Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 1121/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 287/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2008 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass bei dem Kläger eine BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Die Beklagte trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war -.
Der 1953 geborene Kläger ist seit dem 17. September 1974 bei der B S (BSR) beschäftigt. Zunächst wurde er als Handreiniger eingesetzt, aufgrund anhaltender orthopädischer Beschwerden arbeitete er jedoch ab ca. August 1987 im Zwei-Schicht-System als Bedürfnisanstaltsreiniger (BA-Reiniger). Im März 1997 machte er nach eigenen Angaben ein Seminar zur Graffiti-Entfernung und wurde dann laut Inhalt der betriebsärztlichen Akte ab Juni 1997 zu 25% als Graffitientferner und im Übrigen als Reiniger auf der Autobahn eingesetzt. In der Folgezeit arbeitete er u. a. im Bereich Hausreinigung (innen), im so genannten Caddy-Projekt und als Hofarbeiter. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt (Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Bvom 19. April 2004).
Am 02. April 1996 erlitt er um 8:50 Uhr bei der Reinigung der BA-Anstalt am Splatz eine Kanülenstichverletzung am linken Ringfinger. Laut der Unfallanzeige vom 03. April 1996 hatte er sich "beim Aufheben von Unrat mit im Unrat befindlicher Spritze in den linken Ringfinger" gestochen. Als Schutzausrüstung hatte er Gummihandschu-he getragen. Am selben Tag um 9:25 Uhr stellte er sich in der Unfallchirurgie des S-Krankenhaus vor. Dort erhielt er Immunglobulin, u. a. eine Ampulle Hepatect R (10 ml) intravenös. Außerdem wurde ein HIV-Test gemacht. Im Durchgangsarztbericht (DAB) vom 02. April 1996 hieß es zum Hergang: "Beim Reinigen eines Waschbeckens in einem öffentlichen WC hat sich der Versicherte am 4. Finger der linken Hand mit einer umher liegenden Kanüle verletzt". In der Folgezeit führte die behandelnde praktische Ärztin des Klägers, Frau W, bei dem Kläger eine Hepatitis-B-Immunisierung mit dem Präparat Engerix-B durch. Der Kläger erhielt nach eigenen Angaben insgesamt drei Injektionen am 06. Mai, 06. Juni und 05. November 1996. Kontrolluntersuchungen wurden anschließend nicht durchgeführt.
Mit serologischem Befund vom 17. Oktober 2002 wurde bei dem Kläger im Rahmen einer Vorstellung in der Medizinischen Poliklinik/Rheumasprechstunde des Universitätsklinikums B F eine Hepatitis-B-Infektion nachgewiesen. Labortechnische
Blutuntersuchungen bei der Ehefrau des Klägers konnten weder eine Hepatitis-B-Infektion noch eine Immunisierung sichern (Befund vom 08. November 2002). Die Beklagte beauftragte den Leiter der Medizinischen Klinik und Poliklinik Hepatologie und Gastroenterologie der C, Prof. Dr. H, mit der Erstellung eines
Zusammenhangsgutachtens zu der Frage, ob die Hepatitis-B-Infektion Folge der Kanülenstichverletzung vom 02. April 1996 sei. In seinem Gutachten vom 15. Juni 2003 stellte der Gutachter eine chronische Hepatitis-B-Virusinfektion i. S. e. asymptomatischen HBsAg-Trägerstatus fest, verneinte jedoch einen wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang, da bei einer vier Wochen nach der Verletzung einsetzenden Impfung die Entwicklung einer klinisch relevanten Hepatitis-B-Virusinfektion mit Erregerpersistenz eher nicht wahrscheinlich sei. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Stichverletzung bereits eine chronische Hepatitis-B-Virusinfektion gehabt habe. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05. August 2003 die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 02. April 1996 ab. Der Wi-derspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2004). In dem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin zu dem Aktenzeichen S 68 U 117/04 fertigte der Internist und Gastroenterologe Prof. Dr. S im Auftrag des Gerichts nach Aktenlage am 30. März 2005 ein Sachverständigengutachten, in dem er ebenfalls zu dem Schluss gelangte, die Hepatitis-B-Virusinfektion sei nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge der Stichverletzung vom 02. April 1996. Es sei aufgrund der bereits 1993 und im Januar 1996 festgestellten deutlich erhöhten Rheumawerte nicht auszuschließen, dass bereits deutlich vor der Stichverletzung vom 02. April 1996 eine chronische Hepatitis-B-Virusinfektion vorgelegen habe. Die passive Hepatitis-B-Prävention eine Stunde nach der Verletzung sowie die aktive Hepatitis-B-Prophylaxe ab dem 06. Mai 1996 hätten eine adäquate und ausreichende Prophylaxe gegen eine Hepatitis-B-Virusinfektion dargestellt. Die Tatsache, dass trotz dieser Prophylaxe eine Hepatitis-B-Virusinfektion vorliege, spreche für eine vorbestehende Infektion. Die Kla-ge wurde durch – rechtskräftigen - Gerichtsbescheid vom 20. November 2006 abgewiesen.
Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung einer BK 3101. Nach Einholung einer Stellungnahme der Gewerbeärztin Dr. F lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. Mai 2008 jedoch die Anerkennung einer BK 3101 ab, da der Kläger nicht zu dem von der BK erfassten Personenkreis zähle. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2008).
Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) hat der Kläger ausgeführt, er sei im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Reinigung von Toiletten regelmäßig mit Fixerbestecken in Kontakt geraten und habe sich trotz Schutzbekleidung an Nadeln verletzt. Es sei allgemein bekannt, dass in öffentlichen Toiletten aufgefundene Fixerbestecke regelmäßig mit Hepatitis-B-Viren kontaminiert seien. Er habe sich die Erkrankung durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen. Anhaltspunkte für einen Erwerb der Krankheit durch außerberufliche Einwirkungen lägen nicht vor.
Die Beklagte hat eine Auskunft der BSR vom 16. Juli 2009 nebst einer Beschreibung des Aufgabenkreises (BAK) der Tätigkeit des Anstaltsreinigers sowie einem Auszug aus dem Zusatz-Tarifvertrag BSR Nr. 1 vom 02. August 1991 – "§ 8 Arbeitsleistung und Besetzung der Fahrzeuge bei der Reinigung der Bedürfnisanstalten" – vorgelegt. Danach seien Beschäftigten, die in der Toilettenreinigung eingesetzt gewesen seien, Gummihandschuhe zur Verfügung gestellt worden. Hauptgrund hierfür seien der Schutz der Hände vor der Einwirkung der Reinigungsmittel sowie der Hygieneschutz gewesen. Es habe sich um etwas dickere Handschuhe gehandelt, die einen gewissen, jedoch keinen 100%-igen Schutz gegen Stich- und Schnittverletzungen gewährleistet hätten. Je nach Standort der Bedürfnisanstalt hätten Reiniger immer wieder einmal vom Auffinden von Spritzen bzw. Fixerbestecken berichtet. Spezielle betriebliche Erhebungen seien nicht bekannt. Am Boden liegende Spritzen und Fixerbestecke hätten mit Schaufel und Besen aufgenommen werden sollen. Bei dem Kläger sei nur ein einziger Unfall mit Nadelstichverletzung bekannt geworden.
Das SG hat die Klage mit dem von ihm sinngemäß gefassten Begehren, eine BK Nr. 3101 festzustellen und wegen der Folgen der BK Entschädigungsleistungen zu gewähren, durch Gerichtsbescheid vom 14. September 2009 abgewiesen. Der Kläger sei keiner erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen, die bei ihm eine Hepatitis-B-Erkrankung verursacht haben könne. Da der Kläger nicht im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium beschäftigt gewesen sei, sei ent-scheidend, ob er durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt gewesen sei. Insoweit sei nicht allein auf die Personengruppe der Müllentsorger bzw. Reinigungskräfte abzustellen. Vielmehr sei die vom Kläger konkret ausgeübte Tätigkeit zu berücksichtigen. Bei der BK 3101 sei festzustellen, ob dem versicherten Tätigkeitsbereich eine abstrakte Gefährdung innewohne und sich die generelle Gefahr auf Grund der im Gefahrenbereich individuell vorgenommenen Verrichtungen auch tatsächlich realisiert haben könne. Zwar bestünden hier Anhaltspunkte für eine abstrakte Gefahrenlage, da das Entleeren öffentlicher Abfallbehälter und Reinigen von Bedürfnisanstalten in Ortsbereichen, in denen Drogenabhängige sich gehäuft zum Drogenkonsum aufhielten und die von ihnen benutzten Spritzen ent-sorgten, mit einer Ansteckungsgefahr einhergehe, zumal die Durchseuchung der Gruppe der Drogenabhängigen mit Hepatitis B überdurchschnittlich hoch, das Virus außerhalb des menschlichen Körpers in Blutresten über Tage überlebensfähig sei und die Nadelstichverletzung auch ein geeigneter Übertragungsweg sei. Allerdings liege hier keine konkret erhöhte Infektionsgefahr des Klägers im Rahmen der von ihm tat-sächlich ausgeübten Verrichtungen vor. Dass die dokumentierte Nadelstichverletzung vom 02. April 1996 nicht in einem hinreichenden Wahrscheinlichkeitszusammenhang mit der Hepatitis-B-Infektion stehe, sei rechtskräftig festgestellt. Weitere Nadelstichverletzungen des Klägers seien nicht nachgewiesen. Aus der Mitteilung der BSR vom 16. Juli 2009 lasse sich darüber hinaus nicht entnehmen, dass die Verrichtungen des Klägers ihn mit einem durchseuchten Objektbereich in Berührung gebracht hätten. Schutzausrüstung in Form von Handschuhen sowie Arbeitsmittel zur Aufnahme der Spritzen/Fixerbestecke in Form von Schaufel und Besen hätten zur Verfügung gestanden.
Mit seiner hiergegen am 16. Oktober 2009 bei dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingegangenen Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Anerkennung einer BK 3101. Das SG habe bezüglich der konkreten Gefährdung des Klägers unzureichend ermittelt.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2008 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine BK nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat zunächst eine Auskunft der BSR vom 01. März 2010 eingeholt. Danach existiert die Tätigkeit des BA-Reinigers bei der BSR seit 1999 nicht mehr. Nach Durchsicht der Unfallanzeigen im Bereich der BA-Reiniger seit 1990 ergebe sich, dass etwa eine Kanülenstichverletzung pro Jahr gemeldet worden sei. Eine weitere Hepatitis-B-Infektion außer derjenigen des Klägers sei nicht bekannt. Es gebe keine interne Dokumentation über die Häufigkeit von Kanülenfunden in den Bedürfnisanstalten. Nach Aussage der befragten Mitarbeiter seien bei den Reinigungsarbeiten an
"sozialkritischen" Standorten bzw. Standorten mit regelmäßigen Besuchen von Drogenabhängigen oft Kanülen gefunden worden. Darüber hinaus ist der Auskunft ein Paar schwarze Gummihandschuhe beigefügt worden als Beispiel für die damals eingesetzten Handschuhe. Der Senat hat des Weiteren die Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen und Kopien hieraus in den Rechtsstreit eingeführt. Ferner ist eine Kopie der kompletten betriebsärztlichen Unterlagen des Betriebsärztlichen Dienstes der BSR beigezogen worden.
Im Rahmen eines Erörterungstermins (EÖT) ist der Kläger am 08. September 2010 befragt worden. Er hat hierbei bestätigt, dass es sich bei den von der BSR übersandten Gummihandschuhen um Handschuhe des Typs handelt, wie er sie während seiner Tätigkeit als BA-Reiniger benutzt habe. Er hat seine Tätigkeit als BA-Reiniger näher beschrieben und weitgehend die Beschreibung in § 8 des Zusatz-Tarifvertrags BSR Nr. 1 vom 02. August 1991 bestätigt. Es sei im Zwei-Schicht-System gearbeitet worden mit einer Frühschicht von ca. 6:00 Uhr bis 14:30 Uhr und einer Spätschicht bis ca. 22:00 oder 22:30 Uhr. Er sei meistens im Bereich um den K (u. a. J Straße, B) einge-setzt worden, aber auch z. B. in der H, am W oder im Park R. An Schutzausrüstung habe es von Anfang an die von der BSR erwähnten Schaufeln gegeben, später habe es zudem Zangen gegeben. Das Thema der Entsorgung von Fixerbestecken sei zwar auch von der BSR angesprochen worden, jedoch erst mit zunehmenden Jahren. Auf einzelnen Bedürfnisanstalten – z. B. in der J Straße – habe er zum Teil 20 Fixer getroffen. Im Materialraum habe es extra Behälter zur Entsorgung der Spritzen gegeben. Im Einsatzbereich um den K habe er täglich Spritzen gefunden. Schwerpunkt sei die J Straße gewesen. Auch in der Sstraße, am B und am N seien Spritzen zu finden ge-wesen. In den Nebenstraßen des K sei es weniger verbreitet gewesen. Hingegen habe man auch in anderen Bedürfnisanstalten, z. B. am W, in der H oder in den R Sprit-zen gefunden.
Die Berichterstatterin hat schließlich im EÖT vom 11. November 2009 die Zeugen U Z und P A zu den Arbeitsbedingungen als BA-Reiniger bei der BSR in den 90er Jahren: Kontakt mit Drogenbestecken und Spritzen sowie Schutzausrüstung (z. B. Handschuhe) vernommen. Die Zeugin Z hat bekundet, sie sei selber von 1987 bis 1997 BA-Reinigerin bei der BSR gewesen und habe von ca. 1994 bis 1997 mit dem Kläger zusammengearbeitet. Sie habe im Allgemeinen relativ feste Touren gehabt. Sie sei z. B. im W, in M, in S und in R eingesetzt worden. Mit dem Kläger habe sie im Bereich K und auch in Sund S gearbeitet. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als BA-Reinigerin habe sie täglich Kontakt mit Drogensüchtigen und Spritzen gehabt. Die Süchtigen hätten die Spritzen auf dem Bo-den, in der Fußbodenentwässerung, im Waschbecken hinterlassen und auch in die Klorollen in den Knick im Klo gestopft. Es hätten sich in allen Bezirken Drogenabhän-gige auf den Bedürfnisanstalten gefunden. Zum Teil hätten die Süchtigen auch in den Toiletten geschlafen. Die von der BSR übersandten Handschuhe habe man benutzen können, allerdings handele es sich um das Modell für Männer. Sie selber habe kleinere gelbe Handschuhe benutzt. Zangen zum Aufnehmen der Spritzen habe es nicht gegeben. Neben den Handschuhen hätten nur Besen, Handfeger und Schippe zur Verfügung gestanden. Sonderbehälter zur Spritzenentsorgung habe es nicht gegeben, auch keine speziellen Sicherheitsanweisungen der BSR. Sie seien lediglich aufgefordert worden, vorsichtig zu sein. Die auf dem Boden liegenden Spritzen habe sie mit Handfeger und Schippe aufgenommen. Die Anstalten seien nicht gewischt worden. Vielmehr sei der Boden mit dem Schlauch abgespritzt und anschließend das Wasser mit dem Abzieher entfernt worden. Waschbecken und Kloschüsseln seien mit dem feuchten Lappen gesäubert worden. Sie selber habe sich nie an einer Spritze verletzt. Sie habe auch nicht miterlebt, dass jemand anderes sich an einer Spritze verletzt habe. Insbesondere beim Reinigen der Entwässerung und auch bei den Klorollen habe man sehr vorsichtig sein müssen, da man nicht habe sofort sehen können, ob sich darunter oder darin eine Spritze verbarg. Der Zeuge A hat bekundet, er sei 11 Jahre lang bis zur Einstellung der Tätigkeit durch die BSR BA-Reiniger gewesen. Gelegentlich habe er mit dem Kläger zusammen ge-arbeitet. Schwerpunktmäßig sei er im Bereich K, z. B. am K oder an der J Straße, eingesetzt worden. Er habe daneben aber auch im W oder in N gearbeitet. Mit Spritzen sei er überall in Kontakt gekommen, am K sehr oft, an anderen Orten weniger. Die von der BSR übersandten Handschuhe habe er benutzt. Außer den Handschuhen habe es Zangen gegeben, die sich im Materialraum der Anstalten befunden hätten. Allerdings habe es sie nicht immer gegeben. Im Übrigen seien sie sehr unpraktisch gewesen. Er habe die Anstalten wie folgt gereinigt: Er sei hereingekommen, habe das Reinigungsmittel verteilt, Wasser darüber gekippt, geschrubbt, alles abgespritzt und abgezogen, den Müll auf die Schippe genommen und schließlich in den Sack befördert. Anschließend habe er mit dem Scheuerlappen trocken gewischt. Dabei habe man vorsichtig sein müssen, denn beispielsweise hinter dem Klo sei nicht zu sehen gewesen, ob dort nicht Spritzen oder Nadeln gelegen hätten. Mitunter seien die Nadeln und die Plastikkanülen getrennt verstreut gewesen. Da habe schon mal eine Nadel im Scheuerlappen hängen bleiben können. Die Plastikteile der Spritzen hätten auch im Klo gelegen und hätten dann von Hand herausgenommen werden müssen. Die Nadeln seien bereits heruntergespült gewesen. Aus dem Waschbecken habe er die Spritzen mit Besen oder Schippe oder Abzieher rausgeholt und auf den Boden verfrachtet. Auch wenn sich Spritzen im Abfluss der Entwässerung befunden hätten, habe er versucht, sie mit Besen oder Zange heraus zu holen. Gelegentlich habe es in den Materialräumen der Anstalten Sonderbehälter zur Spritzenentsorgung gegeben, öfters allerdings auch nicht. Im Allgemeinen seien die Spritzen in einem normalen Sack mit dem anderen Müll entsorgt worden. Er selber habe sich nie an einer Spritze verletzt und auch nicht miterlebt, wie jemand anderes sich verletzt habe. Er habe jedoch gehört, dass der Kläger und noch eine weitere Person sich verletzt hätten.
Die Beteiligten haben im EÖT am 11. November 2010 ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung des Senats nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu Protokoll erklärt.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten zum Gz. sowie die Akte des SG Berlin zum Az. S 68 U 117/04 verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist hier nur eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1 und 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass die Hepatitis-B-Infektion des Klägers eine BK 3101 ist. Soweit das Sozialgericht auch über die Gewährung von Entschädigungsleistungen entschieden hat, war dies unzulässig. Weder hat der Kläger dies beantragt noch hat die Beklagte in ihrem angefochtenen Bescheid vom 08. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2009 darüber entschieden.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts liegt bei ihm eine BK 3101 vor. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2009 war daher aufzuheben.
Ermächtigungsgrundlage für die Bezeichnung von BKen ist § 9 Abs. 1 SGB VII. Danach sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich
höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen (Satz 2).
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK (vgl. das Urteil des BSG vom 02. April 2009 - B 2 U 9/08 R -, in SozR 4-2700 § 9 Nr. 14). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden
Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. z. B. die Urteile des BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R -, in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Der Verordnungsgeber hat die BK 3101 wie folgt bezeichnet: "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Da sich bei dieser BK der Ansteckungsvorgang im Nachhinein häufig nicht mehr feststellen lässt, tritt an die Stelle der "Einwirkungen" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII eine erhöhte Infektionsgefahr, die im Vollbeweis vorliegen muss (vgl. hierzu die Urteile des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 30 /07 -, in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 und – B 2 U 33/07 -, in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 5). Ob der Versicherte einer der versicherten Tätigkeit innewohnenden
"Infektionsgefahr in besonderem Maße" ausgesetzt war, hängt einerseits von der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit, d. h. der kontaktierten Personen sowie der Objekte, mit oder an denen zu arbeiten ist, und andererseits von der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ab, die sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen bestimmt. Da für die Anerkennung der BK 3101 nicht eine schlichte Infektionsgefahr genügt, sondern eine (z. T. typisierend nach Tätigkeitsbereichen) besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt wird (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VII), kommt es darauf an, welche einzelnen Ar-beitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind (vgl. die Urteile des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 30/07 R – und – B 2 U 33/07 R – a. a. O.). Die mit der versicherten Tätigkeit verbundene Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen. Der spezifische Übertragungsweg eines bestimmten Krankheitserregers ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und ggf. technischer Sachkunde dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnis-stand zu entnehmen. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl. Urteil des BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - in SozR 4-2700 § 9 Nr. 20).
Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite - die beiden Elemente, die die "Einwirkung" in Form der "besonders erhöhten Infektionsgefahr" begründen – stehen wiederum in einer Wechselbeziehung zueinander (vgl. das Urteil des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 33/07 R -, a. a. O.). An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeits-bedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infek-tion behaftet sind, umso mehr gelangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Allerdings muss zumindest die Möglichkeit einer Infektion bestehen. Ist das nicht der Fall, weil z. B. trotz eines hohen Durchseuchungsgrades die Art der konkret
ausgeübten Tätigkeit einen Infektionsvorgang ausschließt, ist für die Annahme einer Gefahr von vornherein kein Raum. Kommt indes eine Infektion in Betracht, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist, sondern in besonderem Maße über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liegt. Dabei legt der Nachweis einer infizierten Kontaktperson bei gleichzeitiger übertragungsgefährdender Tätigkeit das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr nahe. Zwingend ist dieser Schluss aber nicht (vgl. das Urteil des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 33/07 R -, a. a. O.). Entscheidend ist immer die Gesamtwürdi-gung der das Arbeitsumfeld und die versicherte Tätigkeit betreffenden beiden Risiko-bereiche unter Berücksichtigung des spezifischen Übertragungsmodus und des Verbreitungsgrades der jeweiligen Infektionskrankheit.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger seine versicherte Tätigkeit nicht im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium ausgeübt. Entscheidend ist daher, ob er im Sinne der 4. Alternative der BK 3101 "durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war" und damit eine versicherte Tätigkeit i. S. d. BK 3101 ausgeübt hat. Gemäß den Darlegungen in dem Urteil des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 33/07 R – (a. a. O.), auf die auch das SG zu Recht hinweist, ist hierbei auf die Tätigkeit des Klägers als BA-Reiniger bei der BSR abzustellen und festzustellen, ob dem versicherten Tätigkeitsbereich eine abs-trakte Gefährdung innewohnt und sich die generelle Gefahr auf Grund der im Gefahrenbereich individuell vorgenommenen Verrichtungen auch tatsächlich realisiert haben kann.
Eine abstrakte Gefahrenlage ist nach dem Ergebnis der Beweiserhebung gegeben. Das nasse und trockene Reinigen öffentlicher Bedürfnisanstalten sowie die damit verbundene Aufnahme und Entsorgung des Mülls einschließlich der darin befindlichen Spritzennadeln in normalen Müllbeuteln, wie es der Kläger und die Zeugen Z und A beschrieben haben, in Ortsbereichen, in denen Drogenabhängige sich gehäuft zum Drogenkonsum aufhalten und die von ihnen benutzten Spritzen entsorgen bzw. liegen lassen, geht mit einer Ansteckungsgefahr einher. Allgemein bekannte Treffpunkte der Drogenszene in B waren bzw. sind u. a. der Bahnhof Z und Umgebung sowie die Kstraße in B-T. Darüber hinaus bilden, wie der Berliner Presse immer wieder zu entnehmen ist, z. B. der Hplatz mit dem angrenzenden Volkspark H sowie einigen Bahn-höfen auf der U-Bahnlinie U 8, das K Tor, der Nplatz und inzwischen auch der Wpark nahe der R Straße Schwerpunkte der Drogenszene. Der Kläger und auch die Zeugen waren u. a. im Bereich K in der Umgebung des Bahnhofs Z, am Nplatz oder auch im Volkspark H als BA-Reiniger tätig. Die bekannte Stichverletzung hat der Kläger z. B. in der Bedürfnisanstalt am Splatz erlitten, die sich ebenfalls noch in Fußwegnähe zum Bahnhof Z befand.
Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Der Durchseu-chungsgrad ist regional sehr unterschiedlich. Auf der Grundlage der 1998 durchgeführten Bundesgesundheitssurvey (BGS98) ergibt sich ein bundsweiter Durchseuchungsgrad von 7% bei Erwachsenen. 0,6% sind chronische Träger des HBs-Antigen-Träger (vgl. hierzu das Epidemiologische Bulletin des Robert Koch Instituts (RKI) Nr. 29 vom 25. Juli 2001 "Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010" auf S. 261 f sowie den RKI-Ratgeber für Ärzte "Hepatitis B" Stand 01. August 2004, jeweils veröffentlicht unter www.rki.de; Thierfelder, Meisel, Schreier, Dortschy "Die Prävalenz von Antikörpern gegen Hepatitis-A-, Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Viren in der deutschen Bevölkerung" in Gesundheitswesen 61 (1991) Sonderheft 2 S. 110 ff, 111; leicht abweichend: Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Stand April 2011, Anm. 12 zu M 3101 und Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Anm. 9.2.2.2 S. 716: 7,4%). Die jährlichen Fallmeldungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind sinkend. Während 2001 noch insgesamt 3.865 Fallmeldungen gab, fiel die zahl 2002 auf insgesamt 2.885. Seit 2008 ist die Gesamtzahl gemeldeter Fälle unge-fähr gleich bleibend um die 1.800 (vgl. hierzu das Epidemiologische Bulletin des RKI vom 25. Juli 2001 "Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010" auf S. 263 a. a. O.). Innerhalb der Bundesre-publik variiert die jährliche Inzidenz stark zwischen 0,4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner in Niedersachsen und 2,0 in Berlin (vgl. hierzu das Epidemiologische Bulletin des RKI vom 25. Juli 2001 "Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010" auf S. 263 a. a. O.). Demgegenüber ist die Durchseuchung innerhalb der Gruppe der Drogenabhängigen mit dem Hepatitis-B-Virus überdurchschnittlich hoch, sie wird mit 50-60% der intravenösen Drogenverbraucher angenommen (vgl. hierzu das Epidemiologische Bulletin des RKI vom 25. Juli 2001 "Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010" auf S. 267 a. a. O.; abweichend:
Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., Anm. 12 zu M 3101 und Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 9.2.2.2 S. 716: 64,4%). Die Übertragung des Virus erfolgt überwiegend durch Blut bzw. Plasma oder Serum. Bereits kleinste Mengen Blut können das Virus übertragen, wenn es über – geringfügige - Verletzungen der Haut oder Schleimhaut in den Körper gelangt (vgl. den RKI-Ratgeber für Ärzte a. a. O.). Das Virus kann allerdings nicht die Barriere der unverletzten Haut durchdringen (vgl. Böhm/Jilg, "Die Stabilität und Dauer der Infektiosität von Hepatitis A-Viren, Hepatitis B-Viren und Hepatitis C-Viren außerhalb des menschlichen Organismus als wichtige Kriterien für die Beurteilung des berufsbedingten Infektionsrisikos", in Selmair/Manns, Virushepatitis als Berufskrankheit, 3. Aufl. 2007, S. 152, 154). Das Hepatitis-B-Virus ist in kleineren Mengen auch in Speichel, Tränenflüssigkeit, Sperma, Vaginalsekret, Menstrualblut und Colostrum enthalten, wenngleich in geringeren Mengen, nicht jedoch in Urin oder Stuhl (vgl. den RKI-Ratgeber für Ärzte; Schönberger/Mehrtens/Valtenin a. a. O. Anm. 9.2.2.2 S. 716). Darüber hinaus ist das Hepatitis-B-Virus auch außerhalb des mensch-lichen Körpers insbesondere in Blut- und Plasmaresten über einen Zeitraum von meh-reren Tagen und auch bei eingetrocknetem kontaminiertem Material überlebensfähig (vgl. Böhm/Jilg, "Die Stabilität und Dauer der Infektiosität von Hepatitis A-Viren, Hepatitis B-Viren und Hepatitis C-Viren außerhalb des menschlichen Organismus als wichtige Kriterien für die Beurteilung des berufsbedingten Infektionsrisikos", in
Selmair/Manns, a. a. O., S. 153 f). Eine Ansteckung (Infektion) kann sowohl direkt durch Transfusion von infektiösem Blut oder durch Kanülenverletzung als auch indirekt, z. B. durch kontaminierte Gegenstände, erfolgen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 12 zu M 3101). Hierbei stellt die Nadelstichverletzung, insbesondere mit einer Hohlnadel, ein Übertragungsweg dar, der ein besonders hohes Übertragungsrisiko beinhaltet, da hier regelmäßig der Transfer relativ großer Mengen menschlichen Blutes möglich ist (vgl. Wasmuth/Trautwein, Vorgehen nach Nadelstichverletzung bei Hepatitis B- und C-Infektion in der Klinik, in Selmair/Manns, a. a. O., S. 174). Bekannt und Schätzungen nach inzwischen sogar der häufigste Übertragungsweg ist der Sexualkontakt (vgl. den RKI-Ratgeber für Ärzte sowie Wasmuth/Trautwein, Vorgehen nach Nadelstichverletzung bei Hepatitis B- und C-Infektion in der Klinik, in Selmair/Manns, a. a. O., S. 172).
Lassen die Tätigkeitsart und das Arbeitsumfeld auf eine abstrakte Gefährdungslage schließen, bedarf es außerdem der tatsächlichen Feststellungen zur Notwendigkeit einer konkret erhöhten Infektionsgefahr und damit zu der Frage, ob die Verrichtungen des Klägers ihn mit einem durchseuchten Objektbereich in Berührung gebracht haben oder ob sie im Hinblick auf den Übertragungsmodus der Hepatitis-B-Infektion sowie ihrer Art, Häufigkeit und Dauer nach besonders infektionsgefährdend waren.
Gemäß der Arbeitsplatzbeschreibung in § 8 des Zusatz-Tarifvertrags BSR Nr. 1 vom 02. August 1991 und den Angaben des Klägers umfasste die Tätigkeit als BA-Reiniger im relevanten Zeitraum von 1987 bis 1997: • Einsprühen der Wand- und Fußbodenflächen sowie der PP-Rinnen mit Lö-sungsmitteln • Reinigen und Desinfizieren der Sitzbecken • Reinigen der Wand- und Bodenfliesen sowie der PP-Rinnen • Neutralisieren der verwendeten Lösungsmittel • Trockenwischen aller nass gereinigten Flächen • Aussäuern der Geruchsverschlüsse • Entfernen von Schmierereien • Reinigen der unmittelbaren Umgebung der Bedürfnisanstalt • Öffnen und Schließen der Bedürfnisanstalten • Feststellen und Melden von Beschädigungen • Ersetzen verbrauchter Hygieneartikel • Überprüfen der Einstellung von Zeituhren • Kontrollieren der Hebeanlagen • Fertigen von Tagesberichten • Erfüllen besonderer Aufgaben nach Maßgabe von Einsatzplänen und Touren-stelle • Heizen und Einlegen von Brennmaterial • Beseitigen von Heizungsrückständen • Schnee- und Glättebeseitigung in unmittelbarer Umgebung der Bedürfnisan-stalt. Dazu zählten nach Angaben des Klägers sowie der beiden gehörten Zeugen auch die eigentliche Müll-/Unratentsorgung in normalen Müllbeuteln und die Entfernung von Blutflecken. Der Zeuge A hat die Reinigungsarbeiten detailliert wie folgt dargestellt: Er sei hereingekommen, habe das Reinigungsmittel verteilt, Wasser darüber gekippt, geschrubbt, alles abgespritzt und abgezogen, den Müll auf die Schippe genommen und schließlich in den Sack befördert. Anschließend habe er mit dem Scheuerlappen trocken gewischt. Spritzen sowie auch Fixerbestecke haben sich nach den Bekun-dungen der Zeugen sowie den Angaben des Klägers u. a. in Bedürfnisanstalten in Knähe, insbesondere in der J Straße sowie am B, im Volkspark H, in B-S am N, in S, in K am W gefunden. Schwerpunkt war allerdings der K mit Umgebung. Die BSR hat in ihren Auskünften vom 16. Juli 2009 und 01. März 2010 bestätigt, dass an "sozialkri-tischen" Standorten regelmäßig Spritzen gefunden worden seien. Dem hat die BSR offenbar auch insoweit Rechnung getragen, dass zumindest gelegentlich – hier bestand Uneinigkeit unter den Zeugen und dem Kläger – in den Materialräumen auch gesonderte Entsorgungsbehälter für die benutzten Spritzen zur Verfügung standen. Eine Dokumentation der Spritzenfunde ist von der BSR nicht erstellt worden. In den Bedürfnisanstalten fanden sich die Spritzen sowohl auf dem Boden als auch in den Waschbecken, in der Entwässerung, in den Toilettenschüsseln als auch versteckt in Klopapierrollen. Neben den normalen Werkzeugen zur Reinigung wie Wischlappen, Schrubber oder Abzieher standen speziell zur Aufnahme von Unrat jedenfalls Schippe und (Hand-) Besen zur Verfügung, zumindest teilweise bzw. zeitweise auch Zangen. Tatsächlich wurden die Spritzen – soweit möglich – mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aufgenommen und in den Müll entsorgt, dies war jedoch nicht immer möglich und zum anderen war auch die Aufnahme/Entsorgung mit Hilfsmitteln mit Verletzungsgefahr verbunden wie sich aus den Bekundungen des Zeugen A: "Da konnte einem schon mal eine Nadel im Scheuerlappen hängen bleiben" ergibt. Aber auch die Angabe der Zeugin Z, dass die Spritzen mitunter in den Klorollen in den Knick im Klo gestopft worden seien, macht deutlich, dass ein unvorhergesehener Kontakt mit Spritzen nicht vermeidbar war. Ferner ist offensichtlich, dass beispielsweise auch der Versuch, mit dem Handfeger Spritzen aus dem Waschbecken auf den Boden zu
befördern, eine erhebliche Gefahr für Stichverletzungen mit sich brachte, ebenso wie ein zu enger Kontakt mit den normalen Müllbeuteln, in denen sich auch Spritzen befanden. Zu letzterem hat der Zeuge A angegeben: "Wir haben den Sack deshalb auch immer mit ausgestrecktem Arm getragen." An Ausrüstung zum Schutz der Haut vor der Einwirkung der Reinigungsmittel sowie zur Gewährleistung der Hygiene (so die Auskunft der BSR vom 16. Juli 2009) standen für Männer schwarze und für Frauen gelbe Gummihandschuhe zur Verfügung, die jedoch keinen 100%-igen Schutz vor Stich- oder Schnittverletzungen gewährleisteten (so ebenfalls die Auskunft der BSR vom 16. Juli 2009), was sich auch in der Stichverletzung des Klägers vom 02. April 1996 sowie in der Tatsache niederschlägt, dass nach Angaben der BSR vom 01. März 2010 in den 90er Jahren etwa einmal jährlich eine Stichverletzung seitens der BA-Reiniger gemeldet wurde. Die vorgelegten schwarzen Gummihandschuhe Größe 11 haben eine Kennzeichnung nach DIN EN 388 (Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken nach europäischer Handschuhnorm). Gemäß dieser Norm müssen Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken für mindestens eine der Leistungseigenschaften a) Abriebfestigkeit, b) Schnittfestigkeit, c) Reißfestigkeit und c) Stichfestigkeit (Als Durchstichkraft wird diejenige Kraft definiert, die erforderlich ist, um ein auf einer Haltevorrichtung befestigten Prüfexemplar mit Hilfe eines Stahlstifts mit festgelegten Maßen zu durchstechen) die Leistungsstufe 1 erreichen. Die Schutzfunktion gegen mechanische Verletzungen wird mit einem Piktogramm und vier Ziffern (Leistungsindex) angezeigt. Die Ziffern verweisen jeweils auf die Leistungsstufen der Leistungseigen-schaften. Eine Anforderung, die nicht geprüft wurde, ist mit einem "X" zu versehen (vgl. allg. zu den Anforderungen der DIN EN 388 u. a. http://www.alwit.de/pdf/industrie/50-000-4%20%20%20%20%20EN%20388 Anforderungen.pdf oder http://schutzbe-kleidung24.de/dach/images/Technische Info/Norm Gesetz/EN388.pdf). Die vorliegenden Handschuhe haben die Kennzeichnung "X121", d. h. die Abriebfestigkeit wurde nicht geprüft, die Schnittfestigkeit erreicht die Leistungsstufe 1, die Reißfestigkeit die Leistungsstufe 2 und die Stichfestigkeit die Leistungsstufe 1. Diese Kennzeichnung lässt erkennen, dass es sich bei den vom Kläger bzw. allgemein BA-Reinigern bei der BSR verwendeten Handschuhen nicht um Schutzhandschuhe mit insgesamt hohen Leistungsstufen handelte und insbesondere dass die Stichfestigkeit keinen ho-hen Leistungsgrad erreichte, zumal die Prüfung der Stichfestigkeit sich nicht auf feine-re Nadeln wie bei Spritzen bezog, sondern auf etwas gröbere Stahlstifte. Die Tatsache, dass der BSR keine weiteren Fälle mit einer Hepatitis-B-Infektion bei BA-Reinigern bekannt ist, spricht nicht gegen eine konkret besonders erhöhte Infektions-gefahr, denn zum einen können diese unerkannt bleiben, zum anderen aus anderen Gründen bei Betroffenen Immunisierungen bereits vorgelegen und Infektionen verhin-dert haben. Es ist auch fraglich, ob Betroffene in jedem Fall später erkannte Infektio-nen mit ihrer Tätigkeit als BA-Reiniger in Verbindung bringen, zumal wenn sie nicht mehr bei der BSR tätig sein sollten.
Bei dem Kläger liegt letztlich eine gesicherte chronische Hepatitis-B-Infektion vor. Ausreichend ist hier der Trägerstatus; bereits dies stellt einen regelwidrigen krankhaf-ten körperlichen Zustand dar (vgl. Mehrtens/Brandenburg a. a. O Anm. 10.1 zu M 3101). Die chronische Hepatitis-B-Infektion ist schließlich mit Wahrscheinlichkeit auf die mit der Tätigkeit als BA-Reiniger verbundene besonders erhöhte Infektionsgefahr zurückzuführen. Liegt eine durch die versicherte Tätigkeit bedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr und die Infektionskrankheit vor, nimmt der Verordnungsgeber typisie-rend an, dass die Infektion während und wegen der Gefahrenlage erfolgte und die Erkrankung wesentlich verursacht hat. Für diese Typisierung ist allerdings dann kein Raum, wenn eine Infektion während oder aufgrund der versicherten Verrichtungen und damit der unterstellte Ursachenzusammenhang ausgeschlossen ist. Es darf we-der die Inkubationszeit gegen einen zeitlichen Zusammenhang der Krankheit mit der beruflichen Tätigkeit sprechen noch ein anderes, dem privaten Lebensbereich zuzu-ordnendes Infektionsrisiko die Erkrankung verursacht haben (vgl. das BSG-Urteil vom 02. April 2009 - B 2 U 30/07 R – a. a. O.). Zwar endete die Tätigkeit des Klägers als BA-Reiniger Mitte des Jahres 1997, während die Hepatitis-B-Infektion erst im Oktober 2002 nachgewiesen wurde. Dieser große zeitliche Abstand spricht jedoch nicht gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Sowohl der von der Beklagten im Unfallverfahren eingeschaltete Gutachter Prof. Dr. Hals auch der vom SG in dem Gerichtsverfahren S 68 U 117/04 angehörte Sachverständige Prof. Dr. S sind davon ausgegangen, dass bei dem Kläger bereits vor dem 02. April 1996 eine Hepatitis-B-Infektion vorlag. Eine Infektion nach der Stichverletzung vom 02. April 1996 ist angesichts der anschließend durchgeführten Immunisierung, die wenigstens 10 Jahre anhält (vgl. hierzu das Epi-demiologische Bulletin des RKI vom 25. Juli 2001 "Zur Situation bei wichtigen Infekti-onskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010" auf S. 263 und 266 a. a. O. und den RKI-Ratgeber für Ärzte a. a. O.), so dass eine Hepatitis-B-Infektion nach dem 02. April 1996 ausgeschlossen ist. Auch wenn der Arbeitsunfall vom 02. April 1996 als Infektionszeitpunkt ausscheidet, so hatte der Kläger die rele-vante Tätigkeit als BA-Reiniger bereits seit August oder November 1987 ausgeübt. Die Inkubationszeit für Hepatitis B beträgt zwischen einem und sechs Monaten, im Mittel 60 bis 90 Tage (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. Anm. 9.2.2.2 S. 714). Bluttransfusionen hat der Kläger nach eigenen Angaben zuvor nicht erhalten (vgl. die Angaben des Klägers bei der Begutachtung durch Prof. Dr. H am 07. Mai 2003), größere Operationen sind für den Zeitraum vor 1996 auch nicht aktenkundig. Die Ehefrau als Überträger scheidet laut dem Laborbefund vom 08. November 2002 ebenfalls aus. Eine Übertragung durch sexuelle Kontakte bzw. Fernreisen ist nicht ersichtlich.
Letztlich liegen daher hier alle Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 3101 vor, so dass der Berufung des Klägers stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2008 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass bei dem Kläger eine BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Die Beklagte trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war -.
Der 1953 geborene Kläger ist seit dem 17. September 1974 bei der B S (BSR) beschäftigt. Zunächst wurde er als Handreiniger eingesetzt, aufgrund anhaltender orthopädischer Beschwerden arbeitete er jedoch ab ca. August 1987 im Zwei-Schicht-System als Bedürfnisanstaltsreiniger (BA-Reiniger). Im März 1997 machte er nach eigenen Angaben ein Seminar zur Graffiti-Entfernung und wurde dann laut Inhalt der betriebsärztlichen Akte ab Juni 1997 zu 25% als Graffitientferner und im Übrigen als Reiniger auf der Autobahn eingesetzt. In der Folgezeit arbeitete er u. a. im Bereich Hausreinigung (innen), im so genannten Caddy-Projekt und als Hofarbeiter. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt (Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Bvom 19. April 2004).
Am 02. April 1996 erlitt er um 8:50 Uhr bei der Reinigung der BA-Anstalt am Splatz eine Kanülenstichverletzung am linken Ringfinger. Laut der Unfallanzeige vom 03. April 1996 hatte er sich "beim Aufheben von Unrat mit im Unrat befindlicher Spritze in den linken Ringfinger" gestochen. Als Schutzausrüstung hatte er Gummihandschu-he getragen. Am selben Tag um 9:25 Uhr stellte er sich in der Unfallchirurgie des S-Krankenhaus vor. Dort erhielt er Immunglobulin, u. a. eine Ampulle Hepatect R (10 ml) intravenös. Außerdem wurde ein HIV-Test gemacht. Im Durchgangsarztbericht (DAB) vom 02. April 1996 hieß es zum Hergang: "Beim Reinigen eines Waschbeckens in einem öffentlichen WC hat sich der Versicherte am 4. Finger der linken Hand mit einer umher liegenden Kanüle verletzt". In der Folgezeit führte die behandelnde praktische Ärztin des Klägers, Frau W, bei dem Kläger eine Hepatitis-B-Immunisierung mit dem Präparat Engerix-B durch. Der Kläger erhielt nach eigenen Angaben insgesamt drei Injektionen am 06. Mai, 06. Juni und 05. November 1996. Kontrolluntersuchungen wurden anschließend nicht durchgeführt.
Mit serologischem Befund vom 17. Oktober 2002 wurde bei dem Kläger im Rahmen einer Vorstellung in der Medizinischen Poliklinik/Rheumasprechstunde des Universitätsklinikums B F eine Hepatitis-B-Infektion nachgewiesen. Labortechnische
Blutuntersuchungen bei der Ehefrau des Klägers konnten weder eine Hepatitis-B-Infektion noch eine Immunisierung sichern (Befund vom 08. November 2002). Die Beklagte beauftragte den Leiter der Medizinischen Klinik und Poliklinik Hepatologie und Gastroenterologie der C, Prof. Dr. H, mit der Erstellung eines
Zusammenhangsgutachtens zu der Frage, ob die Hepatitis-B-Infektion Folge der Kanülenstichverletzung vom 02. April 1996 sei. In seinem Gutachten vom 15. Juni 2003 stellte der Gutachter eine chronische Hepatitis-B-Virusinfektion i. S. e. asymptomatischen HBsAg-Trägerstatus fest, verneinte jedoch einen wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang, da bei einer vier Wochen nach der Verletzung einsetzenden Impfung die Entwicklung einer klinisch relevanten Hepatitis-B-Virusinfektion mit Erregerpersistenz eher nicht wahrscheinlich sei. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Stichverletzung bereits eine chronische Hepatitis-B-Virusinfektion gehabt habe. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05. August 2003 die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 02. April 1996 ab. Der Wi-derspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2004). In dem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin zu dem Aktenzeichen S 68 U 117/04 fertigte der Internist und Gastroenterologe Prof. Dr. S im Auftrag des Gerichts nach Aktenlage am 30. März 2005 ein Sachverständigengutachten, in dem er ebenfalls zu dem Schluss gelangte, die Hepatitis-B-Virusinfektion sei nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge der Stichverletzung vom 02. April 1996. Es sei aufgrund der bereits 1993 und im Januar 1996 festgestellten deutlich erhöhten Rheumawerte nicht auszuschließen, dass bereits deutlich vor der Stichverletzung vom 02. April 1996 eine chronische Hepatitis-B-Virusinfektion vorgelegen habe. Die passive Hepatitis-B-Prävention eine Stunde nach der Verletzung sowie die aktive Hepatitis-B-Prophylaxe ab dem 06. Mai 1996 hätten eine adäquate und ausreichende Prophylaxe gegen eine Hepatitis-B-Virusinfektion dargestellt. Die Tatsache, dass trotz dieser Prophylaxe eine Hepatitis-B-Virusinfektion vorliege, spreche für eine vorbestehende Infektion. Die Kla-ge wurde durch – rechtskräftigen - Gerichtsbescheid vom 20. November 2006 abgewiesen.
Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung einer BK 3101. Nach Einholung einer Stellungnahme der Gewerbeärztin Dr. F lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. Mai 2008 jedoch die Anerkennung einer BK 3101 ab, da der Kläger nicht zu dem von der BK erfassten Personenkreis zähle. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2008).
Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) hat der Kläger ausgeführt, er sei im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Reinigung von Toiletten regelmäßig mit Fixerbestecken in Kontakt geraten und habe sich trotz Schutzbekleidung an Nadeln verletzt. Es sei allgemein bekannt, dass in öffentlichen Toiletten aufgefundene Fixerbestecke regelmäßig mit Hepatitis-B-Viren kontaminiert seien. Er habe sich die Erkrankung durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen. Anhaltspunkte für einen Erwerb der Krankheit durch außerberufliche Einwirkungen lägen nicht vor.
Die Beklagte hat eine Auskunft der BSR vom 16. Juli 2009 nebst einer Beschreibung des Aufgabenkreises (BAK) der Tätigkeit des Anstaltsreinigers sowie einem Auszug aus dem Zusatz-Tarifvertrag BSR Nr. 1 vom 02. August 1991 – "§ 8 Arbeitsleistung und Besetzung der Fahrzeuge bei der Reinigung der Bedürfnisanstalten" – vorgelegt. Danach seien Beschäftigten, die in der Toilettenreinigung eingesetzt gewesen seien, Gummihandschuhe zur Verfügung gestellt worden. Hauptgrund hierfür seien der Schutz der Hände vor der Einwirkung der Reinigungsmittel sowie der Hygieneschutz gewesen. Es habe sich um etwas dickere Handschuhe gehandelt, die einen gewissen, jedoch keinen 100%-igen Schutz gegen Stich- und Schnittverletzungen gewährleistet hätten. Je nach Standort der Bedürfnisanstalt hätten Reiniger immer wieder einmal vom Auffinden von Spritzen bzw. Fixerbestecken berichtet. Spezielle betriebliche Erhebungen seien nicht bekannt. Am Boden liegende Spritzen und Fixerbestecke hätten mit Schaufel und Besen aufgenommen werden sollen. Bei dem Kläger sei nur ein einziger Unfall mit Nadelstichverletzung bekannt geworden.
Das SG hat die Klage mit dem von ihm sinngemäß gefassten Begehren, eine BK Nr. 3101 festzustellen und wegen der Folgen der BK Entschädigungsleistungen zu gewähren, durch Gerichtsbescheid vom 14. September 2009 abgewiesen. Der Kläger sei keiner erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen, die bei ihm eine Hepatitis-B-Erkrankung verursacht haben könne. Da der Kläger nicht im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium beschäftigt gewesen sei, sei ent-scheidend, ob er durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt gewesen sei. Insoweit sei nicht allein auf die Personengruppe der Müllentsorger bzw. Reinigungskräfte abzustellen. Vielmehr sei die vom Kläger konkret ausgeübte Tätigkeit zu berücksichtigen. Bei der BK 3101 sei festzustellen, ob dem versicherten Tätigkeitsbereich eine abstrakte Gefährdung innewohne und sich die generelle Gefahr auf Grund der im Gefahrenbereich individuell vorgenommenen Verrichtungen auch tatsächlich realisiert haben könne. Zwar bestünden hier Anhaltspunkte für eine abstrakte Gefahrenlage, da das Entleeren öffentlicher Abfallbehälter und Reinigen von Bedürfnisanstalten in Ortsbereichen, in denen Drogenabhängige sich gehäuft zum Drogenkonsum aufhielten und die von ihnen benutzten Spritzen ent-sorgten, mit einer Ansteckungsgefahr einhergehe, zumal die Durchseuchung der Gruppe der Drogenabhängigen mit Hepatitis B überdurchschnittlich hoch, das Virus außerhalb des menschlichen Körpers in Blutresten über Tage überlebensfähig sei und die Nadelstichverletzung auch ein geeigneter Übertragungsweg sei. Allerdings liege hier keine konkret erhöhte Infektionsgefahr des Klägers im Rahmen der von ihm tat-sächlich ausgeübten Verrichtungen vor. Dass die dokumentierte Nadelstichverletzung vom 02. April 1996 nicht in einem hinreichenden Wahrscheinlichkeitszusammenhang mit der Hepatitis-B-Infektion stehe, sei rechtskräftig festgestellt. Weitere Nadelstichverletzungen des Klägers seien nicht nachgewiesen. Aus der Mitteilung der BSR vom 16. Juli 2009 lasse sich darüber hinaus nicht entnehmen, dass die Verrichtungen des Klägers ihn mit einem durchseuchten Objektbereich in Berührung gebracht hätten. Schutzausrüstung in Form von Handschuhen sowie Arbeitsmittel zur Aufnahme der Spritzen/Fixerbestecke in Form von Schaufel und Besen hätten zur Verfügung gestanden.
Mit seiner hiergegen am 16. Oktober 2009 bei dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingegangenen Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Anerkennung einer BK 3101. Das SG habe bezüglich der konkreten Gefährdung des Klägers unzureichend ermittelt.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2008 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine BK nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat zunächst eine Auskunft der BSR vom 01. März 2010 eingeholt. Danach existiert die Tätigkeit des BA-Reinigers bei der BSR seit 1999 nicht mehr. Nach Durchsicht der Unfallanzeigen im Bereich der BA-Reiniger seit 1990 ergebe sich, dass etwa eine Kanülenstichverletzung pro Jahr gemeldet worden sei. Eine weitere Hepatitis-B-Infektion außer derjenigen des Klägers sei nicht bekannt. Es gebe keine interne Dokumentation über die Häufigkeit von Kanülenfunden in den Bedürfnisanstalten. Nach Aussage der befragten Mitarbeiter seien bei den Reinigungsarbeiten an
"sozialkritischen" Standorten bzw. Standorten mit regelmäßigen Besuchen von Drogenabhängigen oft Kanülen gefunden worden. Darüber hinaus ist der Auskunft ein Paar schwarze Gummihandschuhe beigefügt worden als Beispiel für die damals eingesetzten Handschuhe. Der Senat hat des Weiteren die Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen und Kopien hieraus in den Rechtsstreit eingeführt. Ferner ist eine Kopie der kompletten betriebsärztlichen Unterlagen des Betriebsärztlichen Dienstes der BSR beigezogen worden.
Im Rahmen eines Erörterungstermins (EÖT) ist der Kläger am 08. September 2010 befragt worden. Er hat hierbei bestätigt, dass es sich bei den von der BSR übersandten Gummihandschuhen um Handschuhe des Typs handelt, wie er sie während seiner Tätigkeit als BA-Reiniger benutzt habe. Er hat seine Tätigkeit als BA-Reiniger näher beschrieben und weitgehend die Beschreibung in § 8 des Zusatz-Tarifvertrags BSR Nr. 1 vom 02. August 1991 bestätigt. Es sei im Zwei-Schicht-System gearbeitet worden mit einer Frühschicht von ca. 6:00 Uhr bis 14:30 Uhr und einer Spätschicht bis ca. 22:00 oder 22:30 Uhr. Er sei meistens im Bereich um den K (u. a. J Straße, B) einge-setzt worden, aber auch z. B. in der H, am W oder im Park R. An Schutzausrüstung habe es von Anfang an die von der BSR erwähnten Schaufeln gegeben, später habe es zudem Zangen gegeben. Das Thema der Entsorgung von Fixerbestecken sei zwar auch von der BSR angesprochen worden, jedoch erst mit zunehmenden Jahren. Auf einzelnen Bedürfnisanstalten – z. B. in der J Straße – habe er zum Teil 20 Fixer getroffen. Im Materialraum habe es extra Behälter zur Entsorgung der Spritzen gegeben. Im Einsatzbereich um den K habe er täglich Spritzen gefunden. Schwerpunkt sei die J Straße gewesen. Auch in der Sstraße, am B und am N seien Spritzen zu finden ge-wesen. In den Nebenstraßen des K sei es weniger verbreitet gewesen. Hingegen habe man auch in anderen Bedürfnisanstalten, z. B. am W, in der H oder in den R Sprit-zen gefunden.
Die Berichterstatterin hat schließlich im EÖT vom 11. November 2009 die Zeugen U Z und P A zu den Arbeitsbedingungen als BA-Reiniger bei der BSR in den 90er Jahren: Kontakt mit Drogenbestecken und Spritzen sowie Schutzausrüstung (z. B. Handschuhe) vernommen. Die Zeugin Z hat bekundet, sie sei selber von 1987 bis 1997 BA-Reinigerin bei der BSR gewesen und habe von ca. 1994 bis 1997 mit dem Kläger zusammengearbeitet. Sie habe im Allgemeinen relativ feste Touren gehabt. Sie sei z. B. im W, in M, in S und in R eingesetzt worden. Mit dem Kläger habe sie im Bereich K und auch in Sund S gearbeitet. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als BA-Reinigerin habe sie täglich Kontakt mit Drogensüchtigen und Spritzen gehabt. Die Süchtigen hätten die Spritzen auf dem Bo-den, in der Fußbodenentwässerung, im Waschbecken hinterlassen und auch in die Klorollen in den Knick im Klo gestopft. Es hätten sich in allen Bezirken Drogenabhän-gige auf den Bedürfnisanstalten gefunden. Zum Teil hätten die Süchtigen auch in den Toiletten geschlafen. Die von der BSR übersandten Handschuhe habe man benutzen können, allerdings handele es sich um das Modell für Männer. Sie selber habe kleinere gelbe Handschuhe benutzt. Zangen zum Aufnehmen der Spritzen habe es nicht gegeben. Neben den Handschuhen hätten nur Besen, Handfeger und Schippe zur Verfügung gestanden. Sonderbehälter zur Spritzenentsorgung habe es nicht gegeben, auch keine speziellen Sicherheitsanweisungen der BSR. Sie seien lediglich aufgefordert worden, vorsichtig zu sein. Die auf dem Boden liegenden Spritzen habe sie mit Handfeger und Schippe aufgenommen. Die Anstalten seien nicht gewischt worden. Vielmehr sei der Boden mit dem Schlauch abgespritzt und anschließend das Wasser mit dem Abzieher entfernt worden. Waschbecken und Kloschüsseln seien mit dem feuchten Lappen gesäubert worden. Sie selber habe sich nie an einer Spritze verletzt. Sie habe auch nicht miterlebt, dass jemand anderes sich an einer Spritze verletzt habe. Insbesondere beim Reinigen der Entwässerung und auch bei den Klorollen habe man sehr vorsichtig sein müssen, da man nicht habe sofort sehen können, ob sich darunter oder darin eine Spritze verbarg. Der Zeuge A hat bekundet, er sei 11 Jahre lang bis zur Einstellung der Tätigkeit durch die BSR BA-Reiniger gewesen. Gelegentlich habe er mit dem Kläger zusammen ge-arbeitet. Schwerpunktmäßig sei er im Bereich K, z. B. am K oder an der J Straße, eingesetzt worden. Er habe daneben aber auch im W oder in N gearbeitet. Mit Spritzen sei er überall in Kontakt gekommen, am K sehr oft, an anderen Orten weniger. Die von der BSR übersandten Handschuhe habe er benutzt. Außer den Handschuhen habe es Zangen gegeben, die sich im Materialraum der Anstalten befunden hätten. Allerdings habe es sie nicht immer gegeben. Im Übrigen seien sie sehr unpraktisch gewesen. Er habe die Anstalten wie folgt gereinigt: Er sei hereingekommen, habe das Reinigungsmittel verteilt, Wasser darüber gekippt, geschrubbt, alles abgespritzt und abgezogen, den Müll auf die Schippe genommen und schließlich in den Sack befördert. Anschließend habe er mit dem Scheuerlappen trocken gewischt. Dabei habe man vorsichtig sein müssen, denn beispielsweise hinter dem Klo sei nicht zu sehen gewesen, ob dort nicht Spritzen oder Nadeln gelegen hätten. Mitunter seien die Nadeln und die Plastikkanülen getrennt verstreut gewesen. Da habe schon mal eine Nadel im Scheuerlappen hängen bleiben können. Die Plastikteile der Spritzen hätten auch im Klo gelegen und hätten dann von Hand herausgenommen werden müssen. Die Nadeln seien bereits heruntergespült gewesen. Aus dem Waschbecken habe er die Spritzen mit Besen oder Schippe oder Abzieher rausgeholt und auf den Boden verfrachtet. Auch wenn sich Spritzen im Abfluss der Entwässerung befunden hätten, habe er versucht, sie mit Besen oder Zange heraus zu holen. Gelegentlich habe es in den Materialräumen der Anstalten Sonderbehälter zur Spritzenentsorgung gegeben, öfters allerdings auch nicht. Im Allgemeinen seien die Spritzen in einem normalen Sack mit dem anderen Müll entsorgt worden. Er selber habe sich nie an einer Spritze verletzt und auch nicht miterlebt, wie jemand anderes sich verletzt habe. Er habe jedoch gehört, dass der Kläger und noch eine weitere Person sich verletzt hätten.
Die Beteiligten haben im EÖT am 11. November 2010 ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung des Senats nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu Protokoll erklärt.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten zum Gz. sowie die Akte des SG Berlin zum Az. S 68 U 117/04 verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist hier nur eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1 und 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass die Hepatitis-B-Infektion des Klägers eine BK 3101 ist. Soweit das Sozialgericht auch über die Gewährung von Entschädigungsleistungen entschieden hat, war dies unzulässig. Weder hat der Kläger dies beantragt noch hat die Beklagte in ihrem angefochtenen Bescheid vom 08. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2009 darüber entschieden.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts liegt bei ihm eine BK 3101 vor. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2009 war daher aufzuheben.
Ermächtigungsgrundlage für die Bezeichnung von BKen ist § 9 Abs. 1 SGB VII. Danach sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich
höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen (Satz 2).
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK (vgl. das Urteil des BSG vom 02. April 2009 - B 2 U 9/08 R -, in SozR 4-2700 § 9 Nr. 14). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden
Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. z. B. die Urteile des BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R -, in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Der Verordnungsgeber hat die BK 3101 wie folgt bezeichnet: "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Da sich bei dieser BK der Ansteckungsvorgang im Nachhinein häufig nicht mehr feststellen lässt, tritt an die Stelle der "Einwirkungen" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII eine erhöhte Infektionsgefahr, die im Vollbeweis vorliegen muss (vgl. hierzu die Urteile des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 30 /07 -, in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 und – B 2 U 33/07 -, in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 5). Ob der Versicherte einer der versicherten Tätigkeit innewohnenden
"Infektionsgefahr in besonderem Maße" ausgesetzt war, hängt einerseits von der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit, d. h. der kontaktierten Personen sowie der Objekte, mit oder an denen zu arbeiten ist, und andererseits von der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ab, die sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen bestimmt. Da für die Anerkennung der BK 3101 nicht eine schlichte Infektionsgefahr genügt, sondern eine (z. T. typisierend nach Tätigkeitsbereichen) besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt wird (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VII), kommt es darauf an, welche einzelnen Ar-beitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind (vgl. die Urteile des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 30/07 R – und – B 2 U 33/07 R – a. a. O.). Die mit der versicherten Tätigkeit verbundene Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen. Der spezifische Übertragungsweg eines bestimmten Krankheitserregers ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und ggf. technischer Sachkunde dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnis-stand zu entnehmen. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl. Urteil des BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - in SozR 4-2700 § 9 Nr. 20).
Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite - die beiden Elemente, die die "Einwirkung" in Form der "besonders erhöhten Infektionsgefahr" begründen – stehen wiederum in einer Wechselbeziehung zueinander (vgl. das Urteil des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 33/07 R -, a. a. O.). An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeits-bedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infek-tion behaftet sind, umso mehr gelangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Allerdings muss zumindest die Möglichkeit einer Infektion bestehen. Ist das nicht der Fall, weil z. B. trotz eines hohen Durchseuchungsgrades die Art der konkret
ausgeübten Tätigkeit einen Infektionsvorgang ausschließt, ist für die Annahme einer Gefahr von vornherein kein Raum. Kommt indes eine Infektion in Betracht, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist, sondern in besonderem Maße über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liegt. Dabei legt der Nachweis einer infizierten Kontaktperson bei gleichzeitiger übertragungsgefährdender Tätigkeit das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr nahe. Zwingend ist dieser Schluss aber nicht (vgl. das Urteil des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 33/07 R -, a. a. O.). Entscheidend ist immer die Gesamtwürdi-gung der das Arbeitsumfeld und die versicherte Tätigkeit betreffenden beiden Risiko-bereiche unter Berücksichtigung des spezifischen Übertragungsmodus und des Verbreitungsgrades der jeweiligen Infektionskrankheit.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger seine versicherte Tätigkeit nicht im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium ausgeübt. Entscheidend ist daher, ob er im Sinne der 4. Alternative der BK 3101 "durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war" und damit eine versicherte Tätigkeit i. S. d. BK 3101 ausgeübt hat. Gemäß den Darlegungen in dem Urteil des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 33/07 R – (a. a. O.), auf die auch das SG zu Recht hinweist, ist hierbei auf die Tätigkeit des Klägers als BA-Reiniger bei der BSR abzustellen und festzustellen, ob dem versicherten Tätigkeitsbereich eine abs-trakte Gefährdung innewohnt und sich die generelle Gefahr auf Grund der im Gefahrenbereich individuell vorgenommenen Verrichtungen auch tatsächlich realisiert haben kann.
Eine abstrakte Gefahrenlage ist nach dem Ergebnis der Beweiserhebung gegeben. Das nasse und trockene Reinigen öffentlicher Bedürfnisanstalten sowie die damit verbundene Aufnahme und Entsorgung des Mülls einschließlich der darin befindlichen Spritzennadeln in normalen Müllbeuteln, wie es der Kläger und die Zeugen Z und A beschrieben haben, in Ortsbereichen, in denen Drogenabhängige sich gehäuft zum Drogenkonsum aufhalten und die von ihnen benutzten Spritzen entsorgen bzw. liegen lassen, geht mit einer Ansteckungsgefahr einher. Allgemein bekannte Treffpunkte der Drogenszene in B waren bzw. sind u. a. der Bahnhof Z und Umgebung sowie die Kstraße in B-T. Darüber hinaus bilden, wie der Berliner Presse immer wieder zu entnehmen ist, z. B. der Hplatz mit dem angrenzenden Volkspark H sowie einigen Bahn-höfen auf der U-Bahnlinie U 8, das K Tor, der Nplatz und inzwischen auch der Wpark nahe der R Straße Schwerpunkte der Drogenszene. Der Kläger und auch die Zeugen waren u. a. im Bereich K in der Umgebung des Bahnhofs Z, am Nplatz oder auch im Volkspark H als BA-Reiniger tätig. Die bekannte Stichverletzung hat der Kläger z. B. in der Bedürfnisanstalt am Splatz erlitten, die sich ebenfalls noch in Fußwegnähe zum Bahnhof Z befand.
Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Der Durchseu-chungsgrad ist regional sehr unterschiedlich. Auf der Grundlage der 1998 durchgeführten Bundesgesundheitssurvey (BGS98) ergibt sich ein bundsweiter Durchseuchungsgrad von 7% bei Erwachsenen. 0,6% sind chronische Träger des HBs-Antigen-Träger (vgl. hierzu das Epidemiologische Bulletin des Robert Koch Instituts (RKI) Nr. 29 vom 25. Juli 2001 "Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010" auf S. 261 f sowie den RKI-Ratgeber für Ärzte "Hepatitis B" Stand 01. August 2004, jeweils veröffentlicht unter www.rki.de; Thierfelder, Meisel, Schreier, Dortschy "Die Prävalenz von Antikörpern gegen Hepatitis-A-, Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Viren in der deutschen Bevölkerung" in Gesundheitswesen 61 (1991) Sonderheft 2 S. 110 ff, 111; leicht abweichend: Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Stand April 2011, Anm. 12 zu M 3101 und Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Anm. 9.2.2.2 S. 716: 7,4%). Die jährlichen Fallmeldungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind sinkend. Während 2001 noch insgesamt 3.865 Fallmeldungen gab, fiel die zahl 2002 auf insgesamt 2.885. Seit 2008 ist die Gesamtzahl gemeldeter Fälle unge-fähr gleich bleibend um die 1.800 (vgl. hierzu das Epidemiologische Bulletin des RKI vom 25. Juli 2001 "Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010" auf S. 263 a. a. O.). Innerhalb der Bundesre-publik variiert die jährliche Inzidenz stark zwischen 0,4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner in Niedersachsen und 2,0 in Berlin (vgl. hierzu das Epidemiologische Bulletin des RKI vom 25. Juli 2001 "Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010" auf S. 263 a. a. O.). Demgegenüber ist die Durchseuchung innerhalb der Gruppe der Drogenabhängigen mit dem Hepatitis-B-Virus überdurchschnittlich hoch, sie wird mit 50-60% der intravenösen Drogenverbraucher angenommen (vgl. hierzu das Epidemiologische Bulletin des RKI vom 25. Juli 2001 "Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010" auf S. 267 a. a. O.; abweichend:
Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., Anm. 12 zu M 3101 und Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 9.2.2.2 S. 716: 64,4%). Die Übertragung des Virus erfolgt überwiegend durch Blut bzw. Plasma oder Serum. Bereits kleinste Mengen Blut können das Virus übertragen, wenn es über – geringfügige - Verletzungen der Haut oder Schleimhaut in den Körper gelangt (vgl. den RKI-Ratgeber für Ärzte a. a. O.). Das Virus kann allerdings nicht die Barriere der unverletzten Haut durchdringen (vgl. Böhm/Jilg, "Die Stabilität und Dauer der Infektiosität von Hepatitis A-Viren, Hepatitis B-Viren und Hepatitis C-Viren außerhalb des menschlichen Organismus als wichtige Kriterien für die Beurteilung des berufsbedingten Infektionsrisikos", in Selmair/Manns, Virushepatitis als Berufskrankheit, 3. Aufl. 2007, S. 152, 154). Das Hepatitis-B-Virus ist in kleineren Mengen auch in Speichel, Tränenflüssigkeit, Sperma, Vaginalsekret, Menstrualblut und Colostrum enthalten, wenngleich in geringeren Mengen, nicht jedoch in Urin oder Stuhl (vgl. den RKI-Ratgeber für Ärzte; Schönberger/Mehrtens/Valtenin a. a. O. Anm. 9.2.2.2 S. 716). Darüber hinaus ist das Hepatitis-B-Virus auch außerhalb des mensch-lichen Körpers insbesondere in Blut- und Plasmaresten über einen Zeitraum von meh-reren Tagen und auch bei eingetrocknetem kontaminiertem Material überlebensfähig (vgl. Böhm/Jilg, "Die Stabilität und Dauer der Infektiosität von Hepatitis A-Viren, Hepatitis B-Viren und Hepatitis C-Viren außerhalb des menschlichen Organismus als wichtige Kriterien für die Beurteilung des berufsbedingten Infektionsrisikos", in
Selmair/Manns, a. a. O., S. 153 f). Eine Ansteckung (Infektion) kann sowohl direkt durch Transfusion von infektiösem Blut oder durch Kanülenverletzung als auch indirekt, z. B. durch kontaminierte Gegenstände, erfolgen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 12 zu M 3101). Hierbei stellt die Nadelstichverletzung, insbesondere mit einer Hohlnadel, ein Übertragungsweg dar, der ein besonders hohes Übertragungsrisiko beinhaltet, da hier regelmäßig der Transfer relativ großer Mengen menschlichen Blutes möglich ist (vgl. Wasmuth/Trautwein, Vorgehen nach Nadelstichverletzung bei Hepatitis B- und C-Infektion in der Klinik, in Selmair/Manns, a. a. O., S. 174). Bekannt und Schätzungen nach inzwischen sogar der häufigste Übertragungsweg ist der Sexualkontakt (vgl. den RKI-Ratgeber für Ärzte sowie Wasmuth/Trautwein, Vorgehen nach Nadelstichverletzung bei Hepatitis B- und C-Infektion in der Klinik, in Selmair/Manns, a. a. O., S. 172).
Lassen die Tätigkeitsart und das Arbeitsumfeld auf eine abstrakte Gefährdungslage schließen, bedarf es außerdem der tatsächlichen Feststellungen zur Notwendigkeit einer konkret erhöhten Infektionsgefahr und damit zu der Frage, ob die Verrichtungen des Klägers ihn mit einem durchseuchten Objektbereich in Berührung gebracht haben oder ob sie im Hinblick auf den Übertragungsmodus der Hepatitis-B-Infektion sowie ihrer Art, Häufigkeit und Dauer nach besonders infektionsgefährdend waren.
Gemäß der Arbeitsplatzbeschreibung in § 8 des Zusatz-Tarifvertrags BSR Nr. 1 vom 02. August 1991 und den Angaben des Klägers umfasste die Tätigkeit als BA-Reiniger im relevanten Zeitraum von 1987 bis 1997: • Einsprühen der Wand- und Fußbodenflächen sowie der PP-Rinnen mit Lö-sungsmitteln • Reinigen und Desinfizieren der Sitzbecken • Reinigen der Wand- und Bodenfliesen sowie der PP-Rinnen • Neutralisieren der verwendeten Lösungsmittel • Trockenwischen aller nass gereinigten Flächen • Aussäuern der Geruchsverschlüsse • Entfernen von Schmierereien • Reinigen der unmittelbaren Umgebung der Bedürfnisanstalt • Öffnen und Schließen der Bedürfnisanstalten • Feststellen und Melden von Beschädigungen • Ersetzen verbrauchter Hygieneartikel • Überprüfen der Einstellung von Zeituhren • Kontrollieren der Hebeanlagen • Fertigen von Tagesberichten • Erfüllen besonderer Aufgaben nach Maßgabe von Einsatzplänen und Touren-stelle • Heizen und Einlegen von Brennmaterial • Beseitigen von Heizungsrückständen • Schnee- und Glättebeseitigung in unmittelbarer Umgebung der Bedürfnisan-stalt. Dazu zählten nach Angaben des Klägers sowie der beiden gehörten Zeugen auch die eigentliche Müll-/Unratentsorgung in normalen Müllbeuteln und die Entfernung von Blutflecken. Der Zeuge A hat die Reinigungsarbeiten detailliert wie folgt dargestellt: Er sei hereingekommen, habe das Reinigungsmittel verteilt, Wasser darüber gekippt, geschrubbt, alles abgespritzt und abgezogen, den Müll auf die Schippe genommen und schließlich in den Sack befördert. Anschließend habe er mit dem Scheuerlappen trocken gewischt. Spritzen sowie auch Fixerbestecke haben sich nach den Bekun-dungen der Zeugen sowie den Angaben des Klägers u. a. in Bedürfnisanstalten in Knähe, insbesondere in der J Straße sowie am B, im Volkspark H, in B-S am N, in S, in K am W gefunden. Schwerpunkt war allerdings der K mit Umgebung. Die BSR hat in ihren Auskünften vom 16. Juli 2009 und 01. März 2010 bestätigt, dass an "sozialkri-tischen" Standorten regelmäßig Spritzen gefunden worden seien. Dem hat die BSR offenbar auch insoweit Rechnung getragen, dass zumindest gelegentlich – hier bestand Uneinigkeit unter den Zeugen und dem Kläger – in den Materialräumen auch gesonderte Entsorgungsbehälter für die benutzten Spritzen zur Verfügung standen. Eine Dokumentation der Spritzenfunde ist von der BSR nicht erstellt worden. In den Bedürfnisanstalten fanden sich die Spritzen sowohl auf dem Boden als auch in den Waschbecken, in der Entwässerung, in den Toilettenschüsseln als auch versteckt in Klopapierrollen. Neben den normalen Werkzeugen zur Reinigung wie Wischlappen, Schrubber oder Abzieher standen speziell zur Aufnahme von Unrat jedenfalls Schippe und (Hand-) Besen zur Verfügung, zumindest teilweise bzw. zeitweise auch Zangen. Tatsächlich wurden die Spritzen – soweit möglich – mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aufgenommen und in den Müll entsorgt, dies war jedoch nicht immer möglich und zum anderen war auch die Aufnahme/Entsorgung mit Hilfsmitteln mit Verletzungsgefahr verbunden wie sich aus den Bekundungen des Zeugen A: "Da konnte einem schon mal eine Nadel im Scheuerlappen hängen bleiben" ergibt. Aber auch die Angabe der Zeugin Z, dass die Spritzen mitunter in den Klorollen in den Knick im Klo gestopft worden seien, macht deutlich, dass ein unvorhergesehener Kontakt mit Spritzen nicht vermeidbar war. Ferner ist offensichtlich, dass beispielsweise auch der Versuch, mit dem Handfeger Spritzen aus dem Waschbecken auf den Boden zu
befördern, eine erhebliche Gefahr für Stichverletzungen mit sich brachte, ebenso wie ein zu enger Kontakt mit den normalen Müllbeuteln, in denen sich auch Spritzen befanden. Zu letzterem hat der Zeuge A angegeben: "Wir haben den Sack deshalb auch immer mit ausgestrecktem Arm getragen." An Ausrüstung zum Schutz der Haut vor der Einwirkung der Reinigungsmittel sowie zur Gewährleistung der Hygiene (so die Auskunft der BSR vom 16. Juli 2009) standen für Männer schwarze und für Frauen gelbe Gummihandschuhe zur Verfügung, die jedoch keinen 100%-igen Schutz vor Stich- oder Schnittverletzungen gewährleisteten (so ebenfalls die Auskunft der BSR vom 16. Juli 2009), was sich auch in der Stichverletzung des Klägers vom 02. April 1996 sowie in der Tatsache niederschlägt, dass nach Angaben der BSR vom 01. März 2010 in den 90er Jahren etwa einmal jährlich eine Stichverletzung seitens der BA-Reiniger gemeldet wurde. Die vorgelegten schwarzen Gummihandschuhe Größe 11 haben eine Kennzeichnung nach DIN EN 388 (Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken nach europäischer Handschuhnorm). Gemäß dieser Norm müssen Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken für mindestens eine der Leistungseigenschaften a) Abriebfestigkeit, b) Schnittfestigkeit, c) Reißfestigkeit und c) Stichfestigkeit (Als Durchstichkraft wird diejenige Kraft definiert, die erforderlich ist, um ein auf einer Haltevorrichtung befestigten Prüfexemplar mit Hilfe eines Stahlstifts mit festgelegten Maßen zu durchstechen) die Leistungsstufe 1 erreichen. Die Schutzfunktion gegen mechanische Verletzungen wird mit einem Piktogramm und vier Ziffern (Leistungsindex) angezeigt. Die Ziffern verweisen jeweils auf die Leistungsstufen der Leistungseigen-schaften. Eine Anforderung, die nicht geprüft wurde, ist mit einem "X" zu versehen (vgl. allg. zu den Anforderungen der DIN EN 388 u. a. http://www.alwit.de/pdf/industrie/50-000-4%20%20%20%20%20EN%20388 Anforderungen.pdf oder http://schutzbe-kleidung24.de/dach/images/Technische Info/Norm Gesetz/EN388.pdf). Die vorliegenden Handschuhe haben die Kennzeichnung "X121", d. h. die Abriebfestigkeit wurde nicht geprüft, die Schnittfestigkeit erreicht die Leistungsstufe 1, die Reißfestigkeit die Leistungsstufe 2 und die Stichfestigkeit die Leistungsstufe 1. Diese Kennzeichnung lässt erkennen, dass es sich bei den vom Kläger bzw. allgemein BA-Reinigern bei der BSR verwendeten Handschuhen nicht um Schutzhandschuhe mit insgesamt hohen Leistungsstufen handelte und insbesondere dass die Stichfestigkeit keinen ho-hen Leistungsgrad erreichte, zumal die Prüfung der Stichfestigkeit sich nicht auf feine-re Nadeln wie bei Spritzen bezog, sondern auf etwas gröbere Stahlstifte. Die Tatsache, dass der BSR keine weiteren Fälle mit einer Hepatitis-B-Infektion bei BA-Reinigern bekannt ist, spricht nicht gegen eine konkret besonders erhöhte Infektions-gefahr, denn zum einen können diese unerkannt bleiben, zum anderen aus anderen Gründen bei Betroffenen Immunisierungen bereits vorgelegen und Infektionen verhin-dert haben. Es ist auch fraglich, ob Betroffene in jedem Fall später erkannte Infektio-nen mit ihrer Tätigkeit als BA-Reiniger in Verbindung bringen, zumal wenn sie nicht mehr bei der BSR tätig sein sollten.
Bei dem Kläger liegt letztlich eine gesicherte chronische Hepatitis-B-Infektion vor. Ausreichend ist hier der Trägerstatus; bereits dies stellt einen regelwidrigen krankhaf-ten körperlichen Zustand dar (vgl. Mehrtens/Brandenburg a. a. O Anm. 10.1 zu M 3101). Die chronische Hepatitis-B-Infektion ist schließlich mit Wahrscheinlichkeit auf die mit der Tätigkeit als BA-Reiniger verbundene besonders erhöhte Infektionsgefahr zurückzuführen. Liegt eine durch die versicherte Tätigkeit bedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr und die Infektionskrankheit vor, nimmt der Verordnungsgeber typisie-rend an, dass die Infektion während und wegen der Gefahrenlage erfolgte und die Erkrankung wesentlich verursacht hat. Für diese Typisierung ist allerdings dann kein Raum, wenn eine Infektion während oder aufgrund der versicherten Verrichtungen und damit der unterstellte Ursachenzusammenhang ausgeschlossen ist. Es darf we-der die Inkubationszeit gegen einen zeitlichen Zusammenhang der Krankheit mit der beruflichen Tätigkeit sprechen noch ein anderes, dem privaten Lebensbereich zuzu-ordnendes Infektionsrisiko die Erkrankung verursacht haben (vgl. das BSG-Urteil vom 02. April 2009 - B 2 U 30/07 R – a. a. O.). Zwar endete die Tätigkeit des Klägers als BA-Reiniger Mitte des Jahres 1997, während die Hepatitis-B-Infektion erst im Oktober 2002 nachgewiesen wurde. Dieser große zeitliche Abstand spricht jedoch nicht gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Sowohl der von der Beklagten im Unfallverfahren eingeschaltete Gutachter Prof. Dr. Hals auch der vom SG in dem Gerichtsverfahren S 68 U 117/04 angehörte Sachverständige Prof. Dr. S sind davon ausgegangen, dass bei dem Kläger bereits vor dem 02. April 1996 eine Hepatitis-B-Infektion vorlag. Eine Infektion nach der Stichverletzung vom 02. April 1996 ist angesichts der anschließend durchgeführten Immunisierung, die wenigstens 10 Jahre anhält (vgl. hierzu das Epi-demiologische Bulletin des RKI vom 25. Juli 2001 "Zur Situation bei wichtigen Infekti-onskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010" auf S. 263 und 266 a. a. O. und den RKI-Ratgeber für Ärzte a. a. O.), so dass eine Hepatitis-B-Infektion nach dem 02. April 1996 ausgeschlossen ist. Auch wenn der Arbeitsunfall vom 02. April 1996 als Infektionszeitpunkt ausscheidet, so hatte der Kläger die rele-vante Tätigkeit als BA-Reiniger bereits seit August oder November 1987 ausgeübt. Die Inkubationszeit für Hepatitis B beträgt zwischen einem und sechs Monaten, im Mittel 60 bis 90 Tage (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. Anm. 9.2.2.2 S. 714). Bluttransfusionen hat der Kläger nach eigenen Angaben zuvor nicht erhalten (vgl. die Angaben des Klägers bei der Begutachtung durch Prof. Dr. H am 07. Mai 2003), größere Operationen sind für den Zeitraum vor 1996 auch nicht aktenkundig. Die Ehefrau als Überträger scheidet laut dem Laborbefund vom 08. November 2002 ebenfalls aus. Eine Übertragung durch sexuelle Kontakte bzw. Fernreisen ist nicht ersichtlich.
Letztlich liegen daher hier alle Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 3101 vor, so dass der Berufung des Klägers stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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