L 3 AL 3917/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 4901/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3917/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Juli 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Bewerbungskosten, die Förderung eines Druckers und eines Toners, sowie die Feststellungen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig gewesen ist und sie verpflichtet gewesen sei, einen Vorschuss bzw. einen Abschlag zu gewähren und dass das vorliegende Verfahren formlos sei.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger steht mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leis-tungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte. Am 27.10.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung von Bewerbungskosten. Mit Schreiben vom 27.10.2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, weitere Unterlagen und Nachweise vorzulegen. Den hiergegen am 27.10.2010 eingelegten Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2010 (W 907/10) als unzulässig, da die Anforderung von Unterlagen kein Verwaltungsakt sei. Mit Bescheid vom 30.11.2010 (Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010) versagte die Beklagte schließlich die Erstattung der Bewerbungskosten aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Klägers.

Am 15.10.2010 beantragte der Kläger die Förderung eines Druckers und eines Toners für die Erstellung von Bewerbungen. Mit Bescheid vom 19.10.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2010 (W 990/10) als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 25.10.2010 Klage zum SG - S 11 AL 4406/10 -, die derzeit noch anhängig ist.

Am 25.11.2010 hat der Kläger Klage zum SG erhoben, mit der er die Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom 22. und vom 24.11.2010, die Zahlung von Bewerbungskosten und der Kosten für einen Drucker und einen Toner, sowie die Feststellung, dass das Verhalten der Beklagten rechtwidrig gewesen sei und sie verpflichtet gewesen sei, einen Vorschuss bzw. einen Abschlag zu gewähren sowie dass das vorliegende Verfahren formlos sei, geltend gemacht hat. Zur Begründung der Klage hat er im Wesentlichen vorgetragen, auf die begehrten Leistungen bestehe ein Anspruch. Soweit der Beklagten Ermessen zustehe, sei dies auf Null reduziert.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.07.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig, soweit der Kläger Rechtsschutz gegen das Schreiben der Beklagten vom 27.10.2010 geltend gemacht habe, da dieses kein Verwaltungsakt i. S. d. § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei. Auch der Leistungsantrag des Klägers auf Erstattung der Bewerbungskosten sei unzulässig, da die Beklagte mit Bescheid vom 30.11.2010 (Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010) die Erstattung von Bewerbungskosten aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Kl. gemäß § 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) versagt habe, der mit der Klage nicht angefochten sei. Der Bescheid vom 19.10.2010 (Widerspruchsbescheid vom 22.11.2010) sei Gegenstand des Verfahrens S 11 AL 4406/10, weswegen die Klage diesbezüglich wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig sei. Die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten oder der Formfreiheit des Verfahrens seien gleichfalls unzulässig. Der Kläger könne ausreichenden Rechtsschutz dadurch erlangen, dass diese Fragen im Rahmen einer Anfechtungs- oder einer Anfechtungs- und Leistungsklage gegen ablehnende Bescheide der Beklagten inzident geprüft würden. Der Antrag auf Erstattung von Bewerbungskosten und damit auch die Bewilligung eines Vorschusses oder Abschlags sei jedenfalls unbegründet, da die begehrten Leistungen im Ermessen der Beklagten stünden. Ein Anspruch des Klägers bestehe deswegen nur dann, wenn eine Ermessensreduktion auf Null vorliege, was vorliegend nicht der Fall sei. Das SG hat eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne.

Gegen den am 25.07.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.08.2011 beim SG Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das SG habe unzulässigerweise selbst über ein Befangenheitsgesuch entschieden. Das Verfahren müsse zurückverwiesen werden. Ihm sei Einsicht in die Akten verweigert worden. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Hierzu bringt er vor, er sei mittellos und könne sich von 286,- EUR monatlich kein Handy, Fax oder einen Computer mit Internetzugang leisten. Er sei darauf angewiesen, dass ihm Dritte gelegentlich Zugang zu einem Computer ermöglichen. Hierauf habe er jedoch keinen Einfluss, weswegen es ihm unmöglich sei, Fristen einzuhalten. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Juli 2011 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers wurde verspätet eingelegt; sie ist als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 19.10.2011 nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ordnungsgemäß durch Übergabe der Ladung in der Justizvollzugsanstalt geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen. Auch der Umstand, dass sich der Kläger seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, ändert hieran nichts. Zwar steht auch einem der Strafvollstreckung unterliegenden Prozessbeteiligten das Recht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu, der Senat war jedoch nicht gehalten, dem Kläger die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2011 dadurch zu ermöglichen, dass seine Vorführung aus der Untersuchungshaft anzuordnen gewesen wäre, da der Kläger selbst insoweit zunächst alles ihm Zumutbare unternommen haben muss, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können. Insoweit hätte es dem Kläger oblegen, gegenüber den Strafvollstreckungsbehörden, seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu beantragen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 31.10.2005 -B 7a AL 14/05 B - veröffentlicht in juris). Da jedoch ein solcher Antrag (vgl. § 6 des Zweiten Buches des Gesetzbuches über den Justizvollzug in Baden-Württemberg) nicht gestellt wurde, war der Senat nicht gehalten, den Kläger zur mündlichen Verhandlung vorführen zu lassen. Der Kläger ist vielmehr, da sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris).

Gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Landessozialgericht - bzw. nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG bei dem Sozialgericht - einzulegen.

Gemäß § 64 Abs.1 SGG beginnt der Lauf einer Frist grundsätzlich mit dem Tage nach der Zustellung. Nachdem der Gerichtsbescheid, der eine vollständige und ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung i.S.d. § 66 Abs. 1 SGG beinhaltet hat, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 25.07.2011 in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingelegt wurde, galt er gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 180 Satz 2 Zivilprozessordnung an diesem Tag als zugestellt. Die einmonatige Berufungsfrist begann mithin gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Folgetag, dem 26.07.2011 zu laufen. Sie endete gem. § 64 Abs. 2 SGG mit Ablauf des 25.08.2011, einem Donnerstag. Der Kläger hat die Berufung am 29.08.2011, d.h. nach Ablauf der Berufungsfrist beim SG eingelegt. Die Berufung ist mithin verfristet eingelegt worden und daher bereits unzulässig.

Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist jemanden, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mithin ist nur im Fall einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewandt hat, die ein gewissenhaft Prozessführender nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zugemutet werden kann (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.1993 - 13 RJ 9/92 -; Urteil vom 27.05.2008 - B 2 U 5/07 R - m.w.N. jew. veröffentlicht in juris). Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats die Berufungsfrist schuldhaft versäumt. Das Vorbringen des Klägers, ihm stünden keine finanziellen Mittel für ein Faxgerät oder einen Computer mit Internetzugang zur Verfügung, ist nicht geeignet, den Vorwurf der verschuldeten Fristversäumnis zu beseitigen. Ungeachtet dessen, dass der Vortrag schlechterdings falsch ist; der Kläger hat einen Computer, dieser wurde lediglich von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt; hätte ein gewissenhaft Prozessführender von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Berufung mittels eines einfachen Briefes im Postweg einzulegen. Da dieser Weg auch dem Kläger offen stand - die Kosten hierfür von ca. 1,- EUR hätte der Kläger ohne Weiteres aufbringen können – indes vom Kläger nicht beschritten wurde, hat er die Sorgfalt eines gewissenhaften Prozessführenden nicht beachtet. Der Kläger hat die Berufungsfrist schuldhaft versäumt, weswegen ihm keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Die Berufung ist daher zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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