Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 RJ 2791/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 290/11 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten sind für das gesamte gerichtliche Verfahren erster und zweiter In-stanz nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegenüber der Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gegen die Begrenzung der der Berechnung ihrer Großen Witwenrente zugrunde gelegten Entgeltpunkte.
Die 1920 geborene Klägerin ist die Ehefrau des 1904 geborenen und 1957 verstorbenen A B. Die Eheleute lebten von Geburt an in der ehemaligen Sowjetunion. Die Klägerin zog am 13. Februar 1999 nach Deutschland und wurde hier als Spätaussiedlerin anerkannt. Sie legte keine Versicherungszeiten nach Bundesrecht zurück. Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 26. Oktober 1999 eine Versichertenrente unter Zugrundelegung von 21,5727 Entgeltpunkten für anrechenbare Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Die Beklagte gewährte der Klägerin auf ihren Antrag vom 16. März 1999 mit Bescheid vom 25. November 1999 eine Große Witwenrente und legte hierbei 3,4273 von 14,0510 Entgeltpunkten für nach dem FRG anrechenbare Zeiten zugrunde, weil die Entgeltpunkte nach § 22b FRG auf den Höchstwert von insgesamt 25 Entgeltpunkten zu begrenzen seien.
Am 25. Oktober 2002 beantragte die Klägerin die Neufeststellung ihrer Witwenrente. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. Oktober 2002 und der Begründung ab, dass entgegen der im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 – B 4 RA 118/00 R – vertretenen Auffassung die Begrenzung beider Renten auf zusammen 25 FRG-Entgeltpunkte aus § 22b FRG folge. Die Klägerin erhob am 05. November 2002 Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2002 zurück.
Die Kläger hat ihr Begehren mit der am 21. Dezember 2002 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 17. Juni 2004 unter Aufhebung ihres Bescheids vom 29. Oktober 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 26. November 2002 verurteilt, den Bescheid vom 25. No-vember 1999 zurückzunehmen, soweit darin bei der Berechnung der Hinterbliebenenrente die Summe der anrechenbaren Entgeltpunkte nach dem FRG auf 3,4273
Entgeltpunkte begrenzt wurde. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass der Witwenrentenbescheid rechtswidrig sei, weil bei der Berechnung der Rente zu Unrecht unter Bezugnahme auf § 22b Abs. 1 S. 1 FRG alter Fassung (a.F.), eingefügt durch Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Be-schäftigungsförderungsgesetz (WFG)) vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1461) und in Kraft getreten am 07. Mai 1996 (Art. 12 Abs. 2 WFG), eine Begrenzung der Entgeltpunkte vorgenommen worden sei. Es sei insofern der Rechtsprechung des BSG im vorgenannten Urteil vom 30. August 2001 zu folgen. Soweit sich die Beklagte auf § 22b FRG in der Fassung von Art. 8 Nr. 2 des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes (RVNG) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791) berufe, ergebe sich kein anderes Ergebnis, weil das Gesetz zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht in Kraft getreten sei.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. November 2004 zugestellte Urteil am 07. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Sie ist der Meinung, dass § 22b Abs. 1 FRG neuer Fassung (n.F.) unmissverständlich zum Ausdruck bringe, dass eine gemeinsame Begrenzung aller Renten eines Berechtigten auf insgesamt 25 Entgeltpunkte aus Zeiten nach dem FRG vorzunehmen sei. Da der Neufassung des § 22b Abs. 1 FRG gemäß Art. 15 Abs. 3 RVNG ausdrücklich Rückwirkung beigemessen worden und diese demnach mit Wirkung vom 07. Mai 1996 in Kraft getreten sei, sei § 22b Abs. 1 FRG n.F. auch auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden, wofür auch auf die
Gesetzesbegründung hinzuweisen sei. Schließlich ergebe sich aus dem Beschluss des Bundes-verfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 -, dass die rückwirkende Neufassung des § 22b Abs. 1 FRG durch das RVNG verfassungsgemäß sei und diese gesetzliche Neuregelung insbe-sondere nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoße.
Die Beklagte beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Im Übrigen sei die Rückwirkung des § 22b FRG n.F. als echte Rückwirkung verfassungsrechtlich unzulässig.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 14. April 2011 und 06. Mai 2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Berichterstatter kann anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, unter teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 25. November 1999 bei der Gewährung der Großen Witwenrente von der Begrenzung der anrechenbaren FRG-Zeiten auf 3,4273 Entgelt-punkte abzusehen.
Die Voraussetzungen nach § 44 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) liegen nicht vor. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Bei der Gewährung der Großen Witwenrente war nicht von der Begrenzung der anrechenbaren FRG-Zeiten abzusehen. Vielmehr ist die Begrenzung auf 3,4273 Entgeltpunkte gerechtfertigt. Hierbei kann dahinstehen, ob dies aus § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. oder a.F. folgt beziehungsweise ob erst durch § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. die Rechtslage konstitutiv verändert wurde und damit die Grundsätze des Rückwirkungsverbotes greifen oder ob eine bereits nach § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. bestehende Rechtslage lediglich deklaratorisch bestätigt worden ist, so dass das Rückwirkungsverbot gar nicht eingreift. Denn auch eine echte
Rückwirkung durch § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. wäre hier zulässig.
Hiernach kann die Begrenzung der Entgeltpunkte jedenfalls aus § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. hergeleitet werden, welcher gemäß Art. 15 Abs. 3 RVNG rückwirkend zum 07. Mai 1996 in Kraft gesetzt wurde. Nach § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. werden für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung zugrunde gelegt.
Eben so liegt es hier. Da die Beklagte mit Bescheid vom 26. Oktober 1999 der Klägerin eine Versichertenrente bereits unter Zugrundelegung von 21,5727 Entgeltpunkten gewährte, waren der Berechnung der Großen Witwenrente bis zum Erreichen des Höchstwerts von 25 Entgeltpunkten nur noch 3,4273 Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten zugrunde zu legen.
Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage zum BVerfG nach Art. 100 des Grundgesetzes (GG) kommt nicht in Betracht. Die Anwendung des § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. unterliegt auch im vorliegenden Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierfür bezieht sich der Senat auf den Beschluss des BVerfG vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 -, wonach Grundrechte durch (eine Anwendung des) § 22b Abs. 1 S. 1 n.F. nicht verletzt werden und insbesondere die echte Rückwirkung der Vorschrift
verfassungsgemäß ist, weil ihr kein schutzwürdiges Vertrauen der Versicherten entgegen-steht. Denn zum Einen konnte § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. bis zum Zeitpunkt des oben genannten Urteils des 4. Senats des BSG keine geeignete Grundlage für die Bildung von Vertrauen dahingehend bilden, dass für die eigene Rente und für die Hinterbliebenenrente keine Gesamtobergrenze von 25 Entgeltpunkten gelte, weil damals nach übereinstimmender Rechtsauffassung niemand von einem solchen Regelungsgehalt der Norm ausging. Zum Anderen waren das vorgenannte Urteil des 4. Senat und ein dieses bestätigendes Urteil des 13. Senats des BSG (B 13 RJ 44/03 R) nicht geeignet, schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage zu erzeugen (BVerfG a.a.O., zitiert nach juris Rn. 75 ff.). So wies das BVerfG im vorgenannten Be-schluss eben auch – in einem im Wesentlichen gleich gelagerten Fall wie hier - die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin des Verfahrens 1 BvR 2530/05 zurück, welche Witwe ihres im Jahre 1980 im Ausland verstorbenen Ehemannes war, 1998 nach Deutschland einreiste und als Spätaussiedlerin anerkannt wurde. Der
Rentenversicherungsträger hatte ihr mit Begrenzung der Entgeltpunkte nach § 22b Abs. 1 FRG a.F. eine Altersrente unter Zugrundelegung von insgesamt 25 Entgeltpunkten bewilligt und hiernach die Witwenrente unter Hinweis auf § 22b Abs. 1 FRG a.F. mit dem Zahlbetrag "Null" festgestellt. Der Bescheid war mit dieser Beschränkung bestandskräftig geworden. Im Jahr 2002 hatte die Beschwerdeführerin – wie hier die Klägerin - unter Hinweis auf das Urteil des 4. Senats des BSG die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides und die Neuberechnung der Witwenrente beantragt, was der Rentenversicherungsträger abgelehnt hatte. Klage und Sprungrevision waren unter Hinweis auf § 22b Abs. 1 S. 1 FRG a.F. beziehungsweise n.F. der Erfolg versagt worden (vgl. zum Sachverhalt BVerfG a.a.O., Rn. 23 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegenüber der Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gegen die Begrenzung der der Berechnung ihrer Großen Witwenrente zugrunde gelegten Entgeltpunkte.
Die 1920 geborene Klägerin ist die Ehefrau des 1904 geborenen und 1957 verstorbenen A B. Die Eheleute lebten von Geburt an in der ehemaligen Sowjetunion. Die Klägerin zog am 13. Februar 1999 nach Deutschland und wurde hier als Spätaussiedlerin anerkannt. Sie legte keine Versicherungszeiten nach Bundesrecht zurück. Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 26. Oktober 1999 eine Versichertenrente unter Zugrundelegung von 21,5727 Entgeltpunkten für anrechenbare Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Die Beklagte gewährte der Klägerin auf ihren Antrag vom 16. März 1999 mit Bescheid vom 25. November 1999 eine Große Witwenrente und legte hierbei 3,4273 von 14,0510 Entgeltpunkten für nach dem FRG anrechenbare Zeiten zugrunde, weil die Entgeltpunkte nach § 22b FRG auf den Höchstwert von insgesamt 25 Entgeltpunkten zu begrenzen seien.
Am 25. Oktober 2002 beantragte die Klägerin die Neufeststellung ihrer Witwenrente. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. Oktober 2002 und der Begründung ab, dass entgegen der im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 – B 4 RA 118/00 R – vertretenen Auffassung die Begrenzung beider Renten auf zusammen 25 FRG-Entgeltpunkte aus § 22b FRG folge. Die Klägerin erhob am 05. November 2002 Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2002 zurück.
Die Kläger hat ihr Begehren mit der am 21. Dezember 2002 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 17. Juni 2004 unter Aufhebung ihres Bescheids vom 29. Oktober 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 26. November 2002 verurteilt, den Bescheid vom 25. No-vember 1999 zurückzunehmen, soweit darin bei der Berechnung der Hinterbliebenenrente die Summe der anrechenbaren Entgeltpunkte nach dem FRG auf 3,4273
Entgeltpunkte begrenzt wurde. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass der Witwenrentenbescheid rechtswidrig sei, weil bei der Berechnung der Rente zu Unrecht unter Bezugnahme auf § 22b Abs. 1 S. 1 FRG alter Fassung (a.F.), eingefügt durch Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Be-schäftigungsförderungsgesetz (WFG)) vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1461) und in Kraft getreten am 07. Mai 1996 (Art. 12 Abs. 2 WFG), eine Begrenzung der Entgeltpunkte vorgenommen worden sei. Es sei insofern der Rechtsprechung des BSG im vorgenannten Urteil vom 30. August 2001 zu folgen. Soweit sich die Beklagte auf § 22b FRG in der Fassung von Art. 8 Nr. 2 des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes (RVNG) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791) berufe, ergebe sich kein anderes Ergebnis, weil das Gesetz zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht in Kraft getreten sei.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. November 2004 zugestellte Urteil am 07. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Sie ist der Meinung, dass § 22b Abs. 1 FRG neuer Fassung (n.F.) unmissverständlich zum Ausdruck bringe, dass eine gemeinsame Begrenzung aller Renten eines Berechtigten auf insgesamt 25 Entgeltpunkte aus Zeiten nach dem FRG vorzunehmen sei. Da der Neufassung des § 22b Abs. 1 FRG gemäß Art. 15 Abs. 3 RVNG ausdrücklich Rückwirkung beigemessen worden und diese demnach mit Wirkung vom 07. Mai 1996 in Kraft getreten sei, sei § 22b Abs. 1 FRG n.F. auch auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden, wofür auch auf die
Gesetzesbegründung hinzuweisen sei. Schließlich ergebe sich aus dem Beschluss des Bundes-verfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 -, dass die rückwirkende Neufassung des § 22b Abs. 1 FRG durch das RVNG verfassungsgemäß sei und diese gesetzliche Neuregelung insbe-sondere nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoße.
Die Beklagte beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Im Übrigen sei die Rückwirkung des § 22b FRG n.F. als echte Rückwirkung verfassungsrechtlich unzulässig.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 14. April 2011 und 06. Mai 2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Berichterstatter kann anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, unter teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 25. November 1999 bei der Gewährung der Großen Witwenrente von der Begrenzung der anrechenbaren FRG-Zeiten auf 3,4273 Entgelt-punkte abzusehen.
Die Voraussetzungen nach § 44 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) liegen nicht vor. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Bei der Gewährung der Großen Witwenrente war nicht von der Begrenzung der anrechenbaren FRG-Zeiten abzusehen. Vielmehr ist die Begrenzung auf 3,4273 Entgeltpunkte gerechtfertigt. Hierbei kann dahinstehen, ob dies aus § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. oder a.F. folgt beziehungsweise ob erst durch § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. die Rechtslage konstitutiv verändert wurde und damit die Grundsätze des Rückwirkungsverbotes greifen oder ob eine bereits nach § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. bestehende Rechtslage lediglich deklaratorisch bestätigt worden ist, so dass das Rückwirkungsverbot gar nicht eingreift. Denn auch eine echte
Rückwirkung durch § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. wäre hier zulässig.
Hiernach kann die Begrenzung der Entgeltpunkte jedenfalls aus § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. hergeleitet werden, welcher gemäß Art. 15 Abs. 3 RVNG rückwirkend zum 07. Mai 1996 in Kraft gesetzt wurde. Nach § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. werden für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung zugrunde gelegt.
Eben so liegt es hier. Da die Beklagte mit Bescheid vom 26. Oktober 1999 der Klägerin eine Versichertenrente bereits unter Zugrundelegung von 21,5727 Entgeltpunkten gewährte, waren der Berechnung der Großen Witwenrente bis zum Erreichen des Höchstwerts von 25 Entgeltpunkten nur noch 3,4273 Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten zugrunde zu legen.
Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage zum BVerfG nach Art. 100 des Grundgesetzes (GG) kommt nicht in Betracht. Die Anwendung des § 22b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. unterliegt auch im vorliegenden Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierfür bezieht sich der Senat auf den Beschluss des BVerfG vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 -, wonach Grundrechte durch (eine Anwendung des) § 22b Abs. 1 S. 1 n.F. nicht verletzt werden und insbesondere die echte Rückwirkung der Vorschrift
verfassungsgemäß ist, weil ihr kein schutzwürdiges Vertrauen der Versicherten entgegen-steht. Denn zum Einen konnte § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. bis zum Zeitpunkt des oben genannten Urteils des 4. Senats des BSG keine geeignete Grundlage für die Bildung von Vertrauen dahingehend bilden, dass für die eigene Rente und für die Hinterbliebenenrente keine Gesamtobergrenze von 25 Entgeltpunkten gelte, weil damals nach übereinstimmender Rechtsauffassung niemand von einem solchen Regelungsgehalt der Norm ausging. Zum Anderen waren das vorgenannte Urteil des 4. Senat und ein dieses bestätigendes Urteil des 13. Senats des BSG (B 13 RJ 44/03 R) nicht geeignet, schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage zu erzeugen (BVerfG a.a.O., zitiert nach juris Rn. 75 ff.). So wies das BVerfG im vorgenannten Be-schluss eben auch – in einem im Wesentlichen gleich gelagerten Fall wie hier - die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin des Verfahrens 1 BvR 2530/05 zurück, welche Witwe ihres im Jahre 1980 im Ausland verstorbenen Ehemannes war, 1998 nach Deutschland einreiste und als Spätaussiedlerin anerkannt wurde. Der
Rentenversicherungsträger hatte ihr mit Begrenzung der Entgeltpunkte nach § 22b Abs. 1 FRG a.F. eine Altersrente unter Zugrundelegung von insgesamt 25 Entgeltpunkten bewilligt und hiernach die Witwenrente unter Hinweis auf § 22b Abs. 1 FRG a.F. mit dem Zahlbetrag "Null" festgestellt. Der Bescheid war mit dieser Beschränkung bestandskräftig geworden. Im Jahr 2002 hatte die Beschwerdeführerin – wie hier die Klägerin - unter Hinweis auf das Urteil des 4. Senats des BSG die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides und die Neuberechnung der Witwenrente beantragt, was der Rentenversicherungsträger abgelehnt hatte. Klage und Sprungrevision waren unter Hinweis auf § 22b Abs. 1 S. 1 FRG a.F. beziehungsweise n.F. der Erfolg versagt worden (vgl. zum Sachverhalt BVerfG a.a.O., Rn. 23 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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