L 10 R 1036/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3705/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1036/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.01.2009 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin in beiden Rechtszügen keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte wegen Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen einen Rentenbescheid rückwirkend abändern und die entstandene Überzahlung (vollständig) zurückfordern durfte.

Die am 1944 geborene Klägerin war zuletzt sozialversicherungspflichtig in einer Kreditorenbuchhaltung tätig. Seit dem 01.07.2004 bezieht sie eine Altersrente für Frauen (Rentenbescheid vom 10.05.2004, wegen neuer Krankenversicherungsbeiträge Abänderung des Rentenzahlbetrags ab Dezember 2005 im Bescheid vom 05.10.2005). Der Rentenbescheid vom 10.05.2004 enthielt den Hinweis, dass sich die Altersrente bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres mindern oder wegfallen könne, sofern durch erzieltes Einkommen die Hinzuverdienstgrenze überschritten werde, die ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße, das seien bei Beginn der laufenden Zahlung 345,00 EUR, betrage. Es bestehe bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres die gesetzliche Verpflichtung, die Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung unverzüglich mitzuteilen. Im Hinblick auf die Hinzuverdienstgrenze war in Anlage 19 weiter ausgeführt, dass deren Höhe davon abhängig sei, ob die Altersrente als Vollrente oder als Teilrente geleistet werde, wobei im Einzelnen dann die jeweilige monatliche Hinzuverdienstgrenze aufgelistet war.

Im Juni 2005 nahm die Klägerin eine Tätigkeit als Bürohilfe bei der A.S. Medizin Technik GmbH (nachfolgend AS GmbH) auf. Bedingung der Klägerin war, dass ihr hierdurch keine Nachteile entstehen sollten und Grundlage des Arbeitsverhältnisses war ein von einer (u.a.) durch einen Rechtsanwalt und der Steuerberaterin M. betriebenen Kanzlei auf Veranlassung der AS GmbH ausgearbeiteter Arbeitsvertrag, der dies sicherstellen sollte. Als Arbeitsentgelt war eine monatliche Zahlung von 345,00 EUR zuzüglich jeweils 330,00 EUR Urlaubs- und Weihnachtsgeld vereinbart. Tatsächlich wurden der Klägerin bis zur Beendigung der Tätigkeit Ende Oktober 2007 monatlich 400,00 EUR ausgezahlt. Von den Zahlungen erhielt die Beklagte erst im Januar 2008 durch Übersendung einer Hinzuverdienstbescheinigung für das Jahr 2007 seitens der Steuerberaterin M. der AS GmbH Kenntnis.

Nach Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 04.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2008 den Rentenbescheid vom 10.05.2004 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 05.10.2005 für die Zeit vom 01.06.2005 bis (sinngemäß) 31.10.2007 auf und forderte unter gleichzeitiger Zuerkennung einer Teilrente in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente für diesen Zeitraum die Erstattung eines überzahlten Betrages in Höhe von 8.085,36 EUR. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnungen wird auf den Bescheid verwiesen. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin sei klar und eindeutig über die Hinzuverdienstgrenzen und ihre Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten informiert worden. Auf Vertrauensschutz könne sie sich nicht berufen. Ein Mitverschulden des Versicherungsträgers liege nicht vor. Ein Ermessen sei daher nicht auszuüben.

Deswegen hat die Klägerin am 22.10.2008 beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat sie angegeben, sie habe die Arbeitsaufnahme davon abhängig gemacht, dass ihr hierdurch keine Nachteile entstünden. Wegen der Abweichung der tatsächlichen Zahlungen vom Arbeitsvertrag habe sie bei der Steuerberaterin nachgefragt, ob dies so rechtens sei. Als diese das bejaht habe, sei sie davon ausgegangen, dass dies auch für die Rente gelte. Sie habe deshalb für eine Mitteilung an die Beklagte keinen Anlass gesehen. Der Hinweis im Rentenbescheid sei ihr nicht mehr in Erinnerung gewesen.

Mit Urteil vom 21.01.2009 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 04.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2008 insoweit aufgehoben, als die Aufhebung des Bescheids vom 10.05.2004 in Gestalt des "Widerspruchsbescheids" (gemeint: Änderungsbescheid) vom 05.10.2005 mehr als 1.545,00 EUR betreffe und mehr als dieser Betrag von der Klägerin zurückgefordert werde. Die Klägerin habe von Juni 2005 bis einschließlich Oktober 2007 die für die Vollrente nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) maßgeblichen monatlichen Hinzuverdienstgrenzen der Jahre 2005 bis 2007 überschritten, was zu einem teilweisen Wegfall des monatlichen Rentenanspruchs, mithin zu einer wesentlichen nachträglichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die zuvor ergangenen Rentenbescheide geführt habe. Eine rückwirkende Aufhebung der Rentenbewilligung nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hat das Sozialgericht jedoch nur nach der verschuldensunabhängigen Alternative nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 wegen Erzielung eines Einkommens, das zur Minderung des Anspruchs führte, in Höhe des die Hinzuverdienstgrenzen überschreitenden Mehrverdienstes für möglich erachtet. Die Klägerin habe darüber hinausgehend nicht zumindest grob fahrlässig ihre Mitteilungspflichten verletzt (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) oder habe wegen einer Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonderem Maße nicht gewusst, dass ihr Anspruch ganz oder teilweise weggefallen sei (Abs.1 Satz 2 Nr. 4). Denn ihr sei nach ihren glaubhaften Angaben nicht bewusst gewesen, dass mit der praktizierten, vom Arbeitsvertrag abweichenden Auszahlung ihres Arbeitsentgelts in gleichen Monatsbeträgen eine Minderung ihres Rentenanspruchs auf zwei Drittel verbunden war. Nachdem sich am Gesamtbetrag des vereinbarten Arbeitsentgeltes nichts geändert habe, habe es sich der Klägerin nicht in jedem Fall aufdrängen müssen, dass damit die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen überschritten wurden, auch wenn berücksichtigt werde, dass sie in ihrem früheren Arbeitsverhältnis als Buchhalterin tätig gewesen sei. Nachdem sie ihre Steuerberaterin als sachkundig habe betrachten dürfen, habe sie jedenfalls nicht grob fahrlässig gehandelt. Für das Vorliegen eines atypischen Falles, der die Beklagte im Übrigen zur Ausübung von Ermessen verpflichtet hätte, hat das Sozialgericht keinen hinreichenden Anhalt gesehen. Die maßgeblichen Fristen seien eingehalten worden.

Gegen das ihr am 12.02.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.03.2009 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Klägerin sei deutlich und nicht interpretierbar auf ihre Mitteilungspflichten hingewiesen worden. Die Gestaltung des Arbeitsvertrages spreche für ihre Kenntnis hinsichtlich der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen. Angesichts der bewussten Ausgestaltung des Arbeitsvertrags handele es sich bei der von ihr behaupteten fehlenden Erinnerung an die Hinzuverdienstgrenze um eine Schutzbehauptung. Nach einem Urteil des Landessozialgerichts Hessen (Urteil vom 28.03.2008, L 5 R 423/07 - Bl.13 ff. LSG-Akte) stehe eine Nachfrage bei einem Steuerberater und dessen falsche Auskunft der Annahme grober Fahrlässigkeit nicht entgegen.

Die Beklagte beantragt sachdienlich gefasst,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.01.2009 in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, stets Wert auf die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen gelegt zu haben.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist nur noch die Frage, ob die Beklagte den Rentenbescheid vom 10.05.2004 hinsichtlich einer (weiteren) Überzahlung in Höhe von 6.490,36 EUR ( 8.085,36 EUR abzüglich 1.545,00 EUR) aufheben und eine entsprechende Erstattung verlangen durfte. Denn nachdem die Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts selbst keine Berufung eingelegt hat, steht die Rechtmäßigkeit der erfolgten Aufhebung und geltend gemachten Erstattung bis zu dem vom Sozialgericht genannten Betrag von 1.545,00 EUR rechtskräftig fest.

Das Sozialgericht hätte den Bescheid der Beklagten vom 04.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2008 nicht insoweit aufheben dürfen, als die darin verfügte Aufhebung vorangegangener Bescheide sowie Erstattung überzahlter Rente einen Betrag von mehr als 1.545,00 EUR betrifft. Denn die angefochtenen Bescheide sind in vollem Umfang rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Bescheid vom 10.05.2004 - dem Bescheid vom 05.10.2005 kommt, wie schon vom Sozialgericht zutreffend bemerkt, keine hier bedeutsame eigenständige Regelungswirkung zu - mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise abänderte und von Juni 2005 bis Oktober 2007 anstelle der Altersrente in Höhe der Vollrente wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze lediglich noch eine Rente in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente gewährte sowie den überzahlten Betrag in Höhe von 8.085,36 EUR von der Klägerin erstattet verlangte. Denn die Klägerin verletzte zumindest grob fahrlässig ihre Mitteilungspflichten. Soweit das Sozialgericht ein entsprechendes Verschulden der Klägerin deshalb verneint, weil die Klägerin nicht habe erkennen müssen, dass ihr Rentenanspruch teilweise entfallen war, vermischt es unzulässigerweise die Regelungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X.

Rechtsgrundlage für die in Streit stehende Abänderung des Bescheids vom 10.05.2004 ist § 48 Abs. 1 SGB X. Nach Satz 1 dieser Regelung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach Satz 2 der Vorschrift mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene u.a. einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3) oder wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).

Dabei ist zwischen den Beteiligten - zu Recht - zwischenzeitlich unstreitig, dass nach Erlass des Bescheids vom 10.05.2004, mit dem die Beklagte der Klägerin eine Altersrente für Frauen in Form einer Vollrente gewährte, eine wesentliche Änderung insofern eintrat, als die Klägerin in der Zeit vom 01.06.2005 bis 31.10.2007 Einkommen in einer Höhe erzielte, das die Hinzuverdienstgrenze für eine Vollrente (anfangs 345,00 EUR, ab 01.01.2006: 350,00 EUR) überschritt und ihr deswegen die Altersrente nur noch als Teilrente von zwei Dritteln der Vollrente zustand. Das Sozialgericht hat dies in den Entscheidungsgründen zutreffend unter Heranziehung der hier maßgeblichen Regelung in § 34 SGB VI näher dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf verwiesen. Hinsichtlich der Berechnung der somit der Klägerin materiell-rechtlich nur zustehenden Teilrente von zwei Drittel der Vollrente wird auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Fehler in dieser Berechnung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Klarstellend ist anzumerken, dass es hier, wie letztlich auch von den Beteiligten und vom Sozialgericht angenommen, allein auf die tatsächlichen monatlichen Zahlungen in Höhe von 400,00 EUR und nicht auf die im Raum stehende abweichende, ursprüngliche arbeitsvertragliche Vereinbarung eines regelmäßigen monatlichen Entgelts von 345,00 EUR mit zwei weiteren jährlichen Sonderzahlungen ankommt. Denn welche Einkünfte des Versicherten als Arbeitsentgelt anzusehen sind, richtet sich nach ganz allgemeiner Auffassung nach § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV - siehe BSG, Urteil vom 31.01.2002, B 13 RJ 33/01 R in SozR 3-2600 § 34 Nr. 4). Nach § 14 Abs. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Angewandt auf den vorliegenden Fall belegt dies, dass die tatsächlichen monatlichen Zahlungen in Höhe von 400,00 EUR als maßgeblich anzusehen sind, selbst wenn im schriftlichen Arbeitsvertrag nur ein regelmäßiger Lohnanspruch von 345,00 EUR vereinbart wurde. Im Übrigen dürfte angesichts des beidseitigen Einvernehmens über eine laufende monatliche Zahlung von 400,00 EUR der ursprüngliche Arbeitsvertrag als entsprechend geändert abzusehen sein.

Entgegen der Auffassung der Klägerin und des SG ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Bescheid vom 10.05.2004 auf der Grundlage des § 48 Absatz 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, entsprechend dieser Änderung und damit für die Vergangenheit abänderte. Denn die Klägerin kam zumindest grob fahrlässig einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nach, sodass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X erfüllt sind.

§ 60 Abs. 1 Nr. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) bestimmt insoweit, dass derjenige, der Sozialleistungen erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen hat. Die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze in den näher aufgeführten Monaten, die zum Wegfall der gewährten Altersrente als Vollrente führte, war ein in diesem Sinne mitteilungspflichtiger Umstand. Ihrer Pflicht zur Mitteilung dieses Umstandes kam die Klägerin nicht nach.

Insoweit handelte sie auch grob fahrlässig. Denn sie ließ das außer Acht, worauf sie im Bescheid vom 10.05.2004 ausdrücklich hingewiesen worden war, nämlich auf die zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung gültig gewesene Hinzuverdienstgrenze von 345,00 EUR monatlich für die von ihr bezogene Altersrente als Vollrente, die sich jeweils zum 01.01. eines Jahres ändert, sowie auf den Umstand, dass sie verpflichtet ist, die Aufnahme oder Ausübung einer Tätigkeit, mit deren Verdienst diese Grenze überschritten wird, unverzüglich der Beklagten mitzuteilen. Diese Hinweise waren ausführlich und verständlich. Gefordert war von der Klägerin nur die Erkenntnis, dass sie 400,00 EUR monatliche Einnahmen erzielt und dass bei Überschreiten der Grenze von monatlich 345,00 EUR eine Mitteilung an die Beklagte zu machen ist. Für den Senat ist kein Grund ersichtlich, der es gebieten würde, vorliegend von dem Grundsatz abzuweichen, dass das Außerachtlassen von gesetzlichen Vorschriften, auf die von einem Versicherungsträger ausdrücklich hingewiesen wurde, im Allgemeinen als grob fahrlässig anzusehen ist (BSG, Urteil vom 20.09.1977, 8/12 RKg 8/76 in SozR 5870 § 13 Nr. 2). Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin, die zuletzt in einer Buchhaltung beschäftigt war und auch die hier maßgebliche geringfügige Tätigkeit als Bürohilfe ausübte, nach ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrem Bildungsstand die klaren Hinweise im Rentenbescheid nicht verstanden hatte. Schließlich schloss sie, nach ihrem eigenen Vorbringen, im Arbeitsvertrag eine Lohnvereinbarung unter (zunächst) maximaler Ausschöpfung der Hinzuverdienstgrenze für die Vollrente (regelmäßiger Verdienst 345,00 EUR mit zwei - gem. § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI unschädlichen - jährlichen Sonderzahlungen). Nach Kenntnisnahme der abweichenden Auszahlung sah sie - wie sie wiederum selbst betont - einen Klärungsbedarf hinsichtlich der Rentenschädlichkeit. Deshalb hält der Senat - wie die Beklagte - die Behauptung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht, sie habe die Hinzuverdienstgrenzen nicht mehr in ihrer Erinnerung gehabt, für eine Schutzbehauptung. Diese Behauptung lässt sich mit ihrem übrigen Vorbringen nicht in Einklang bringen.

Gegen ein grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin spricht - entgegen der Annahme des Sozialgerichts - nicht, dass sich der wirtschaftliche Zufluss bezogen auf das Jahr durch die vom Arbeitsvertrag abweichende Lohnzahlung nicht änderte. Maßgeblich für die Mitteilungspflicht war der tatsächliche monatliche, also nicht jährliche Hinzuverdienst und dies war für die Klägerin - sowohl nach den Hinweisen im Rentenbescheid wie nach der Gestaltung des speziell für die Klägerin ausgearbeiteten Arbeitsvertrags ergibt - auch klar erkennbar.

Auch die von der Klägerin dargestellte Nachfrage bei der Steuerberaterin lässt den Vorwurf grober Fahrlässigkeit in Bezug auf die Verletzung der Mitteilungspflichten nicht entfallen. Zum einen holte die Klägerin die Auskunft von der Steuerberaterin - so die Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG - zur Frage ein, ob alles rechtens sei, was mangels eines klaren Bezuges zu einer konkreten Rechtsfrage - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - ohnehin keine hinreichende Klärung, insbesondere in Bezug auf die Rente, darstellte. Dies wird letztlich von der Klägerin im Berufungsverfahren auch eingeräumt, denn sie behauptet nicht, die Steuerberaterin direkt nach der Rente gefragt zu haben, sondern die Mitteilung der Steuerberaterin auf Grund der Vorgeschichte "so verstanden" zu haben, dass die geänderte Auszahlungsweise auch und gerade im Hinblick auf ihre Rente unschädlich sei. Zum anderen ergibt sich hieraus auch, dass die Klägerin jedenfalls keine Auskunft dazu einholte, ob sie die Erzielung dieser Einnahmen der Beklagten mitteilen muss. Sie kann sich somit schon nicht darauf berufen, die Steuerberaterin habe eine Mitteilungspflicht verneint. Dabei kommt es für die Frage einer grob fahrlässigen Verletzung der Mitteilungspflicht nicht darauf an, ob die Klägerin erkennen musste, dass ihr Rentenanspruch (teilweise) weggefallen war. Eine derartige Prüfung der Rechtslage wird für die Erfüllung der Mitteilungspflichten und damit im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X - und anders als bei Nr. 4 der Regelung - gerade nicht verlangt.

Die von den Beteiligten und dem SG diskutierte Frage, ob der Klägerin auch in Bezug auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X (Unkenntnis, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist) grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, kann deshalb offen bleiben. Damit bedarf auch die Frage, ob in rentenversicherungsrechtlichen Angelegenheiten auf Auskünfte eines normalerweise mit rentenversicherungsrechtlichen Fragen nicht befassten Steuerberaters vertraut werden darf (verneint vom Senat im Urteil vom 17.03.2011, L 10 R 298/08; ebenso Hessisches LSG, L 5 R 423/07 a.a.O.) und ob die Besonderheiten des vorliegenden Falles, in dem die Steuerberaterin zusammen mit einem Anwalt eine Kanzlei betreibt und diese Kanzlei gerade mit der Ausarbeitung eines "rentenunschädlichen" Arbeitsvertrages befasst war, keiner Beurteilung.

Lediglich am Rande weist der Senat allerdings darauf hin, dass sich aus der Lohnvereinbarung in dem ursprünglich zwischen der Klägerin und der AS GmbH geschlossenen Arbeitsvertrag eine große Sensibilität für die rentenrechtliche Hinzuverdienstgrenze ergibt. Die arbeitsvertraglich gewählte rechtliche Gestaltung des "Jahresentgelts" zeugt von einer bewussten rechtlichen Gestaltung, mit der sowohl die Hinzuverdienstgrenze eingehalten als auch das im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 SGB IV maximal mögliche Entgelt ausgeschöpft werden sollte. Der Hinweis der Steuerberaterin im Verwaltungsverfahren, sie habe eine abweichende Auszahlung vorgenommen, da ansonsten Steuer- und Sozialversicherungspflicht eingetreten sei, ist insoweit schwer nachvollziehbar. Im Rahmen der Prüfung der Geringfügigkeit nach § 8 Abs.1 Nr. 1 SGB IV wäre im Hinblick auf die vereinbarten Sonderzahlungen eine Jahresdurchschnittsberechnung durchzuführen gewesen (vgl. Seewald in KassKomm Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB IV Rdnr. 12 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG), die nicht zum Überschreiten der maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze von 400,00 EUR geführt hätte (12 x 345,00 EUR zzgl. 2 x 330,00 EUR = 4.800,00 EUR: 12 = 400,00 EUR).

Das Vorliegen eines atypischen Falls, der die Beklagte im Rahmen der Aufhebungsentscheidung zur Ermessensausübung verpflichtet hätte, hat die Klägerin nicht behauptet, Hinweise dafür sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Zu Recht wies die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden darauf hin, dass sie kein Mitverschulden trifft. Im Übrigen wurde der monatliche Hinzuverdienst auch nicht in einem ganz knappen, nur wenige Euro betragenden Umfang überschritten. Vielmehr erweist sich die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze um monatlich 55,00 EUR bzw. nachfolgend 50,00 EUR als durchaus erheblich.

Die maßgeblichen Fristen wurden, wie vom Sozialgericht zutreffend dargestellt, eingehalten.

Der von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X. Fehler in der Berechnung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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