L 6 U 71/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 85/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 71/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 204/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen ist.

Die 1953 geborene Klägerin war von Januar 1969 bis Januar 1970 als Reinigungskraft, von April 1970 bis April 1972 als Küchenhilfe, von Anfang Mai 1972 bis Ende April 1989 als Beschickerin und Schabloniererin im Landmaschinenbau, anschließend als Expedientin und danach von April 1990 bis Ende September 1991 als Stationsgehilfin beschäftigt. Seither ist sie keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgegangen.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2005 wandte sich die Klägerin an die Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend einheitlich: die Beklagte) und beantragte die Feststellung einer Berufskrankheit. Sie trug hierzu vor, dass sie während ihrer Beschäftigung von Mai 1972 bis April 1989 Arbeitsschutzkleidung und eine Atemmaske habe tragen müssen, weshalb nach ärztlicher Feststellung auch eine Arbeitsplatzumsetzung erforderlich gewesen sei. Tatsächlich habe eine solche aber nicht stattgefunden. Erste Krankheitsbilder seien bereits im Juli 1978 aufgetreten. Aus einer von der Klägerin übersandten Mitteilung des Facharztes für Allgemeinmedizin und Betriebsarztes Dr. K. vom 5. Februar 1987 ging hervor, dass sich aus einem Ultraschallbefund die dringende Notwendigkeit einer Arbeitsplatzumsetzung aus der Farbgebung ergeben habe. In seinem Attest vom 17. Januar 1989 hatte er eingeschätzt, dass die Klägerin zwar im Tauchraum, nicht jedoch in der Farbgebung arbeiten könne.

Die Beklagte zog den Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) der Klägerin bei, aus dem sich für den Zeitraum April 1973 bis Dezember 1990 folgende Einträge über Arbeitsunfähigkeiten wegen nicht näher bezeichneter Affektionen des Rückens (Diagnose-Nr. 724 ICD-9) entnehmen lassen: 24. bis 30. April 1981, 9. bis 15. Juli 1984, 14. bis 23. März sowie 21. Mai bis 15. Juni 1985, 27. Mai bis 13. Juni 1986, 26. November bis 11. Dezember 1986 und 25. August bis zum 4. September 1987. Daneben sind wegen Gastritis (Diagnose-Nr. 535 ICD-8 bzw. 9), Nierenerkrankungen (Diagnose-Nr. 590 ICD-9) sowie wegen chronischer Lebererkrankungen (Diagnose-Nr. 571 ICD-9) für Juni 1977, Februar und Dezember 1981, August, Oktober und November 1982, April und Oktober 1984 sowie Januar bis März 1987 Arbeitsunfähigkeitszeiten verzeichnet.

In dem Arztbrief des A. K. Krankenhauses E. vom 11. August 1997 war unter Bezugnahme auf ein externes Magnetresonanztomogramm (MRT) die Diagnose einer Bandscheibenvorwölbung in Höhe L5/S1 (zwischen dem fünften Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein) gestellt worden. Ein am 2. Oktober 1999 gefertigtes MRT der Lendenwirbelsäule (LWS) hatte nach der Auswertung des Radiologen Dr. B. einen mittelgroßen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 mit Affektion der Nervenwurzel sowie eine kleine Bandscheibenvorwölbung bei L4/5 mit Einengung des Spinalkanals erbracht.

Aus einer von der seit Januar 1991 für die Klägerin zuständigen Krankenkasse an die Beklagte übermittelten Aufstellung ging erstmals für den 20. Januar bis zum 11. Februar 1998 eine Arbeitsunfähigkeit wegen eines Wurzelreizsyndroms L5/S1 hervor.

Zu den von ihr während der Zeit von Anfang Mai 1972 bis Ende April 1989 verrichteten Arbeiten gab die Klägerin unter dem 8. März 2005 an, in sitzender, kniender, hockender und stehender Körperhaltung tätig gewesen zu sein. Dabei habe sie mit der Hand 30 bis 40 kg schwere Gegenstände heben bzw. circa 480 Min. pro Arbeitsschicht in gebeugter Körperhaltung von mindestens 90° arbeiten müssen. Erstmals aufgetreten sei ihr Wirbelsäulenleiden 1980.

In ihrer unter Mitwirkung der Klägerin erstellten Arbeitsplatzanalyse vom 3. November 2005 gelangte die Präventionsabteilung der Beklagten zu dem Ergebnis, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 hinsichtlich Häufigkeit und Regelmäßigkeit des Hebens und Tragens schwerer Lasten sowie der Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung und in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten nicht erfüllt seien. Während der Zeit von Mai 1972 bis Ende Dezember 1982 habe die Klägerin als Beschickerin gearbeitet. Für die Untergrundbehandlung und zum Lackieren von unterschiedlichen Kleinteilen für verschiedene Sämaschinen habe sie diese aus Kisten heben und in einer Höhe von 1,60 bis 1,70 m in eine Transportvorrichtung einhängen müssen. Dabei habe sie täglich ca. 500 Hebe- und Tragevorgänge von 2 bis 12 kg Gewicht ausgeführt, wobei die Trageentfernung 1 bis 2 m betragen habe. Insgesamt habe sie so an 220 Schichten im Jahr über 10,5 Jahre Werkstücke mit einem Gewicht von durchschnittlich 7 kg beidhändig mit einer Druckkraft von 2.325 N über zusammen 2.500 Sekunden (500 x 5 Sekunden) pro Schicht gehoben. Von Januar 1983 bis April 1989 habe die Klägerin als Anstreicherin bzw. Schabloniererin in gebückter Körperhaltung von 90 bzw. über 90° Sämaschinen auf Farbfehler zu kontrollieren und diese mittels Handpinsel auszubessern gehabt. Die auszubessernden Teile hätten sich zum Teil 200 bis 300 mm über dem Erdboden bzw. 700 bis 1.200 mm vom Erdboden entfernt befunden. Pro Sämaschine seien 25 auszubessernde Schraubverbindungen und Hebel angefallen; pro Hebel sowie Schraubverbindung sei eine Arbeitszeit von jeweils 5 bis 10 Sekunden aufzuwenden gewesen. Am Tag seien zehn Sämaschinen fertig gestellt worden. Als Schabloniererin habe die Klägerin im Siebdruckverfahren Typenbezeichnungen und Firmennamen auf die Sämaschinen aufgetragen. Hierfür seien pro Woche zwei Farbkübel mit einem Gewicht von jeweils 25 kg benötigt worden, die zu zweit vom Lager etwa 50 m zum Arbeitsplatz getragen worden seien. Außerdem sei pro Tag über die gleiche Entfernung zu zweit ein 25 kg wiegender Kübel Verdünnung zum Arbeitsplatz und umgekehrt getragen worden. Insgesamt habe die Klägerin damit als Anstreicherin bzw. Schabloniererin Farb- und Verdünnungskübel mit einem Lastgewicht von jeweils 12,5 kg mit einer Druckkraft von 3.425 N (beidhändig) bzw. 2.062,5 N (einhändig) zweimal pro Schicht für 5 Sekunden über eine Gesamtdauer von 0,0028 h (10: 3.600) gehoben bzw. zweimal pro Schicht für 50 Sekunden über eine Gesamtdauer von 0,0278 h in 110 Schichten im Jahr über eine Expositionsdauer von 6,2 Jahren getragen.

Mit Schreiben vom 3. Februar 2006 teilte die Unfallkasse Sachsen-Anhalt der Beklagten mit, dass die Klägerin während der Zeit ihrer Beschäftigung als Stationsgehilfin, bei der sie überwiegend Reinigungsarbeiten verrichtet habe, weder schwere Lasten gehoben oder getragen noch in extremen Rumpfbeugehaltungen gearbeitet habe.

In ihrer beratenden Stellungnahme vom 13. Februar 2006 empfahl daraufhin die Arbeitsmedizinerin Dr. M., keine BK 2108 anzuerkennen. Eine die Wirbelsäule belastende Tätigkeit von sechs Jahren sei als zu gering anzusehen, um eine bandscheibenbedingte Erkrankung zu verursachen, zumal die belastenden Hebeleistungen insgesamt nur eine kurze Zeit der gesamten Schichtdauer ausgemacht hätten. Überdies sei eine behandlungsbedürftige Wirbelsäulenerkrankung erst seit 1998 zu sichern, wohingegen die berufliche Tätigkeit der Klägerin bereits im September 1991 geendet habe.

Dieser Einschätzung schloss sich die Beklagte an und lehnte mit Bescheid vom 23. Februar 2006 die Anerkennung einer BK 2108 sowie die Erbringung von Leistungen ab.

Hiergegen erhob die Klägerin am 14. März 2006 Widerspruch und machte zur Begründung vor allem geltend, dass es ihr wegen Wirbelsäulenproblemen schon Anfang 1989 nicht mehr möglich gewesen sei, als Lackiererin und Schabloniererin zu arbeiten. Dies ergebe sich aus den Schreiben der Konfliktkommission vom 10. Januar und 22. Februar 1989. Wegen ihrer Wirbelsäulenerkrankung sei sie auch zwischen 1991 und 1998 von Dr. K. behandelt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2006 wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung ihrer Darlegungen im Ausgangsbescheid als unbegründet zurück.

Am 31. August 2006 hat die Klägerin zur Weiterverfolgung ihres Anliegens beim Sozialgericht (SG) Dessau Klage erhoben und geltend gemacht, die Präventionsabteilung habe die tatsächlichen Einwirkungen nicht ausreichend ermittelt. So seien von ihr Kleinteile in Bündeln zu 15 bis 20 kg zu bewegen und zu bearbeiten gewesen. Auch die Ausführungen zur gebückten Körperhaltung seien fehlerhaft, da nicht die seinerzeit eingesetzten Modelle, sondern die Nachfolgemaschinen zur Beurteilung herangezogen worden seien. Zumeist habe sie in 90 bzw. 120° gebückter Körperhaltung arbeiten müssen. Die zu bearbeitenden Teile seien höchstens 20 bis 30 mm und keine 200 bis 300 bzw. 700 bis 1.200 mm entfernt gewesen. Es seien ca. 25 bis 36 Schraubverbindungen zu entrosten, putzen und zu pinseln gewesen. Entsprechendes sei mit den Hebeln geschehen. Das Ausbessern einer Schraubverbindung habe etwa 20 Sekunden, das Ausbessern eines Hebels etwa 28 Sekunden gedauert. Pro Tag seien so zwischen 15 und 20 Maschinen gefertigt worden. Die Farben seien per Hand transportiert worden.

Aus einem am 30. November 1998 im Alfried Krupp Krankenhaus Essen gefertigten MRT der LWS waren eine geringe Steilstellung der LWS, minimale Vorwölbungen der Bandscheiben in Höhe L3/4, L4/5 und L5/S1, eine Chondrose bei L5/S1 sowie geringe Zeichen eine Spondylarthrose bei L4/5 hervorgegangen.

Das SG hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von dem Facharzt für Orthopädie, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Chirotherapie und Sportmedizin Prof. Dr. R. (Universitätsklinik und Poliklinik für Orthopädie und Physikalische Medizin H.) nach ambulanter Untersuchung am 8. Februar 2007 das Gutachten vom selben Tag eingeholt. Dieser hat ein Schmerzsyndrom bei beginnender Gefügelockerung der unteren LWS mit monosegmentaler Veränderung im Segment L4/5 bei primärer Hypermobilität diagnostiziert und im Ergebnis eingeschätzt, die berufliche Tätigkeit der Klägerin zwischen Mai 1972 und April 1989 sei (auch) nicht als wesentliche Teilursache der Wirbelsäulenveränderungen anzusehen. Im Gegenteil hätten die beruflichen Belastungen zur Aktivierung der Muskulatur und damit zur Stabilisierung der LWS beigetragen. Unter Berücksichtigung der "Konsensempfehlungen" liege weder im Hinblick auf den Chondrose- bzw. Sklerosierungsgrad noch auf eine Spondylose ein altersuntypischer Befund vor. Dem MRT vom 2. Oktober 1999 ließen sich ein mittelgroßer Bandscheibenvorfall bei L5/S1 und keine so genannte black disk entnehmen. Röntgenologisch seien auf den Aufnahmen vom 7. Januar 2003 hohe Zwischenwirbelräume von jeweils 12 mm in Höhe L1/2 und L2/3, von 13 mm in Höhe L3/4 sowie von jeweils 11 mm in Höhe L4/5 und L5/S1 bei primär hypermobiler LWS mit angedeuteten Traktionszacken an den Vorderkanten von L4 und L5, keine dorsalen Spondylophyten und lediglich in Höhe L4/5 eine beginnende Osteochondrose vom Chondrosegrad I zu erkennen.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die Darlegungen von Prof. Dr. R. gestützt.

Gegen den am 1. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8. Juni 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und ihr Vorbringen wiederholt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau vom 16. Mai 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 aufzuheben und mit Wirkung vom 1. Mai 1989 an festzustellen, dass ihre Lendenwirbelsäulenerkrankung eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Ansicht und hält den diese bestätigenden Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.

In einem Arztbrief vom 10. Mai 2007 haben die Internisten Dres. R. und I. bei der Klägerin als Diagnosen u.a. ein Fibromyalgie-Syndrom, eine chronische Gastritis, eine Hyperurikämie sowie eine chronische Polyarthritis gestellt.

Aus einem von der Klägerin zur Akte gereichten Computertomogramm (CT) der LWS vom 11. Juni 2007 sind nach der Auswertung des Radiologen Dr. L. im Wesentlichen eine breitbasige Vorwölbung bei L4/5 und ein kleiner Prolaps bei L5/S1 zu entnehmen. In diesen Etagen bestehe auch eine Facettengelenkarthrose. Eine relevante Spinalkanalstenose sei nicht zu erkennen.

Außerdem hat die Klägerin das von der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. B. (Oberärztin des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik des Universitätsklinikums H.) für das SG Dessau in einem Verfahren betreffend die Anerkennung einer BK 1302 erstellte Gutachten vom 13. September 2007 vorgelegt, wonach Dr. K. vermutlich wegen einer Lebererkrankung der Klägerin einen Arbeitsplatzwechsel empfohlen habe. Neben einem degenerativen Bandscheibenschaden in Höhe L5/S1 bestünden bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom der gesamten Muskulatur (Fibromyalgie), eine ausgeprägte Fettleber sowie eine Fettstoffwechselstörung.

Auf entsprechende Anfrage des Senats hat Prof. Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. September 2007 ausgeführt, dass zum Begutachtungszeitpunkt zur LWS nur die Röntgenbilder vom 7. Januar 2003 sowie das MRT vom 2. Oktober 1999 zur Verfügung gestanden hätten, was zur Beantwortung der Beweisfragen auch ausreichend gewesen sei. Nach den Konsensempfehlungen sei zur Beurteilung des Kausalzusammenhangs der bildgebende Befund zum Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit wegweisend. Hintergrund hierfür sei, dass mit zunehmendem Abstand zwischen der Aufgabe der Tätigkeit und Fertigung einer Aufnahme nicht mehr die eigentliche Belastungseinwirkung, sondern ein schicksalhafter Verlauf in den Befund einfließe. Die Klägerin habe die belastende Tätigkeit 1989 aufgegeben. Für diesen Zeitpunkt seien keine Röntgenbilder vorhanden. Die ersten Aufnahmen seien erst knapp zehn Jahre später erstellt worden. Da aber auch 14 Jahre nach Tätigkeitsaufgabe nur im Segment L4/5 eine beginnende Chrondrose vorhanden gewesen sei, sei praktisch auszuschließen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt ein belastungskonformes Schadensbild vorgelegen habe.

Schließlich hat der Facharzt für Neurochirurgie L. vom A. K. Krankenhaus E. im Befundbericht vom 6. November 2007 nochmals eine relative lumbale Stenose in Höhe L4/5 bei breitbasiger Vorwölbung sowie einen kleinen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 diagnostiziert und den hierzu gefertigten MRT-Befund vom 31. Juli 2007 beigefügt. Nach wie vor bestehe keine Operationsindikation.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten, weil die Beklagte darin die Anerkennung einer BK 2108 zutreffend abgelehnt hat.

Da der von der Klägerin geltend gemachte Versicherungsfall (BK) vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sein soll, sind hier gemäß § 215 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) einschlägig. Mangels Anhaltspunkten dafür, dass der Beklagten für eine BK maßgebliche Tatsachen bis spätestens zum 31. Dezember 1993 bekannt geworden sind (siehe hierzu § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung), setzt der von der Klägerin verfolgte Anspruch voraus, dass sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der RVO die Merkmale einer BK erfüllt sind (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 4. Dezember 2001 – B 2 U 35/00 R – SozR 3-8440 Nr. 50 Nr. 1 oder Urteil vom 18. August 2004 – B 8 KN 1/03 U R – SozR 4-5670 Anl. 1 Nr. 2402 Nr. 1; siehe auch Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks. 12/405 S. 116 Buchst. b). Ob die als BK angeschuldigte Erkrankung der Klägerin nach dem Recht der DDR als BK anzuerkennen wäre, kann dahinstehen. Denn jedenfalls sind die Feststellungsvoraussetzungen nach der RVO nicht erfüllt.

Gemäß § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (§§ 539, 540, 543 bis 545 RVO) erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO. Voraussetzung der Anerkennung der hier strittigen BK 2108 ist nach deren Tatbestand das Vorliegen bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Danach müssen für die Feststellung einer BK 2108 folgende Kriterien erfüllt sein: Der Versicherte muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben oder getragen bzw. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verrichtet haben, bei ihm muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die durch diese beruflichen Einwirkungen entstanden ist, diese Erkrankung muss zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten gezwungen haben und der Versicherte darf eine solche Tätigkeit tatsächlich nicht mehr ausüben (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 RSozR 4-2700 § 9 Nr. 7).

Ausgehend hiervon war die Klägerin während ihrer Tätigkeit als Beschickerin bzw. Schabloniererin, die einer nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO (nunmehr § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) versicherten Tätigkeit als Beschäftigte entspricht, gefährdenden Einwirkungen im Sinne der BK 2108 ausgesetzt. Diese Einwirkungen sind jedoch nicht hinreichend als wesentliche (Mit)-Ursache ihrer LWS-Erkrankung wahrscheinlich zu machen. Auf die Frage des objektiven Zwangs zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit kommt es deshalb nicht mehr an.

Zunächst war die Klägerin während der von ihr angeschuldigten Zeit einer die LWS belastenden Tätigkeit im Sinne der BK 2108 ausgesetzt. Dabei kann offen bleiben, ob die von ihr in Abweichung von der Präventionsabteilung der Beklagten geschilderten Einwirkungen zu einer höheren Belastung der LWS geführt haben. Denn auch wenn die für sie ungünstigeren Angaben der Präventionsabteilung zugrunde gelegt werden, wird die für die Klägerin maßgebliche Gesamtbelastungsdosis von 8,5 MNh überschritten. Die Ermittlung der belastenden Einwirkungen erfolgt dabei nach dem so genannten Mainz-Dortmunder-Dosismodell (Jäger u.a., Arbeitsmedizin Sozialmedizin Umweltmedizin, 1999, 112 ff.), wobei bei Frauen grundsätzlich das Erreichen einer Mindestdruckkraft von 1.700 N pro Arbeitsvorgang erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2008 – B 2 U 14/08 R – juris; Mainz-Dortmunder-Dosismodell, a.a.O., S. 116).

Im Einzelnen ergibt sich für den Zeitraum von Mai 1972 bis Dezember 1982 unter Heranziehung der Angaben der Präventionsabteilung Folgendes:

Beidhändiges Heben von Werkstücken mit 7 kg Gewicht ergibt die Druckkraft F von 2.325 N, errechnet aus 7 kg Gewicht mal 75 N zuzüglich einer Konstante von 1.800 N. Da die für das Tragen der Werkstücke neben dem Körper angesetzte Druckkraft von 1.000 N den o.g. Mindestwert von 1.700 N nicht erreicht, ist insoweit keine belastende Einwirkung zu berücksichtigen. Das Quadrat der Druckkraft F von 2.325 N ist mit der Einwirkungszeit von 0,6944 h (500 Vorgänge pro Schicht von je 5 Sekunden Dauer: 3.600) pro Arbeitstag zu einer Zwischengröße von 3.753.666 Nh zu vervielfältigen, die dann durch die tägliche Arbeitsstundenzahl von 8 zu teilen und daraus die Wurzel zu ziehen ist, was zu einem Betrag von 684,99 N führt. Dieses Ergebnis ist wiederum mit 8 Stunden auf 5.479,92 Nh pro Arbeitstag zu vervielfältigen. Bei 220 Arbeitstagen jährlich und 10,5 Jahren ergibt diese Multiplikation 12.658.615 Nh bzw. 12,66 MNh.

Entsprechend ergeben sich für den Zeitraum von Januar 1983 bis April 1989 folgende Einwirkungen:

Einhändiges Heben von Farb- und Verdünnungskübeln mit 12,5 kg Gewicht ergibt die Druckkraft F von 3.425 N, errechnet aus 12,5 kg Gewicht mal 130 N zuzüglich einer Konstante von 1.800 N. Tragen der Kübel mit 12,5 kg Gewicht ergibt die Druckkraft F von 2.062,5 N, errechnet aus 12,5 kg Lastgewicht mal 85 N zuzüglich einer Konstante von 1.000 N. Bezüglich des Hebens ist das Quadrat der Druckkraft F von 3.425 N mit der Einwirkungszeit von 0,0028 h (2 Vorgänge pro Schicht von je 5 Sekunden Dauer: 3.600) pro Arbeitstag zu einer Zwischengröße von 32.845,75 Nh zu vervielfältigen. Für das Tragen ist das Quadrat der Druckkraft F von 2.062,5 N mit der Einwirkungszeit von 0,0278 h (2 Vorgänge pro Schicht von je 50 Sekunden Dauer: 3.600) pro Arbeitstag zu einer Zwischengröße von 11.825,59 Nh zu vervielfältigen.

Für die Rumpfbeugehaltung bei der Kontrolle der auszubessernden Teile (Neigung des Oberkörpers um mehr als 90°), für die kein Mindestdruckkraftwert gilt (vgl. Mainz-Dortmunder-Dosismodell, a.a.O., S. 116), ist pro Arbeitsvorgang eine Druckkraft von 1.700 N anzusetzen. Das Quadrat dieser Druckkraft ist mit der Einwirkungszeit von 1,0417 h pro Arbeitstag (durchschnittlich 7,5 Sekunden pro Verrichtung mal 25 mal 2 [Schraubverbindung bzw. Hebel] mal 10 Maschinen am Tag: 3.600) zu einer Zwischengröße von 3.010.513 Nh zu vervielfältigen. Aus den Zwischengrößen 32.845,75 Nh (Heben), 11.825,59 Nh (Tragen) sowie 3.010.513 Nh (Rumpfbeugehaltung) ist die Summe von 3.055.184,3 Nh zu bilden, die dann durch die tägliche Arbeitsstundenzahl von 8 zu teilen und daraus die Wurzel zu ziehen ist, was zu einem Betrag von 617,98 N führt. Dieses Ergebnis ist wiederum mit 8 Stunden auf 4.943,84 Nh pro Arbeitstag zu vervielfältigen. Bei 220 Arbeitstagen jährlich und 6,2 Jahren ergibt die Vervielfältigung 6.743.397,8 Nh bzw. 6,7 MNh.

Die sich aus der Addition der so ermittelten 12,66 MNh (Mai 1972 bis Dezember 1982) und 6,7 MNh (Januar 1983 bis April 1989) ergebende Gesamtdosis liegt mit 19,36 MNh (weit) oberhalb der für Frauen relevanten Gesamtbelastungsdosis von 8,5 MNh.

Trotz ihres so errechneten Umfangs lassen sich diese Einwirkungen nach dem insoweit einschlägigen Beweismaßstab jedoch nicht hinreichend als wesentliche (Mit)-Ursache des LWS-Leidens der Klägerin wahrscheinlich machen.

Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den geltend gemachten Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedingung" in Eingrenzung der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jede nicht hinwegzudenkende Bedingung (conditiosinequa-non) kausal ist, voraus, dass die versicherte Einwirkung bei wertender Betrachtung nicht nur irgendeine Bedingung war, sondern wegen ihrer besonderen Beziehung zur geltend gemachten Krankheit wesentlich mitgewirkt hat (vgl. KassKomm-Ricke, Stand Dezember 2010, § 8 SGB VII Rn. 4 und 15, m.w.N.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (hier der Erkrankung) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind neben der Art und des Ausmaßes der versicherten Einwirkung sowie möglicher konkurrierender Ursachen insbesondere der zeitliche Verlauf und die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Danach liegt keine ernste Zweifel ausschließende Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass zwischen der Tätigkeit der Klägerin als Beschickerin bzw. Schabloniererin und der von ihr als BK geltend gemachten Erkrankung ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher ist lediglich möglich. Für ihn lässt sich zwar die Exposition als solche anführen. Entscheidende Zweifel an der angeschuldigten Ursachenbeziehung werden jedoch schon durch den zeitlichen Aspekt hervorgerufen.

Nach dem Wortlaut des Tatbestandes der BK 2108 steht die Aufgabe der belastenden Tätigkeiten nämlich in einer zeitlichen Beziehung zur maßgeblichen Krankheit. Es geht um Krankheiten, die die Aufgabe von Tätigkeiten erzwungen haben, weil die Tätigkeiten – schon vorher – für die Entstehung oder Verschlimmerung der Krankheit ursächlich waren. Folglich muss die Krankheit schon bei der Entstehung des Unterlassungszwangs vorgelegen haben. Weiterhin muss die Aufgabe der Tätigkeit krankheitsbedingt erzwungen sein, d.h. die Tätigkeit muss bis zum Entstehen des Zwangs noch ausgeübt worden sein. Dies vorausgeschickt, ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor Aufgabe der Tätigkeit der Klägerin Ende April 1989, von deren Vorliegen sich der Senat volle Überzeugung bilden können müsste (vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen dieses Beweismaßstabs BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 – 2 RU 27/86 – SozR § 548 Nr. 84; Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 RSozR 4-5671 § 6 Nr. 2), nicht nachgewiesen. Vielmehr ergeben sich erste Ansatzpunkte hierfür frühesten aus dem Arztbrief des A. K. Krankenhauses E. vom 11. August 1997, in dem unter Bezugnahme auf ein MRT die Diagnose einer Bandscheibenvorwölbung in Höhe L5/S1 gestellt wird. Eine Arbeitsunfähigkeit wegen eines Wurzelreizsyndroms L5/S1 ist nach der Aufstellung der zuständigen Krankenkasse überhaupt erstmals vom 20. Januar bis zum 11. Februar 1998 verzeichnet.

Die Angaben der Klägerin zum Krankheitsbeginn kann der Senat schon deshalb nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen, weil sie vorliegenden sonstigen Tatsachen widersprechen. So hat die Klägerin in ihrem Antragsschreiben vom 12. Januar 2005 sowie zur Begründung ihres Widerspruchs zwar bekundet, dass erste Krankheitsbilder bereits im Juli 1978 aufgetreten seien und sie die Tätigkeit als Lackiererin und Schabloniererin wegen ihrer Wirbelsäulenprobleme schon Anfang 1989 nicht mehr habe verrichten können. Aus den hierzu angeführten Schreiben der Konfliktkommission vom 10. Januar und 22. Februar 1989 lassen sich insoweit allerdings keine aussagekräftigen Indizien gewinnen. Lediglich im letztgenannten Schreiben ist überhaupt von einem ärztlichen Gutachten und einer Umsetzung in die Küche die Rede. Auf welche Erkrankungen sich ein solches Gutachten bezieht, ist ohne weiteres nicht zu erkennen. Angesichts des Attests von Dr. K. vom 17. Januar 1989 in Verbindung mit seiner Mitteilung vom 5. Februar 1987 erscheint als Erklärung der von ihm aufgrund eines Ultraschallbefundes empfohlenen Umsetzung aus der Farbgebung anstatt einer LWS-Erkrankung ein internistisches Leiden nahe liegend, wie Dr. B. in ihrem Gutachten vom 13. September 2007 plausibel ausgeführt hat. Hierfür spricht nicht nur, dass die Klägerin laut den Dres. B., R. und I. u.a. an einer chronischen Gastritis, einer Hyperurikämie, einer ausgeprägten Fettleber sowie einer Fettstoffwechselstörung leidet. Vielmehr wird eine solche Erklärung vor allem auch durch die Einträge im SV-Ausweis gestützt. Denn nach den dort verzeichneten Diagnose-Nrn. der seinerzeit gültigen ICD 9 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, gegenwärtig in der Fassung der ICD 10 German Modifikation 2011; abrufbar unter www.dimdi.de) war die Klägerin wegen Gastritis- bzw. chronischer Lebererkrankungen u.a. gerade auch von Januar bis März 1987 arbeitsunfähig erkrankt. Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Rückenbeschwerden lassen sich für das Jahr 1987 aus dem SV-Ausweis dagegen nur für die Zeit vom 25. August bis 4. September entnehmen. Überdies hatte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 12. Januar 2005 ursprünglich selbst angegeben, dass die ärztlich als erforderlich angesehene Arbeitsplatzumsetzung im Zusammenhang mit dem Tragen von Arbeitsschutzkleidung und einer Atemmaske stand, was ebenfalls keinen erkennbaren Bezug zu einer relevanten Erkrankung der LWS aufweist.

Die im SV-Ausweis enthaltenen Einträge zur Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen nicht näher bezeichneter Affektionen des Rückens im April 1981, Juli 1984, März sowie Mai/Juni 1985, Mai/Juni 1986, November/Dezember 1986 sowie August/September 1987 erlauben ebenfalls keinen ausreichend sicheren Schluss gerade auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS. Denn hierfür ist der Nachweis von Bandscheibendegenerationen (Diskosen), Instabilitäten im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfällen, degenerativen Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöchernen Ausziehungen an den Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose) oder aber von degenerativen Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) erforderlich, wobei das Krankheitsbild neben einem durch Veränderungen an der Bandscheibe verursachten objektivierten Schaden zu chronischen oder chronisch wiederkehrenden Beschwerden mit Funktionseinschränkungen der LWS führen muss (siehe BSG, Urteil vom 31. Mai 2005 – B 2 U 12/04 R – SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2). Im Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur BK 2108 vom 1. September 2006 (BArbBl. 10-2006, S. 30 ff.) sind als einschlägige Erkrankungen u.a. lokale Lumbalsyndrome, chronisch rezidivierende Beschwerden in der Kreuz-Lendengegend (z.B. Lumbago, Segmentlockerung oder Facettensyndrom) oder aber mono- und polyradikuläre lumbale Wurzelreizsyndrome sowie pseudoradikuläre Schmerzen aufgeführt.

Entsprechende Befunde finden sich hier – wie bereits oben ausgeführt – allerdings frühestens seit Mitte August 1997. Erst aus dem MRT vom 30. November 1998 gehen überhaupt minimale Vorwölbungen der Bandscheiben L3/4, L4/5 und L5/S1, eine Chondrose bei L5/S1 sowie geringe Zeichen einer Spondylarthrose bei L4/5 hervor. Das MRT vom 2. Oktober 1999 erbrachte dann erstmals einen (mittelgroßen) Bandscheibenvorfall bei L5/S1 mit Affektion der Nervenwurzel sowie eine kleine Bandscheibenvorwölbung bei L4/5 mit Einengung des Spinalkanals. Das anlässlich seiner Untersuchung der Klägerin gar erst am 8. Februar 2007 durch Prof. Dr. R. gutachtlich gesicherte Krankheitsbild der Klägerin in Form eines Schmerzsyndroms bei beginnender Gefügelockerung der unteren LWS würde nach den als maßgeblich für die Einschätzung des Ursachenzusammenhangs heranzuziehenden (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – juris) Konsensempfehlungen (siehe Trauma und Berufskrankheit 2005, 211 ff.) für sich betrachtet zwar grundsätzlich der Konstellation B2 entsprechen. Denn neben dem Bandscheibenvorfall bei L5/S1 liegt bei der Klägerin in Höhe L4/5 ein Chondrosegrad I vor, was – entgegen Prof. Dr. R. – zur Erfüllung des erforderlichen Zusatzkriteriums ausreicht. Insoweit genügt nämlich eine Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben, ohne dass es – anders als zum Erreichen eines Eingangskriteriums – eines Chondrosegrades II bedarf (siehe Konsensempfehlungen Abschn. 1.4, a.a.O., S. 217). Wie Prof. Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. September 2007 unter Heranziehung der Konsensempfehlungen nachvollziehbar dargelegt hat, ist für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs vor allem der bildgebende Befund zum Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit wegweisend (Konsensempfehlungen Abschn. 1.2, a.a.O., S. 214). Datieren hier die ersten LWS-Aufnahmen aber erst auf einen Zeitpunkt von mehr als acht Jahren nach Beendigung der belastenden Einwirkungen und ist auf den fast 14 Jahre später gefertigten Aufnahmen vom 7. Januar 2003 ein Chondrosegrad I nur bei L4/5 vorhanden, verbleiben beim Senat gewichtige Zweifel, dass dieses Schadensbild auch schon bis spätestens Ende April 1989 vorgelegen hat. Denn mit der Länge des Zeitraums zwischen dem Ende der Exposition und der erstmaligen Krankheitsdiagnose nimmt die Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen ab (Konsensempfehlungen Abschn. 1.4, a.a.O., S. 216 und 217). Der praktische Ausschluss einer Konstellation B2 bis spätestens Ende April 1989 durch Prof. Dr. R. leuchtet ohne Weiteres ein. Denn geht ein mittelgroßer Bandscheibenvorfall bei L5/S1 überhaupt erst aus dem MRT vom 2. Oktober 1999 hervor, wohingegen die MRT-Aufnahmen von August 1997 und vom 30. November 1998 insoweit noch unergiebig sind, und ist ein Chondrosegrad I bei L4/5 gar erst den Röntgenaufnahmen vom 7. Januar 2003 zu entnehmen, hat sich das Schadensbild erst seit Oktober 1999 innerhalb von gut drei Jahren – und über zehnjähriger Karenz zu den letzten belastenden Einwirkungen – entwickelt. Dass bis zum Zeitpunkt der Einstellung der belastenden Tätigkeit keine Röntgenbilder der LWS gefertigt wurden, ergibt sich aus den Einträgen im SV-Ausweis. Danach datiert die einzige Röntgengroßaufnahme nämlich vom 7. Januar 1988 und wurde wegen einer akuten Bronchitis (Diagnose-Nr. 466 ICD 9) gefertigt. Folglich kam es insbesondere nicht (mehr) darauf an, dass Dr. K. die Klägerin laut ihren Angaben zwischen 1984 (so Aufstellung vom 31. Mai 2005) und 1998 (Widerspruchsbegründung) auch wegen Wirbelsäulenbeschwerden behandelt hat.

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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