L 11 KR 3516/11 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2115/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3516/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß den §§ 172 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zu Recht wegen fehlender Erfolgssausicht des Klageverfahrens versagt.

Nach § 73a SGG iVm § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Rechtsschutzverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102, 2103; Bundesgerichtshof NJW 1998, 1154; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. November 1998 - VI B 120/98 (juris)) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG NJW-RR 2002, 1069; NJW 2003, 2976, 2977). Darüber hinaus soll die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren zu verlagern. Dieses Verfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. März 2000, 1 BvR 2224/98, NJW 2000, 2098).

Für die gemäß § 114 Satz 1 ZPO vorzunehmende Erfolgsprognose ist der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung Entscheidungsgrundlage, wenn alsbald nach Entscheidungsreife entschieden wird (BGH, Beschluss vom 18. November 2009, XII ZB 152/09, FamRZ 2010, 197). Entscheidungsreife liegt vor, wenn der Antragsteller alle für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, insbesondere gemäß § 117 Abs 2 und 4 ZPO den vollständig ausgefüllten Vordruck über die Erklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege, wenn der Gegner gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat und alle Erhebungen im Sinne von § 118 Abs 2 Sätze 1 bis 3 ZPO zur Klärung der hinreichenden Erfolgsaussicht des PKH-Antrags durchgeführt worden sind (Beschluss des Senats vom 27. April 2010, L 11 R 6027/09 B, veröffentlicht in juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Juni 2009, L 20 B 6/09 AS, juris).

Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass eine Erfolgsprognose zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das SG nicht bejaht werden kann. Die Beitrittserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung ist eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung des Berechtigten (vgl hierzu Baier in Krauskopf, Soziale Kranken-/Pflegeversicherung, § 9 SGB V Rdnr 27, Stand März 2011), die nach § 188 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) schriftlich zu erfolgen hat. Die freiwillige Mitgliedschaft beginnt nach § 188 Abs 2 SGB V mit dem Ende der Versicherungspflicht nach § 10 SGB V, vorliegend am 27.10.2009. Wenn das Versicherungsverhältnis aber - wie im Fall der Klägerin - wirksam zustande gekommen ist, ist ein Widerruf der Beitrittserklärung nicht mehr möglich. Dann kann der Betroffene nur noch aus der Krankenkasse unter Wahrung der entsprechenden Fristen (§ 191 Nr 3 iVm § 175 Abs 4 SGB V) austreten (vgl hierzu Wille in jurisPK-SGB V, § 9 Rdnr 79), falls nicht eine Pflichtmitgliedschaft begründet wird (§ 191 Nr 2 SGB V). Eine solche Kündigung hat die Klägerin bislang nicht erklärt. Die (erst) im Beschwerdeverfahren erklärte "Rücknahme" ihres Antrags ist daher für die hier streitgegenständliche Forderung der Beklagten nicht beachtlich. Im Übrigen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin bei der Abgabe ihrer Beitrittserklärung beachtlichen Willensmängeln unterlag und diese wirksam geltend gemacht hat (§§ 119 ff Bürgerliches Gesetzbuch). Damit ist aber ein Beitragsanspruch entstanden, den die Klägerin zu erfüllen hat. Beitragsansprüche entstehen gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Beitragsansprüche entstehen danach grundsätzlich an jedem Tag der beitragspflichtigen (hier freiwilligen) Mitgliedschaft. Den Beitrag tragen gemäß § 250 Abs 2 SGB V freiwillige Mitglieder allein und haben diesen gemäß § 252 Abs 1 Satz 1 SGB V auch zu zahlen (vgl hierzu Senatsurteil vom 14.12.2010, L 11 KR 829/10). Damit ist die Klägerin Schuldnerin der entsprechenden Beitragsforderungen der Beklagten.

Schließlich weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Klägerin (subsidiär) jedenfalls nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V versicherungspflichtig gewesen wäre, was ebenfalls zu Beitragspflichten geführt hätte. Einen vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin angenommen Verfassungsverstoß kann der Senat nicht erkennen. Sowohl die Regelungen über den Beginn der freiwilligen Krankenversicherung als auch die Regelungen des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V sind verfassungsgemäß. Insbesondere durch § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V wird das politische Ziel umgesetzt, dass in der Bundesrepublik Deutschland niemand ohne Schutz im Krankheitsfall sein soll (vgl BT-Drs 16/3100, 94).

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved