L 4 P 26/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 9/1 P 91/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 P 26/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 11/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Leistungen aus der Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld oder Pflegesachleistungen der Pflegestufe I zustehen.

Der am ... 2000 geborene und bei der Beklagten pflegeversicherte Kläger beantragte durch seinen gesetzlichen Vertreter am 17. September 2002 die Zahlung von Pflegegeld. Daraufhin beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B. (MDK) ein Pflegegutachten vom 13. Dezember 2002 durch die Ärztin Dipl.-Med. H. zu erstatten (Hausbesuch vom 11. November 2002). Die MDK-Gutachterin diagnostizierte eine zeitweilige Bewegungseinschränkung durch eine Epidermolysis bullosa (erblich verursachte Hauterkrankung, die zu einer häufigen Blasenbildung führt). Diese Erkrankung führe zeitweilig zu Beeinträchtigungen beim Laufen. Aktuell seien die Blasen an den Fersen abgetrocknet und nur an einer rechten Zehe eine Blase erkennbar. Ein täglicher Verbandswechsel sei erforderlich. Der Kläger sei geistig normal entwickelt. Im Bereich der Körperpflege bestehe ein alterstypischer Hilfebedarf, wobei das Waschen der Füße und Hände durch die Blasen erschwert werde. Zusammenfassend betrage der Zeitaufwand für die Grundpflege 191 Minuten und der Zeitaufwand für Hauswirtschaft 60 Minuten pro Tag. Bei Fähigkeitsstörungen von Kindern – wie hier – könne erst dann von pflegerelevanten Störungen ausgegangen werden, wenn dadurch alltagsübliche Selbstständigkeiten nicht erreicht würden. Von dem ermittelten Gesamtbedarf von 191 Minuten Grundpflege sei daher ein üblicher Grundpflegebedarf für Kinder diesen Alters von 165 Minuten abzuziehen, was einen tatsächlichen krankheits- und behinderungsbedingten Mehrbedarf von 26 Minuten ergebe.

Mit Bescheid vom 15. Januar 2003 lehnte die Beklagte Leistungen nach der Pflegestufe I ab. Hiergegen legte der Kläger am 31. Januar 2003 Widerspruch ein. Die Beklagte ließ ein neues Pflegegutachten durch den MDK B. erstatten. Im Gutachten vom 3. Juli 2003 (Untersuchung vom 12. Mai 2003) gab die Pflegefachkraft G. an: Aktuell seien Blasen an beiden großen Zehen vorhanden. Der Kläger erhalte täglich drei Fußbäder. Es bestünden zeitweilige Bewegungseinschränkungen durch die Hauterkrankung. Im Bereich des Waschens ergebe sich wegen der schmerzhaften Blasen ein erhöhter Pflegebedarf. Er könne trotz der Blasen umher laufen und sei sehr mobil. Die MDK-Gutachterin ermittelte einen Grundpflegeaufwand von 200 Minuten und einen Zeitaufwand für Hauswirtschaft von 60 Minuten pro Tag. Vom dem Grundpflegebedarf sei der typische Pflegeaufwand von Kindern diesen Alters von 150 Minuten abzuziehen, was einen krankheits- und behinderungsbedingten Mehrbedarf von 50 Minuten ergebe. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I lägen damit vor.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2003 bat die Beklagte den MDK um eine nähere Erläuterung des Gutachtens. Nach der vorliegenden Diagnose bestehe nur eine zeitweilige Bewegungseinschränkung des Klägers. Wegen des fehlenden regelmäßigen Pflegebedarfs sei der im Hausbesuch ermittelte Pflegebedarf nicht nachvollziehbar. Beim Vater des Versicherten, der an derselben Hautkrankheit wie der Kläger leide, seien Pflegeleistungen mangels regelmäßigen Pflegebedarfs abgelehnt worden. Zudem sei das Gutachten widersprüchlich. Auf der einen Seite werde behauptet, der Kläger sei noch nicht sauber, während auf der anderen Seite eine geistig altersgerechte Entwicklung behauptet werde.

Die Teamleiterin des MDK B.-B. Dipl.-Med. S. nahm daraufhin eine erneute Begutachtung nach Aktenlage vor. In ihrem Gutachten vom 23. September 2003 wertete sie nochmals die Befunde aus und hielt die Leistungsvoraussetzung für die Pflegebedürftigkeit für nicht gegeben. Die blasenbildenden Hauterscheinungen, die einen Grundpflegemehrbedarf begründeten, träten nicht täglich und damit nicht regelmäßig auf. Dies ergebe sich aus einem Kinderarztbericht vom 15. September 2003. Dem folgend wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2003 zurück.

Hiergegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Halle am 13. November 2003 erhoben. Das Sozialgericht hat Pflegebefundberichte der Fachärztin für Kinderheilkunde Dipl.-Med. K., der Hautärztin Dr. R. sowie eine Stellungnahme der Kindertagesstätte "K." eingeholt. Dipl.-Med. K. hat unter dem 3. August 2004 angegeben: Die Kindesmutter habe über schmerzhafte Blasenbildungen insbesondere an den Füßen berichtet. Die Blasenbildung trete in unregelmäßigen Abständen auf und führe dann zu einer leichten Gehbehinderung. Die Greiffunktion und die Sensibilität der Hände seien nicht eingeschränkt. Aufgrund des Alters sowie eines psychosozialen Mangelmilieus könne sich der Kläger nur kurzzeitig allein beschäftigen. Er sei nicht altergerecht entwickelt und habe in der Sprache und im Sprachverständnis Schwierigkeiten. So könne er sich z.B. bei den notwendigen Toilettengängen nicht richtig verständlich machen. Die Hauterkrankung führe an ca. fünf Tagen im Monat zu leichten Einschränkungen. Der Kläger sei zwischen einer bis drei Wochen ohne Hauterscheinung. Sein hygienischer Standard sei unzureichend. Wiederholt sei es zu stationären Aufenthalten gekommen (2000, 2001, 2003). In einem beigefügten Arztbrief berichtete der Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin Dipl.-Med. K. (Klinikum Z.) unter dem 29. Juli 2004: Der Kläger sei nicht altersgerecht entwickelt und bei der Aufnahme in einem sehr schlechten Pflegezustand gewesen. Dr. R. hat unter dem 4. August 2004 angegeben: Der Kläger habe Blasen an beiden Füßen, jedoch über keine Beschwerden geklagt. Frau K. (Kita "K.") hat unter dem 24. August 2004 mitgeteilt: Seit dem 1. November 2003 besuche der Kläger den Kindergarten. Die von ihm benötigte Hilfe sei altersbedingt. Bei einer großen Blasenbildung am Fuß sei ihm ein normales Gehen nicht möglich. In diesem Fall müsse er sich auf den Knien fortbewegen. Eine Sprachtherapie sei erforderlich, habe aber wegen eines fehlenden Attestes eines HNO-Arztes noch nicht begonnen werden können.

In einer nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 12. November 2004 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Pflegeleistungen aus der Pflegeversicherung in Form von Sachleistungen beantragt und ergänzend vorgetragen: Der Kläger benötige bereits beim Verlassen des Bettes, beim Aufstehen und Hinsetzen Unterstützung. Im Bereich der Hüfte sei er wegen Rückenschmerzen auf Hilfe angewiesen. Tatsächlich bestehe ein Hilfebedarf von 265 Minuten für die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität. Zum Beweis der Tatsache, dass die Pflegestufe I vorliege, werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. K. (Bad S.) beantragt. Die in den ärztlichen Berichten angedeutete Vernachlässigung des Klägers werde bestritten und zum Beweis eine Inaugenscheinnahme des Wohnumfeldes angeboten.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat das Jugendamt unter dem 13. Januar 2005 erklärt: Während der meisten Hausbesuche sei der Kläger im Kindergarten gewesen. Über seinen Pflegezustand könne daher keine Aussage getroffen werden.

Die Beklagte beauftragte den MDK nach dem Antrag des Klägers im Erörterungstermin vom 12. November 2004 erneut ein Sachverständigengutachten zu erstatten. Die Pflegefachkraft N. hat in dem MDK-Gutachten vom 17. Januar 2005 (Untersuchung vom 30. Dezember 2004) ausgeführt: Die Kleidung sowie der Pflegezustand des Klägers seien vernachlässigt. Das gesamte Wohnumfeld mache einen unordentlichen Eindruck. Der Kläger sei nicht altersgerecht entwickelt und leide nach Angaben der Mutter häufig an Infekten. Die Haut bilde in unregelmäßigen Abständen Blasen (besonders in den Sommermonaten). Der Kläger habe immer noch eine nächtliche Inkontinenz sowie manchmal auch eine Stuhlinkontinenz. Der derzeitige Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege entspreche dem eines gesunden Kindes und sei mit 0 Minuten zu bewerten. Ein erkrankungsbedingter Pflegemehrbedarf bestehe nicht. Mit Bescheid vom 8. Februar 2005 lehnte die Beklagte Leistungen ab. Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der MDK unter dem 22. April 2005 mitgeteilt: Beim Wohnort des Klägers handele es sich um ein älteres, unordentliches Gehöft. So hätten Flaschen und Kartons im Hof, im Hauseingang sowie in zahlreichen Zimmern herumgelegen. Die Haut und die Kleidung des Klägers hätten einen ungepflegten Eindruck gemacht.

Das Sozialgericht Halle hat mit Urteil vom 12. August 2005 die Klage, gerichtet auf Aufhebung der ablehnenden Bescheide und Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I bzw. hilfsweise Pflegesachleistungen der Pflegestufe I seit dem 13. September 2002, abgewiesen. Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt: Der Kläger bedürfe für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens keiner Hilfe. Der erkrankungsbedingte Mehrbedarf gegenüber altersentsprechend entwickelten Kindern sei allenfalls mit 18 Minuten zu bewerten. Dies genüge nicht, um Pflegegeld oder hilfsweise Pflegesachleistungen zu erhalten.

Der Kläger hat gegen das ihm am 19. September 2005 zugestellte Urteil am gleichen Tage Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und an seinem bisherigen Begehren festgehalten. Nach einem handschriftlich gefertigten Pflegeprotokoll bestehe bei Tag ein Pflegebedarf von 335 Minuten. Wegen schmerzbedingter Schlafstörungen müsse er zwischen 60 bis 120 Minuten nachts getröstet werden. Er hat Informationsschriften der Interessengemeinschaft Epidermolysis Bullosa e.V. und weitere Artikel sowie ein Lichtbild der betroffenen Füße vorgelegt (Bl. 273-278 GA). Darüber hinaus hat er einen sprachtherapeutischen Befundbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters des S.-Krankenhauses N. vom 7. April 2010 vorgelegt. Darin hat Chefarzt Dr. Dr. A. eine allgemeine Sprachentwicklungsstörung des Klägers diagnostiziert. Das isolierte Sprachverständnis sei stark eingeschränkt und bewege sich auf der Stufe eines Vierjährigen. In einer beigefügten schulischen Stellungnahme des Förderzentrums Bad F. gaben die Lehrerinnen M. und S. unter dem 19. April 2009 an: Es werde weiterhin empfohlen, die erkrankten Füße des Klägers in der Schule durch den Medizinischen Dienst verbinden zu lassen. Besonders in der warmen Jahreszeit seien die Füße mit großen schmerzenden Blasen befallen. Dabei habe der Kläger die Betreuung der Krankenschwester genossen. Er benötige für seinen völlig heruntergekommenen Rollstuhl ein Ersatzgerät.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. August 2005, den Bescheid vom 15. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2003 sowie die Bescheide vom 8. Februar 2005 und 12. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 13. September 2002 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu zahlen, hilfsweise, Pflegesachleistungen zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Auf Anregung des Senats hat die Beklagte eine erneute Begutachtung durch den MDK T. veranlasst. Am 22. September 2009 führte die MDK-Gutachterin Dr. K. am neuen Wohnort des Klägers einen Hausbesuch durch und fertigte das Gutachten vom 29. September 2009. Hiernach trage der Kläger eine Brille und nutze für den Außenbereich einen Rollstuhl. Längere Gehstrecken müsse er wegen der damit verbundenen Belastung der Füße und wegen der Folgen der Hauterkrankung vermeiden. Im Wohnbereich laufe er dagegen frei. Der Verbandswechsel erfolge als Behandlungspflege gemäß § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) zweimal täglich von Montag bis Freitag. Der Kläger besuche eine Förderschule in Bad F ... Er sei erst mit neun Jahren und drei Monaten sauber geworden. Neben der Hauterkrankung bestehe eine leichte Intelligenzminderung mit einer Retardierung der Selbstständigkeit. Die Alltagskompetenz sei in erhöhtem Maße eingeschränkt. Aufgrund der verzögerten Entwicklung der Selbstständigkeit bestehe ein Mehrbedarf gegenüber gleichaltrigen Kindern beim Baden und in weiteren Bereichen der Körperpflege (25 Minuten). Hinzu komme die erkrankungsbedingte Wundbehandlung. Wegen seiner Unachtsamkeit und den damit verbundenen Verletzungsrisiken beim Umgang mit Besteck sei von einem erhöhten Pflegebedarf bei der Ernährung auszugehen (4 Minuten). Im Bereich der Mobilität sei ein Pflegebedarf für das An- und Entkleiden von insgesamt 3 Minuten anzuerkennen. Zusammenfassend betrage der Grundpflegebedarf 32 Minuten und der Hauswirtschaftsbedarf 43 Minuten.

Mit Bescheid vom 12. November 2009 lehnte die Beklagte Leistungen auf Pflegegeld ab. In einem weiteren Bescheid vom gleichen Tage gewährte die Beklagte dem Kläger zusätzliche Betreuungsleistungen wegen Einschränkungen in der Alltagskompetenz im Gesamtumfang von 2.400 EUR, sofern zusätzlichen Betreuungsleistungen in Anspruch genommen würden und dies vom Kläger nachgewiesen werde.

Der Senat hat Pflegebefundberichte der Kinderärztin Dipl.-Med. P., der Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. B. und dem Facharzt für Innere Medizin Dr. W. eingeholt. Dr. P. hat am 25. August 2009 angegeben: Aufgrund der unzureichenden Wundversorgung durch die Eltern sei der ambulante Pflegedienst eingeschaltet worden. Der Kläger könne sich bei entsprechender Blasenversorgung gut bewegen und habe einen kindgerechten Bewegungsdrang. Die Pflege- und Versorgungssituation sei jedoch schlecht. In der Schulzeit erfolge ein zusätzlicher Verbandswechsel. Dr. B. hat am 2. September 2009 mitgeteilt: Die Blasenbildung führe zu chronischen Wunden und schränke die Bewegungsfähigkeit ein. Der Kläger müsse ständig Salbenverbände tragen. Seit Juli 2008 lebe er beim Vater. Die Körperpflege erscheine ungenügend.

Der Senat hat mit Zustimmung des Klägers dessen Schwerbehindertenakte vom Landratsamt K. eingeholt. Hiernach beantragte der Kläger am 9. April 2004 die Feststellung einer Schwerbehinderung. In einem beigezogenen Befundschein berichtete Dr. N. über medizinische Behandlungen bis zum 17. Juli 2003. Nach anfänglich fast ununterbrochener Blasenbildung habe sich die Intensität der Erkrankung ab dem 2. Lebensjahr gebessert. Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt stellte beim Kläger mit Bescheid vom 8. September 2004 einen Grad der Behinderung von 30 ab dem 23. April 2001 fest. Auf einen Neufeststellungsantrag vom 10. Mai 2006 holte das Landesverwaltungsamt einen Befundschein von der Hautärztin Dr. B. ein. Diese teilte am 19. Mai 2006 mit: Bereits bei geringsten mechanischen Hautbelastungen komme es beim Kläger zur Blasenbildung. Die Blasendecke sei sehr verletzlich und führe ständig zu offenen schmerzhaften Wunden. Wanderungen, Schulausflüge oder Sport seien ihm nicht möglich. Am stärksten seien die Füße betroffen. Die Lebensführung sei zusammenfassend sehr stark eingeschränkt. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2006 stellte das Landesverwaltungsamt ab dem 10. Mai 2006 einen GdB von 60 sowie das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbeeinträchtigung im Straßenverkehr) fest. Auf einen erneuten Neufeststellungsantrag vom 27. August 2009 nahm das Landratsamt K. medizinische Ermittlungen auf. In einem weiteren Bescheid vom 2. März 2010 stellte das genannte Amt beim Kläger auf ärztliche Empfehlung einen GdB von 80 sowie die weiteren Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) ab dem 27. August 2009 fest.

Am 22. Januar 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Überprüfung ab erster Antragstellung unter Hinweis auf eine zwischenzeitlich eingetretene Verfristung gegen den Bescheid vom 12. November 2009. Die Beklagte beauftragte den MDK T. mit medizinischen Ermittlungen. Die MDK-Ärztin E. fertigte ein weiteres Pflegegutachten vom 4. Juni 2010 (Untersuchung vom 25. Mai 2010). Hiernach suche der Kläger ein Mal monatlich den Hausarzt bzw. nach Bedarf den Hautarzt auf. Ein Mal wöchentlich absolviere er eine Stimm- und Sprachtherapie sowie eine Ergotherapie, die jeweils in der Schule durchgeführt werde. Ein neuer Rollstuhl sei beantragt, das Rezept aber noch nicht bei der Krankenkasse eingegangen. Verbände erhalte der Kläger ein Mal täglich im Rahmen der häuslichen Krankenpflege. Der Verbandswechsel erfolge montags, mittwochs und freitags zwei Mal täglich durch einen Pflegedienst bzw. die Pflegeperson. Im Bereich der oberen Extremitäten habe der Kläger feinmotorische Schwierigkeiten wie z.B. beim Binden von Schleifen, könne sich jedoch die Hemden zuknöpfen oder Reißverschlüsse selbständig schließen. Beim Umgang mit Messern sei eine Beaufsichtigung notwendig. Den Nackengriff könne er problemlos vorführen. Im Bereich der unteren Extremitäten habe er keine Einschränkungen und könne frei laufen und auch die Treppe selbstständig begehen. Er nässe nicht mehr ein, gehe allein zur Toilette und benötige nur bei der hygienischen Nachsorge sowie beim Richten der Kleidung Hilfe. Bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung sei Hilfe notwendig. Die eigentliche Nahrungsaufnahme erfolge problemlos. An den Füßen seien zwei bis drei Blasen je Fuß zu erkennen (Größe bis zu einer 20 Cent-Münze). Im Wohn- und Gründstücksbereich sei er voll orientiert. Wegen Verhaltensauffälligkeiten sei er in der Kinderpsychiatrie N. von Februar 2010 bis April 2010 stationär behandelt worden. Pflegediagnostisch sei neben der Hauterkrankung von einer leichten geistigen Behinderung auszugehen. Die Alltagskompetenz sei in erhöhtem Maße eingeschränkt. Der Grundpflegebedarf für die Körperpflege betrage 25 Minuten, der Bedarf für die Ernährung 4 Minuten und für die Mobilität 3 Minuten. Der Zeitaufwand der Hauswirtschaft sei mit 60 Minuten einzuschätzen.

Auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2011 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu diesem Verwaltungsverfahren: Er könne nicht sagen, ob es zu diesem Verwaltungsverfahren einen Bescheid der Beklagten gebe. Sollte es einen Bescheid geben, werde dieser aufgehoben und nochmals von ihr beschieden werden.

Der Senat hat ein Sachverständigengutachten der Ärztin Dr. G. vom 11. September 2010 (Untersuchung vom 31. August 2010) erstatten lassen. Diese hat angegeben: Beim Kläger habe es eine Verzögerung in der Entwicklung gegeben. Tagsüber sei es bei ihm erst mit fünfeinhalb Jahren und nachts erst mit dem neunten Lebensjahr nicht mehr zum Einnässen gekommen. Er habe keinerlei Gefahrbewusstsein. Auch bei der Tagesgestaltung benötige er Hilfe. So denke er weder an die Körperhygiene noch an die jeweiligen Mahlzeiten. Nach Angaben des Vaters komme es besonders an den Füßen zur Blasenbildung. Der Abheilungsprozess dauere zehn bis 14 Tage, werde dann aber wieder von neuen Blasen abgelöst. In besonders intensiven Erkrankungsphasen und bei längeren Wegstrecken falle dem Kläger das Gehen schwer. Dann müsse er auf einen Rollstuhl zurückgreifen. Außerdem leide er an ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung), was zu stationären Behandlungen im Jahr 2010 geführt habe. Derzeit werde er medikamentös mit Risperidon behandelt. Der Kläger sei unausgeglichen, unkonzentriert und zappelig. Mitunter komme es auch zu aggressivem Verhalten. Der Verbandwechsel werde von ihm wegen der Schmerzentwicklung zeitweise abgelehnt. Seit 2008 wohne er beim Vater und besuche die Mutter in Z. nur noch an den Wochenenden in einem zweiwöchigen Rhythmus. Seit Dezember 2009 sei der Rollstuhl defekt und nur notdürftig repariert worden. Ein Rezept über einen neuen Rollstuhl sei auf dem Weg zur Krankenkasse verlorengegangen. Die Pflegekraft Schwester E. führte während der Untersuchung aus, sie habe den Kläger noch nie im Rollstuhl sitzen sehen. Auf Nachfrage der Sachverständigen sei der Rollstuhl gezeigt worden, der sich relativ weit im Waschhaus befunden habe und mit Plastiktüten und Kartons angefüllt gewesen sei. Eigentlich trage der Kläger eine Brille. Diese sei vor geraumer Zeit kaputt gegangen und nach Angaben des Vaters vor einiger Zeit verloren gegangen. Der Allgemeinbefund des Klägers sei gut. Der Gewichts- und Kräftezustand sei altersgerecht. Der Pflegezustand des frisch gebadeten Klägers sei mit gut zu bewerten. Es bestünden keine Einschränkungen in der Beweglichkeit. Er könne flüssig und ohne Hilfsmittel gehen. Der derzeitige Hautbefund zeige am linken Fuß drei Blasen und am rechten Fuß fünf Blasen und eine beginnende Blase. Die Haut sei nicht entzündet. Tiefgreifende Narben bestünden nicht. Die Diagnose eines ADHS sei zu bestätigen. Während der Untersuchung sei er ständig in Bewegung und im Verhalten distanzgemindert gewesen. Er besuche eine Schule für geistig behinderte Menschen und habe kleine Fortschritte gemacht. Der Umgang mit Geld sowie mit der Uhrzeit sei ihm nicht möglich. Auch bestünden Koordinationsprobleme. Der Haushalt sei ungepflegt, vernachlässigt und unaufgeräumt. Auf dem Fußboden seien schmutzige Wäschestücke, benutzte Windeln, Kartons und Müll zu sehen. In einer Ecke habe sich eine Tür mit einer zerstörten Glasscheibe befunden. Gefahrenlagen könne der Kläger nicht einschätzen und sei örtlich nicht voll orientiert. Aus diesem Grunde benötige er im Straßenverkehr Hilfe. Aus Vorsicht vor einer Selbstgefährdung werde das Hoftor ständig verschlossen gehalten. Das beschriebene Abwehrverhalten bei Verbandswechsel trete nicht regelmäßig auf. Bei der Begutachtung werde der Pflegebedarf des Klägers mit gleichaltrigen Kindern abgeglichen und nur der behinderungsbedingte Mehrbedarf in den jeweiligen Verrichtungen berücksichtigt.

Zusammenfassend betrage zum Begutachtungszeitpunkt der Grundpflegebedarf 32 Minuten und die hauswirtschaftliche Versorgung 44 Minuten. Diese Bewertung setze sich wie folgt zusammen: Beim Baden benötige der Kläger wegen seiner Unkonzentriertheit zum wirklichen Sauberwerden einer Teilübernahme durch die Pflegeperson. Für das Baden sowie die krankheitsspezifische Pflegemaßnahme seien 12 Minuten täglich anzusetzen. Der zweite tägliche Verbandswechsel sei der Behandlungspflege zuzuordnen und nicht zu berücksichtigen. Nach den allgemeinen hygienischen Grundsätzen sei eine Teilwäsche notwendig, die mit 4 Minuten täglich zu bewerten sei. Für das Hände- und Gesichtwaschen benötige der Kläger eine kurze Aufforderung. Hierfür seien 2 Minuten anzusetzen. Für das Zähneputzen (offenbar befinde sich keine Zahnpasta im Hause) bestehe ein Zeitaufwand von 1 Minute. Für den Bereich der Blasen- und Darmentleerung seien für den Stuhlgang (Nachreinigung im Intimbereich) sowie für das Richten der Kleidung (Anleitung notwendig) insgesamt 4 Minuten festzustellen. Im Bereich der Ernährung bestehe für die mundgerechte Zubereitung ein Hilfebedarf von 3 Minuten. Der Kläger habe leichte Defizite in der Koordinierung. So falle es ihm schwer mit dem Messer ohne Verletzungsgefahr zu hantieren. Flaschen könne er selbständig öffnen und sich z.B. die Brote belegen. Bei der Mobilität seien insgesamt 6 Minuten anzusetzen. Der Kläger benötige Anleitung zum Aufstehen und Zubettgehen (2 Minuten). Das morgendliche Ankleiden gelinge ohne Hilfe. Bei der Auswahl der Kleidung benötige er eine Anleitung. Für die hauswirtschaftliche Versorgung seien 44 Minuten anzusetzen. Der Hilfebedarf sei gegenüber gleichaltrigen Kindern seit 2002 durch die Folgen der Hauterkrankung und durch die zögerliche Entwicklung erhöht. Ab dem Jahr 2009 sei dann noch die ADHS hinzugekommen. Die von den Pflegepersonen angegebenen Pflegezeiten entsprächen einer Vollübernahme, die jedoch nicht gerechtfertigt sei. Das viermalige Wechseln des Verbandes sei nicht nachvollziehbar und auch nicht notwendig.

Der Berichterstatter hat dem Kläger mit Schreiben vom 16. September 2010 das Gutachten übersandt und binnen einer Frist von vier Wochen verlangt, ggf. neue Tatsachen vorzutragen, um die derzeit nicht aussichtsreiche Berufung zu begründen. Das Schreiben enthielt eine Belehrung gemäß § 106 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) und ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. September 2010 zugestellt worden. Hierauf hat er nicht reagiert.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten sowie Auszüge der Schwerbehinderungsakte des Klägers haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn die Bescheide der Beklagten vom 15. Januar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2003 sowie die Folgebescheide vom 8. Februar 2005 vom 12. November 2009 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I (dazu im Folgenden 1.) und auch keinen Anspruch auf Pflegesachleistungen hat (dazu im Folgenden 2.).

Die von der Beklagten erlassenen Folgebescheide vom 8. Februar 2005 und vom 12. November 2009 sind gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, da diese die jeweils vorausgegangenen Bescheide ersetzt haben. Die Beklagte hat auf entsprechende Anträge des Klägers jeweils MDK-Gutachten veranlasst, den Sachverhalt erneut geprüft und damit in der Sache neu entschieden. Bezogen auf den Antrag des Klägers vom 22. Januar 2010 liegt kein Bescheid der Beklagten vor bzw. wird dieser Bescheid keinen Bestand mehr haben und zurückgenommen werden. Der Senat muss darüber entsprechend nicht mehr entscheiden.

1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I für die Zeit ab dem 13. September 2002 zu.

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 – 3 SGB XI Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) setzt der Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfe nach der Pflegestufe I u. a. voraus, dass der Anspruchsteller pflegebedürftig ist und mindestens der Pflegestufe I zugeordnet werden kann. Pflegebedürftigkeit liegt hierbei nach § 14 Abs. 1 XI vor, wenn der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf, die nach § 14 Abs. 3 SGB XI in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen besteht. Als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im vorgenannten Sinne gelten nach § 14 Abs. 4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, der neben den Bereichen der Ernährung und der Mobilität zur Grundpflege gehört, das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Die Zuordnung zur Pflegestufe I setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht erfüllt. Denn entgegen seiner Auffassung lässt sich hier bereits nicht feststellen, dass sein Grundpflegebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt mehr als 45 Minuten beträgt.

Der Senat stützt sich insoweit auf die eingeholten Pflegebefundberichte, sonstigen Unterlagen sowie insbesondere auf die zahlreichen MDK-Gutachten vom 13. Dezember 2002 (Ärztin Dipl.-Med. H.), der Pflegefachkraft N. vom 17. Januar 2005 sowie vom 29. September 2009 (Dr. K.) und vom 4. Juni 2010 (Ärztin E.) und insbesondere auf das gerichtliche Sachverständigengutachten von Dr. G. vom 11. September 2010. In keinem dieser Sachverständigengutachten erreicht der Kläger einen krankheitsbedingten Grundpflegemehrbedarf von mehr als 45 Minuten, sondern unterschreitet diese Grenze mit zuletzt 32 Minuten deutlich. Allein in dem Gutachten der Pflegefachkraft G. vom 3. Juli 2003 (Untersuchung vom 12. Mai 2003) wird ein Grundpflegebedarf des Klägers von 50 Minuten bejaht. Dieses Gutachten vermag den Senat jedoch nicht zu überzeugen. Obwohl die Pflegekraft G. angegeben hatte, es bestünden lediglich zeitweilige Bewegungseinschränkungen durch die Hauterkrankung, gelangte sie zu einem regelmäßigen und täglichen Pflegebedarf. Auch die Höhe des von ihr ermittelten Grundpflegebedarfs wird in den zahlreichen weiteren MDK-Gutachten sowie insbesondere im gerichtlichen Gutachten nie mehr erreicht. Dabei haben sich beim Kläger seit 2003 die pflegerelevanten gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers sogar erkennbar verschlechtert. Während Dipl.-Med. K. im Befundbericht von 2004 noch über Zeitphasen ohne Blasenbildungen von ein bis drei Wochen berichtete, steigerten sich die Folgen der Hauterkrankungen ab dem Jahr 2006 (Befundbericht der Hautärztin Dr. B. vom 19. Mai 2006) zu einer praktisch ständigen Blasenbildung. Hinzu sind deutliche und immer stärker werdende Entwicklungsrückstände des Klägers medizinisch belegt. Nach der MDK-Ärztin Dr. K. ist dabei von einer retardierten Selbstständigkeitsentwicklung (2009), einer leichten geistigen Behinderung (so MDK-Ärztin E. im Jahr 2010) bzw. einer leichten Intelligenzminderung mit einem ADHS-Syndrom und Selbstständigkeitsdefiziten auszugehen (so Dr. G.), was den Pflegebedarf gegenüber Gleichaltrigen noch erhöht hat. Trotz verschlechterter gesundheitlicher Bedingungen erreichen die zahlreichen weiteren Folgegutachten nach dem Jahr 2003 nicht mehr den von der Pflegefachkraft G. im Jahr 2003 ermittelten Grundpflegebedarf von 50 Minuten. Der Senat hält daher die Einschätzung der Grundpflege in diesem Gutachten von 50 Minuten für überhöht und insbesondere wegen des zu diesem Zeitpunkt noch fehlenden täglichen Pflegebedarfs wegen der Hauterkrankung und den noch nicht ausgeprägten Entwicklungsrückständen wegen einer Intelligenzminderung für nicht nachvollziehbar.

Für den Zeitraum von 2002 bis 2005 ist wegen der Hauterkrankung ein praktisch täglich anfallender Pflegebedarf nicht als gesichert anzunehmen. Nach Ansicht des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R, zitiert nach juris) ist ein nicht täglich anfallender Pflegebedarf in den genannten Verrichtungen nicht vom Gesetz erfasst. Dies schließt eine Durchschnittsbewertung des innerhalb einer Woche aufgetretenen, hauterkrankungsbedingten Hilfebedarfs im Bereich der Grundpflege gesetzlich aus. Eine derartige Durchschnittsbetrachtung lässt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI nicht zu. Eine wöchentliche Durchschnittsberechnung kann erst einsetzen, wenn die Hilfebedürftigkeit zwar schubweise gehäuft auftritt, aber jeden Tag ein Hilfebedarf bei zumindest zwei Verrichtungen der Grundpflege besteht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R, zitiert nach juris). Der gesetzliche Ausschluss von krankheitsbedingt unregelmäßigem, lediglich teilweise auftretendem Pflegebedarf aus der Pflegeversicherung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist ein schubweise auftretender Hilfebedarf für die Gebrechlichkeitspflege, die bei der Konzeption der Pflegeversicherung im Vordergrund stand, nicht typisch. Dem Gesetzgeber waren derartige Erkrankungsbilder mit Schwankungen der Intensität und des Umfangs des Hilfebedarfs bekannt. Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber derart häufig auftretende partielle Pflegebedarfe wie z.B. bei der Epilepsie im Gesetzgebungsverfahren übersehen haben könnte, liegen nicht vor. Dies lässt den Rückschluss zu, dass die Notwendigkeit des täglichen Hilfebedarfs bewusst als ausnahmslose Mindestgrenze für den Pflegebegriff gewählt wurde. Ein Verfassungsverstoß kann hierin schon deshalb nicht gesehen werden, weil die Pflegeversicherung vom Gesetzgeber nicht auf die lückenlose Erfassung jeglichen Pflegebedarfs ausgerichtet worden ist, worauf das BSG bereits mehrfach hingewiesen hat (vgl. BSGE 82, 27 [34]; BSGE 85, 278 [284]). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung bestehen nicht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000, a.a.O.).

Wegen dieses nicht nachgewiesenen regelmäßigen Grundpflegebedarfs aufgrund der erblichen Hauterkrankung kann der tatsächliche Grundpflegebedarf in der Zeit von 2002 bis 2005 wegen der Hauterkrankung nicht berücksichtigt werden. Doch selbst wenn der Senat einen täglich notwendigen Grundpflegebedarf ab Antragsstellung annehmen würde, erreicht dieser nicht die notwendige Grenze von mehr als 45 Minuten in der Grundpflege, was sich aus dem widerspruchsfreien MDK-Gutachten von vom 13. Dezember 2002 (Ärztin Dipl.-Med. A. H.) ergibt.

Trotz der tendenziell aufgetretenen Verschlimmerung der Hauterkrankung und dem damit verbundenen Mehrbedarf sowie den seit 2009 deutlichen Hinweisen auf einen gravierenden Entwicklungsrückstand wegen einer Intelligenzminderung, gelangen die weiteren MDK-Gutachten vom 29. September 2009 (Dr. K.) und vom 4. Juni 2010 (Ärztin Eckhardt) und insbesondere auch die gerichtliche Sachverständige Dr. G. in ihrem Gutachten vom 11. September 2010 nicht zu einem Grundpflegebedarf von über 45 Minuten. Vielmehr wird dieser für die Zuerkennung der Pflegestufe mindestens benötigte Grundpflegebedarf deutlich unterschritten. Dieser Einschätzung des Pflegebedarfs in der Grundpflege schließt sich der Senat an. Hierbei kann offen bleiben, ob wegen der teilweise ärztlich dokumentierten Vernachlässigungen (z.B. Befundberichte Dipl.-Med. K. vom 3. August 2004; Chefarzt Dr. K. vom 29. Juli 2004; Dr. P. vom 25. August 2009) mangels tatsächlich ausgeführter Pflegehandlungen und bestehender Pflegedefizite ein Pflegegeldanspruch auszuschließen und auf einen Sachleistungsanspruch zurückzugreifen wäre.

Insbesondere Dr. G. hat in seinem Gutachten nachvollziehbar und überzeugend darlegt, dass der Kläger noch über beachtliche Ressourcen verfügt, die einen Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten ausschließen. Beim Baden benötigt er allenfalls eine Teilübernahme, um Defizite wegen seiner Unkonzentriertheit auszugleichen. Der zweite tägliche Verbandswechsel ist als Behandlungspflege nach dem SGB V ohnehin nicht zu berücksichtigen. Der weitere Pflegebedarf bei der Teilwäsche, dem Hände- und Gesichtswaschen sowie dem Zähneputzen bleibt entsprechend der Bewertung der Sachverständigen in einem nur geringen Umfang. Für den Bereich der Körperpflege sind daher insgesamt höchstens 19 Minuten anzusetzen. Addiert man den weiteren von der Sachverständigen ermittelten Pflegebedarf hinzu (Blasen- und Darmentleerung und Richten der Kleidung: 4 Minuten, Ernährung: 3 Minuten und Mobilität: 6 Minuten) verfehlt der Kläger den notwendigen Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten mit lediglich 32 Minuten deutlich. Diese Einschätzung der Sachverständigen wird zudem gestützt durch das aktuelle MDK Gutachten von der Ärztin E. vom 4. Juni 2010. Auch diese Gutachterin nimmt einen Grundpflegebedarf von 32 Minuten an und kommt mit lediglich geringen Detailabweichungen bei den einzelnen Verrichtungen zum gleichen Ergebnis wie die gerichtliche Sachverständige Dr. G ...

Die gerichtliche Sachverständige sowie die MDK-Gutachter haben, soweit ihnen gefolgt werden konnte, die Begutachtungsrichtlinien und insbesondere den Hilfebedarf gesunder Kinder in der jeweiligen Alterstufe jeweils zutreffend beachtet. Gegenteiliges hat der anwaltlich vertretene Kläger auch nicht vorgetragen.

Die vom Kläger angegebenen Pflegezeiten in dem vorgelegten Pflegeprotokoll können dagegen nicht überzeugen. Sie würden einer Vollübernahme entsprechen und werden den tatsächlichen Ressourcen des Klägers in keiner Weise gerecht. Angesichts seiner noch bestehenden Handlungsmöglichkeiten kann der behauptete Pflegebedarf so nicht nachvollzogen werden und wird auch durch die zahlreichen Gutachten klar widerlegt.

Soweit der Kläger in der Vorinstanz die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. K. (Bad S.) beantragt hatte, hat der Senat dies lediglich als Beweisanregung ausgelegt. Hinweise für einen gesonderten Antrag nach § 109 SGG, einschließlich der damit verbundenen Kostenfolgen (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG) sind dem Antrag nicht zu entnehmen. Zudem hätte der Kläger, spätestens nach der Begutachtung von Amtswegen gemäß § 106 SGG durch Dr. G. und der anschließenden gerichtlichen Fristsetzung unter Belehrung gemäß § 106 a SGG diesen Antrag, sofern er für das Berufungsverfahren als Antrag nach § 109 SGG gemeint gewesen ist, wiederholen müssen.

Auch der Hinweis auf weitere Verfahren der von der Hauterkrankung betroffenen Familienangehörigen, die für die Versicherten jeweils günstiger ausgegangen wären, bleibt unbeachtlich. Schließlich muss für jeden einzelnen Pflegebetroffenen der konkrete Hilfebedarf individuell festgestellt werden. Vergleichende Überlegungen verbieten sich daher.

2. Für die Voraussetzungen von Pflegesachleistungen bleibt kein Raum, weil der Kläger nicht, wie ausgeführt, pflegebedürftig im Sinne der §§ 14, 15 SGB XI ist, was aber von § 36 Abs. 1 SGB XI vorausgesetzt wird. Deshalb dringt auch der Hilfsantrag nicht durch.

Der Senat musste die Voraussetzungen von Leistungen nach §§ 45 a, 45 b SGB XI wegen einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz nicht prüfen. Schließlich hat die Beklagte diese Leistung, nach einem entsprechenden Antrag des Klägers, mit Bescheid vom 12. November 2009 bewilligt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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