, für die Leistungen der Unterkunft und Heizung erbracht werden (LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 29. Juli 2010 - L 25 AS 1343/10 B ER - veröffentlicht in Juris). Um die Sicherung dieser Unterkunft, d. h. um die Sicherung der von der Klägerin seit 5. Februar 2009 bewohnten Wohnung in der Bundesalle 19 in Berlin geht es hier aber gerade nicht; die Klägerin begehrt vielmehr die Übernahme von Verbindlichkeiten, die aus der Anmietung einer aktuell nicht mehr genutzten Wohnung resultieren. Sie verlangt damit nichts anderes als eine allgemeine, von ihrer aktuellen Bedarfslage unabhängige Schuldentilgung; eine derartige Leistung sieht das SGB II nicht vor. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch vor dem Umzug der Klägerin nach Berlin, Wohnungslosigkeit nicht eingetreten ist und auch nicht konkret gedroht hat. Die Vermieter der Klägerin haben mit dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 22. Februar 2008 lediglich die Zahlung der rückständigen Miete verlangt; eine Kündigung des Mietverhältnisses ist von ihnen, obwohl der Mietrückstand bereits zwei Monatsmieten überschritten hatte, nicht angekündigt oder angedroht worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass der Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und die Rechtsverfolgung insgesamt ohne Erfolg geblieben ist.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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