L 3 AL 3913/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 4751/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3913/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Juli 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Rechtmäßigkeit von Meldeaufforderungen, von Vermittlungsvorschlägen und einer durch die Beklagte erklärten Aufrechnung im Streit.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger steht mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leis-tungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte. Mit Bescheiden vom 01., 05, 25. und 27.10. sowie vom 08.11.2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, am 08., 12., 26.10. sowie am 08. und 12.11.2010 bei ihr vorzusprechen, um über seine berufliche Situation zu sprechen. Die hiergegen vom Kläger eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 als unbegründet zurück.

Mit Schreiben vom 04., 08. und 22.10.2010 unterbreitete die Beklagte dem Kläger Vermittlungsvorschläge bezüglich verschiedener Tätigkeiten. Die vom Kl. hiergegen erhobenen Widersprüche verwarf die Bekl. durch Widerspruchsbescheid vom 16.11.2010 als unzulässig. Die Vermittlungsvorschläge seien keine Verwaltungsakte, da hierdurch keine Rechte des Klägers begründet, entzogen oder festgestellt würden.

Durch Beschluss vom 06.05.2009 setzte des SG die dem Kläger von der Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Verfahrens S 11 AL 4850/08 ER auf 2,83 EUR fest. Hiergegen rechnete die Beklagte am 17.11.2010 mit einer ihr gegenüber dem Kläger aus dem Verfahren L 9 SF 5920/09 ER-B zustehenden Forderung i.H.v. 20,- EUR auf. Am 22.11.2010 rechnete die Beklagte auch hinsichtlich der dem Kläger zustehenden Zinsen i.H.v. 0,30 EUR auf. Die Widersprüche des Klägers vom 18. und 25.11.2010 verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2010 als unzulässig, da die Aufrechnungserklärungen keine Verwaltungsakte seien.

Am 18.11.2010 hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, die Widerspruchsbescheide hätten nicht ergehen dürfen, da sich die Widerspruchsverfahren vor deren Erlass erledigt hätten. Die Einladungen und Vermittlungsvorschläge seien bereits deshalb rechtswidrig, weil die Rechtsfolgenbelehrungen unvollständig seien. Gegen eine Aufwandsentschädigung könne nicht aufgerechnet werden und die Pfändungsfreigrenze sei nicht eingehalten. Darüber hinaus könnten gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss nur Einwände nach den Maßgaben der §§ 767, 769 Zivilprozessordnung (ZPO) geltend gemacht werden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.07.2011 hat das SG den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17.11.2010 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, es sei trotz des Befangenheitsantrages des Klägers vom 26.04.2011 zur Entscheidung berufen, da das gegen den Kammervorsitzenden gerichtete Ablehnungsgesuch offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei. Der angefochtene Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17.11.2010 sei aufzuheben. Die diesem zu Grunde liegenden Bescheide vom 01., 05., 25. und 27.10.2010 sowie vom 08.11.2010, mit denen der Kläger aufgefordert wurde, am 08., 12. und am 26.10.2010, sowie am 08. und am 12.11.2010 bei ihr vorzusprechen, hätten sich bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheids am 17.11.2010 erledigt, weswegen eine Widerspruchsentscheidung in der Sache nicht mehr hätte ergehen dürfen; das Widerspruchsverfahren hätte vielmehr eingestellt werden müssen. Durch den dennoch ergangenen Widerspruchsbescheid sei der Kläger beschwert, da durch die Zurückweisung seines Widerspruchs der Eindruck erweckt werde, die erledigten Meldeaufforderungen seien bestandskräftig geworden. Im übrigen seien die weiteren Anträge des Klägers jeweils unzulässig. Das SG hat eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne.

Gegen den am 25.07.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.08.2011 beim SG Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das SG habe unzulässigerweise selbst über ein Befangenheitsgesuch entschieden. Das Verfahren müsse zurückverwiesen werden. Ihm sei Einsicht in die Akten verweigert worden. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Hierzu bringt er vor, er sei mittellos und könne sich von 286,- EUR monatlich kein Handy, Fax oder einen Computer mit Internetzugang leisten. Er sei darauf angewiesen, dass ihm Dritte gelegentlich Zugang zu einem Computer ermöglichen. Hierauf habe er jedoch keinen Einfluss, weswegen es ihm unmöglich sei, Fristen einzuhalten. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Juli 2011 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers wurde verspätet eingelegt; sie ist als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 19.10.2011 nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ordnungsgemäß durch Übergabe der Ladung in der Justizvollzugsanstalt geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen. Auch der Umstand, dass sich der Kläger seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, ändert hieran nichts. Zwar steht auch einem der Strafvollstreckung unterliegenden Prozessbeteiligten das Recht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu, der Senat war jedoch nicht gehalten, dem Kläger die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2011 dadurch zu ermöglichen, dass seine Vorführung aus der Untersuchungshaft anzuordnen gewesen wäre, da der Kläger selbst insoweit zunächst alles ihm Zumutbare unternommen haben muss, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können. Insoweit hätte es dem Kläger oblegen, gegenüber den Strafvollstreckungsbehörden, seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu beantragen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 31.10.2005 -B 7a AL 14/05 B - veröffentlicht in juris). Da jedoch ein solcher Antrag (vgl. § 6 des Zweiten Buches des Gesetzbuches über den Justizvollzug in Baden-Württemberg) nicht gestellt wurde, war der Senat nicht gehalten, den Kläger zur mündlichen Verhandlung vorführen zu lassen. Der Kläger ist vielmehr, da sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris).

Gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Landessozialgericht - bzw. nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG bei dem Sozialgericht - einzulegen.

Gemäß § 64 Abs.1 SGG beginnt der Lauf einer Frist grundsätzlich mit dem Tage nach der Zustellung. Nachdem der Gerichtsbescheid, der eine vollständige und ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung i.S.d. § 66 Abs. 1 SGG beinhaltet hat, ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 25.07.2011 am 25.07.2011 in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingelegt wurde, galt er gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 180 Satz 2 Zivilprozessordnung an diesem Tag als zugestellt. Die einmonatige Berufungsfrist begann mithin gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Folgetag, dem 26.07.2011 zu laufen. Sie endete gem. § 64 Abs. 2 SGG mit Ablauf des 25.08.2011, einem Donnerstag. Der Kläger hat die Berufung am 29.08.2011, d.h. nach Ablauf der Berufungsfrist beim SG eingelegt. Die Berufung ist mithin verfristet eingelegt worden und daher bereits unzulässig.

Dem Kläger ist auch keine Widereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist jemanden, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mithin ist nur im Fall einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewandt hat, die ein gewissenhaft Prozessführender nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 31.03.1993 - 13 RJ 9/92 -; Urteil vom 27.05.2008 - B 2 U 5/07 R - m.w.N. jew. veröffentlicht in juris). Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats die Berufungsfrist schuldhaft versäumt. Das Vorbringen des Klägers, ihm stünden keine finanziellen Mittel für ein Faxgerät oder einen Computer mit Internetzugang zur Verfügung, ist nicht geeignet, den Vorwurf der verschuldeten Fristversäumnis zu beseitigen. Ungeachtet dessen, dass der Vortrag schlechterdings falsch ist; der Kläger hat einen Computer, dieser wurde lediglich von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt; hätte ein gewissenhaft Prozessführender von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Berufung mittels eines einfachen Briefes im Postweg einzulegen. Da dieser Weg auch dem Kläger offen stand - die Kosten hierfür von ca. 1,- EUR hätte der Kläger ohne Weiteres aufbringen können - indes vom Kläger nicht beschritten wurde, hat er die Sorgfalt eines gewissenhaften Prozessführenden nicht beachtet. Der Kläger hat die Berufungsfrist schuldhaft versäumt, weswegen ihm keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Die Berufung ist daher zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved