Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KA 7150/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 1272/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.1.2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.679,41 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die (Degressions-)Kürzung seiner Vergütung für das Jahr 2008.
Der Kläger ist als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG-Chirurg) zur vertragsärztlichen sowie als Zahnarzt und Oralchirurg zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitzen in R. zugelassen.
Der Kläger hatte für das Jahr 2008 bei der Beklagten insgesamt 278.364 Punkte für konservierende chirurgische Leistungen abgerechnet, was rechnerisch einem Honorar von 235.076,02 EUR entsprochen hätte. Da der Kläger das degressionsfreie Punktelimit um 15.864 Punkte überschritten hatte, wurde die Überschreitungspunktmenge von 15.864 um 20% gekürzt. Bezogen auf die Gesamtpunktmenge ergab sich ein Kürzungsprozentsatz von 1,139 %. Das rechnerische Honorar von 235.076,02 EUR verminderte sich dadurch auf 232.396,61 EUR. Mit Bescheid vom 20.5.2009 kürzte die Beklagte deshalb das Honorar des Klägers für das Jahr 2008 um insgesamt 2.679,41 EUR.
Zur Begründung des dagegen am 24.6.2009 eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, er habe den Degressionsbescheid am 25.5.2009 erhalten. Die Degressionsregelung (§ 85 Abs. 4b Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) werde seiner Tätigkeit als Zahnarzt, Fachzahnarzt für Oralchirurgie und Facharzt für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie nicht gerecht. Die Anzahl konservierend-chirurgischer Gebisssanierungen bei Kindern in Allgemeinnarkose habe um ein Vielfaches zugenommen und blähe sein Punktzahlvolumen massiv auf. Notfälle oder Schmerzfälle könne er nicht abweisen, weil er andernfalls seine Pflichten als Vertragszahnarzt verletzen würde. Er müsse teilweise nicht mehr kostendeckend behandeln, was gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verstoße. Die Situation werde dadurch zusätzlich verschärft, dass einheitliche Behandlungsfälle seit 1.1.2004 entweder bei der Beklagten oder bei der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen seien. Er müsse deswegen auch chirurgische (ärztliche) Leistungen auf dem "Zahnschein" abrechnen. Bis zum 31.12.2003 habe er konsequent praktisch alle chirurgischen Leistungen über den "Arztschein" abgerechnet und dabei eine signifikante Minderhonorierung in Kauf genommen. Nunmehr habe sich das Abrechnungsvolumen von ca. 2/3 ärztlichen und 1/3 zahnärztlichen Leistungen etwa umgekehrt, wodurch das zahnärztliche Budget zusätzlich mit chirurgischen Abrechnungen belastet werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch (als unzulässig und unbegründet) zurück. Zur Begründung führte sie aus, hinsichtlich der Degressionskürzung sei man an die – höchstrichterlich als verfassungsmäßig angesehenen - gesetzlichen Vorgaben gebunden. Ermessen sei nicht eröffnet. Eine Härtefallregelung sehe das Gesetz nicht vor.
Am 27.10.2009 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung bezog er sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren.
Mit Urteil vom 27.1.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Degressionskürzung beruhe auf § 85 Abs. 4b Satz 1 SGB V. Diese Vorschrift sehe - in der für 2008 maßgeblichen Fassung - vor, dass sich ab einer Gesamtpunktmenge je Vertragszahnarzt aus vertragszahnärztlicher Behandlung einschließlich der kieferorthopädischer Behandlung von 262.500 Punkten je Kalenderjahr der Vergütungsanspruch für die weiteren vertragszahnärztlichen Behandlungen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB V um 20 v. H. verringere, ab einer Punktmenge von 337.500 je Kalenderjahr um 30 v. H. und ab einer Punktmenge von 412.500 je Kalenderjahr um 40 v. H. Für Kieferorthopäden verringere sich der Vergütungsanspruch für die weiteren vertragszahnärztlichen Behandlungen ab einer Gesamtpunktmenge von 280.000 Punkten je Kalenderjahr um 20 v. H., ab einer Punktmenge von 360.000 Punkten je Kalenderjahr um 30 v. H. und ab einer Punktmenge von 440.000 Punkten je Kalenderjahr um 40 v. H. Die Punktmengen umfassten alle vertragszahnärztlichen Leistungen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB V.
Die Degressionsregelung sei, wie das BSG (Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 32/09 R -, im Urteil des Sozialgerichts auszugsweise wiedergegeben) entschieden habe, auch hinsichtlich der MKG-Chirurgen verfassungsgemäß. Dass der Kläger zusätzlich Oralchirurg sei, ändere nichts, auch für diese Arztgruppe sei die genannte Vorschrift für verfassungsgemäß befunden worden (BSG, Urt. v. 29.11.2006, - B 6 KA 23/06 R -). Die Beklagte habe den Degressionsbetrag zutreffend errechnet, Berechnungsfehler seien weder ersichtlich noch geltend gemacht. Die vom Kläger angeführten Praxisbesonderheiten könnten nicht berücksichtigt werden. Eine dies ermöglichende Härtefallregelung sei den genannten Bestimmungen auch im Wege der verfassungskonformen Auslegung nicht zu entnehmen.
Auf das ihm am 8.3.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.3.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er sich auf sein Vorbringen in erster Instanz sowie seine Ausführungen in den Parallelverfahren L 5 KA 1117/10 und L 5 KA 1337/11 bezogen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts S. vom 27.1.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2009 zu verurteilen, ihm für das Jahr 2008 eine weitere Vergütung aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit in Höhe von 2.679,41 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.5.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem eingeforderten Honorarbetrag von 2.679,41 EUR überschritten. Die Berufung ist auch sonst zulässig (§ 151 SGG).
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weswegen die Berufung des Klägers unbegründet ist. Dafür kommt es auf die Frage der Zulässigkeit des vom Kläger gegen den Degressionsbescheid eingelegten Widerspruchs (und damit auch der Klage) entscheidungserheblich nicht an; wäre die Klage deswegen unzulässig gewesen, wäre die Berufung (ebenfalls) als unbegründet zurückzuweisen.
Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Rechtsgrundlagen der für das Jahr 2008 vorgenommenen Honorarkürzung (Degressionskürzung) in § 85 Abs. 4b bis 4f SGB verfassungsmäßig und gültig sind. Die vom Kläger behaupteten Verletzungen der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG liegen nicht vor.
Das BSG hat jüngst in seinem Urteil vom 13.10.2010 (- B 6 KA 32/09 R -) – anknüpfend an seine bisherige Rechtsprechung und an die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. nur etwa grundlegend BSG, Urt. v. 14.5.1997, - 6 RKa 25/96 -; Urt. v. 16.12.2009, - B 6 KA 10/09 R und B 6 KA 39/08 R - sowie BVerfG, Beschl. v. 21.6.2001, - 1 BvR 1762/00 -) - entschieden, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Punktwertdegression in ihrer konkreten Ausgestaltung auch im Hinblick auf die MKG-Chirurgen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Das gilt auch im Hinblick auf die Oralchirurgen (BSG, Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 35/09 R -; auch BSG, Urt. v. 29.11.2006, - B 6 KA 23/06 R -). Im Urteil vom 13.10.2010 (- B 6 KA 32/09 R -, MKG-Chirurgen) hat das BSG Folgendes ausgeführt:
Die Degressionsregelungen des § 85 Abs. 4b bis 4f SGB V sind, wie das BSG und das BVerfG bereits wiederholt entschieden haben, mit Art 12 Abs. 1 GG und Art 3 Abs. 1 GG sowie mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar (zuletzt BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Auch die heute geltende Fassung des § 85 Abs. 4b Satz 1 SGB V, die dieser durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) erhalten hat, ist verfassungsgemäß, wie der Senat bereits mit Urteil vom 29.11.2006 (SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 13 f, 25) festgestellt und mit Urteilen vom 16.12.2009 (- B 6 KA 10/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 48 RdNr 13, sowie - B 6 KA 39/08 R - BSGE 105, 117 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 49) sowie vom 5.5.2010 (- B 6 KA 21/09 R - RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) bekräftigt hat.
Die mit Wirkung zum 1.1.2005 erfolgte Absenkung der degressionsfreien Gesamtpunktmengen und der Degressionsgrenzwerte (zu den Einzelheiten s BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 15 und BSG Urteil vom 16.12.2009 - B 6 KA 10/09 R = SozR 4-2500 § 85 Nr. 48 RdNr 15 f) für alle Zahnärzte mit Ausnahme der Kieferorthopäden durfte auch die MKG-Chirurgen erfassen, ohne dass dies gegen die Vorgaben des Art 3 Abs. 1 und/oder des Art 12 Abs. 1 GG verstößt.
Das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs. 1 GG fordert, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, während wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werden kann (stRspr, vgl zB BVerfGE 113, 167, 214 = SozR 4-2500 § 266 Nr. 8 RdNr 83; vgl. auch BVerfGE 98, 365, 385; BVerfGE 112, 368, 404 = SozR 4-2600 § 307a Nr. 3 RdNr 62). Eine Ungleichbehandlung ist mit Art 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie diese Ungleichbehandlung rechtfertigen können (s zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr. 3 RdNr 38; BVerfGE 113, 167, 214 f = SozR aaO); die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist nur dann rechtswidrig, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf; der Spielraum des Gesetzgebers ist dabei weit bemessen (BVerfGE 98, 365, 385; BVerfGE 112, 368, 404 = SozR aaO).
Der Normgeber darf auswählen und gewichten, nach welchen Kriterien er Sachverhalte als im Wesentlichen gleich oder ungleich ansieht, muss dabei aber sachgerecht verfahren (BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 41, RdNr 28). Er ist auch befugt, zu pauschalieren, zu typisieren, zu generalisieren und zu schematisieren (vgl. zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR aaO RdNr 38; BVerfGE 116, 164, 180; zuletzt BVerfG (Kammer) Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - juris RdNr 10; ebenso zB BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 28 RdNr 21 mwN; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 41, RdNr 28). Dies setzt voraus, dass die damit verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind (vgl. BVerfGE 84, 348, 360; BVerfGE 87, 234, 255 f), lediglich eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 98, 365, 385; BVerfG Beschluss vom 6.7.2010 - 1 BvL 9/06 - ua - juris RdNr 80; zuletzt BVerfG (Kammer) Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - juris RdNr 10).
Der Normgeber hat daher grundsätzlich bei Regelungen im (zahn)ärztlichen Vergütungsrecht - wie generell im Sozialrecht (vgl. BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 2530/05 - ua - juris RdNr 86, unter 3., unter Hinweis auf BVerfGE 17, 210, 216; BVerfGE 77, 84, 106, und BVerfGE 81, 156, 205) - eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, ob bzw. inwieweit er für verschiedene Fachgruppen unterschiedliche Regelungen trifft oder sie gleich behandelt. Dies hat der Senat bereits für den Satzungsgeber bei der Honorarverteilung ausgeführt (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 28 RdNr 21 ff, insbesondere auch RdNr 24 mwN), und das gilt gleichermaßen auf der hier betroffenen Ebene förmlicher Gesetze (vgl. BSGE 97, 158 = SozR 4-2500 § 135 Nr. 10, RdNr 20, mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 16).
Nach diesen Maßstäben stellt weder die Gleichbehandlung der MKG-Chirurgen mit den sonstigen Vertragszahnärzten in Bezug auf die Degressionsregelung (aa) noch die diesbezügliche Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Kieferorthopäden (bb) einen Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG dar.
aa) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 29.11.2006 (SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 17) entschieden hat, durfte der Gesetzgeber die degressionsfreie Gesamtpunktmenge und die Degressionsstufen zum 1.1.2005 (s. hierzu Art 2 Nr. 7c iVm Art 37 Abs 8 GMG) für alle Vertragszahnärzte, die nicht als Kieferorthopäden zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen sind, im Zuge der Umstellung der Abrechnung von ZE-Leistungen auf Festzuschüsse absenken. Diese Absenkung ist auch insoweit mit Art 3 Abs. 1 sowie Art 12 Abs. 1 GG vereinbar, als sie die MKG-Chirurgen mit erfasst.
Soweit der Kläger geltend macht, die zu den Oralchirurgen entwickelte Rechtsprechung des Senats könne auf MKG-Chirurgen nicht übertragen werden, muss dem nicht weiter nachgegangen werden. Deshalb bedarf es auch keiner weiteren Sachaufklärung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang MKG-Chirurgen Zahnersatz eingliedern oder diese sich - wie der Kläger es darstellt: vergleichbar den Kieferorthopäden in ihrem originären Leistungsbereich - seit jeher auf zahnchirurgische Leistungen beschränken.
Die Besonderheit der Gruppe der MKG-Chirurgen besteht darin, dass diese sowohl als Vertragsärzte als auch als Vertragszahnärzte zugelassen sind. Zum Berufsbild des MKG-Chirurgen gehört es, dass er in seiner Praxis ärztliche und zahnärztliche Tätigkeiten anbietet und ausübt (vgl. BSGE 85, 145, 147 = SozR 3-5525 § 20 Nr. 1 S 3). MKG-Chirurgen müssen seit 1924 sowohl ärztlich als auch zahnärztlich ausgebildet sein (s hierzu BSGE aaO = SozR aaO). Nach der Muster-Weiterbildungsordnung 2003 der Bundesärztekammer ((M-WBO-Ä), in der Fassung vom 25.6.2010) setzt die Facharztweiterbildung zum MKG-Chirurgen auch das zahnärztliche Staatsexamen voraus (vgl. Abschnitt A § 4 Abs. 1 Satz 2 M-WBO-Ä sowie Abschnitt B zu Nr. 18 M-WBO-Ä). Ähnliche Bestimmungen enthalten die Weiterbildungsvorschriften der Länder. So setzt nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer B. der Beginn der Weiterbildung zum MKG-Chirurgen auch die Approbation als Zahnarzt oder die Erlaubnis zur Ausübung des zahnärztlichen Berufes voraus (vgl. § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 WBO vom 30.11.1994, ABl 1995 S 2573, idF des VI. Nachtrags vom 17.10.2001). Die Doppelqualifikation ist Ausdruck des gewachsenen Berufsbildes; dessen Besonderheit besteht darin, dass die MKG-Chirurgie die Bereiche Chirurgie und Zahnheilkunde zu einem einheitlichen Beruf verbindet (BSGE 85, 145, 147 = SozR 3-5525 § 20 Nr. 1 S 3 mwN). MKG-Chirurgen sind daher im Regelfall auch als Zahnärzte approbiert und sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S 299 mwN)
Aufgrund ihrer Doppelzulassung als Vertragsärzte und als Vertragszahnärzte steht es ihnen frei, ob sie einen Tätigkeits- und Abrechnungsschwerpunkt im vertragszahnärztlichen oder im vertragsärztlichen Bereich wählen. Zudem können sie zumindest einzelne Leistungen aus ihrem gesamten Behandlungsspektrum entweder vertragsärztlich oder vertragszahnärztlich abrechnen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S 299; BSGE 85, 145, 151 = SozR 3-5525 § 20 Nr. 1 S 8; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 36 S 204 f). Denn es gibt im Rahmen der möglichen Betätigungsfelder von MKG-Chirurgen Leistungen, die nur vertragsärztlich, andere, die nur vertragszahnärztlich abrechenbar sind, und weitere, die sowohl vertragsärztlich als auch vertragszahnärztlich abrechenbar sind, je nachdem, ob es für sie Vergütungstatbestände nur im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) oder nur im Bema-Z oder in beiden Leistungsverzeichnissen gibt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S 299).
Der EBM-Ä enthält in seinem Kapitel III. b ("Fachärztlicher Versorgungsbereich") Abschnitt 15 ("Gebührenordnungspositionen der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie") sowie in seinem Kapitel IV ("Arztgruppenübergreifende spezielle Gebührenordnungspositionen") Abschnitt 31.2.8 ("Definierte operative Eingriffe der Mund-, Kiefer- und Gesichts-Chirurgie", iVm Anhang 2, dort Nr. 2.10 und 2.21) eine Vielzahl von Leistungen, für die sich Entsprechungen im Bema-Z finden. Dies gilt etwa für die Extraktion von Zähnen (vgl. Nr. 31.2.8 iVm Nr. 15321 bis 15324 EBM-Ä), die Resektion von Wurzelspitzen (Nr. 15323 EBM-Ä) und die zusätzliche Wurzelkanalbehandlung (Nr. 15324 EBM-Ä), also für typische Leistungen der MKG- wie auch der Oralchirurgie.
MKG-Chirurgen sind aufgrund ihrer Doppelzulassung, insbesondere aber ihrer primären "Verankerung" im ärztlichen Bereich - es handelt sich um eine ärztliche Weiterbildung -, in mehr oder minder starkem Umfang auch im vertragsärztlichen Bereich tätig. So ist aus früheren Verfahren bekannt, dass MKG-Chirurgen im Zusammenhang mit ihren chirurgischen Leistungen in weitem Umfang auch vertragsärztliche Leistungen abrechnen bzw. abgerechnet haben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S 300). Angesichts des Umstands, dass MKG-Chirurgen bei bestimmten Leistungen ein (gewisses) Wahlrecht haben, ob sie diese nach dem vertragsärztlichen oder dem vertragszahnärztlichen Leistungsverzeichnis abrechnen, hat es der Senat bereits in früheren Entscheidungen als erforderlich erachtet, im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung vertragszahnärztlicher Prüfgremien nach § 106 SGB V im Regelfall neben den vertragszahnärztlichen auch die vertragsärztlichen Abrechnungswerte einzubeziehen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S 300; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 36 S 204 f).
Da die Angehörigen dieser Gruppe mithin bestimmte Leistungen aus dem Fachgebiet der MKG-Chirurgie ohne Rechtsverstoß als ärztliche oder zahnärztliche Leistungen abrechnen können, hat der Gesetzgeber sie bezogen auf die hier umstrittenen Degressionsregelungen ungeachtet des Umfangs der von ihnen erbrachten Zahnersatzleistungen wie alle Zahnärzte behandeln dürfen. Denn ähnlich wie Vertragszahnärzte typischerweise neben den aus der Gesamtvergütung honorierten und der Degression unterworfenen Leistungen aus den Bereichen konservierend-chirurgische Versorgung, Parodontosebehandlung und Individualprophylaxe auch Zahnersatz eingliedern, erbringen die MKG-Chirurgen neben den aus der vertragszahnärztlichen Gesamtvergütung honorierten konservierend-chirurgischen Leistungen vertragsärztliche Leistungen, die von der Kassenärztlichen Vereinigung honoriert werden.
Ziel und Zweck der Degressionsregelung ist es neben der Erzielung von Einsparungen bei den Krankenkassen und der Berücksichtigung von Rationalisierungsmöglichkeiten und Kostenvorteilen bei großen Umsätzen, Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung entgegenzusteuern, indem Zahnärzten mit umsatzstarken Praxen ein Anreiz gegeben wird, Patienten an andere, die Punktmengengrenzen nicht erreichende Zahnärzte abzugeben und so der Gefahr von Qualitätsdefiziten infolge übermäßiger Leistungserbringung entgegenzuwirken (stRspr des BSG, zuletzt Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die degressionsfreien Gesamtpunktmengen und die Degressionsstufen sind dabei auf einen in Vollzeit tätigen Zahnarzt bezogen, wie sich im Umkehrschluss aus § 85 Abs. 4b Satz 5 SGB V ergibt.
Geht man mithin davon aus, dass nach der Konzeption des Gesetzgebers die Grenzwerte des § 85 Abs. 4b SGB V das Leistungsvolumen beschreiben – bzw. jedenfalls vor der Absenkung der Degressionsgrenzwerte beschrieben haben -, das vom einzelnen Zahnarzt hinsichtlich der chirurgischen Tätigkeit ohne Qualitätseinbußen erbracht werden kann, ist es gerechtfertigt, alle Zahnärzte gleich zu behandeln, die neben diesen Leistungen noch andere Leistungen für die Versicherten der Krankenkassen erbringen dürfen und tatsächlich erbringen. Das betrifft bei den Oralchirurgen - je nach Praxis sehr unterschiedlich - die Eingliederung von Zahnersatz und bei den MKG-Chirurgen - auch dem Umfang nach sehr unterschiedlich - vertragsärztliche Leistungen.
Soweit der Kläger geltend macht, in seiner Praxis spielten vertragsärztliche Leistungen keine Rolle, rechtfertigt das keine andere Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung. Der Gesetzgeber ist berechtigt, einen Berufszweig insgesamt in den Blick zu nehmen, um daran seine Regelung zu orientieren (vgl. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 23 mwN). Allein der Umstand der Doppelzulassung indiziert, dass ärztliche Leistungen für die Ausübung des Berufs eines MKG-Chirurgen unverzichtbar sind. Deren Umfang hängt im Übrigen auch von der individuellen Entscheidung des Praxisinhabers ab, wo er welche Leistungen abrechnet. Es liegt auf der Hand, dass das Ausmaß der im jeweiligen Bereich abgerechneten Leistungen bei alternativer Abrechnungsmöglichkeit nicht allein fachlichen Vorgaben folgt, sondern wesentlich dadurch mitbestimmt wird, welcher Abrechnungsweg sich als ökonomisch günstiger erweist. Eine eher geringe Quote vertragsärztlicher Leistungen in der einzelnen MKG-Praxis kann daher auch darauf beruhen, dass das Vergütungsniveau im zahnärztlichen Bereich ungeachtet der Regelungen des § 85 Abs. 4b SGB V immer noch höher ist als im vertragsärztlichen Bereich.
bb) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass auch die Ungleichbehandlung von Kieferorthopäden und MKG-Chirurgen in Bezug auf die zum 1.1.2005 erfolgte Absenkung der Degressionsgrenzwerte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
In seinem Urteil vom 29.11.2006 (SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 21) hat der Senat im Einzelnen dargelegt, dass sich ein ausreichender Sachgrund dafür, nur für Kieferorthopäden eine Sonderregelung zu treffen, daraus ergibt, dass diese als gesamte Gruppe typischerweise keine ZE-Leistungen erbringen. Auch soweit sie berufsrechtlich daran nicht gehindert sind (vgl. BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 12 RdNr 19), gliedern diejenigen Zahnärzte, die eine Zulassung als Kieferorthopäde beantragen und erhalten, faktisch keinen Zahnersatz ein. Von dieser Annahme ist auch der Gesetzgeber des GMG ausgegangen (s Fraktionsentwurf-GMG, BT-Drucks 15/1525 S 153 zu Art 2 Nr. 7c; vgl. auch Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks 15/2710 S 42). Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Kieferorthopäden neben kieferorthopädischen noch andere zahnärztliche Leistungen erbringen.
Die Gruppe der Kieferorthopäden im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne besteht aus Zahnärzten, die nur für die Erbringung kieferorthopädischer Leistungen ermächtigt sind und keine prothetischen Leistungen erbringen dürfen, sowie aus Vertragszahnärzten für Kieferorthopädie, die theoretisch Zahnersatz eingliedern dürfen, das aber in der Realität nicht tun. Das Klientel der Kieferorthopäden im vertragszahnärztlichen Bereich besteht wegen der grundsätzlichen gesetzlichen Beschränkung des Anspruchs auf Versorgung mit kieferorthopädischen Leistungen auf Kinder und Jugendliche (vgl. § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V zum - grundsätzlichen - Ausschluss des Anspruchs auf kieferorthopädische Behandlung für volljährige Versicherte) nahezu ausschließlich aus diesem Personenkreis. Die Annahme, gerade ein Kieferorthopäde, der sein eigentliches Leistungsangebot erwachsenen Versicherten überhaupt nicht zur Verfügung stellen kann, würde Versicherte im vierten und fünften Lebensjahrzehnt, in dem ein Bedarf an prothetischer Versorgung typischerweise auftritt, mit Zahnersatz versorgen, liegt so fern, dass der Gesetzgeber dem nicht Rechnung tragen musste.
Die Sonderrolle der Kieferorthopäden wird - wie der Senat bereits dargelegt hat (vgl. SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 21) - auch dadurch bestätigt, dass für diese eine gesonderte Bedarfsplanung erfolgt. Nach Abschnitt D.1. der seinerzeit maßgeblichen, aufgrund der Ermächtigung des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 SGB V erlassenen "Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung in der vertragszahnärztlichen Versorgung" (Bedarfsplanungs-Richtlinien Zahnärzte - BedarfsplanungsRL-ZÄ) wurden die Verhältniszahlen, von denen bei der Ermittlung des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades auszugehen ist, getrennt für die zahnärztliche und die kieferorthopädische Versorgung festgelegt (aaO Abs. 1 Satz 1 und 2). Hieran hat sich auch durch die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen im vertragszahnärztlichen Bereich nichts geändert (vgl. hierzu § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 Satz 2 BedarfsplanungsRL-ZÄ vom 14.8.2007).
Eine ebensolche Situation ist indessen - wie dargelegt - bei der Gruppe der MKG-Chirurgen nicht gegeben.
Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Die Erwägungen des BSG zur Verfassungsmäßigkeit der Degressionsregelungen und ihrer Anwendung (u.a.) auf MKG-Chirurgen entziehen der Behauptung von Verfassungsverstößen die Grundlage. Daran ändert es auch nichts, dass der Kläger sowohl als MKG- wie als Oralchirurg vertrags(zahn)ärztlich tätig ist. Das BSG hat die Degressionsregelung - aus den im Kern gleichen Gründen wie für MKG-Chirurgen - auch im Hinblick auf die Oralchirurgen für verfassungsgemäß erachtet (BSG, Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 35/09 R -). Der Gesetzgeber musste daher von Verfassungs wegen für beide Arztgruppen Sondervorschriften hinsichtlich der Degressionsgrenzen nicht treffen und auch eine Härtefallregelung, etwa zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten, nicht vorsehen. Das gilt auch für solche Ärzte, die sowohl als MKG- wie als Oralchirurgen tätig sind. Der Gesetzgeber darf (und muss) beim Erlass abstrakt-genereller Gesetze über die Vergütung der Vertrags(zahn)ärzte typisieren und pauschalieren und kann deswegen nicht jede Vertrags(zahn)arztpraxis und deren Spezifika berücksichtigen. Mit dem BSG hat der Senat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Degressionsregelungen. Diese ist von der Beklagten, worüber kein Streit herrscht, auch rechtsfehlerfrei angewendet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs.2 SGG.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.679,41 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die (Degressions-)Kürzung seiner Vergütung für das Jahr 2008.
Der Kläger ist als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG-Chirurg) zur vertragsärztlichen sowie als Zahnarzt und Oralchirurg zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitzen in R. zugelassen.
Der Kläger hatte für das Jahr 2008 bei der Beklagten insgesamt 278.364 Punkte für konservierende chirurgische Leistungen abgerechnet, was rechnerisch einem Honorar von 235.076,02 EUR entsprochen hätte. Da der Kläger das degressionsfreie Punktelimit um 15.864 Punkte überschritten hatte, wurde die Überschreitungspunktmenge von 15.864 um 20% gekürzt. Bezogen auf die Gesamtpunktmenge ergab sich ein Kürzungsprozentsatz von 1,139 %. Das rechnerische Honorar von 235.076,02 EUR verminderte sich dadurch auf 232.396,61 EUR. Mit Bescheid vom 20.5.2009 kürzte die Beklagte deshalb das Honorar des Klägers für das Jahr 2008 um insgesamt 2.679,41 EUR.
Zur Begründung des dagegen am 24.6.2009 eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, er habe den Degressionsbescheid am 25.5.2009 erhalten. Die Degressionsregelung (§ 85 Abs. 4b Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) werde seiner Tätigkeit als Zahnarzt, Fachzahnarzt für Oralchirurgie und Facharzt für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie nicht gerecht. Die Anzahl konservierend-chirurgischer Gebisssanierungen bei Kindern in Allgemeinnarkose habe um ein Vielfaches zugenommen und blähe sein Punktzahlvolumen massiv auf. Notfälle oder Schmerzfälle könne er nicht abweisen, weil er andernfalls seine Pflichten als Vertragszahnarzt verletzen würde. Er müsse teilweise nicht mehr kostendeckend behandeln, was gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verstoße. Die Situation werde dadurch zusätzlich verschärft, dass einheitliche Behandlungsfälle seit 1.1.2004 entweder bei der Beklagten oder bei der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen seien. Er müsse deswegen auch chirurgische (ärztliche) Leistungen auf dem "Zahnschein" abrechnen. Bis zum 31.12.2003 habe er konsequent praktisch alle chirurgischen Leistungen über den "Arztschein" abgerechnet und dabei eine signifikante Minderhonorierung in Kauf genommen. Nunmehr habe sich das Abrechnungsvolumen von ca. 2/3 ärztlichen und 1/3 zahnärztlichen Leistungen etwa umgekehrt, wodurch das zahnärztliche Budget zusätzlich mit chirurgischen Abrechnungen belastet werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch (als unzulässig und unbegründet) zurück. Zur Begründung führte sie aus, hinsichtlich der Degressionskürzung sei man an die – höchstrichterlich als verfassungsmäßig angesehenen - gesetzlichen Vorgaben gebunden. Ermessen sei nicht eröffnet. Eine Härtefallregelung sehe das Gesetz nicht vor.
Am 27.10.2009 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung bezog er sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren.
Mit Urteil vom 27.1.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Degressionskürzung beruhe auf § 85 Abs. 4b Satz 1 SGB V. Diese Vorschrift sehe - in der für 2008 maßgeblichen Fassung - vor, dass sich ab einer Gesamtpunktmenge je Vertragszahnarzt aus vertragszahnärztlicher Behandlung einschließlich der kieferorthopädischer Behandlung von 262.500 Punkten je Kalenderjahr der Vergütungsanspruch für die weiteren vertragszahnärztlichen Behandlungen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB V um 20 v. H. verringere, ab einer Punktmenge von 337.500 je Kalenderjahr um 30 v. H. und ab einer Punktmenge von 412.500 je Kalenderjahr um 40 v. H. Für Kieferorthopäden verringere sich der Vergütungsanspruch für die weiteren vertragszahnärztlichen Behandlungen ab einer Gesamtpunktmenge von 280.000 Punkten je Kalenderjahr um 20 v. H., ab einer Punktmenge von 360.000 Punkten je Kalenderjahr um 30 v. H. und ab einer Punktmenge von 440.000 Punkten je Kalenderjahr um 40 v. H. Die Punktmengen umfassten alle vertragszahnärztlichen Leistungen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB V.
Die Degressionsregelung sei, wie das BSG (Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 32/09 R -, im Urteil des Sozialgerichts auszugsweise wiedergegeben) entschieden habe, auch hinsichtlich der MKG-Chirurgen verfassungsgemäß. Dass der Kläger zusätzlich Oralchirurg sei, ändere nichts, auch für diese Arztgruppe sei die genannte Vorschrift für verfassungsgemäß befunden worden (BSG, Urt. v. 29.11.2006, - B 6 KA 23/06 R -). Die Beklagte habe den Degressionsbetrag zutreffend errechnet, Berechnungsfehler seien weder ersichtlich noch geltend gemacht. Die vom Kläger angeführten Praxisbesonderheiten könnten nicht berücksichtigt werden. Eine dies ermöglichende Härtefallregelung sei den genannten Bestimmungen auch im Wege der verfassungskonformen Auslegung nicht zu entnehmen.
Auf das ihm am 8.3.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.3.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er sich auf sein Vorbringen in erster Instanz sowie seine Ausführungen in den Parallelverfahren L 5 KA 1117/10 und L 5 KA 1337/11 bezogen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts S. vom 27.1.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2009 zu verurteilen, ihm für das Jahr 2008 eine weitere Vergütung aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit in Höhe von 2.679,41 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.5.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem eingeforderten Honorarbetrag von 2.679,41 EUR überschritten. Die Berufung ist auch sonst zulässig (§ 151 SGG).
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weswegen die Berufung des Klägers unbegründet ist. Dafür kommt es auf die Frage der Zulässigkeit des vom Kläger gegen den Degressionsbescheid eingelegten Widerspruchs (und damit auch der Klage) entscheidungserheblich nicht an; wäre die Klage deswegen unzulässig gewesen, wäre die Berufung (ebenfalls) als unbegründet zurückzuweisen.
Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Rechtsgrundlagen der für das Jahr 2008 vorgenommenen Honorarkürzung (Degressionskürzung) in § 85 Abs. 4b bis 4f SGB verfassungsmäßig und gültig sind. Die vom Kläger behaupteten Verletzungen der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG liegen nicht vor.
Das BSG hat jüngst in seinem Urteil vom 13.10.2010 (- B 6 KA 32/09 R -) – anknüpfend an seine bisherige Rechtsprechung und an die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. nur etwa grundlegend BSG, Urt. v. 14.5.1997, - 6 RKa 25/96 -; Urt. v. 16.12.2009, - B 6 KA 10/09 R und B 6 KA 39/08 R - sowie BVerfG, Beschl. v. 21.6.2001, - 1 BvR 1762/00 -) - entschieden, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Punktwertdegression in ihrer konkreten Ausgestaltung auch im Hinblick auf die MKG-Chirurgen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Das gilt auch im Hinblick auf die Oralchirurgen (BSG, Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 35/09 R -; auch BSG, Urt. v. 29.11.2006, - B 6 KA 23/06 R -). Im Urteil vom 13.10.2010 (- B 6 KA 32/09 R -, MKG-Chirurgen) hat das BSG Folgendes ausgeführt:
Die Degressionsregelungen des § 85 Abs. 4b bis 4f SGB V sind, wie das BSG und das BVerfG bereits wiederholt entschieden haben, mit Art 12 Abs. 1 GG und Art 3 Abs. 1 GG sowie mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar (zuletzt BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Auch die heute geltende Fassung des § 85 Abs. 4b Satz 1 SGB V, die dieser durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) erhalten hat, ist verfassungsgemäß, wie der Senat bereits mit Urteil vom 29.11.2006 (SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 13 f, 25) festgestellt und mit Urteilen vom 16.12.2009 (- B 6 KA 10/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 48 RdNr 13, sowie - B 6 KA 39/08 R - BSGE 105, 117 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 49) sowie vom 5.5.2010 (- B 6 KA 21/09 R - RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) bekräftigt hat.
Die mit Wirkung zum 1.1.2005 erfolgte Absenkung der degressionsfreien Gesamtpunktmengen und der Degressionsgrenzwerte (zu den Einzelheiten s BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 15 und BSG Urteil vom 16.12.2009 - B 6 KA 10/09 R = SozR 4-2500 § 85 Nr. 48 RdNr 15 f) für alle Zahnärzte mit Ausnahme der Kieferorthopäden durfte auch die MKG-Chirurgen erfassen, ohne dass dies gegen die Vorgaben des Art 3 Abs. 1 und/oder des Art 12 Abs. 1 GG verstößt.
Das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs. 1 GG fordert, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, während wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werden kann (stRspr, vgl zB BVerfGE 113, 167, 214 = SozR 4-2500 § 266 Nr. 8 RdNr 83; vgl. auch BVerfGE 98, 365, 385; BVerfGE 112, 368, 404 = SozR 4-2600 § 307a Nr. 3 RdNr 62). Eine Ungleichbehandlung ist mit Art 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie diese Ungleichbehandlung rechtfertigen können (s zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr. 3 RdNr 38; BVerfGE 113, 167, 214 f = SozR aaO); die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist nur dann rechtswidrig, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf; der Spielraum des Gesetzgebers ist dabei weit bemessen (BVerfGE 98, 365, 385; BVerfGE 112, 368, 404 = SozR aaO).
Der Normgeber darf auswählen und gewichten, nach welchen Kriterien er Sachverhalte als im Wesentlichen gleich oder ungleich ansieht, muss dabei aber sachgerecht verfahren (BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 41, RdNr 28). Er ist auch befugt, zu pauschalieren, zu typisieren, zu generalisieren und zu schematisieren (vgl. zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR aaO RdNr 38; BVerfGE 116, 164, 180; zuletzt BVerfG (Kammer) Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - juris RdNr 10; ebenso zB BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 28 RdNr 21 mwN; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 41, RdNr 28). Dies setzt voraus, dass die damit verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind (vgl. BVerfGE 84, 348, 360; BVerfGE 87, 234, 255 f), lediglich eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 98, 365, 385; BVerfG Beschluss vom 6.7.2010 - 1 BvL 9/06 - ua - juris RdNr 80; zuletzt BVerfG (Kammer) Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - juris RdNr 10).
Der Normgeber hat daher grundsätzlich bei Regelungen im (zahn)ärztlichen Vergütungsrecht - wie generell im Sozialrecht (vgl. BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 2530/05 - ua - juris RdNr 86, unter 3., unter Hinweis auf BVerfGE 17, 210, 216; BVerfGE 77, 84, 106, und BVerfGE 81, 156, 205) - eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, ob bzw. inwieweit er für verschiedene Fachgruppen unterschiedliche Regelungen trifft oder sie gleich behandelt. Dies hat der Senat bereits für den Satzungsgeber bei der Honorarverteilung ausgeführt (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 28 RdNr 21 ff, insbesondere auch RdNr 24 mwN), und das gilt gleichermaßen auf der hier betroffenen Ebene förmlicher Gesetze (vgl. BSGE 97, 158 = SozR 4-2500 § 135 Nr. 10, RdNr 20, mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 16).
Nach diesen Maßstäben stellt weder die Gleichbehandlung der MKG-Chirurgen mit den sonstigen Vertragszahnärzten in Bezug auf die Degressionsregelung (aa) noch die diesbezügliche Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Kieferorthopäden (bb) einen Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG dar.
aa) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 29.11.2006 (SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 17) entschieden hat, durfte der Gesetzgeber die degressionsfreie Gesamtpunktmenge und die Degressionsstufen zum 1.1.2005 (s. hierzu Art 2 Nr. 7c iVm Art 37 Abs 8 GMG) für alle Vertragszahnärzte, die nicht als Kieferorthopäden zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen sind, im Zuge der Umstellung der Abrechnung von ZE-Leistungen auf Festzuschüsse absenken. Diese Absenkung ist auch insoweit mit Art 3 Abs. 1 sowie Art 12 Abs. 1 GG vereinbar, als sie die MKG-Chirurgen mit erfasst.
Soweit der Kläger geltend macht, die zu den Oralchirurgen entwickelte Rechtsprechung des Senats könne auf MKG-Chirurgen nicht übertragen werden, muss dem nicht weiter nachgegangen werden. Deshalb bedarf es auch keiner weiteren Sachaufklärung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang MKG-Chirurgen Zahnersatz eingliedern oder diese sich - wie der Kläger es darstellt: vergleichbar den Kieferorthopäden in ihrem originären Leistungsbereich - seit jeher auf zahnchirurgische Leistungen beschränken.
Die Besonderheit der Gruppe der MKG-Chirurgen besteht darin, dass diese sowohl als Vertragsärzte als auch als Vertragszahnärzte zugelassen sind. Zum Berufsbild des MKG-Chirurgen gehört es, dass er in seiner Praxis ärztliche und zahnärztliche Tätigkeiten anbietet und ausübt (vgl. BSGE 85, 145, 147 = SozR 3-5525 § 20 Nr. 1 S 3). MKG-Chirurgen müssen seit 1924 sowohl ärztlich als auch zahnärztlich ausgebildet sein (s hierzu BSGE aaO = SozR aaO). Nach der Muster-Weiterbildungsordnung 2003 der Bundesärztekammer ((M-WBO-Ä), in der Fassung vom 25.6.2010) setzt die Facharztweiterbildung zum MKG-Chirurgen auch das zahnärztliche Staatsexamen voraus (vgl. Abschnitt A § 4 Abs. 1 Satz 2 M-WBO-Ä sowie Abschnitt B zu Nr. 18 M-WBO-Ä). Ähnliche Bestimmungen enthalten die Weiterbildungsvorschriften der Länder. So setzt nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer B. der Beginn der Weiterbildung zum MKG-Chirurgen auch die Approbation als Zahnarzt oder die Erlaubnis zur Ausübung des zahnärztlichen Berufes voraus (vgl. § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 WBO vom 30.11.1994, ABl 1995 S 2573, idF des VI. Nachtrags vom 17.10.2001). Die Doppelqualifikation ist Ausdruck des gewachsenen Berufsbildes; dessen Besonderheit besteht darin, dass die MKG-Chirurgie die Bereiche Chirurgie und Zahnheilkunde zu einem einheitlichen Beruf verbindet (BSGE 85, 145, 147 = SozR 3-5525 § 20 Nr. 1 S 3 mwN). MKG-Chirurgen sind daher im Regelfall auch als Zahnärzte approbiert und sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S 299 mwN)
Aufgrund ihrer Doppelzulassung als Vertragsärzte und als Vertragszahnärzte steht es ihnen frei, ob sie einen Tätigkeits- und Abrechnungsschwerpunkt im vertragszahnärztlichen oder im vertragsärztlichen Bereich wählen. Zudem können sie zumindest einzelne Leistungen aus ihrem gesamten Behandlungsspektrum entweder vertragsärztlich oder vertragszahnärztlich abrechnen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S 299; BSGE 85, 145, 151 = SozR 3-5525 § 20 Nr. 1 S 8; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 36 S 204 f). Denn es gibt im Rahmen der möglichen Betätigungsfelder von MKG-Chirurgen Leistungen, die nur vertragsärztlich, andere, die nur vertragszahnärztlich abrechenbar sind, und weitere, die sowohl vertragsärztlich als auch vertragszahnärztlich abrechenbar sind, je nachdem, ob es für sie Vergütungstatbestände nur im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) oder nur im Bema-Z oder in beiden Leistungsverzeichnissen gibt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S 299).
Der EBM-Ä enthält in seinem Kapitel III. b ("Fachärztlicher Versorgungsbereich") Abschnitt 15 ("Gebührenordnungspositionen der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie") sowie in seinem Kapitel IV ("Arztgruppenübergreifende spezielle Gebührenordnungspositionen") Abschnitt 31.2.8 ("Definierte operative Eingriffe der Mund-, Kiefer- und Gesichts-Chirurgie", iVm Anhang 2, dort Nr. 2.10 und 2.21) eine Vielzahl von Leistungen, für die sich Entsprechungen im Bema-Z finden. Dies gilt etwa für die Extraktion von Zähnen (vgl. Nr. 31.2.8 iVm Nr. 15321 bis 15324 EBM-Ä), die Resektion von Wurzelspitzen (Nr. 15323 EBM-Ä) und die zusätzliche Wurzelkanalbehandlung (Nr. 15324 EBM-Ä), also für typische Leistungen der MKG- wie auch der Oralchirurgie.
MKG-Chirurgen sind aufgrund ihrer Doppelzulassung, insbesondere aber ihrer primären "Verankerung" im ärztlichen Bereich - es handelt sich um eine ärztliche Weiterbildung -, in mehr oder minder starkem Umfang auch im vertragsärztlichen Bereich tätig. So ist aus früheren Verfahren bekannt, dass MKG-Chirurgen im Zusammenhang mit ihren chirurgischen Leistungen in weitem Umfang auch vertragsärztliche Leistungen abrechnen bzw. abgerechnet haben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S 300). Angesichts des Umstands, dass MKG-Chirurgen bei bestimmten Leistungen ein (gewisses) Wahlrecht haben, ob sie diese nach dem vertragsärztlichen oder dem vertragszahnärztlichen Leistungsverzeichnis abrechnen, hat es der Senat bereits in früheren Entscheidungen als erforderlich erachtet, im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung vertragszahnärztlicher Prüfgremien nach § 106 SGB V im Regelfall neben den vertragszahnärztlichen auch die vertragsärztlichen Abrechnungswerte einzubeziehen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S 300; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 36 S 204 f).
Da die Angehörigen dieser Gruppe mithin bestimmte Leistungen aus dem Fachgebiet der MKG-Chirurgie ohne Rechtsverstoß als ärztliche oder zahnärztliche Leistungen abrechnen können, hat der Gesetzgeber sie bezogen auf die hier umstrittenen Degressionsregelungen ungeachtet des Umfangs der von ihnen erbrachten Zahnersatzleistungen wie alle Zahnärzte behandeln dürfen. Denn ähnlich wie Vertragszahnärzte typischerweise neben den aus der Gesamtvergütung honorierten und der Degression unterworfenen Leistungen aus den Bereichen konservierend-chirurgische Versorgung, Parodontosebehandlung und Individualprophylaxe auch Zahnersatz eingliedern, erbringen die MKG-Chirurgen neben den aus der vertragszahnärztlichen Gesamtvergütung honorierten konservierend-chirurgischen Leistungen vertragsärztliche Leistungen, die von der Kassenärztlichen Vereinigung honoriert werden.
Ziel und Zweck der Degressionsregelung ist es neben der Erzielung von Einsparungen bei den Krankenkassen und der Berücksichtigung von Rationalisierungsmöglichkeiten und Kostenvorteilen bei großen Umsätzen, Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung entgegenzusteuern, indem Zahnärzten mit umsatzstarken Praxen ein Anreiz gegeben wird, Patienten an andere, die Punktmengengrenzen nicht erreichende Zahnärzte abzugeben und so der Gefahr von Qualitätsdefiziten infolge übermäßiger Leistungserbringung entgegenzuwirken (stRspr des BSG, zuletzt Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die degressionsfreien Gesamtpunktmengen und die Degressionsstufen sind dabei auf einen in Vollzeit tätigen Zahnarzt bezogen, wie sich im Umkehrschluss aus § 85 Abs. 4b Satz 5 SGB V ergibt.
Geht man mithin davon aus, dass nach der Konzeption des Gesetzgebers die Grenzwerte des § 85 Abs. 4b SGB V das Leistungsvolumen beschreiben – bzw. jedenfalls vor der Absenkung der Degressionsgrenzwerte beschrieben haben -, das vom einzelnen Zahnarzt hinsichtlich der chirurgischen Tätigkeit ohne Qualitätseinbußen erbracht werden kann, ist es gerechtfertigt, alle Zahnärzte gleich zu behandeln, die neben diesen Leistungen noch andere Leistungen für die Versicherten der Krankenkassen erbringen dürfen und tatsächlich erbringen. Das betrifft bei den Oralchirurgen - je nach Praxis sehr unterschiedlich - die Eingliederung von Zahnersatz und bei den MKG-Chirurgen - auch dem Umfang nach sehr unterschiedlich - vertragsärztliche Leistungen.
Soweit der Kläger geltend macht, in seiner Praxis spielten vertragsärztliche Leistungen keine Rolle, rechtfertigt das keine andere Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung. Der Gesetzgeber ist berechtigt, einen Berufszweig insgesamt in den Blick zu nehmen, um daran seine Regelung zu orientieren (vgl. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 23 mwN). Allein der Umstand der Doppelzulassung indiziert, dass ärztliche Leistungen für die Ausübung des Berufs eines MKG-Chirurgen unverzichtbar sind. Deren Umfang hängt im Übrigen auch von der individuellen Entscheidung des Praxisinhabers ab, wo er welche Leistungen abrechnet. Es liegt auf der Hand, dass das Ausmaß der im jeweiligen Bereich abgerechneten Leistungen bei alternativer Abrechnungsmöglichkeit nicht allein fachlichen Vorgaben folgt, sondern wesentlich dadurch mitbestimmt wird, welcher Abrechnungsweg sich als ökonomisch günstiger erweist. Eine eher geringe Quote vertragsärztlicher Leistungen in der einzelnen MKG-Praxis kann daher auch darauf beruhen, dass das Vergütungsniveau im zahnärztlichen Bereich ungeachtet der Regelungen des § 85 Abs. 4b SGB V immer noch höher ist als im vertragsärztlichen Bereich.
bb) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass auch die Ungleichbehandlung von Kieferorthopäden und MKG-Chirurgen in Bezug auf die zum 1.1.2005 erfolgte Absenkung der Degressionsgrenzwerte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
In seinem Urteil vom 29.11.2006 (SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 21) hat der Senat im Einzelnen dargelegt, dass sich ein ausreichender Sachgrund dafür, nur für Kieferorthopäden eine Sonderregelung zu treffen, daraus ergibt, dass diese als gesamte Gruppe typischerweise keine ZE-Leistungen erbringen. Auch soweit sie berufsrechtlich daran nicht gehindert sind (vgl. BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 12 RdNr 19), gliedern diejenigen Zahnärzte, die eine Zulassung als Kieferorthopäde beantragen und erhalten, faktisch keinen Zahnersatz ein. Von dieser Annahme ist auch der Gesetzgeber des GMG ausgegangen (s Fraktionsentwurf-GMG, BT-Drucks 15/1525 S 153 zu Art 2 Nr. 7c; vgl. auch Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks 15/2710 S 42). Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Kieferorthopäden neben kieferorthopädischen noch andere zahnärztliche Leistungen erbringen.
Die Gruppe der Kieferorthopäden im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne besteht aus Zahnärzten, die nur für die Erbringung kieferorthopädischer Leistungen ermächtigt sind und keine prothetischen Leistungen erbringen dürfen, sowie aus Vertragszahnärzten für Kieferorthopädie, die theoretisch Zahnersatz eingliedern dürfen, das aber in der Realität nicht tun. Das Klientel der Kieferorthopäden im vertragszahnärztlichen Bereich besteht wegen der grundsätzlichen gesetzlichen Beschränkung des Anspruchs auf Versorgung mit kieferorthopädischen Leistungen auf Kinder und Jugendliche (vgl. § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V zum - grundsätzlichen - Ausschluss des Anspruchs auf kieferorthopädische Behandlung für volljährige Versicherte) nahezu ausschließlich aus diesem Personenkreis. Die Annahme, gerade ein Kieferorthopäde, der sein eigentliches Leistungsangebot erwachsenen Versicherten überhaupt nicht zur Verfügung stellen kann, würde Versicherte im vierten und fünften Lebensjahrzehnt, in dem ein Bedarf an prothetischer Versorgung typischerweise auftritt, mit Zahnersatz versorgen, liegt so fern, dass der Gesetzgeber dem nicht Rechnung tragen musste.
Die Sonderrolle der Kieferorthopäden wird - wie der Senat bereits dargelegt hat (vgl. SozR 4-2500 § 85 Nr. 27 RdNr 21) - auch dadurch bestätigt, dass für diese eine gesonderte Bedarfsplanung erfolgt. Nach Abschnitt D.1. der seinerzeit maßgeblichen, aufgrund der Ermächtigung des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 SGB V erlassenen "Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung in der vertragszahnärztlichen Versorgung" (Bedarfsplanungs-Richtlinien Zahnärzte - BedarfsplanungsRL-ZÄ) wurden die Verhältniszahlen, von denen bei der Ermittlung des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades auszugehen ist, getrennt für die zahnärztliche und die kieferorthopädische Versorgung festgelegt (aaO Abs. 1 Satz 1 und 2). Hieran hat sich auch durch die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen im vertragszahnärztlichen Bereich nichts geändert (vgl. hierzu § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 Satz 2 BedarfsplanungsRL-ZÄ vom 14.8.2007).
Eine ebensolche Situation ist indessen - wie dargelegt - bei der Gruppe der MKG-Chirurgen nicht gegeben.
Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Die Erwägungen des BSG zur Verfassungsmäßigkeit der Degressionsregelungen und ihrer Anwendung (u.a.) auf MKG-Chirurgen entziehen der Behauptung von Verfassungsverstößen die Grundlage. Daran ändert es auch nichts, dass der Kläger sowohl als MKG- wie als Oralchirurg vertrags(zahn)ärztlich tätig ist. Das BSG hat die Degressionsregelung - aus den im Kern gleichen Gründen wie für MKG-Chirurgen - auch im Hinblick auf die Oralchirurgen für verfassungsgemäß erachtet (BSG, Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 35/09 R -). Der Gesetzgeber musste daher von Verfassungs wegen für beide Arztgruppen Sondervorschriften hinsichtlich der Degressionsgrenzen nicht treffen und auch eine Härtefallregelung, etwa zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten, nicht vorsehen. Das gilt auch für solche Ärzte, die sowohl als MKG- wie als Oralchirurgen tätig sind. Der Gesetzgeber darf (und muss) beim Erlass abstrakt-genereller Gesetze über die Vergütung der Vertrags(zahn)ärzte typisieren und pauschalieren und kann deswegen nicht jede Vertrags(zahn)arztpraxis und deren Spezifika berücksichtigen. Mit dem BSG hat der Senat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Degressionsregelungen. Diese ist von der Beklagten, worüber kein Streit herrscht, auch rechtsfehlerfrei angewendet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs.2 SGG.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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