L 1 R 368/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 772/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 368/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) als Selbständiger in der Gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist.

Der 1971 geborene Kläger, der seit 1. Januar 2001 als MLP-Berater tätig ist, stellte am 23. Februar 2001 einen Antrag auf befristete Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber. Er bezog sich auf ein Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 1999, wonach die MLP-Berater als selbständige Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) anzusehen seien. Daraufhin befreite die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 22. März 2001 befristet vom 1. Januar 2001 bis zum 1. Januar 2004 von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber. Mit Bescheid vom 7. Januar 2004 stellte die Beklagte mit Wirkung ab 2. Januar 2004 Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI fest. Dagegen legte der Kläger am 28. Januar 2004 Widerspruch ein und führte aus, er habe mit der MLP-Finanzdienstleistungen AG (im Folgenden: MLP) keinen Ausschließlichkeitsvertrag. Er habe mit mindestens 37 Gesellschaften der Finanzdienstleistungsbranche Maklerverträge. Der Anteil seines Hauptauftraggebers allein betrage weniger als 5/6 seiner Gesamteinkünfte. Er vermittle auch Verträge anderer Gesellschaften und Banken außerhalb der MLP-Vermittlungsplattform. Die Beklagte bat den Kläger um Übersendung der einzelnen Handelsvertreterverträge. Nachdem der Kläger dieser Bitte nicht nachkam, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2005 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 29. Juli 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben, die er jedoch nicht begründet hat. Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2006 hat das SG daraufhin die Klage abgewiesen.

Gegen den am 14. Juli 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit einem am 14. August 2006 beim SG eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und vorgetragen, er sei seit dem 1. Januar 2003 Geschäftsstellenleiter in M ... Die Geschäftsstelle sei keine von MLP verantwortete Kostenstelle, sondern seine Unternehmung. Er trage das volle unternehmerische Risiko und hafte persönlich mit seinem Vermögen. Die notwendigen Personalentscheidungen treffe er allein. Seit 2003 beschäftige er mindestens eine sozialversicherungspflichtige Mitarbeiterin im Sekretariat. Die Personalkosten würden im Zuge eines Geschäftsbesorgungsvertrages von MLP an die Mitarbeiterin ausgezahlt, aber vollständig dem Geschäftsstellensaldo zugerechnet. Im Ergebnis zahle er also vollständig die Lohn- und Sozialversicherungsbeträge für die Mitarbeiterin. Im Übrigen dürfe er eigene Vermittlungs- und Beratungsverträge mit seinen Kunden abschließen. Von den erzielten Provisionen müsse er 40 % an MLP abführen. Das sei letztlich nicht ungewöhnlich, denn MLP trage im Sinne eines Franchisegebers sämtliche Kosten des Marketings und der Schulungen und biete die Produktplattform unterschiedlichster Auftraggeber (Versicherungsunternehmen) an, aus der sein Kunde das für ihn passende Finanz- oder Versicherungsprodukt auswähle. Die Abrechnung der Provision erfolge im Verhältnis der Versicherungsgesellschaft mit Provisionsinkasso der MLP. Danach erfolge die Auszahlung an ihn. MLP nehme im Ergebnis lediglich den Zahlungsverkehr vor.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Juli 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger als selbständiger Finanzdienstleistungsberater nicht der Versicherungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Juli 2006 zurückzuweisen.

Sie meint, dass es sich bei der Tätigkeit als MLP-Consultant nicht um eine abhängige Beschäftigung handele, sondern um eine selbständige Tätigkeit als Handelsvertreter nach §§ 84 ff. HGB. Im Verhältnis zu den Consultants sei MLP Auftraggeber. Eigenständige vertragliche Beziehungen zwischen dem Kläger und den Vertragsgesellschaften von MLP bestünden nicht, so dass der Kläger diesen gegenüber auch keine Vergütungsansprüche erwerbe. MLP stelle also mehr als eine bloße Vermittlungsplattform dar, die Provisionen lediglich abrechne und weiterleite. Hinsichtlich der behaupteten Arbeitnehmerbeschäftigung spreche die Darstellung des Klägers dafür, dass es sich nicht um eine von ihm beschäftigte Hilfsperson handele, sondern um einen Beschäftigten von MLP.

Der Senat hat den Kläger aufgefordert, seinen Vertrag mit MLP sowie die Arbeitsverträge zu den behaupteten Beschäftigungsverhältnissen einzureichen und zu erklären, an welche Einzugsstellen die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten und der ihn bestätigende Gerichtsbescheid des SG sind nicht zu beanstanden, so dass der Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert ist.

Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (in der Fassung des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999, BGBl. I 2000 S. 2) sind versicherungspflichtig selbständig tätige Personen, die

a)

im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630 Deutsche Mark (ab 1. Januar 2002: "325 Euro", Änderung durch Bekanntmachung der Neufassung des SGB VI vom 19. Februar 2002, BGBl. I S. 754; ab 1. Januar 2003: "400 Euro", Änderung durch Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. I S. 4621; ab 1. Mai 2007 vollständige Streichung des 2. Halbsatzes "dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 400 Euro" durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20. April 2007, BGBl. I S. 554) im Monat übersteigt, und

b)

auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (ab 1. Juli 2006 Anfügung " , bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft," durch Haushaltsbegleitgesetz 2006 vom 29. Juni 2006, BGBl. I S. 1402).

Die Voraussetzung, dass der Selbständige auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist, soll nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers dann erfüllt sein, wenn der Betreffende rechtlich (vertraglich) oder tatsächlich (wirtschaftlich) an einen Auftraggeber gebunden bzw. von diesem abhängig ist (BTDrs. 14/45 S. 20). Erfasst werden von vornherein nur "echte" Selbständige, also Personen, die weisungsfrei (d.h. ohne in eine fremde Arbeitsorganisation integriert zu sein) auf eigene Rechnung und mit Gewinnerzielungsabsicht arbeiten (Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 2, Rdnr. 79). Unter "einem Auftraggeber" ist dabei "derselbe Auftraggeber" zu verstehen (Fichte, a. a. O., Rdnr. 82). Von einer Tätigkeit auf Dauer nur für einen Auftraggeber ist auszugehen, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses erfolgt (Grintsch in Kreikebohm u. a., SGB VI, 3. Aufl., § 2, Rdnr. 39). Das Erfordernis, im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig zu sein, wird von der Praxis als erfüllt angesehen, wenn der Betroffene mindestens 5/6 seiner gesamten Einkünfte aus den zu beurteilenden Tätigkeiten alleine aus einer dieser Tätigkeiten erzielt (Grintsch, a. a. O.; Fichte, a. a. O., Rdnr. 84).

Der Senat ist überzeugt, dass der Kläger selbständig tätig ist. Davon gehen im Übrigen auch die Beteiligten aus. Der Kläger hat ausgeführt, er trage das volle unternehmerische Risiko und hafte persönlich mit seinem Vermögen. Die Selbständigkeit wird auch durch die von der Beklagten übersandten Verträge aus einem Vergleichsfall bestätigt. Der "Mitarbeiter-Vertrag" von November 2000 (im Folgenden: MV) sowie der "MLP Consultant Vertrag" von Januar 2002 (im Folgenden: CV) stellen heraus, dass der Mitarbeiter bzw. Consultant selbständiger Gewerbetreibender im Sinne der §§ 84 ff. HGB ist (§ 2 I. MV; § 1 Rdnr. 1 CV). § 1 Rdnr. 3 CV betont, dass der Consultant frei ist in der Bestimmung des Ortes und der Zeit seiner Tätigkeit. Der Mitarbeiter bzw. Consultant erhält für seine Tätigkeit Vergütungen in Form von Provisionen und Honoraren (§ 4 I. MV; § 6 Rdnr. 1 CV). Daraus ergibt sich, dass sein Einkommen vom Erfolg seiner Vermittlungsbemühungen abhängt, er allein also das wirtschaftliche Risiko seines Tätigwerdens trägt. Allerdings ist der Kläger nach eigenen Angaben seit 1. Januar 2003 Geschäftsstellenleiter. Den diesbezüglichen Vertrag mit MLP hat er trotz mehrfacher Aufforderung nicht eingereicht. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass ein Geschäftsstellenleiter im Gegensatz zu den Mitarbeitern bzw. Consultants abhängig beschäftigt ist, zumal der Kläger nach eigenen Angaben ebenfalls Finanzdienstleistungsprodukte vermittelt.

Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats rechtlich nur an einen Auftraggeber, nämlich MLP, gebunden. Dies verdeutlichen die einschlägigen Regelungen des MV bzw. CV. Gemäß § 3 I. MV darf der Mitarbeiter während der Vertragszeit nur – hauptberuflich – für MLP tätig sein und die von MLP angebotenen Produkte vermitteln. § 1 Rdnr. 2 CV besagt, dass die Tätigkeit des Consultant die Beratung der MLP-Kunden über sowie die Vermittlung von MLP-Dienstleistungen und von Finanzprodukten umfasst, die von MLP freigegeben sind. Gemäß § 6 Rdnr. 1, 2 CV bezieht der Consultant Provisionen und Honorare ausschließlich über MLP. Er hat Anspruch auf Provisionen und Honorare, sobald MLP Anspruch auf Provisionen und Honorare gegenüber der jeweiligen Vertragsgesellschaft hat. Dies zeigt, dass MLP und nicht der Consultant in eine vertragliche Beziehung mit der jeweiligen Vertragsgesellschaft (z.B. eine Versicherung) eintritt. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Vertrag des Klägers insoweit wesentlich vom MV bzw. CV abweicht. Darauf deutet nicht zuletzt der Umstand hin, dass der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung seinen Vertrag mit MLP nicht vorgelegt hat. Im Übrigen hat der Kläger in seinem Antrag vom 23. Februar 2001 selbst angegeben, nur für einen Auftraggeber, nämlich MLP, tätig zu sein. Er hat nicht nachgewiesen, dass sich daran seither etwas geändert hat.

Der Kläger hat im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit auch keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Der Begriff des Arbeitnehmers erfordert die nicht selbständige Arbeit in einem Arbeitnehmerverhältnis im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, § 2 Rdnr. 9). Der Arbeitnehmer muss zum Selbständigen selber und nicht zu einem Dritten in einem formalen sozialversicherungsrechtlichen Rechts- und Pflichtenverhältnis stehen (BSG, Urteil vom 10. Mai 2006 – B 12 RA 2/05 R –, SozR 4-2600 § 2 Nr. 8, Rdnr. 24).

Der Senat hält es nicht für glaubhaft, dass der Kläger selbst seit 2003 mindestens eine sozialversicherungspflichtige Mitarbeiterin im Sekretariat beschäftigt. Dagegen sprechen § 7 I. MV und § 8 Rdnr. 1 CV, wonach die in den Geschäftsstellen anfallenden fixen Kosten wie Raummiete und Gehälter von Angestellten der MLP-Gesellschaften von MLP zu tragen sind. Im Übrigen ist auch diesbezüglich auf seine Angaben im Antrag vom 23. Februar 2001 hinzuweisen. Dort hat der Kläger angekreuzt, im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit nicht mindestens einen Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden zu beschäftigen. Dass insoweit eine Änderung eingetreten ist, hat der Kläger nicht nachgewiesen. Er ist der Aufforderung des Senats, die Arbeitsverträge zu den behaupteten Beschäftigungsverhältnissen einzureichen und zu erklären, an welche Einzugsstellen die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, nicht nachgekommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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