Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 5614/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3043/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Juli 2009 aufgehoben. Die Kosten des auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz eingeholten Gutachtens von Dr. H. vom 29. November 2010 sowie die hierdurch entstandenen baren Auslagen des Klägers werden auf die Staatskasse übernommen.
Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Der angefochtene Beschluss, mit dem das Sozialgericht Karlsruhe (SG) es abgelehnt hat, die Kosten des auf Antrag des Klägers eingeholten kardiologischen Gutachtens von Dr. H. vom 29.11.2010 auf die Staatskasse zu übernehmen, entspricht nicht der nach Abschluss des Rechtsstreits bestehenden Sach- und Rechtslage. Der Senat hält es für ermessensgerecht, die Kosten dieses Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen.
Gemäß § 109 Abs. Satz 2 SGG kann die von einem Versicherten oder Versorgungsberechtigten beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Kläger die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung steht es im Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Kosten dem Kläger endgültig auferlegt. Ein vom Sozialgericht ausgeübtes Ermessen ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch den Senat uneingeschränkt nachprüfbar, da die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung oder die Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 19.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 07.03.2011 - L 8 U 1148/10, vom 01.09.2010 - L 8 SB 6039/08 -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 109 Rdnr. 16a) von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für den Kläger günstiges Ergebnis haben, hierunter fallen können, noch, dass für den Kläger günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu bezahlen sind. Durch die Anbindung an das Prozessziel des Klägers wird lediglich verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es sachgerecht, die Kosten des Gutachtens von Dr. H. auf die Staatskasse zu übernehmen, denn es hat wesentlich zur Erledigung des Rechtsstreits beigetragen.
Gegenstand des Rechtsstreites vor dem SG war eine Anfechtungsklage des Klägers gegen die vom Beklagten mit Bescheid vom 19.06.2009 - unter Aufhebung des Bescheides 28.08.1992 - festgestellte Herabsetzung des Grads der Behinderung (GdB) von 70 auf 50 und die Entziehung des Merkzeichens "G" wegen einer wesentlichen Besserung einer Herzerkrankung des Klägers. Der Kardiologe Dr. H. hat in seinem Gutachten im Vergleich zum Bescheid vom 28.08.1992 eine wesentliche Besserung der Herzerkrankung verneint und damit die Ansicht des Klägers bestätigt.
Entgegen der Ansicht des SG im angefochtenen Beschluss geht der Senat davon aus, dass das Gutachten des Dr. H. wesentlichen dazu beigetragen hat, dass der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.03.2011 ein vom Kläger angenommenes Anerkenntnis abgegeben hat. Der Kläger rügte in der Klagebegründung unter Berufung auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. C. vom 05.08.2008 hauptsächlich, dass entgegen der Ansicht des Beklagten eine wesentliche Besserung seiner Herzerkrankung nicht eingetreten sei. In der mündlichen Verhandlung am 24.03.2011 hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers mit einem GdB von 50 wohl zutreffend gewürdigt und der bisher festgestellte GdB von 70 zu hoch sein dürfte, dass aber die Voraussetzungen für eine Herabsetzung des GdB mangels eingetretener Besserung im Vergleich zu dem Bescheid im Jahr 1992 nicht vorlägen. Dieser Einschätzung des Vorsitzenden schloss sich die Beklagtenvertreterin unter Aufgabe ihres bisher trotz der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. C. vertretenen Rechtsstandpunktes an und gab ein Anerkenntnis ab (Sitzungsniederschrift des SG vom 24.03.2011). Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass das Gutachten von Dr. H. wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Beklagte seine ursprüngliche Rechtsansicht nicht weiter aufrecht erhalten und die prozessbeendende Erklärung abgegeben hat. Damit hat das Gutachten das Prozessziel des Klägers wesentlich gefördert. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass Dr. H. die Bewertung des - aktuellen - GdB durch den Beklagten bestätigt hat, da diese Einschätzung für die Entscheidung des Rechtsstreites und damit für das Anerkenntnis des Beklagten nicht von entscheidender Bedeutung war.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 176 RdNr. 5a m.w.N.). Im Verfahren zur nachträglichen Kostenübernahme eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens ist der Beklagte des Hauptsacheverfahrens nicht beteiligt. Im mit nur einem Verfahrensbeteiligten ausgestalteten Rechtsbehelfsverfahren - vergleichbar mit Rechtsbehelfsverfahren gegen eine Ordnungsmittel - entspricht bei erfolgreicher Beschwerde die ausgesprochene Kostenfolge billigem Ermessen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt Beschluss vom 25.08.2009 - L 8 SB 2542/08 - unveröffentlicht; ebenso der 13. Senat, Beschluss vom 06.05.2009 - L 13 R 339/09 KO-B -, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Der angefochtene Beschluss, mit dem das Sozialgericht Karlsruhe (SG) es abgelehnt hat, die Kosten des auf Antrag des Klägers eingeholten kardiologischen Gutachtens von Dr. H. vom 29.11.2010 auf die Staatskasse zu übernehmen, entspricht nicht der nach Abschluss des Rechtsstreits bestehenden Sach- und Rechtslage. Der Senat hält es für ermessensgerecht, die Kosten dieses Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen.
Gemäß § 109 Abs. Satz 2 SGG kann die von einem Versicherten oder Versorgungsberechtigten beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Kläger die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung steht es im Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Kosten dem Kläger endgültig auferlegt. Ein vom Sozialgericht ausgeübtes Ermessen ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch den Senat uneingeschränkt nachprüfbar, da die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung oder die Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 19.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 07.03.2011 - L 8 U 1148/10, vom 01.09.2010 - L 8 SB 6039/08 -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 109 Rdnr. 16a) von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für den Kläger günstiges Ergebnis haben, hierunter fallen können, noch, dass für den Kläger günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu bezahlen sind. Durch die Anbindung an das Prozessziel des Klägers wird lediglich verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es sachgerecht, die Kosten des Gutachtens von Dr. H. auf die Staatskasse zu übernehmen, denn es hat wesentlich zur Erledigung des Rechtsstreits beigetragen.
Gegenstand des Rechtsstreites vor dem SG war eine Anfechtungsklage des Klägers gegen die vom Beklagten mit Bescheid vom 19.06.2009 - unter Aufhebung des Bescheides 28.08.1992 - festgestellte Herabsetzung des Grads der Behinderung (GdB) von 70 auf 50 und die Entziehung des Merkzeichens "G" wegen einer wesentlichen Besserung einer Herzerkrankung des Klägers. Der Kardiologe Dr. H. hat in seinem Gutachten im Vergleich zum Bescheid vom 28.08.1992 eine wesentliche Besserung der Herzerkrankung verneint und damit die Ansicht des Klägers bestätigt.
Entgegen der Ansicht des SG im angefochtenen Beschluss geht der Senat davon aus, dass das Gutachten des Dr. H. wesentlichen dazu beigetragen hat, dass der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.03.2011 ein vom Kläger angenommenes Anerkenntnis abgegeben hat. Der Kläger rügte in der Klagebegründung unter Berufung auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. C. vom 05.08.2008 hauptsächlich, dass entgegen der Ansicht des Beklagten eine wesentliche Besserung seiner Herzerkrankung nicht eingetreten sei. In der mündlichen Verhandlung am 24.03.2011 hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers mit einem GdB von 50 wohl zutreffend gewürdigt und der bisher festgestellte GdB von 70 zu hoch sein dürfte, dass aber die Voraussetzungen für eine Herabsetzung des GdB mangels eingetretener Besserung im Vergleich zu dem Bescheid im Jahr 1992 nicht vorlägen. Dieser Einschätzung des Vorsitzenden schloss sich die Beklagtenvertreterin unter Aufgabe ihres bisher trotz der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. C. vertretenen Rechtsstandpunktes an und gab ein Anerkenntnis ab (Sitzungsniederschrift des SG vom 24.03.2011). Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass das Gutachten von Dr. H. wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Beklagte seine ursprüngliche Rechtsansicht nicht weiter aufrecht erhalten und die prozessbeendende Erklärung abgegeben hat. Damit hat das Gutachten das Prozessziel des Klägers wesentlich gefördert. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass Dr. H. die Bewertung des - aktuellen - GdB durch den Beklagten bestätigt hat, da diese Einschätzung für die Entscheidung des Rechtsstreites und damit für das Anerkenntnis des Beklagten nicht von entscheidender Bedeutung war.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 176 RdNr. 5a m.w.N.). Im Verfahren zur nachträglichen Kostenübernahme eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens ist der Beklagte des Hauptsacheverfahrens nicht beteiligt. Im mit nur einem Verfahrensbeteiligten ausgestalteten Rechtsbehelfsverfahren - vergleichbar mit Rechtsbehelfsverfahren gegen eine Ordnungsmittel - entspricht bei erfolgreicher Beschwerde die ausgesprochene Kostenfolge billigem Ermessen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt Beschluss vom 25.08.2009 - L 8 SB 2542/08 - unveröffentlicht; ebenso der 13. Senat, Beschluss vom 06.05.2009 - L 13 R 339/09 KO-B -, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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