L 10 P 24/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 23 P 65/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 P 24/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.06.2008 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 5.202,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Zahlung von 5.202,00 EUR für die vollstationäre Pflege der 1920 geborenen Beigeladenen S G in dem Zeitraum von September 2004 bis Juni 2007.

Der Kläger ist Träger des B-Altenzentrums, in dem sich die bei der Beklagten pflegeversicherte Beigeladene seit Mitte 2002 in vollstationärer Pflege befindet und zunächst Leistungen nach der Pflegestufe II bezog.

Mit Schreiben vom 07.01.2004 forderte der Kläger die Beigeladene auf, bei der zuständigen Pflegekasse einen Höherstufungsantragntrag zu stellen. Es bestehe seit längerem ein höherer Pflegebedarf, als es die derzeitige Pflegestufe vorsehe. Am 08.03.2004 beantragte die Beigeladene die Höherstufung. Auf Veranlassung der Beklagten stelle der MDK mit Gutachten vom 09.06.2004 einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 254 Minuten täglich (Körperpflege 96, Ernährung 105, Mobilität 53) fest. Mit Bescheid vom 28.06.2004 bewilligte die Beklagte ab dem 01.04.2004 vollstationäre Pflegeleistungen nach der Pflegestufe III. Hiergegen legte die Beigeladene Widerspruch ein, welchen die Beklagte nach Einholung eines weiteren Gutachtens des MDK aus September 2004, in dem ein täglicher Hilfebedarf in der Grundpflege von 246 Minuten festgestellt wurde, mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2005 als unzulässig zurückwies.

Mit der durch sie am 21.03.2005 bei dem Sozialgericht (SG) Köln (Az: S 23 P 52/05) hiergegen erhobenen Klage wies die Beigeladene darauf hin, dass sie durch die Pflegestufe III eine um ca. 400,00 EUR höhere monatliche Heimkostenzuzahlung leisten müsse. Der festgestellte Hilfebedarf sei überhöht. Das SG holte ua ein Gutachten des Sachverständigen Dr. E vom 05.09.2005 ein, der für die Zeit ab September 2004 einen Hilfebedarf von nur noch 208 Minuten täglich in der Grundpflege feststellte (Körperpflege 96, Ernährung 68, Mobilität 44). Mit Urteil vom 13.02.2006 änderte das SG den Bescheid vom 28.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2005 dahingehend ab, dass die Beigeladene ab dem 01.09.2004 wieder der Pflegestufe II zugeordnet werde. Sie sei durch die angefochtene Entscheidung der Beklagten beschwert, auch wenn sie formal einen Höherstufungsantrag gestellt habe. Dies ergebe sich aus der in § 87a Abs 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) getroffenen Regelung, nach der ein Heimbewohner zur Stellung eines Höherstufungsantrags verpflichtet sei, da er ansonsten mit einer Berechnung der Heimkosten nach der nächsthöheren Pflegeklasse rechnen müsse. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. E ergebe sich, dass die Klage für die Zeit ab dem 01.09.2004 begründet sei. Die Ernährung der Beigeladenen erfolge seitdem kalorienmäßig fast ausschließlich durch Sondenkost. Hierdurch ergebe sich eine Reduzierung des Hilfebedarfs. Für die vor September 2004 liegende Zeit sei dagegen ein grundpflegerischer Hilfebedarf von insgesamt 246 Minuten und damit die Voraussetzungen der Pflegestufe III anzunehmen. Der Heimträger war zu diesem Verfahren nicht beigeladen worden.

Nachdem das Urteil des SG vom 13.02.2006 rechtskräftig geworden war, informierte die Beklagte den Kläger mit zwei Schreiben vom 26. und 27.04.2006 über die ab dem 01.09.2004 geänderte Pflegestufe und machte einen Erstattungsanspruch in Höhe von 3.312,00 EUR für die Zeit vom 01.09.2004 bis 30.04.2006 geltend. Leistungen seien in diesem Zeitraum zu Unrecht nach der Pflegestufe III an Stelle der Pflegestufe II gezahlt worden. Der Erstattungsbetrag errechne sich aus der monatlichen Überzahlung in Höhe von 135,00 EUR für den genannten Zeitraum. Dies lehnte der Kläger mit Schreiben vom 31.05.2006 ab. Das Urteil des SG entfalte ihm gegenüber mangels Beteiligung am Verfahren keine Wirkung. Darüber hinaus bestehe nach den Feststellungen des MDK vom 09.06.2004 ein die Pflegestufe III begründender Hilfebedarf in der Grundpflege von 254 Minuten täglich. Entsprechend habe die Beklagte mit Schreiben vom 28.06.2004 zunächst auch mitgeteilt, dass die Beigeladene ab dem 01.04.2004 in die Pflegestufe III eingestuft werde. Eine rückwirkende Herabstufung sei nicht möglich. Hinzu komme, dass gemäß § 84 Abs 2 S 3 2. Hs SGB XI ein Pflegebedürftiger einer von der Pflegestufe abweichenden Pflegeklasse zugeordnet werden könne, wenn dies nach der gemeinsamen Beurteilung der Pflegeleitung des Heims und des MDK notwendig sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, sodass ein Rückforderungsanspruch nicht bestehe. Sie forderte die Beklagte auf, auch für die Zeit ab dem 01.05.2006 Zahlungen des Pflegesatzes der Pflegestufe III für die Beigeladene zu erbringen. Vorsorglich werde gegen das Schreiben der Beklagten vom 27.04.2006 Widerspruch eingelegt. Dem Schreiben fügte sie eine Kopie eines Schreibens an die Beigeladene vom 30.05.2006 bei. Mit Schreiben vom 18.08.2006 wies die Beklagte den Kläger noch einmal darauf hin, dass mit dem Urteil des SG zugleich auch die Pflegeklasse II festgestellt worden sei. Ein Widerspruch gegen diese Feststellung sei nicht zulässig. Für eine erneute Prüfung der Zuordnung in die Pflegeklasse III werde um Nachweise gebeten, dass sich der Hilfebedarf nach der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. E erheblich erhöht habe. Der Rückforderungsanspruch in Höhe von 3.213,00 EUR sei bereits mit den Pflegeleistungen für die Monate Mai bis Juli 2006 verrechnet worden. Für Juli 2006 sei ein Restbetrag in Höhe von 624,00 EUR gezahlt worden. Ab August 2006 würden die laufenden Zahlungen wieder aufgenommen.

Mit Schreiben vom 12.01.2007 forderte der Kläger die Beigeladene nochmals gem. § 87a Abs 2 S 1 SGB XI auf, bei der Pflegekasse die Zuordnung zu einer höheren Pflegestufe zu beantragen und trug zur Begründung unter konkreter Darlegung vor, dass von September 2004 bis Oktober 2006 ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 356 Minuten täglich und seit dem 02.10.2006 von 406 Minuten täglich bestehe. Eine Durchschrift dieses Schreibens wurde der Beklagten übersandt. Mit Schreiben vom 31.01.2007 lehnte die Beigeladene diese Aufforderung erneut ab.

Parallel hierzu hatte sich die Beigeladenen mit Schreiben vom 03.05.2006 an den Kläger gewandt und diesen zur Rückabrechnung auf Basis der Pflegestufe II ab 2004 und zur Erstattung überzahlter Beträge zzgl Verzinsung aufgefordert. Dies wurde vom Kläger mit der Begründung abgelehnt; er habe berechtigterweise nach der Pflegestufe III abgerechnet. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des MDK vom 09.06.2004. Auch sei er nicht zu dem Verfahren vor dem Sozialgericht beigeladen worden und deshalb nicht an das Urteil gebunden. Er forderte die Beigeladene gem. § 87a Abs 2 S 1 SGB XI erneut auf, bei der Pflegekasse die Zuordnung zu einer höheren Pflegestufe zu beantragen. Zur Begründung nahm er auf die Feststellungen des MDK Bezug. Mit Schreiben vom 26.07.2006 lehnte die Beigeladene die Stellung eines erneuten Höherstufungsantrags ab. Daraufhin teilte der Kläger der Beigeladenen am 16.08.2006 noch einmal mit, dass der von ihr geltend gemachte Rückforderungsanspruch schon deshalb nicht bestehe, weil im fraglichen Zeitraum Leistungen der Pflegestufe III tatsächlich erbracht worden seien. Rein vorsorglich forderte er die Beigeladenen deshalb erneut auf, bei der Pflegekasse die Zuordnung zu einer höheren Pflegestufe zu beantragen, da der Hilfebedarf auch ab dem 01.09.2004 die Zuordnung zur Pflegestufe III rechtfertige. Dem kam die Beigeladenen nicht nach.

Die Klägerin hat am 24.04.2007 gegen die Beklagte Leistungsklage erhoben und die Verurteilung zur Zahlung von 5.520,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit verlangt, hilfsweise festzustellen, dass die Beigeladene ab dem 01.09.2004 in die Pflegestufe/-klasse III einzustufen ist. Er sei an das Urteil des SG vom 13.02.2006 nicht gebunden, da er nicht beigeladen gewesen sei. Darüber hinaus sei das SG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beigeladene ab September 2004 der Pflegestufe II zuzuordnen sei. Vielmehr betrage der Hilfebedarf in der Grundpflege entsprechend der Pflegestufe III 356 bzw. 419 Minuten täglich. Ab Oktober 2006 erhalte die Beigeladene nur noch 500 ml Sonderkost, wenn sie nicht ausreichend Nahrung zu sich nehme. Die Zuordnung zur Pflegestufe III entspreche auch der Beurteilung der Pflegeleitung des Pflegeheims sowie des MDK in seinen Gutachten vom 09.06.2004 und Juni 2005. Dieser habe einen Hilfebedarf von 254 bzw. 292 Minuten in der Grundpflege festgestellt. Demgegenüber habe Dr. E wesentliche pflegeerschwerende Faktoren nicht berücksichtigt. Die Klageforderung betrage nunmehr 5.979,00 EUR und ergebe sich aus der Differenz der Zahlungen der Beklagten nach der Pflegestufe II zur Pflegestufe III in Höhe von 153,00 EUR monatlich. Für Mai bis Juli 2006 seien überdies überhaupt keine Leistungen erbracht worden. Ein über die Verrechnungsforderung der Beklagten hinausgehender Betrag in Höhe von 624,00 EUR monatlich sei an den Kläger nicht ausgezahlt worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.979,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
hilfsweise festzustellen,
dass die Versicherte, Frau S G, ab 01.09.2004 in die Pflegestufe III bzw. Pflegeklasse III einzustufen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf das Gutachten von Dr. E und die Entscheidung des SG vom 13.02.2006 berufen. Sie hat eingeräumt, dass der nach der Aufrechnung verbliebene Restbetrag von 624,00 EUR für den Monat Juli 2006 auf das Konto der Beigeladenen überwiesen worden sei.

Die durch Beschluss des SG vom 20.08.2007 beigeladene S G hat beantragt,

die Klage bis auf ein Betrag in Höhe von 624,00 EUR abzuweisen.

Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 09.06.2008 verurteilt, an den Kläger 777,00 EUR nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Für die umstrittene Vergütung vollstationärer Pflege sei der Bescheid vom 28.06.2004 durch das Urteil des SG vom 13.02.2006 für die Zeit ab dem 01.09.2004 dahingehend abgeändert worden, dass die Beigeladene wieder der Pflegestufe II angehöre. Der Leistungsbescheid in der Fassung des Urteils sei gemäß § 87a Abs 3 S 2 für die Vergütung des Klägers maßgebend. Diese Vorschrift schließe eine rückwirkende Änderung des Leistungsbescheides und damit der Höhe des zu zahlenden Leistungsbetrages nicht aus. Die Beklagte habe hinsichtlich der aufgrund des ursprünglichen Bescheides entstandenen Überzahlung von der vertraglich vorgesehenen Aufrechnungsmöglichkeit bezüglich der Monate Mai bis Juli 2006 Gebrauch gemacht und die für diese drei Monate geschuldeten Leistungsbeträge in Höhe von 3.837,00 EUR mit der Überzahlung für die Zeit von September bis April 2006 in Höhe von insgesamt 3.060,00 EUR (20 x 153,00 EUR) aufgerechnet. Damit verbleibe ein Restanspruch in Höhe von 777,00 EUR. Von dieser Zahlungspflicht sei die Beklagte durch Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 624,00 EUR an die Beigeladene nicht befreit. Ein höherer Entgeldanspruch bestehe nicht und ergebe sich auch nicht aus § 84 Abs 2 S 4 letzter Halbsatz SGB XI. Es fehle an einer abweichenden Feststellung der Pflegeklasse unter Berücksichtigung des individuellen Versorgungsaufwandes einschließlich der medizinischen Behandlungpflege und sozialen Betreuung. Eine solche sei in der Pflegestufenbeurteilung des MDK in den durch den Kläger genannten Gutachten nicht zu sehen. Der MDK habe hier nur die Pflegestufe der Beigeladenen eingeschätzt. Diese Einschätzung sei durch das SG nachträglich korrigiert worden. Eine von der Pflegestufe II abweichender Einschätzung der Pflegeklasse liege nicht vor. Darüber hinaus folge das Gericht in seiner Entscheidung der Auffassung des Bundessozialgerichts in dem Urteil vom 10.02.2000 (B 3 P 12/99 R), nach der bei der für den Vergütungsanspruchs des Pflegeheims maßgebenden Zuordnung eines Pflegebedürftigen zu einer Pflegeklasse der Aufwand für soziale Betreuung und Behandlungspflege zusätzlich zu berücksichtigen sei. Die Pflegestufe sei demnach nur die "generelle Richtschnur" für die Pflegeklassenzuordnungen und habe ihren deutlichen Niederschlag in § 84 Abs 1 S 3 SGB XI gefunden. Da es an einer abweichenden Pflegeklasseeinschätzung fehle, bestehe der geltend gemachte Anspruch nicht. Soweit das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 01.09.2005 (B 3 P 4/04 R) Pflegestufe und -klasse gleichsetze, sei dem nicht zu folgen. Bezüglich der Feststellungsansträge des Klägers habe das BSG im Urteil vom 01.09.2005 (aaO) den gleichlautenden Hilfsanträgen keine eigenständige rechtliche Bedeutung beigemessen. Sie seien im Ergebnis auch unbegründet, weil der Heimträger kein eigenes Recht habe, die Eingruppierung in eine höhere Pflegestufe zu beantragen und insofern keine Klagebefugnis bestehe. Gegen das am 21.07.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.08.2008 Berufung eingelegt und zur Begründung darauf hingewiesen, dass das SG seine Entscheidung zu Unrecht auf die ältere Rechtsprechung des BSG vom 10.02.2000 gestützt habe. Das BSG habe diese Rechtsprechung mit Urteil vom 01.09.2005 (aaO) aufgegeben. Danach sei der Klage hinsichtlich des Hauptantrages in vollem Umfang stattzugeben gewesen. Darüber hinaus habe der Kläger mit Schreiben vom 26.06.2008 beim MDK Nordrhein eine Beurteilung gem. § 84 Abs 2 S 3 2. Hs beantragt. Diese liege bislang noch nicht vor. Entgegen der Ansicht des SG sei die Einstufung der Beigeladenen in die Pflegestufe II nicht rechtmäßig. Der Leistungsbescheid in der Fassung des Urteils vom 13.02.2006 entfalte gegenüber dem Kläger keine Bindungswirkung. Die entsprechende Auffassung des SG stehe in klarem Widerspruch zur Entscheidung des BSG vom 01.09.2005. Der Kläger habe als Leistungserbringer aus eigenem Recht einen Anspruch auf leistungsgerechte Vergütung und zutreffende Einstufung des Pflegebedarfs der Versicherten und Zahlung des sich hieraus ergebenden Pflegesatzes. Das SG sei demgemäß verpflichtet gewesen zu prüfen, ob die Einstufung der Beigeladenen in die Pflegestufe II den tatsächlich erforderlichen Pflegebedarf korrekt wiederspiegele. Auch seien die Voraussetzungen des § 84 Abs 2 S 3 2. Hs SGB XI entgegen der Einschätzung des SG gegeben. Dieses gehe davon aus, dass eine von der Pflegestufe II abweichende Einschätzung der Pflegeklasse nicht vorliege und übersehe, dass mangels gesetzlicher Festlegung von Kriterien und Verfahren der Pflegeklasseneinstufung die Zuordnung des Pflegebedürftigen zu einer anderen Pflegeklasse nicht möglich sei. Aus anwaltlicher Vorsicht habe der Kläger mit Schreiben vom 26.06. und 15.09.2008 nochmals bei dem MDK Nordrhein und der Beklagten eine entsprechende Beurteilung gemäß § 84 Abs 2 S 3 2. Hs SGB XI rückwirkend zum 01.09.2004 eingefordert. Soweit das SG seine Ablehnung der Entscheidung des BSG vom 01.09.2005 damit begründe, dass es praktisch auszuschließen sei, dass ein Versicherter das Verfahren nicht ernsthaft betreibe, weil er sich der Begutachtung einschließlich Offenlegung der Pflegedokumentation nicht entziehen könne, zeige der vorliegende Fall, dass dies nicht so sei. Vielmehr habe der Kläger als Heimträger keine Einflussmöglichkeiten auf die Begutachtung. Obwohl drei Gutachten des MDK die Pflegestufe III festgestellt hätten, habe der vom Gericht bestellte Sachverständige im sozialgerichtlichen Verfahren zwischen Beigeladener und Beklagten die Pflegestufe II festgestellt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.06.2008 zu ändern und die Beklagte zur Zahlung weiterer 5.202,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (14.04.2007) zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Maßgebend für die Vergütung des Klägers sei der Leistungsbescheid der Beklagten in der Fassung des rechtskräftigen Urteils des SG vom 13.02.2006. Darüber hinaus setze die Leistungsklage die Erfüllung der formalen Erfordernisse des in § 87a Abs 1 S 2 SGB IX beschriebenen Weges durch den Kläger voraus. Hieran fehle es.

Die Beigeladene hat sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen und vertritt die Auffassung, dass sich aus dem Urteil des BSG vom 01.09.2005 eine Bindung der Pflegeklasse an die Pflegestufe ergebe. Das SG habe mit Urteil vom 13.02.2006 rechtskräftig die Zuordnung der Beigeladenen zur Pflegestufe II festgestellt. Zwar sei der Kläger zu Unrecht zu dem vorherigen Verfahren nicht beigeladen worden. Er habe dennoch kein eigenes Klagerecht. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 01.09.2005 verkannt, dass dies - wie vorliegend - zu nicht hinnehmbaren Konsequenzen für den Versicherten führen würde. Ein eigenes Klagerecht des Heimträgers würde zur Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils des SG zu Lasten der Beigeladenen führen, obwohl der Kläger aufgrund der Beweisaufnahme Kenntnis von dem sozialgerichtlichen Verfahren gehabt und seine Interessen nicht mit einem Beiladungsantrag geltend gemacht habe. Aus dem Gedanken von Treu und Glauben folge, dass er sich nicht durch ein weiteres Klageverfahren in Form einer Leistungsklage gegen die Pflegekasse einen Vorteil dahingehend verschaffen könne, dass ihm gegenüber das rechtskräftige Urteil des SG nicht gelten solle. Schließlich habe das SG auch zu Recht entschieden, dass eine von der Pflegestufe II abweichende Einschätzung der Pflegeklasse nicht vorliege.

Die Beigeladene hatte ihrerseits gegen den Kläger am 17.12.2007 Klage vor dem Amtsgericht Köln (Az.: 142 C 629/07) erhoben, mit der sie die Differenz aus der Abrechnung der stationären Pflege unter Zugrundelegung der Pflegestufe II statt Pflegestufe III für die Zeit von September bis Dezember 2004 geltend gemacht hat. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung (erstmals) ergänzend vorgetragen, dass der Kläger widerklagend das Heimentgelt für die Zeit vom 01.09.2004 bis 31.12.2006 geltend gemacht habe. Die Streitsache sei daraufhin zuständigkeitshalber an das Landgericht Köln abgegeben worden (Az.: 16 O 82/10).

Die Beigeladene hat dem Gericht in Ablichtung die Niederschrift über den in der öffentlichen Sitzung der 16. Zivilkammer des Landgerichts am 04.08.2010 zwischen den Beteiligten des Zivilrechtstreits geschlossenen Vergleich mit nachfolgendem Wortlaut übergeben:

1. Zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche zwischen den Parteien für den Zeitraum vom 01.09.2004 bis 31.08.2010 zahlt die Klägerin an den Beklagten einen Betrag in Höhe von 2.214,00 EUR. Zudem zahlt die Klägerin an den Beklagten die noch offene Rechnung für den Monat August 2010 unter Zugrundelegung der Pflegestufe II. Die Parteien sind sich einig, dass damit unabhängig vom Ausgang des derzeit beim LSG NRW anhängigen Verfahrens zwischen dem Beklagten und der AOK (AZ: L 10 76/08) zwischen den Parteien alle finanziellen Ansprüche für den genannten Zeitraum erledigt sind.

2. Die Klägerin verpflichtet sich, ab September 2010 einen entsprechenden Antrag nach § 87a Abs. 2 S. 1 SGB XI zu stellen.

3. Die Klägerin verpflichtet sich weiterhin, einen Antrag nach § 87b SGB XI zu stellen. Dies wird ebenfalls mit Wirkung zum September 2010 geschehen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3, die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

Ebenfalls erst in der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten mitgeteilt, dass die Beigeladene ab September 2010 einen Höherstufungsantrag gestellt und der MDK daraufhin die Pflegestufe II bestätigt habe. Das Verwaltungsverfahren sei bereits im Jahr 2010 beendet. Der Kläger hat hierzu ergänzend vorgetragen, dass er das Ergebnis der Begutachtung durch den MDK im Jahre 2010 akzeptiert habe. Dennoch werde an der Auffassung festgehalten, dass im streitbefangenen Zeitraum und bis Mitte 2007 die Voraussetzungen der Pflegestufe III vorgelegen hätten. Der Hilfebedarf der Beigeladenen habe geschwankt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat die Streitsache entschieden, obwohl die Klägerin in der mündlichen Verhandlung um Schriftsatznachlass gebeten hatte. Einen förmlichen Antrag hat sie nach dem Hinweis des Senats auch nicht mehr gestellt. Es bestand für die Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit zu der ihr und den übrigen Beteiligten im Gegensatz zum erkennenden Senat seit etwa einem Jahr bekannten weiteren Entwicklung der Pflegestufenproblematik und der Beendigung des parallel geführten Zivilrechtsstreits zwischen der Beigeladenen und der Klägerin Stellung zu nehmen. Der dem Gericht erst in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte weitere unstreitige Verlauf der wechselseitigen Beziehungen hat zu einer anderen rechtlichen Beurteilung geführt. Dies ist mit den Beteiligten erörtert worden, hat im Übrigen nicht, das hat der Vorsitzende angesprochen, zu einem anderen, möglicherweise für die Klägerin überraschenden Ausgang des Verfahrens geführt. Warum der Kläger und die Beigeladenen dem Senat die weitere Entwicklung erst so spät mitgeteilt haben, verschließt sich dem Senat.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das SG hat die Zahlungsklage richtigerweise als echte Leistungsklage (BSG, Urteile vom 07.10.2010, B 3 P 4/09 R, Juris Rn 9 und vom 01.09.2005, Juris Rn 13 ff; Urteil des erkennenden Senats vom 25.03.2009, L 10 P 27/08) gem. § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beurteilt und als zulässig angesehen. Wegen des auf dem abgeschlossenen Versorgungsvertrag beruhenden Gleichordnungsverhältnisses des Klägers als Heimbetreiber sowie der Beklagten als zuständige Pflegekasse kommt eine Regelung durch Verwaltungsakt und damit eine Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG nicht in Betracht. Ein Vorverfahren war deshalb nicht durchzuführen.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 5.202,00 EUR für die Zeit von September 2004 bis Juni 2007.

Der Trägerwechsel des Pflegeheims zum 01.01.2008 auf die AWO Gesellschaft für Altenhilfe Einrichtung mbH steht der Aktivlegimitation des Klägers und damit der Begründetheit der Klage nicht entgegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 89 Rn 4). Denn gemäß § 5 Abs 1 S 2 des Pachtvertrages ist der Kläger Inhaber der bis zum Pachtbeginn entstandenen - und damit ggf auch der vorliegend streitbefangenen Forderungen aus dem Zeitraum von September 2004 bis Juni 2007 - geblieben. Auch steht die bindende Einstufung der Beigeladenen in die Pflegestufe II dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010, aaO, Juris Rn 8).

Die Voraussetzungen des § 87a Abs 3 SGB XI liegen jedoch nicht vor, denn die Beklagte schuldet dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum keine Leistungen der vollstationären Pflege nach der Pflegeklasse III. Für die Zeit bis Januar 2007 fehlt es bereits an der im Vorfeld des Klageverfahrens notwendigen Durchführung des gesetzlich vorgesehenen Anpassungsverfahrens gemäß § 87a Abs 2 SGB XI (1); darüber hinaus hat sich der Kläger über das vorbehaltlich der Feststellung der höheren Pflegeklasse von der Beigeladenen nach Satz 3 geschuldete höhere Heimentgelt (möglicherweise rechtsirrig) geeinigt, damit das Anpassungsverfahren als Voraussetzung der Leistungsklage beendet und in der Folge auch etwaige Ansprüche gegen die Beklagte abschließend geregelt (2).

(1) Der Anspruch auf den Differenzbetrag zur Pflegestufe III besteht für den Zeitraum vor Januar 2007 bereits deshalb nicht, weil es insofern an einer schriftlichen und begründeten Aufforderung des Versicherten, der Zuleitung an die Pflegekasse und ggf den Sozialhilfeträger gemäß § 87a Abs 2 S 1 und 2 SGB XI (vgl BSG, Urteil vom 07.10.2010, aaO, Juris Rn 15) fehlt. Zahlungsansprüche und die Durchbrechung einer bestandskräftigen Pflegestufenzuordnung können dem Heimträger nur zustehen, wenn er zuvor das zur Überprüfung der Pflegeklasse vorgesehene Verfahren nach § 87a Abs 2 S 1 SGB XI eingeleitet und durchgeführt hat. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf seine Rechtsprechung vom 25.03.2009 (L 10 P 27/08), bestätigt durch BSG, Urteil vom 07.10.2010, aaO, Juris Rn 8 ff). Denn der Gesetzgeber hat mit § 87a Abs 2 SGB XI eine eigenständige Regelung getroffen, mit der dem Träger eines Pflegeheims zunächst die Möglichkeit eingeräumt werden soll, einem Heimbewohner unter bestimmten Voraussetzungen vorläufig den Pflegesatz einer höheren Pflegeklasse zu berechnen. Andererseits enthält die Vorschrift aber auch Verfahrensgarantien für den Versicherten, die im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens zur Korrektur von Pflegestufenzuordnungen zu beachten sind. Es bedarf insofern der schriftlichen und begründeten Aufforderung des Versicherten einen Höherstufungsantrag zu stellen. Mit dem aus Artikel 19 Abs 4 Grundgesetz ableitbaren Klagerecht des Heimträgers gegen die Pflegekasse korrespondiert das Recht der Heimbewohner, einem Anspruch auf Vergütungserhöhung schon im vorprozessualen Bereich nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Deshalb ist die Forderung gerechtfertigt, dass im Vorfeld des Klageverfahrens zwischen Heimträger und Pflegekasse zunächst das in § 87a Abs 2 SGB XI gesetzlich vorgesehene Anpassungsverfahren durchgeführt werden muss (BSG, aaO, Juris Rn 15). Die Regelung des § 87a Abs 2 S 1-3 SGB XI bezweckt einen nicht voll zu Ende geführten Ausgleich zwischen den Interessen der Einrichtungsträger und der versicherten Heimbewohner, der einerseits der Antragsabhängigkeit von Sozialleistung und andererseits dem Anspruch der Einrichtung auf leistungsgerechte Vergütung Rechnung tragen soll. Dieser Ausgleichmechanismus wäre obsolet, wenn ein Heimträger seine Ansprüche unter Verzicht auf das förmliche Anpassungsverfahren nach § 87a Abs 1 S 1 und 2 SGB XI unmittelbar durch Klage gegen die Pflegekasse verfolgen könnte. Der Vorrang der in Bestandskraft erwachsenen Entscheidung zur Höhe der Pflegestufe kann nur dann entfallen, wenn der Heimträger das Verfahren nach § 87a Abs 2 SGB XI durchläuft und den Versicherten schriftlich und begründet auffordert, einen Höherstufungsantrag zu stellen. Erst bei dessen Weigerung greift die Fiktion des § 87a Abs 2 S 3 SGB XI ein und zu Gunsten des Heimträgers wird unterstellt, dass der Versicherte einen begründeten Antrag auf Höherstufung gestellt hat. Fehlt es hieran, kann der Heimträger weder im Verhältnis zum Versicherten noch in Bezug auf die Pflegekasse erfolgreich Klage auf höhere Vergütung erheben (BSG, aaO, Juris Rn 16).

Die Schreiben des Klägers an die Beigeladene vom 07.01.2004 und 30.05.2006 genügen den Anforderungen gem. § 87a Abs 2 S 1 und 2 SGB XI nicht. Das Aufforderungsschreiben vom 07.01.2004 beinhaltet zur Begründung lediglich den Hinweis auf einen höheren Pflegebedarf. Hierin liegt keine hinreichend begründete Aufforderung des Höherstufungsbegehrens. Vielmehr bedarf es insofern einer substantiierten Darlegung inwieweit und aufgrund welcher konkreten Umstände sich der Hilfebedarf in der Grundpflege erhöht hat. Eine derart substantiierte Begründung liegt in dem Aufforderungsschreiben vom 07.01.2004 nicht vor. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass das Schreiben der beklagten Pflegekasse entsprechend § 87a Abs 2 S 2 SGB XI zugeleitet worden wäre.

Auch das Schreiben vom 30.05.2006 ist unzureichend begründet. Zwar ist dieses Schreiben der Beklagten zur Kenntnis gebracht worden und enthält eine Begründung. Diese besteht jedoch lediglich darin, dass auf das Gutachten des MDK vom 09.06.2004 Bezug genommen und ein Hilfebedarf in der Grundpflege von weiterhin 254 Minuten täglich behauptet worden ist. Eine Begründung unter Bezugnahme auf ein vorliegendes Gutachten ist grundsätzlich ausreichend. Dies gilt aber nicht, wenn - wie im vorliegenden Falle - das in Bezug genommene Gutachten zeitlich überholt ist. Dr. E hat in seinem in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Köln (S 23 P 52/05) eingeholten Gutachten vom 05.09.2005 für die Zeit ab September 2004 einen gegenüber den Feststellungen des MDK im Gutachten vom 09.06.2004 verringerten und nur noch die Pflegestufe II begründenden Hilfebedarf in der Grundpflege festgestellt. Dem hat sich das SG in seinem Urteil vom 13.02.2006 angeschlossen. Der Senat ist vor diesem Hintergrund der Auffassung, dass von einer hinreichend begründeten Aufforderung nur ausgegangen werden kann, wenn in dieser entweder unter inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Dr. E ein gegenüber dessen Feststellungen erhöhter Hilfebedarf oder ein aufgrund späterer Änderungen des Gesundheitszustandes geänderter Hilfebedarf substantiiert dargelegt wird. An einer entsprechenden Begründung fehlt es. Erst mit Schreiben vom 12.01.2007 hat der Kläger einen gegenüber der Begutachtung von Dr. E erhöhten Hilfebedarf konkret begründet und damit die Voraussetzung gem. § 87a Abs 2 S 1 und 2 SGB XI erfüllt.

Die begründete Aufforderung gemäß § 87a Abs 2 S 1 und 2 SGB XI wird auch nicht durch den Hinweis des Klägers mit Schreiben vom 31.05.2006, dass die Voraussetzungen des § 84 Abs 2 S 3 2. Hs SGB XI aufgrund der Feststellungen des MDK in seinem Gutachten vom 09.06.2004 vorlägen, ersetzt Denn das zur Feststellung der Pflegestufe erstellte Gutachten des MDK stellt gerade keine gemeinsame Beurteilung des medizinischen Dienstes und der Pflegeleitung des Pflegeheimes im Sinne des § 84 Abs 2 S 3 SGB XI dar. Der Senat nimmt auf die insofern zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug. Eine gemeinsame Beurteilung in diesem Sinne ist durch den Kläger beim MDK auch zu keinem Zeitpunkt beantragt worden.

Soweit der Senat in der Entscheidung vom 25.03.2009 noch die Auffassung vertreten hat, auch über den Umweg des § 84 Abs 2 S 3 SGB XI könne im Regelfall eine begründete Klage erhoben werden, hält er hieran nicht mehr fest. Diese Vorschrift beinhaltet eine besondere Regelung für die Fälle, in denen aufgrund außergewöhnlicher Umstände der Pflegeaufwand des Heimträgers durch die Vergütung nach der an sich zutreffenden Pflegestufe-/klasse nicht gedeckt ist bzw dieser nicht entspricht (vgl auch BSG, Urteil vom 07.10.2010, aaO, Juris Rn 18). Die Vorschrift betrifft damit nicht den Regelfall, in dem Pflegestufe/-klasse auch zu einer leistungsgerechten Vergütung des Pflegeheimes führen, sondern die Fallkonstellation eines untypisch hohen stationären Versorgungsaufwandes, der durch die - an sich zutreffende - Pflegeklassenzuordnung nicht abgedeckt wird. Damit kann eine begründete Leistungsklage des Heimträgers über den Umweg des § 84 Abs 2 S 3 SGB XI auch nur in entsprechenden Konstellationen, nicht aber im Regelfall des bloßen Streites um die zutreffende Pflegestufe/-klasse erhoben werden.

(2) Für den weitergehenden streitbefangenen Zeitraum bis Juni 2007 ist ein Anspruch des Klägers gegen die Pflegekasse gemäß § 87a Abs 3 SGB XI nicht entstanden und kann aufgrund des Vergleichsabschlusses vor dem Landgericht am 04.08.2010 auch nicht mehr entstehen. Die Beteiligten haben sich in dem Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht Essen ohne Festlegung auf einen konkreten Zeitraum, in dem die Voraussetzungen der Pflegestufe bzw -klasse III vorgelegen haben sollen, auf die Zahlung einer Geldsumme geeinigt. Einen Höherstufungsantrag hatte die Beigeladene bis dahin entgegen der Aufforderung vom 12.01.2007 gerade nicht gestellt. Dieser Antrag ist entsprechend der Ziffer 2 des Vergleiches vielmehr erst für die Zeit ab September 2010 gestellt und inzwischen bestandskräftig abgelehnt worden. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im Jahr 2010 war damit allein die Beigeladene Schuldnerin eines gem. § 87a Abs 2 S 3 SGB XI vorläufig berechenbaren höheren Heimentgelts. Dies legt Satz 3 in Abweichung des Sachleistungsprinzips ausdrücklich fest. Die Pflegekasse ist nach § 87a Abs 3 SGB XI zwar grundsätzlich Schuldnerin der vollstationären Leistungen bis zur Grenze der in §§ 41 ff SGB XI aufgeführten Beträge (vgl. Schütze in Udsching, SGB XI, 3. Auflage, München 2010, § 87a Rn 8; BSG, Urteil vom 01.09.2005, B 3 P 4/04 R, Juris Rn 18). Dies setzt aber grundsätzlich voraus, dass der Höherstufungsantrag durch den Pflegebedürftigen gestellt und in dessen Folge die höhere Pflegekasse festgestellt worden ist. Hieran fehlte es zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.

War damit aber allein die Beigeladene gemäß § 87a Abs 2 S 3 SGB XI Schuldnerin des gesamten Heimentgelts als vorläufige Leistung, so konnten sich Pflegeheim und Beigeladene vergleichsweise auch nur über dieses gesamte Heimentgelt verständigen und mögliche Ansprüche auf vollstationäre Pflege nach der - bisher gerade noch nicht festgestellten - Pflegeklasse III zu Lasten der Pflegekasse nicht ausklammern. Mit dem Vergleich vom 04.08.2010 sind ausdrücklich sämtliche Ansprüche zwischen der Beigeladenen und dem Kläger für den Zeitraum vom 01.09.2004 bis 31.08.2010 abgegolten worden. So war ausdrücklich aufgenommen worden, dass zwischen den Parteien (des Vergleichs) alle finanziellen Ansprüche für den genannten Zeitraum erledigt sind. Der Vergleichstext lässt keinen Spielraum für eine anderslautende Auslegung. Insofern sind mit dem Vergleich auch etwaige weitergehende Ansprüche des Klägers gegenüber der Beigeladenen gem. § 87a Abs 2 S 3 SGB XI auf vorläufige Berechnung des Pflegesatzes nach der nächsthöheren Pflegeklasse erloschen. Hat sich der Heimträger aber im Rahmen einer vergleichsweisen Regelung seiner Rechte gem. § 87a Abs 2 S 3 SGB XI begeben, so können für die betroffenen Zeiträume originäre Ansprüche des Heimträgers gegen die Pflegekasse gem. § 87a Abs 3 S 1 SGB XI nicht mehr zu Entstehung gelangen. Dies würde der Systematik des § 87a SGB XI widersprechen und dem Heimträger eine Umgehung des gemäß § 87a Abs 2 SGB XI vorgegebenen Weges ermöglichen. Denn der Anspruch gemäß § 87a Abs 2 S 3 SGB XI gegen den Versicherten korrespondiert mit dem in § 87a Abs 3 SGB XI geregelten Anspruch gegen die Pflegekasse. Der Heimträger kann, wenn er den Weg des Abs 2 Sätze 1 bis 3 geht, durch vorläufige Berechnung des Pflegesatzes nach der nächsthöheren Pflegeklasse und dem darin liegenden wirtschaftlichen Druck erreichen, dass im Verhältnis des Pflegebedürftigen zur Pflegekasse ein Höherstufungsantrag gestellt und der Pflegesachverhalt durch den MDK bzw im anschließenden Klageverfahren, in dem er notwendig beizuladen ist, ermittelt wird. Durch den Vergleichsabschluss vor dem Landgericht Essen hat der Kläger auf diese Möglichkeit verzichtet und es damit unterlassen, die Beigeladene hinsichtlich des Höherstufungsantrages in Zugzwang zu bringen. Es würde zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, wenn der Heimträger einerseits auf die vorläufige Berechnung nach der nächsthöheren Pflegeklasse gegenüber dem Versicherten verzichten könnte, andererseits aber deckungsgleiche Ansprüche gegenüber der Pflegekasse - ohne bindende Feststellung einer höheren Pflegestufe/-klasse - geltend machen könnte. Der Kläger hat mit dem Verzicht auf seine Rechte aus § 87a Abs 2 S 3 die Durchführung des nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen Anpassungsverfahrens gemäß § 87a Abs 2 SGB XI beendet und damit die notwendigen Voraussetzungen für die Erhebung der Leistungsklage (auch für die Vergangenheit) beseitigt. Soweit der Kläger bei Abschluss des Vergleichs vor dem Landgericht rechtsirrig davon ausgegangen ist, weitergehende Ansprüche gegenüber der Pflegekasse zu haben, war dieser Irrtum vermeidbar und führt jedenfalls nicht zur Begründung eines eigenen weitergehenden Anspruchs.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung mit 5.202,00 EUR beruht auf §§ 52 Abs 1 und 3, 63 Abs 2 S 1 Gerichtskostengesetz.

Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Rechtskraft
Aus
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