L 17 U 210/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 125/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 210/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 288/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Gewährung einer Anschlussrente nach § 75 Satz 2 SGB VII nach Ablauf eines Gesamtvergütungszeitraums.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.03.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Kläger hat Gerichtskosten in Höhe von 225,00 EUR an die Staatskasse zu zahlen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Unfallrente über den Gesamtvergütungszeitraum vom 04.09.2006 bis 30.09.2007 hinaus anlässlich eines Arbeitsunfalls vom 20.04.2006 streitig.

Der als KFZ-Mechaniker und Versuchsfahrer bei der Beklagten versicherte Kläger zog sich laut Unfallanzeige vom 25.04.2006 bei einer Testfahrt am 20.04.2006 eine Stauchung im Bereich der Halswirbelsäule sowie eine Prellung im Bereich des rechten Kniegelenks zu. Gestützt auf das von Prof.Dr.L. am 13.11.2006 erstattete Gutachten erteilte die Beklagte am 21.12.2006 einen Bescheid über die Gesamtvergütung im genannten Zeitraum nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 vH wegen der Folgen des Arbeitsunfalls in Form einer Rente als vorläufige Entschädigung. Darüber hinaus habe der Kläger voraussichtlich keinen Anspruch auf Rente. Nach knöchern mit leichter Höhenminderung stabil ausgeheilten Brüchen des 1., 2. und 3. Lendenwirbelkörpers bestehe noch eine Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit muskulärer Verspannung. Die Stauchung im Bereich der Halswirbelsäule sowie die Prellung im Bereich des rechten Kniegelenks seien ohne funktionelle Beeinträchtigungen ausgeheilt.

Nach erneuter ambulanter Vorstellung des Klägers in der BG-Unfallklinik M. am 03.09.2007 erstattete im Auftrag der Beklagten Prof.Dr.L. erneut am 10.12.2007 ein Gutachten, in dem er zu dem Ergebnis gelangte, dass die MdE nur noch mit 10 vH eingestuft werden könne. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.02.2008 einen Anspruch auf Rente nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraums ab. Nach knöchern mit leichter Höhenminderung stabil ausgeheilten Brüchen des 1. und 3. Lendenwirbelkörpers bestehe lediglich eine endgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit muskulären, druckschmerzhaften Verspannungen. Den am 14.03.2008 hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2008 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 13.05.2008 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Im Auftrag des SG haben der Orthopäde Dr.S. nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und der Orthopäde und Unfallchirurg Prof.Dr.A. auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG Gutachten erstattet. Dr.S. hat in seinem Gutachten vom 30.08.2008 zusammenfassend festgestellt, dass ein Zustand nach knöchern stabil ausgeheilten Brüchen der LWK 1 bis 3 mit endgradiger Bewegungseinschränkung und geringen muskulären, druckschmerzhaften Verspannungen vorliege. Die Unfallfolgen seien vollständig erfasst. Die verbliebenen Restunfallfolgen bedingten eine MdE von 10 vH. Prof.Dr.A. hat sich in seinem Gutachten vom 26.10.2009 den Vorgutachtern Prof. Dr. L. und Dr. S. angeschlossen.

Mit Urteil vom 16.03.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Über den 30.09.2007 hinaus lägen keine Unfallfolgen in rentenberechtigendem Grade mehr vor. Übereinstimmend werde von Prof.Dr.L., Dr.S. und Prof.Dr.A. die MdE für den Restzustand mit 10 vH bewertet. Ein neuerlicher Anspruch entstehe gemäß § 75 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) nur dann, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente, d.h. mindestens 20 vH, erneut vorlägen. Dies lasse sich nach den ausführlichen fachorthopädischen Gutachten nicht begründen.

Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 29.04.2010 eingegangene Berufung des Klägers. Mit Schriftsatz vom 20.01.2010 habe er bereits darauf hingewiesen, dass es wenig nachvollziehbar erscheine, weshalb im orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgutachten des Prof.Dr.A. vom 26.10.2009 auf den Seiten 11 und 12 darauf hingewiesen werde, dass bei ihm eine mäßige, konzentrische Bewegungseinschränkung ohne Blockierung bestehe, des Weiteren die Wirbelsäule gut 1,5 cm nach rechts aus dem Lot stehe, zudem ein leichter Schulterhochstand links bestehe, in der Seitenansicht sich eine diskrete Brustkyphose bei physiologischer Lendenlordose zeige sowie deutliche Myogelosen langstreckig von TH 12 bis L 5 rechtsseitig mit erheblichem paravertebralem Druckschmerz bestünden und andererseits letzten Endes eine MdE von lediglich 10 vH attestiert werde.

Zudem sei auffallend, dass in den vorerwähnten Gutachten auf Seite 20 2. Absatz lediglich von der Nichtfeststellbarkeit einer "wesentlichen" Fehlstellung der Bandscheiben ausgegangen werden müsse. Es stelle sich hier die Frage, ob die ganz offensichtlich bestehende Fehlstellung Höhenminderung der Bandscheiben nicht doch Einfluss auf das rein subjektive Schmerzempfinden und die MdE habe.

Hinzu komme, dass auf Seite 20 3. Absatz des Gutachtens Prof.Dr.A. von einem persistierenden Reizzustand mit entsprechender Ödematisierung anhand der Frakturlinien gesprochen werde. Auch dieser Befund des Gutachtens könne dazu führen, dass die subjektiv bei ihm wahrgenommenen Schmerzen eine MdE von 20 vH rechtfertigten. Zudem sei unverständlich, dass auf Seite 24, 2.Absatz des Gutachtens Prof.Dr.A. davon gesprochen werde, dass von Seiten der HWS mittlerweise eine nahezu vollständig regrediente Beschwerdesymptomatik festzustellen sei, wenn auf Seite 21, letzter Absatz desselben Gutachtens noch von anhaltenden Rückenschmerzen, über die er klage, gesprochen werde. Auch der gut 1 Jahr nach dem Unfall aufgetretene rezidivierende Leistenschmerz rechtsseitig sowie die Unterbauchschmerzen seien äußerst belastend (vgl. S. 22 des Gutachtens Prof.A.). Schließlich sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Gutachten Prof.Dr.A. auf Seite 25, 3.Absatz von einer "im unfallchirurgisch-orthopädischen Bereich weitestgehender Befundkonstanz" spreche, andererseits jedoch die MdE ab 01.10.2007 um 10 vH reduzieren wolle. Dies sei für ihn umso unverständlicher, als dass sich seine Beschwerden seit dem Unfall nicht verändert hätten. Immerhin konzediere das Gutachten Prof.Dr.A. auf Seite 26 unten, Seite 27 oben, dass aufgrund des Unfallereignisses vom 20.04.2006 andauernde Folgen bezüglich der oberen Lendenwirbelsäule festzustellen seien. Es liege eine anhaltende, schmerzhafte Bewegungseinschränkung der oberen Lendenwirbelsäule bei Zustand nach knöchern vollständig konsolidierter LWK 1 bis 3 Deckplattenimpressionsfraktur vor. Zusätzlich liege eine geringgradig ausgeprägte, anlagebedingte Fehlausformung der betroffenen Grund- und Deckplatten im Sinne einer Apophysenaufbaustörung vor, die zwar als unfallunabhängig zu werten sei, es jedoch zusammen mit den Wirbelfrakturen ggf. zu einer richtungsweisenden Verschlechterung der vorbestehenden Veränderungen gekommen sei. Die Reduzierung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH auf 10 vH erscheine daher als nicht nachvollziehbar. Hinzu komme, dass das Gutachten Dr.S. vom 30.08.2008 alleine bereits deshalb nicht geeignet sei, die Klageabweisung zu stützen, weil es auf einer Befunderhebung beruhe, die ohne die Anfertigung von jeglichen Röntgenaufnahmen erstellt worden sei. Der Gutachter Dr.S. habe aufgrund eines angeblich klinisch unauffälligen Befundes und unauffälliger Anamnese auf die Anfertigung von Röntgenaufnahmen verzichtet.

Zur Berufungserwiderung trägt die Beklagte insbesondere vor, dass die übereinstimmend von allen in dieser Unfallsache beteiligten Gutachtern getroffene MdE-Bewertung der anerkannten Begutachtungsliteratur entspreche (Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8.Aufl., S. 441 bis 444). Soweit der Kläger eine unvollständige röntgenologische Befunderhebung durch Dr.S. in seinem Gutachten vom 30.08.2008 geltend mache, müsse klargestellt werden, dass der Gutachter lediglich auf weitere Röntgenaufnahmen der HWS verzichtet habe. Eine aktuelle röntgenologische Befundung der unfallbetroffenen LWS sei am 28.08.2008 sehr wohl erfolgt. Nach der Tabelle von Weber/Wimmer (Unfallchirurgie, Arbeitsunfall und Berufskrankheit) komme man auf 10,5 %, das wäre eine MdE von 10 vH. Betroffen seien die Segmente TH 12/01, L1/2, L2/3. Es seien keine Anhaltspunkte für eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Werte gegeben, insbesondere keine Wirbelsäulendeformität oder Ankylose.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.03.2010 sowie den Bescheid vom 25.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.04.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente über den 30.09.2007 hinaus auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von mindestens 20 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.03.2010
zurückzuweisen.

Der Senat hat ein Band Akten der Beklagten sowie 2 Bände Akten des SG (Az: S 2 U 125/08) zum Verfahren beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Dem Kläger steht nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraums im Zeitraum vom 04.09.2006 bis 30.09.2007 weder ein Anspruch auf Gewährung von Rente als vorläufige Entschädigung gemäß § 62 SGB VII noch auf Gewährung von Rente auf unbestimmte Zeit gemäß § 56 SGB VII zu, § 75 Satz 2 SGB VII. Denn es liegen nach Ablauf dieses Zeitraums die Voraussetzungen für eine Rente nicht mehr vor, d.h. es besteht keine rentenberechtigende MdE in Höhe von mindestens 20 vH mehr.

Ist nach allgemeinen Erfahrungen unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles zu erwarten, dass nur eine Rente in Form einer vorläufigen Entschädigung zu zahlen ist, kann der Unfallversicherungsträger die Versicherten nach Abschluss der Heilbehandlung mit einer Gesamtvergütung in Höhe des voraussichtlichen Rentenaufwandes abfinden, § 75 Satz 1 SGB VII. Nach Ablauf des Zeitraums, für den die Gesamtvergütung bestimmt war, wird auf Antrag Rente als vorläufige Entschädigung oder Rente auf unbestimmte Zeit gezahlt, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen, Satz 2.

Während der ersten 3 Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann, § 62 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden, Satz 2.

Spätestens mit Ablauf von 3 Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet, § 62 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben, Satz 2. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII.

Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 16.03.2010 festgestellt, dass über den 30.09.2007 hinaus keine Unfallfolgen in rentenberechtigendem Grade mehr vorliegen. Im Übereinstimmung mit dem SG stützt sich auch der Senat auf die übereinstimmenden gutachterlichen Ausführungen der vom SG gehörten Orthopäden Dr.S. (Gutachten vom 30.08.2008 nach § 106 SGG) und Prof.Dr.A. (Gutachten vom 26.10.2009 nach § 109 SGG), die ebenso wie der von der Beklagten gehörte Gutachter Prof.Dr.L., dessen orthopädische Gutachten im Wege des Urkundsbeweis verwertbar sind, die MdE für den beim Kläger verbliebenen Restzustand der Unfallfolgen mit 10 vH bewertet.

Dr. S. hat in seinem schlüssigen und überzeugenden Gutachten vom 30.08.2008 zusammenfassend festgestellt, dass ein Zustand nach knöchern stabil ausgeheilten Brüchen der LWK 1 bis 3 mit endgradiger Bewegungseinschränkung und geringen muskulären, druckschmerzhaften Verspannungen vorliegt. Wie aus dem MRT von 2007 entnommen werden kann, sind nahezu sämtliche Zwischenwirbelräume identisch. Hinweise einer posttraumatischen Instabilität am thorakolumbalen Übergang nach Fraktur 1 - 3 liegen nicht vor. Auch lassen sich Hinweise einer segmentalen Instabilität nicht feststellen. Die Statik zeigt eine klinisch relativ gut ausbalancierte Wirbelsäule bei röntgenanatomisch geringer Fehlstatik ohne wesentliche Achsabweichung bzw. Knickwinkel. Funktionsaufnahmen schließen eine pathologische Beweglichkeit aus. Posttraumatische Veränderungen wie sekundäre Spondylarthrosen lassen sich nicht erkennen (MRT vom 14.10.2007). Die Zwischenwirbelräume sind - wie auch im Kernspin erkennbar - ohne wesentliche Veränderung und ohne wesentliche Erniedrigung zu erkennen, eine Bandscheibenbeteiligung kann somit ausgeschlossen werden. Die Unfallfolgen sind im Bescheid vom 25.02.2008 vollständig erfasst. Dr. S. hält zu Recht die vom Vorgutachter Prof. Dr. L. beschriebene Einstufung entsprechend dem Segmentprinzip nach Weber und Wimmer (prozentualer Anteil der Segmentbeweglichkeit an der Gesamtbeweglichkeit der Wirbelsäule) und der Verletztenartentabelle nach wie vor für gültig.

Zu dieser Beurteilung gelangte zutreffend auch der gemäß § 109 SGG gehörte ärztliche Sachverständige Prof.Dr.A. in seinem Gutachten vom 26.10.2009 unter Hinweis auf die Verletztenartentabelle. Danach ergibt sich bei stabil ausgeheilten Wirbelkörperbrüchen ohne Bandscheibenbeteiligung sowie ohne statisch wirksamem Achsenknick eine MdE von 10 vH. Nach dem Segmentprinzip nach Weber und Wimmer ergibt sich eine Anrechnung der einfachen Segmentwerte als Prozentsätze, diese ergeben summiert 11,4%. Somit ist die MdE mit 10 vH zu bewerten.

Die von den ärztlichen Sachverständigen vorgenommene Bewertung der MdE stimmt auch mit den in der unfallmedizinischen Literatur anerkannten Bewertungsgrundsätzen, die in Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S 442) niedergelegt sind, überein. Danach ist ein isolierter Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung mit einer MdE von unter 10 vH zu bewerten. Auch die weiteren, für die Bewertung genannten Kriterien, wie z.B. mechanische Instabilität, Ankylose oder Instabilität des Bewegungssegments, Achsenabweichung mit einem Knickwinkel von 15 bis 20 Grad, ungenügende Wiederertüchtigung der Wirbelsäulen-Haltemuskulatur, sind hier nicht einschlägig.

Die vom Kläger hiergegen vorgetragenen Einwendungen sind allesamt unbegründet.

Entgegen seiner Auffassung begründet die Beurteilung des Prof.Dr.A. in seinem Gutachten vom 26.10.2009 auf den Seiten 11 und 12, nämlich dass bei ihm eine mäßige, konzentrische Bewegungseinschränkung ohne Blockierung bestehe, des Weiteren die Wirbelsäule gut 1,5 cm nach rechts aus dem Lot stehe, zudem ein leichter Schulterhochstand links bestehe, in der Seitenansicht sich eine diskrete Brustkyphose bei physiologischer Lendenlordose zeige sowie deutliche Myogelosen langstreckig von TH12 bis L5 rechtsseitig mit erheblichem paravertebralem Druckschmerz bestünden, aus den dargelegten Gründen nicht die Bewertung dieser Unfallfolgen mit einer MdE von mehr als 10 vH.

Soweit der Kläger einwendet, dass im Gutachten des Prof.Dr.A. auf S. 20 2. Absatz lediglich von einer Nichtfeststellbarkeit einer "wesentlichen" Fehlstellung der Bandscheiben ausgegangen werden müsse und sich die Frage stelle, ob die ganz offensichtlich bestehende Fehlstellung der Höhenminderung der Bandscheiben nicht doch Einfluss auf das rein subjektive Schmerzempfinden und die MdE habe, verkennt er, dass die zu bewertenden Unfallfolgen mit Vollbeweis nachgewiesen sein müssen (BSGE 7, 103, 106), was hier hinsichtlich der behaupteten wesentlichen Fehlstellung der Bandscheiben gerade nicht anzunehmen ist. Eine wesentliche Fehlstellung der Bandscheiben ist nämlich - wie Prof.Dr.A. zutreffend ausführt - nicht feststellbar. Hiergegen hat der Kläger keine begründeten Einwendungen anhand von Befunden etc. erhoben, aus dem Akteninhalt sind auch solche nicht ersichtlich. Auch die vom Kläger behauptete eventuelle Möglichkeit des Einflusses einer ganz offensichtlich bestehenden Fehlstellung der Bandscheiben auf sein rein subjektives Schmerzempfinden begründet keine höhere Bewertung der MdE. Zum einen trägt er insoweit nur eine Möglichkeit vor. Zum anderen sind in den MdE-Sätzen nach der unfallmedizinischen Literatur üblicherweise mit den Unfallfolgen verbundenen Schmerzen mit abgegolten. Das Vorliegen eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms hat der Kläger weder behauptet noch ergeben sich hierfür Anhaltspunkte aus dem Akteninhalt.

Ebenso wenig ergibt sich aus dem von Prof.Dr.A. in Betracht gezogenen "persistierenden Reizzustand mit entsprechender Ödematisierung anhand der Frakturlinien" (s Seite 20 des Gutachtens) eine Höherbewertung der MdE.

Der vom Kläger geltend gemachte Widerspruch zwischen den gutachterlichen Ausführungen des Prof.Dr.A. auf S. 24, 2.Absatz, wonach von Seiten der HWS mittlerweile eine nahezu vollständig regrediente Beschwerdesymptomatik festzustellen sei, er jedoch auf S. 21 letzter Absatz des Gutachtens noch von anhaltenden Rückenschmerzen spreche, ist nicht feststellbar. Denn die "Rückenschmerzen" beziehen sich nicht auf die HWS. Darüber hinaus hat Prof. A. zu Recht darauf hingewiesen, dass bereits im Rahmen des ersten Rentengutachtens durch Prof. Dr. L. vom 13.11.2006 keine strukturellen unfallbedingten Halswirbeldeformierungen bzw. Instabilitäten gefunden werden konnten. Anlässlich der Untersuchung des Klägers durch Prof.Dr.A. hat der Kläger selbst geäußert, dass er im Vergleich zu den Vorgutachten keine Beschwerden bei längerem Sitzen bzw. keine Beschwerden bzw. Probleme bei längeren Autofahrten habe.

Eine Höherbewertung der MdE ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus dem 1 Jahr nach dem Unfall aufgetretenen rezidivierenden Leistenschmerz rechtsseitig sowie den Unterbauchschmerzen (vgl. S. 22 des Gutachtens Prof.Dr.A.). Die Beschwerden in der Leistenregion rechts, im rechten Unterbauch sowie die Gefühlsstörungen im Bereich der rechten Fußsohle sind - worauf Prof. Dr. A. in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern hinweist - nicht unfallbedingt.

Schließlich ergibt sich aus den Ausführungen von Prof.Dr.A. auf S. 25, 3. Absatz, wonach im unfallchirurgisch-orthopädischen Bereich weitestgehend Befundkonstanz vorliege, jedoch die MdE ab 01.10.2007 um 10 vH zu reduzieren sei, keine Begründung für die Bewertung der Gesamt-MdE mit 20 vH. Denn für die Gewährung einer Anschlussrente gemäß § 75 Satz 2 SGB VII ist hier nicht maßgeblich, ob - keine - wesentliche Besserung in den gesundheitlichen Verhältnissen gemäß § 48 SGB X vorliegt, sondern lediglich, ob nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraums die Voraussetzungen für eine Rentengewährung vorliegen.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch keine richtungsweisende Verschlimmerung durch Zusammenwirken der unfallunabhängigen geringgradig ausgeprägten, anlagebedingten Fehlausformung der betroffenen Grund- und Deckplatten im Sinne einer Apophysenaufbaustörung mit den Wirbelfrakturen vor. Einen entsprechenden Gesundheitsschaden hat der Kläger selbst nicht bezeichnet.

Der Kläger verkennt auch, dass Dr.S. anlässlich der Erstellung seines Gutachtens vom 30.08.2008 lediglich auf weitere Röntgenaufnahmen der HWS verzichtet hat, eine aktuelle röntgenologische Befundung der unfallbetroffenen LWS ist am 28.08.2008 erfolgt. Die Einholung eines Zusatzgutachtens - wie vom Kläger angeregt - ist somit nicht erforderlich. Aufgrund der schlüssigen, überzeugenden und im Wesentlichen übereinstimmenden gutachterlichen Beurteilungen war der Senat nicht gehalten, ein weiteres Gutachten gemäß § 106 SGG einzuholen, was im Ermessen des Senats liegt (§§ 118 Abs 1, 202 SGG iVm 404 Zivilprozessordnung
-ZPO-).

Nach alledem bleibt festzuhalten, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 16.03.2010 zurückzuweisen war.

Hinsichtlich des Berufungsverfahrens war dem Kläger aus den Gerichtskosten ein Betrag in Höhe von 225,00 EUR (§§ 192 Abs 1 Satz 3, 184 Abs 2 SGG) wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung aufzuerlegen. In Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 34 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes -BVerfGG - (vgl. die Beschlüsse vom 11.12.2001, Az: 1 BvR 1821/01 und vom 18.09.2000, Az: 2 BvR 1407/00) ist ein Missbrauch auch dann zu bejahen, wenn eine Berufung offensichtlich unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss.

Dass diese offensichtliche Aussichtslosigkeit für den Tatbestand des Missbrauchs genügt, ergibt sich aus dem Willen des Gesetzgebers, wie er bei der Novellierung des SGG im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommen ist. Nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 14/5943, S. 60 zu Nr 65) rechtfertigen die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreits und ein entsprechender Hinweis des Vorsitzenden auf eine mögliche Kostentragungspflicht die Auferlegung von Kosten. Im Übrigen ergibt sich auch aus dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucksache 14/6335, S. 35 zu Nr 65), dass es sich bei dem Tatbestand der offensichtlichen Aussichtslosigkeit um einen Unterfall der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung handelt (vgl. auch Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 192 Rdnr 9). Die offensichtliche Aussichtslosigkeit ist für jedes Verfahren individuell zu prüfen; sie ist vor allem danach zu beurteilen, ob die Gesetzeslage einfach und eindeutig ist und ob die interessierenden Rechtsfragen durch höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG geklärt sind.

Nach dem objektiven Sach- und Streitstand liegt hier jedenfalls ab dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine offensichtliche Aussichtslosigkeit des klägerischen Begehrens und daher eine Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung vor. Die vom SG gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.S. und Prof.Dr.A. sind in Übereinstimmung mit dem Gutachter der Beklagten, Prof.Dr.L., zu der schlüssigen und überzeugenden Beurteilung gelangt, dass über den 30.09.2007 hinaus keine Unfallfolgen in rentenberechtigendem Grad mehr vorliegen. Begründete Einwendungen hiergegen hat der Kläger nicht vorgetragen. Nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2011 hat sich der Kläger zur Begründung seiner Berufung nur noch auf angebliche Widersprüche in den vorliegenden Gutachten und sein subjektives Schmerzempfinden gestützt. Solche Widersprüche liegen - wie ausgeführt - nicht vor; die objektivierbaren Schmerzen sind bei der MdE-Einschätzung von den Gutachtern berücksichtigt. Darauf wurde der Kläger in der mündlichen Verhandlung mehrfach hingewiesen, ebenso auf die Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage und die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Berufung. Der Vorsitzende des Senats hat dem Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 19.01.2010 in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2010 auch einen entsprechenden Hinweis hinsichtlich der Missbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung und der Möglichkeit der Kostenauferlegung erteilt. Zugunsten des Klägers sah der Senat von einer Festsetzung der durch die Fortführung des Rechtsstreits tatsächlich entstehenden Kosten ab und er legte dem Kläger lediglich Kosten in Höhe des Pauschalsatzes (§§ 192 Abs 1 Satz 3, 184 Abs 2 SGG) auf.

Gründe für eine Vertagung des Rechtsstreits waren nicht gegeben. Zur Auferlegung der Gerichtskosten wurde der Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört.

Die Kostenentscheidung zu II. beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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