L 12 KO 3525/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 KO 3525/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 25. März 2008 wird auf 975,09 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

In dem beim Landesozialgericht Baden-Württemberg (LSG) geführten Verfahren L 1 SB 4237/07 ging es um die Feststellung des Merkzeichens "G". Im Januar 2008 wurde der Antragsteller unter Beifügung der Gerichts- und Verwaltungsakten zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens auf Grund ambulanter Untersuchung des Klägers gebeten. Am 25. März 2008 hat der Antragsteller ein 20-seitiges neurologisches Gutachten (ca. 35.000 Anschläge) erstattet. Für das Gutachten hat er mit Rechnung vom 15. Mai 2008 eine Vergütung in Höhe von 1.387,44 EUR verlangt. Abgerechnet hat er 8 ½ Stunden a` 60 EUR, Schreibgebühren und Porto sowie zusätzlich technische Untersuchungsleistungen. Bei der Abrechnung der Untersuchungsleistungen legte der Antragsteller den 3,5fachen Satz der entsprechenden Ziffern des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen (Anlage zur Gebührenordnung für Ärzte [GOÄ]) mit der Begründung zugrunde, dass ein erhöhter Zeitaufwand bei Adipositas und Beinödemen aufgetreten sei.

Die Kostenbeamtin hat die Vergütung mit Schreiben vom 7. Juli 2008 auf 780,52 EUR herabgesetzt und die ärztlichen Leistungen nach dem einfachen Satz des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ entschädigt. Im Einzelnen stehen sich folgende Positionen gegenüber:

Antragsteller Kostenbeamtin Zeitaufwand 510 EUR 510 EUR Schreibauslagen 26,25 EUR 26,25 EUR Porto 1,50 EUR 1,50 EUR Farbduplexsonographie GOÄ Ziff. 645, 649 265,23 EUR 75,78 EUR Elektroneurographie GOÄ Ziff. 829 32,65 EUR 9,33 EUR 2 - Elektroneurographie GOÄ Ziff. 839 285,60 EUR 81,60 EUR MEP analog GOÄ Ziff. 839 142,80 EUR 40,80 EUR Somatosensibel evozierte Potentiale GOÄ Ziff. 828 123,41 EUR 35,26 EUR Summe 1387,44 EUR 780,52 EUR

Mit seinem Antrag auf richterliche Festsetzung macht der Antragsteller geltend, dass die elektrophysiologischen Untersuchungen des Klägers aufgrund der massiven Adipositas nur unter erschwerten Bedingungen mit erheblich erhöhtem Zeitaufwand durchführbar gewesen seien. Bei dicken Menschen mit zusätzlichen Beinödemen sei es technisch sehr schwierig, periphere Nerven aufzusuchen und mit Stromimpulsen zu messen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 25. März 2008 wird auf 975,09 EUR festgesetzt.

Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz - JVEG) Anwendung, weil der Gutachtensauftrag dem Beschwerdeführer nach dem 30. Juni 2004 erteilt worden ist (§ 25 Satz 1 JVEG).

Vorliegend entscheidet der Senat, weil der Berichterstatter ihm die Sache nach §§ 2 Abs. 2 S. 6, 4 Abs. 7 S. 2 JVEG übertragen hat.

Gem. § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung ein Honorar für ihrer Leistungen nach §§ 9 bis 11 JVEG (Nr. 1), Fahrtkostenersatz nach § 5 JVEG (Nr. 2), Entschädigung für Aufwand nach § 6 JVEG (Nr. 3) sowie Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen nach §§ 7, 12 JVEG (Nr. 4). Streitig ist vorliegend allein, in welcher Höhe die vom Antragsteller erbrachten technischen Untersuchungsleistungen zu entschädigen sind, nachdem die Kostenbeamtin antragsgemäß und in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben den vom Antragsteller geltend gemachten Zeitaufwand unter Berücksichtigung der Honorargruppe M 2 mit 510,- EUR (§ 9 Abs. 1 JVEG), die Schreibauslagen mit 26,25 EUR (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 3 JVEG) und das angefallene Porto mit 1,50 EUR (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG) bemessen hat.

Auszugehen ist für die Vergütung der streitigen technischen Untersuchungsleistungen von § 10 Abs. 1 JVEG, wonach sich das Honorar bzw. die Entschädigung nach der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG bemisst, soweit ein Sachverständiger Leistungen erbringt, die in dieser Anlage bezeichnet sind. Demgegenüber findet § 10 Abs. 2 JVEG keine Anwendung, da die vom Antragsteller erbrachten ärztlichen Leistungen nicht dem Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen (Anlage zur Gebührenordnung für Ärzte [GOÄ]) unterfallen, sondern den Abschnitten F und G.

Die vom Antragsteller erbrachten Leistungen Elektroneurographie, Messung motorisch evozierter Potentiale (MEP) und Messung somatosensibler evozierter Potentiale stellen elektrophysiologische Untersuchungen eines Menschen i.S. der Nr. 305 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG dar, so dass der Antragsteller nach dem insofern in der Anlage 2 vorgesehenen Vergütungsrahmen (13 EUR bis 115 EUR je Untersuchung) zu entschädigen ist. Dabei wird der Vergütungsrahmen für ärztliche Leistungen zur Gewährleistung einer überall gleichmäßigen, transparenten und vorhersehbaren Vergütung (zu diesem Ziel nur Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl. 2011, § 10 JVEG Rdnr. 2) grundsätzlich durch die Gebührensätze der GOÄ ausgefüllt und zwar nach dem einfachen Satz (vgl. bspw. Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. April 2010 - L 15 SF 298/09 -; Thüringer LSG, Beschluss vom 17. Mai 1999 - L 6 SF 426/98 -; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 15. November 1977 - L 2 J 246/76 -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Januar 1971 - L 5b KO53/698 -; Binz in ders./Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, 2. Aufl. 2009, § 10 JVEG Anl. 2 Rdnr. 1; Bleutge, JVEG, 4. Aufl., § 10 Rdnr. 11; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, § 10 Rdnr. 10.8), wobei eine Bestimmung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls bis zum vorgesehenen Höchstsatz, der nicht überschritten werden kann, möglich ist (vgl. Schneider, JVEG, 2007, Allgemeines zu Anlage 2 Rdnr. 2). Demnach ist zunächst von den einfachen Gebührensätzen der GOÄ auszuheben. Wegen der vom Antragsteller beschriebenen und in seinem Gutachten auch dokumentierten besonderen Umstände des Einzelfalls (Adipositas, Ödeme), die die Durchführung der Untersuchungen wesentlich erschwert haben, sind die einfachen Gebührensätze im vorliegenden Einzelfall - begrenzt durch den Höchstsatz von 115,- EUR - maßvoll wie folgt zu erhöhen: - Elektroneurographie (GOÄ Ziff. 829: 9,33 EUR): 18,66 EUR - 2 - Elektroneurographie (GOÄ Ziff. 839: 40,80 EUR - 2 = 81,60 EUR): 115,- EUR - MEP (GOÄ Ziff. 839: 40,80 EUR): 81,60 EUR - Messung somatosensibel evozierter Potentiale (GOÄ Ziff. 828 35,26 EUR): 70,52 EUR - zusammen: 285,78 EUR Dabei kann nicht - wie vom Antragsteller gewünscht - der 3,5fache GOÄ-Satz zur Ausfüllung des Vergütungsrahmens herangezogen werden. Denn eine durchschnittlich schwierige Leistung rechtfertigt im Rahmen der Entschädigung eines Sachverständigen nach den Vorschriften des JVEG (Ausnahme § 10 Abs. 2 S. 1 JVEG) lediglich die Anwendung des einfachen Satzes des Gebührenverzeichnisses der GOÄ, nicht jedoch - wie bei der Abrechnung einer ärztlichen Leistung gegenüber dem Patienten - des Höchstsatzes der Regelspanne von 2,3 bzw. 1,8 gem. § 5 GOÄ (dazu BGH, Urteil vom 8. November 2007 - III ZR 54/07 -). Daher würde die Erhöhung des einfachen Gebührensatzes auf die 3,5 fache Höchstgebühr zu einem erheblichen Vergütungssprung führen, der in keinem Verhältnis mehr zu der Entschädigung einer durchschnittlich schwierigen Leistung steht. Auch wäre die durch die Anwendung des (einfachen) Gebührensatzes der GOÄ gewährleistete Binnendifferenzierung, die in der unterschiedlichen Höhe der Gebührensätze für die im Gebührenverzeichnis zur GOÄ geregelten ärztlichen Leistungen zum Ausdruck kommt, bei einer Entschädigung überdurchschnittlich schwieriger ärztlichen Leistungen i.S. der Nr. 305 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG mit dem 3,5fachen Höchstsatz wegen des maßgeblichen Höchstsatzes von 115,- EUR nur eingeschränkt möglich. Daher hält es der Senat in den Fällen für sachgerecht, in denen konkrete Anhaltspunkte für eine schwierige Verrichtung vorgetragen wurden oder sonst ersichtlich sind, die es rechtfertigen, von einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit der erbrachten ärztlichen Leistung i.S. der Nr. 305 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG auszugehen, den einfachen Gebührensatz des Gebührenverzeichnisses der GOÄ im Einzelfall maßvoll zu erhöhen, freilich begrenzt durch den maßgeblichen Höchstsatz.

Dagegen unterfällt die übrige besondere Leistung, nämlich die Farbduplexsonographie, nicht der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG, die für bestimmte gutachterliche Tätigkeiten einen Vergütungssatz bzw. Vergütungsrahmen vorsieht. Für die übrigen ärztlichen Leistungen, bei denen es sich nicht prinzipiell um gutachterliche Leistungen handelt, zieht der Senat - mangels anderer Anhaltspunkte und zur Gewährleistung einer transparenten und vorhersehbaren Vergütung (zu diesem Ziel vgl. nur Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl. 2011, § 10 JVEG Rdnr. 2) - die GOÄ heran und wendet regelmäßige den einfachen Gebührensatz der GOÄ an (bspw. Senatsbeschlüsse vom 11. März 2008 - L 12 R 1573/07 KO-A; vom 3. August 2010 - L 12 KO 5730/09 -). Da - wie oben ausgeführt - der Antragsteller Anhaltspunkte für eine schwierige Verrichtung vorgetragen hat, ist von einem überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad auszugehen, der eine Verdoppelung des einfachen Gebührensatzes rechtfertigt. Der einfache Gebührensatz für die Farbduplexsonographie beträgt 75,78 EUR (Ziff. 645, 649) und ist wegen der vorliegenden Besonderheiten auf 151,56 EUR zu erhöhen.

Demnach war die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 25. März 2008 unter Berücksichtigung von 510 EUR (Zeitaufwand), 26,25 EUR (Schreibauslagen), 1,50 EUR (Porto), 437,34 EUR (Untersuchungsleistungen) auf insgesamt 975,09 EUR festzusetzen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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