Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 R 398/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1448/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.02.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Weiterzahlung der ihr befristet gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die am 1958 geborene Klägerin ist griechische Staatsangehörige und lebt seit Oktober 1971 in Deutschland. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und war von 1973 bis Januar 2004 als Hilfsarbeiterin, Montagearbeiterin und zuletzt als Putzfrau mit einem Zeitvertrag im Krankenhaus Sindelfingen beschäftigt. Danach war sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Ein erster Rentenantrag blieb erfolglos, weil die damals von der Beklagten mit der Begutachtung der Klägerin beauftragte Internistin Dr. H.-Z. (Untersuchung im Mai 2004) zwar auf mehrmalige Unterbauchoperationen, u.a. mit Gebärmutterentfernung und wegen eines Tumors, eine operierte Nabelhernie und eine chronische Bronchitis hingewiesen, der Klägerin jedoch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mit einigen qualitativen Einschränkungen bescheinigt hatte. In der Folgezeit kam es bei der Klägerin zu einer depressiven Entwicklung mit Eintritt von Arbeitsunfähigkeit. Während einer deshalb im Mai/Juni 2006 in der L. Bad D. durchgeführten stationären medizinischen Rehabilitation wurde (u.a.) eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert. Das Leistungsvermögen für eine Tätigkeit als Putzfrau sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurde für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf sechs Stunden und mehr eingeschätzt, zugleich angegeben die Patientin werde arbeitsunfähig entlassen. Auf den von der Klägerin im Juli 2006 gestellten Rentenantrag veranlasste die Beklagte eine Begutachtung bei der Nervenärztin Dr. R. , die im Oktober 2006 eine Ovarektomie beidseits im Jahre 2003 mit hormoneller Insuffizienz, eine mittelgradige depressive Episode sowie Anpassungsstörungen diagnostizierte und das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Putzfrau für die nächsten zwei Jahre auf drei bis unter sechs Stunden einschätzte. Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20.10.2006 (Blatt 219 der SG-Akte) der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.07.2008.
Den im März 2008 gestellten Weitergewährungsantrag der Klägerin lehnte die Beklagte dagegen mit Bescheid vom 16.07.2008 und Widerspruchsbescheid vom 19.12.2008 ab. Zu Grunde lag das Gutachten des Internisten Dr. B. sowie das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. , die die Klägerin im Juni 2008 untersuchten. Dr. B. diagnostizierte eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung ohne schwerwiegende Einschränkungen, eine Adipositas sowie einen medikamentös gut eingestellten Bluthochdruck. Er sah aus internistischer Sicht das Leistungsvermögen nicht bedeutsam gemindert; die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne inhalative Belastungen sechs Stunden und mehr verrichten. Dr. H. beschrieb die Klägerin bewusstseinsklar, voll orientiert, zwar klagsam, jedoch selbstbewusst im Auftreten. Die Grundstimmung beschrieb er als nicht mittelschwer und nicht schwer depressiv, die affektive Stimmungsfähigkeit, der Antrieb und die Psychomotorik fand er unauffällig. Auf seinem Fachgebiet diagnostizierte er eine Dysthymie und hielt die Klägerin für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne erhöhten Zeitdruck und Nachtschicht sechs Stunden und mehr leistungsfähig.
Gegen die Ablehnung der Rente hat die Klägerin am 16.01.2009 beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller, "hilfsweise" wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 31.07.2008 hinaus.
Das Sozialgericht hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. L. hat über Fuß- und Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin berichtet, das Leistungsvermögen auf drei bis sechs Stunden täglich eingeschätzt und das maßgebliche Leiden für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gesehen. Der Hausarzt Dr. K. hat vielfältige Beschwerden, von Haarausfall bis zu Bronchitis beschrieben und eine Leistungsfähigkeit der Klägerin verneint, in Bezug auf die ihm übersandten Gutachten von Dr. B. und Dr. H. dann aber eine leichte Tätigkeit zwischen drei und sechs Stunden mit Pausen für möglich erachtet. Dr. Dr. R. , Neurologe und Psychiater, der die Klägerin seit Juni 2004 nervenärztlich/psychotherapeutisch behandelt, hat von einer seit dem Jahr 2004 bestehenden mittelgradigen bis schweren anhaltenden depressiven Störung sowie einer generalisierten Angststörung berichtet. Zusätzlich finde sich eine generalisierte Schmerzsymptomatik, am besten als Fibromyalgiesyndrom zu bezeichnen. Die von Dr. H. diagnostizierte Dysthymia sei richtig, nicht berücksichtigt worden seien rezidivierende depressive Einbrüche unterschiedlicher Schweregrade, die sich deutlich auf die Leistungsfähigkeit der Patientin auswirkten, sodass nur eine Leistungsfähigkeit bis maximal drei Stunden gegeben sei.
Daraufhin hat das Sozialgericht den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. F. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Ihm gegenüber hat sie berichtet, gegen 23 Uhr zu Bett zu gehen und gegen 6 Uhr morgens aufzustehen. Ihr Appetit sei gut, ihre Enkelkinder sehe sie in der Regel drei bis vier Mal wöchentlich, sie bereiteten ihr Freude. Seelisch gehe es ihr nicht gut sie bleibe lieber zuhause und weine sehr viel. Ihre Freundin, die sie auch zum Sachverständigen gebracht habe, wohne ganz in der Nähe und sie treffe diese etwa zwei Mal in der Woche. Während ihr Mann einkaufen gehe, betätige sie sich ein wenig im Haushalt. Die Wohnung halte man gemeinsam sauber, den Abwasch mache man gemeinsam, man koche gemeinsam, man bestücke die Waschmaschine gemeinsam, lediglich das Bügeln besorge sie alleine. Abends werde der Fernsehapparat angestellt, Fußballspiele verfolge alleine ihr Mann. Der Sachverständige hat keine Hinweise auf eine Denkablaufstörung gefunden, für ihn hat die Klägerin im Affekt ernst, zugleich auch missmutig und ohne bleibend depressiven Ausdruck gewirkt. Im Rahmen einer gezielten, checklistengeleiteten Befragung und Exploration hat er keinen Verlust von Interesse oder Freude an einer Sache gefunden und darauf hingewiesen, dass trotz der Angabe, sie weine drei Mal täglich, im Rahmen der Exploration der Klägerin nur ein Mal, als von ihren Enkelkindern die Rede gewesen sei, das Wasser in die Augen getreten sei, nicht jedoch anlässlich später gestellter Fragen, bei deren Beantwortung viele Probanden affektlabil zu reagieren pflegten. Auf seinem Fachgebiet hat er eine Dysthymia sowie eine generalisierte Angststörung diagnostiziert. Ein Fibromyalgiesyndrom bestehe nicht. Leichte Reinigungstätigkeiten in geschlossenen Räumen, wie zuletzt im Krankenhaus, sowie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu normalen Arbeitszeiten könne die Klägerin noch sechs Stunden und mehr ausüben. Zu vermeiden seien Bücken, Treppensteigen, Zeitdruck, erhöhte Verantwortung, nervliche Belastung, inhalative Belastungen; ein erhöhtes Konzentrationsvermögen könne nicht abverlangt werden.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. eingeholt. Ihm gegenüber hat sie angegeben, meistens gegen 6 Uhr aufzustehen, sich dann aber meist sehr müde zu fühlen. Sie bleibe in der Regel den ganzen Tag zuhause, ab und zu begleite sie den Ehemann zum Einkaufen. Im Haushalt helfe sie nur wenig, das meiste mache ihr Mann und ihre Schwester, die am Wochenende zu Besuch komme. Am Wochenende kämen gelegentlich die Enkelkinder zu Besuch. Der Sachverständige hat die Klägerin als ernst, schwernehmend, bedrückt und mit einem mittelgradig depressiv verstimmten Eindruck beschrieben. Im Antrieb und Willen sei sie spürbar reduziert, müde, angestrengt, adynam. Es falle der Klägerin ganz offensichtlich schwer auf einfache Frage direkt zu antworten und zeitliche Zusammenhänge klar zu memorieren. Den formalen Denkablauf hat er als verlangsamt, einfallsarm sowie einfach-gegenständlich, das inhaltliche Denken als von depressiven Kognitionen geprägt geschildert. Er hat eine sonstige gemischte Angststörung mit Panikstörung und generalisierter Angststörung, eine mittelgradige, zeitweilig schwere depressive Episode mit ausgeprägtem somatischen Syndrom im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung bei akzentuierter Persönlichkeit mit im Vordergrund stehenden dysthymen Anteilen diagnostiziert. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen, überwiegend jedoch im Sitzen sowie körperlich leichte Reinigungstätigkeiten ohne häufiges Bücken, ohne Arbeiten auf Gerüsten sowie ohne Heben schwerer Gegenstände seien noch in einem zeitlichen Umfang von täglich drei bis vier Stunden zumutbar. Unerlässlich seien Pausen von fünf bis zehn Minuten Dauer nach spätestens einer Stunde.
Mit Urteil vom 25.02.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach Darstellung der Rechtsgrundlagen für die geltend gemachte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, überwiegend im Sitzen, ohne schweres Heben und Tragen, ohne erhöhte Verantwortung, ohne nervliche Belastung, ohne erhöhte Anforderung an das Konzentrationsvermögen, ohne häufiges Treppensteigen, ohne Zeitdruck, ohne Nachtschicht und ohne inhalative Belastungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Es hat sich dabei auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. sowie die von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. H. und Dr. B. gestützt. Nicht gefolgt ist das Sozialgericht der Beurteilung von Dr. N. und dem behandelnden Arzt Dr. Dr. R. , wonach bei der Klägerin eine leichte oder mittelgradige depressive Episode bzw. schwere depressive Episode vorliege. Dr. F. habe beim Gespräch mit der Klägerin über ihr Heimatland, ihre Freundin und ihre Enkelkinder festgestellt, dass die Klägerin noch Interesse an aktuellen Themen habe. Sie zeige Freude, wenn ihre Enkelkinder drei bis vier Mal in der Woche zu Besuch kommen, sie treffe sich zwei Mal in der Woche mit ihrer Freundin. Dies stehe einem Verlust von Interessen und Freuden an einer Sache entgegen. Auch ein Appetitverlust oder ein Gewichtsverlust liege nicht vor. Ausweislich des von Dr. F. beschriebenen Tagesablaufs sei der Klägerin die Erledigung des täglichen Haushalts möglich. Ausführungen wie jene von Dr. F. über die Besprechung bestimmter Themen fehlten im Gutachten des Dr. N. , der sich maßgeblich auf die Eigenanamnese der Klägerin gestützt habe. Bei der Klägerin liege somit lediglich eine Dysthymia vor. Keine Bedenken bestünden dagegen, dass Dr. F. die Begutachtung anhand von Checklisten durchgeführt habe. Vielmehr sei die Befragung der Klägerin anhand von Merkmalen psychischer Störungen nachvollziehbar und geeignet, Funktionseinschränkungen festzustellen und zu objektivieren. Auch die Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin bei der Begutachtung ein Mal geweint habe, begegne keinen Bedenken. Darüber hinaus leide die Klägerin an einer generalisierten Angststörung, nicht aber unter einer sonstigen gemischten Angststörung mit Panikstörung und generalisierter Angststörung, wie Dr. N. dies diagnostiziert habe. Wiederkehrende schwere Angstattacken seien nämlich weder den Ausführungen von Dr. Dr. R. noch dem Gutachten von Dr. N. zu entnehmen. Die vorhandenen psychiatrischen Beeinträchtigungen führten nicht zu einer Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens, sondern nur zu qualitativen Einschränkungen. Auch insoweit hat sich das Sozialgericht Dr. F. angeschlossen und eine Begründung für die Einschätzung von Dr. N. und Dr. Dr. R. , wonach trotz qualitativer Einschränkungen auch eine zeitliche Leistungseinschränkung bestehe, vermisst. Entgegen den Ausführungen von Dr. N. seien auch keine zusätzlichen Pausen von fünf bis zehn Minuten pro Stunde notwendig. Auch insoweit hat es sich dem Gutachten von Dr. F. angeschlossen. Einen Beruf habe die Klägerin nicht erlernt, zuletzt als Reinigungskraft in einem Krankenhaus gearbeitet und sie sei somit der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen.
Gegen das ihr am 14.03.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.04.2011 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihre Kritik am Gutachten von Dr. F. und meint, das Sozialgericht hätte der Bewertung von Dr. Dr. R. folgen müssen, der sie am Besten kenne und über lange Jahre hinweg festgestellt habe, dass sie nicht in der Lage sei, wenigstens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Berücksichtigt werden müsse auch, dass in einer Begutachtungssituation lediglich eine Momentaufnahme gemacht werde. Deshalb sei ein Obergutachten erforderlich.
Die Klägerin beantragt (Berufungsschrift vom 06.04.2011, sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgericht Stuttgart vom 25.02.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2008 zu verurteilen, ihr über den 31.07.2008 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Rechtsstreit ist der Bescheid der Beklagten vom 16.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2008 mit der erfolgten Ablehnung der Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, allerdings im Berufungsverfahren allein in Bezug auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Denn die rechtskundig vertretene Klägerin folgt ausweislich des ausdrücklich gestellten Berufungsantrages in der Berufungsschrift vom 06.04.2011 lediglich diesen Rentenanspruch weiter.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat, weil sie noch in der Lage ist, unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Zutreffend hat sich das Sozialgericht dabei den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. sowie den Leistungsbeurteilungen der von der Beklagten beauftragten Gutachter Dr. B. und Dr. H. angeschlossen. Dabei hat sich das Sozialgericht auch mit den - im Berufungsverfahren wiederholten - Einwänden der Klägerin gegen die Ausführungen von Dr. F. auseinander gesetzt und diese Einwände zu Recht als nicht durchgreifend erachtet. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung der Klägerin aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung die Einwände gegenüber dem Gutachten von Dr. F. wiederholt, hat das Sozialgericht somit das hierzu Erforderliche ausgeführt. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es dem Sachverständigen in eigener Verantwortung obliegt, wie er seine Untersuchung des Probanden durchführt und ob er hierzu "Checklisten" verwendet. Alleine maßgebend ist, dass der Sachverständige die für sein Fachgebiet relevanten Befunde erhebt und die Angaben des Probanden einer kritischen Überprüfung unterzieht, um so zu einer nachvollziehbaren Einschätzung des Leistungsvermögens zu gelangen. Dementsprechend ist auch nicht zu beanstanden, wenn der nervenärztliche Sachverständige aus erfolgten oder unterbliebenen Reaktionen des Probanden in der Untersuchungssituation Rückschlüsse zieht. So begegnet es auch keinen Bedenken, dass Dr. F. das einmalige Weinen der Klägerin, als von ihren Enkelkindern die Rede war, ins Verhältnis zu ihren eigenen Angaben (drei Mal täglich weinen) und seiner nervenärztlichen Erfahrung gestellt hat, wonach bei auch der Klägerin gestellten Fragen viele andere Probanden affektlabil zu reagieren pflegen. Gerade hieraus wird die für einen Sachverständigen erforderliche kritische Distanz deutlich. Von einer "Auslegung zu Lasten der Klägerin" kann daher keine Rede sein.
Wie das Sozialgericht vermag auch der Senat der Beurteilung des behandelnden Psychiaters Dr. Dr. R. nicht zu folgen. Denn dessen Beurteilung hat sich im Rahmen der nachfolgenden Sachaufklärung durch das Sozialgericht - Gutachten von Dr. F. - gerade nicht bestätigt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Einwand der Klägerin - Dr. Dr. R. kenne sie am Besten, ein Gutachten sei nur eine Momentaufnahme - nicht stichhaltig ist. Aufgabe des behandelnden Arztes ist - anders als beim Sachverständigen - nicht eine kritische Leistungsbeurteilung, sondern die Hilfe gegenüber dem Patienten. Dementsprechend legt der behandelnde Arzt typischerweise die Beschwerdeschilderung seines Patienten seiner Beurteilung zu Grunde, während der gerichtliche Sachverständige eine kritische Distanz zum Probanden einzunehmen hat, um so zu einer möglichst objektiven Leistungsbeurteilung zu gelangen. Dem entsprechend hält der Senat eine erneute Befragung von Dr. Dr. R. nicht für erforderlich.
Soweit die Klägerin die Sachaufklärung des Sozialgerichts, insbesondere das Gutachten von Dr. F. in Zweifel zieht, weil eine Begutachtung nur eine Momentaufnahme sei, übersieht sie, dass der Sachverständige seine Leistungsbeurteilung gerade nicht allein auf den aktuell von ihm erhobenen, eher geringfügigen Befund gestützt, sondern insbesondere auch die anamnestische Angaben der Klägerin einbezogen hat. Diese beruhen gerade nicht auf einer Momentaufnahme. Wenn aber - wie hier - die anamnestischen Angaben und der erhobene psychische Befund in Einklang stehen, beruht die Leistungsbeurteilung gerade nicht auf einer bloßen Momentaufnahme.
Wie das Sozialgericht hält auch der Senat das Gutachten von Dr. N. nicht für überzeugend. Auch der Senat vermisst eine kritische Distanz des Sachverständigen gegenüber dem Beschwerdevorbringen der Klägerin. Zu einer besonders kritischen Haltung hätte Dr. N. angesichts der Diskrepanzen zwischen den im Tatbestand dargestellten Angaben der Klägerin über ihre Aktivitäten gegenüber Dr. F. einerseits (insbesondere: ihre Enkelkinder sehe sie in der Regel drei bis vier Mal wöchentlich, sie bereiteten ihr Freude, ihre Freundin treffe sie etwa zwei Mal in der Woche, die Hausarbeit mache sie gemeinsam mit ihrem Mann) und Dr. N. andererseits (im Haushalt helfe sie nur wenig, das meiste mache ihr Mann und ihre Schwester, am Wochenende kämen gelegentlich die Enkelkinder zu Besuch) allen Anlass gehabt.
Da der Sachverhalt durch das überzeugende Gutachten von Dr. F. geklärt ist, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens zur Beurteilung der von der Klägerin behaupteten Leistungsminderung nicht erforderlich. Den Antrag der Klägerin auf Einholung eines "Obergutachtens" lehnt der Senat daher ab. Allein der Umstand, dass vorliegend hinsichtlich der Beurteilung des Leistungsvermögens sich widersprechende Beurteilungen vorliegen, zwingt nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens (BSG, Beschluss vom 26.06.2001, B 2 U 83/01 B). Insbesondere sieht das SGG, ebenso wenig wie die übrigen Prozessordnungen, keinen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" vor (BSG, Beschluss vom 23.05.2006, B 13 RJ 272/05 B m.w.N.). Vielmehr ist das Gericht in der Würdigung der Sachverständigengutachten und der Leistungseinschätzungen der behandelnden Ärzte grundsätzlich frei und es kann deshalb auch ohne Einholung weiterer Gutachten von einem bereits eingeholten Gutachten abweichen (BSG, Beschluss vom 26.06.2001, B 2 U 83/01 B, auch zum Nachfolgenden). Ein - neues - Gutachten ist somit nur dann einzuholen, wenn das Gericht sich auf Grund der schon vorliegenden Gutachten keine hinreichend sichere Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt bilden kann und die Einholung eines Gutachten insoweit erfolgversprechend ist (BSG, a.a.O.). Ersteres ist aber vorliegend - wie oben ausgeführt - nicht der Fall. Denn der Senat ist ebenso wie das Sozialgericht auf Grund des Gutachtens von Dr. F. davon überzeugt, dass die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten verrichten kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Weiterzahlung der ihr befristet gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die am 1958 geborene Klägerin ist griechische Staatsangehörige und lebt seit Oktober 1971 in Deutschland. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und war von 1973 bis Januar 2004 als Hilfsarbeiterin, Montagearbeiterin und zuletzt als Putzfrau mit einem Zeitvertrag im Krankenhaus Sindelfingen beschäftigt. Danach war sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Ein erster Rentenantrag blieb erfolglos, weil die damals von der Beklagten mit der Begutachtung der Klägerin beauftragte Internistin Dr. H.-Z. (Untersuchung im Mai 2004) zwar auf mehrmalige Unterbauchoperationen, u.a. mit Gebärmutterentfernung und wegen eines Tumors, eine operierte Nabelhernie und eine chronische Bronchitis hingewiesen, der Klägerin jedoch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mit einigen qualitativen Einschränkungen bescheinigt hatte. In der Folgezeit kam es bei der Klägerin zu einer depressiven Entwicklung mit Eintritt von Arbeitsunfähigkeit. Während einer deshalb im Mai/Juni 2006 in der L. Bad D. durchgeführten stationären medizinischen Rehabilitation wurde (u.a.) eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert. Das Leistungsvermögen für eine Tätigkeit als Putzfrau sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurde für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf sechs Stunden und mehr eingeschätzt, zugleich angegeben die Patientin werde arbeitsunfähig entlassen. Auf den von der Klägerin im Juli 2006 gestellten Rentenantrag veranlasste die Beklagte eine Begutachtung bei der Nervenärztin Dr. R. , die im Oktober 2006 eine Ovarektomie beidseits im Jahre 2003 mit hormoneller Insuffizienz, eine mittelgradige depressive Episode sowie Anpassungsstörungen diagnostizierte und das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Putzfrau für die nächsten zwei Jahre auf drei bis unter sechs Stunden einschätzte. Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20.10.2006 (Blatt 219 der SG-Akte) der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.07.2008.
Den im März 2008 gestellten Weitergewährungsantrag der Klägerin lehnte die Beklagte dagegen mit Bescheid vom 16.07.2008 und Widerspruchsbescheid vom 19.12.2008 ab. Zu Grunde lag das Gutachten des Internisten Dr. B. sowie das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. , die die Klägerin im Juni 2008 untersuchten. Dr. B. diagnostizierte eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung ohne schwerwiegende Einschränkungen, eine Adipositas sowie einen medikamentös gut eingestellten Bluthochdruck. Er sah aus internistischer Sicht das Leistungsvermögen nicht bedeutsam gemindert; die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne inhalative Belastungen sechs Stunden und mehr verrichten. Dr. H. beschrieb die Klägerin bewusstseinsklar, voll orientiert, zwar klagsam, jedoch selbstbewusst im Auftreten. Die Grundstimmung beschrieb er als nicht mittelschwer und nicht schwer depressiv, die affektive Stimmungsfähigkeit, der Antrieb und die Psychomotorik fand er unauffällig. Auf seinem Fachgebiet diagnostizierte er eine Dysthymie und hielt die Klägerin für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne erhöhten Zeitdruck und Nachtschicht sechs Stunden und mehr leistungsfähig.
Gegen die Ablehnung der Rente hat die Klägerin am 16.01.2009 beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller, "hilfsweise" wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 31.07.2008 hinaus.
Das Sozialgericht hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. L. hat über Fuß- und Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin berichtet, das Leistungsvermögen auf drei bis sechs Stunden täglich eingeschätzt und das maßgebliche Leiden für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gesehen. Der Hausarzt Dr. K. hat vielfältige Beschwerden, von Haarausfall bis zu Bronchitis beschrieben und eine Leistungsfähigkeit der Klägerin verneint, in Bezug auf die ihm übersandten Gutachten von Dr. B. und Dr. H. dann aber eine leichte Tätigkeit zwischen drei und sechs Stunden mit Pausen für möglich erachtet. Dr. Dr. R. , Neurologe und Psychiater, der die Klägerin seit Juni 2004 nervenärztlich/psychotherapeutisch behandelt, hat von einer seit dem Jahr 2004 bestehenden mittelgradigen bis schweren anhaltenden depressiven Störung sowie einer generalisierten Angststörung berichtet. Zusätzlich finde sich eine generalisierte Schmerzsymptomatik, am besten als Fibromyalgiesyndrom zu bezeichnen. Die von Dr. H. diagnostizierte Dysthymia sei richtig, nicht berücksichtigt worden seien rezidivierende depressive Einbrüche unterschiedlicher Schweregrade, die sich deutlich auf die Leistungsfähigkeit der Patientin auswirkten, sodass nur eine Leistungsfähigkeit bis maximal drei Stunden gegeben sei.
Daraufhin hat das Sozialgericht den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. F. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Ihm gegenüber hat sie berichtet, gegen 23 Uhr zu Bett zu gehen und gegen 6 Uhr morgens aufzustehen. Ihr Appetit sei gut, ihre Enkelkinder sehe sie in der Regel drei bis vier Mal wöchentlich, sie bereiteten ihr Freude. Seelisch gehe es ihr nicht gut sie bleibe lieber zuhause und weine sehr viel. Ihre Freundin, die sie auch zum Sachverständigen gebracht habe, wohne ganz in der Nähe und sie treffe diese etwa zwei Mal in der Woche. Während ihr Mann einkaufen gehe, betätige sie sich ein wenig im Haushalt. Die Wohnung halte man gemeinsam sauber, den Abwasch mache man gemeinsam, man koche gemeinsam, man bestücke die Waschmaschine gemeinsam, lediglich das Bügeln besorge sie alleine. Abends werde der Fernsehapparat angestellt, Fußballspiele verfolge alleine ihr Mann. Der Sachverständige hat keine Hinweise auf eine Denkablaufstörung gefunden, für ihn hat die Klägerin im Affekt ernst, zugleich auch missmutig und ohne bleibend depressiven Ausdruck gewirkt. Im Rahmen einer gezielten, checklistengeleiteten Befragung und Exploration hat er keinen Verlust von Interesse oder Freude an einer Sache gefunden und darauf hingewiesen, dass trotz der Angabe, sie weine drei Mal täglich, im Rahmen der Exploration der Klägerin nur ein Mal, als von ihren Enkelkindern die Rede gewesen sei, das Wasser in die Augen getreten sei, nicht jedoch anlässlich später gestellter Fragen, bei deren Beantwortung viele Probanden affektlabil zu reagieren pflegten. Auf seinem Fachgebiet hat er eine Dysthymia sowie eine generalisierte Angststörung diagnostiziert. Ein Fibromyalgiesyndrom bestehe nicht. Leichte Reinigungstätigkeiten in geschlossenen Räumen, wie zuletzt im Krankenhaus, sowie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu normalen Arbeitszeiten könne die Klägerin noch sechs Stunden und mehr ausüben. Zu vermeiden seien Bücken, Treppensteigen, Zeitdruck, erhöhte Verantwortung, nervliche Belastung, inhalative Belastungen; ein erhöhtes Konzentrationsvermögen könne nicht abverlangt werden.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. eingeholt. Ihm gegenüber hat sie angegeben, meistens gegen 6 Uhr aufzustehen, sich dann aber meist sehr müde zu fühlen. Sie bleibe in der Regel den ganzen Tag zuhause, ab und zu begleite sie den Ehemann zum Einkaufen. Im Haushalt helfe sie nur wenig, das meiste mache ihr Mann und ihre Schwester, die am Wochenende zu Besuch komme. Am Wochenende kämen gelegentlich die Enkelkinder zu Besuch. Der Sachverständige hat die Klägerin als ernst, schwernehmend, bedrückt und mit einem mittelgradig depressiv verstimmten Eindruck beschrieben. Im Antrieb und Willen sei sie spürbar reduziert, müde, angestrengt, adynam. Es falle der Klägerin ganz offensichtlich schwer auf einfache Frage direkt zu antworten und zeitliche Zusammenhänge klar zu memorieren. Den formalen Denkablauf hat er als verlangsamt, einfallsarm sowie einfach-gegenständlich, das inhaltliche Denken als von depressiven Kognitionen geprägt geschildert. Er hat eine sonstige gemischte Angststörung mit Panikstörung und generalisierter Angststörung, eine mittelgradige, zeitweilig schwere depressive Episode mit ausgeprägtem somatischen Syndrom im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung bei akzentuierter Persönlichkeit mit im Vordergrund stehenden dysthymen Anteilen diagnostiziert. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen, überwiegend jedoch im Sitzen sowie körperlich leichte Reinigungstätigkeiten ohne häufiges Bücken, ohne Arbeiten auf Gerüsten sowie ohne Heben schwerer Gegenstände seien noch in einem zeitlichen Umfang von täglich drei bis vier Stunden zumutbar. Unerlässlich seien Pausen von fünf bis zehn Minuten Dauer nach spätestens einer Stunde.
Mit Urteil vom 25.02.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach Darstellung der Rechtsgrundlagen für die geltend gemachte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, überwiegend im Sitzen, ohne schweres Heben und Tragen, ohne erhöhte Verantwortung, ohne nervliche Belastung, ohne erhöhte Anforderung an das Konzentrationsvermögen, ohne häufiges Treppensteigen, ohne Zeitdruck, ohne Nachtschicht und ohne inhalative Belastungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Es hat sich dabei auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. sowie die von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. H. und Dr. B. gestützt. Nicht gefolgt ist das Sozialgericht der Beurteilung von Dr. N. und dem behandelnden Arzt Dr. Dr. R. , wonach bei der Klägerin eine leichte oder mittelgradige depressive Episode bzw. schwere depressive Episode vorliege. Dr. F. habe beim Gespräch mit der Klägerin über ihr Heimatland, ihre Freundin und ihre Enkelkinder festgestellt, dass die Klägerin noch Interesse an aktuellen Themen habe. Sie zeige Freude, wenn ihre Enkelkinder drei bis vier Mal in der Woche zu Besuch kommen, sie treffe sich zwei Mal in der Woche mit ihrer Freundin. Dies stehe einem Verlust von Interessen und Freuden an einer Sache entgegen. Auch ein Appetitverlust oder ein Gewichtsverlust liege nicht vor. Ausweislich des von Dr. F. beschriebenen Tagesablaufs sei der Klägerin die Erledigung des täglichen Haushalts möglich. Ausführungen wie jene von Dr. F. über die Besprechung bestimmter Themen fehlten im Gutachten des Dr. N. , der sich maßgeblich auf die Eigenanamnese der Klägerin gestützt habe. Bei der Klägerin liege somit lediglich eine Dysthymia vor. Keine Bedenken bestünden dagegen, dass Dr. F. die Begutachtung anhand von Checklisten durchgeführt habe. Vielmehr sei die Befragung der Klägerin anhand von Merkmalen psychischer Störungen nachvollziehbar und geeignet, Funktionseinschränkungen festzustellen und zu objektivieren. Auch die Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin bei der Begutachtung ein Mal geweint habe, begegne keinen Bedenken. Darüber hinaus leide die Klägerin an einer generalisierten Angststörung, nicht aber unter einer sonstigen gemischten Angststörung mit Panikstörung und generalisierter Angststörung, wie Dr. N. dies diagnostiziert habe. Wiederkehrende schwere Angstattacken seien nämlich weder den Ausführungen von Dr. Dr. R. noch dem Gutachten von Dr. N. zu entnehmen. Die vorhandenen psychiatrischen Beeinträchtigungen führten nicht zu einer Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens, sondern nur zu qualitativen Einschränkungen. Auch insoweit hat sich das Sozialgericht Dr. F. angeschlossen und eine Begründung für die Einschätzung von Dr. N. und Dr. Dr. R. , wonach trotz qualitativer Einschränkungen auch eine zeitliche Leistungseinschränkung bestehe, vermisst. Entgegen den Ausführungen von Dr. N. seien auch keine zusätzlichen Pausen von fünf bis zehn Minuten pro Stunde notwendig. Auch insoweit hat es sich dem Gutachten von Dr. F. angeschlossen. Einen Beruf habe die Klägerin nicht erlernt, zuletzt als Reinigungskraft in einem Krankenhaus gearbeitet und sie sei somit der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen.
Gegen das ihr am 14.03.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.04.2011 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihre Kritik am Gutachten von Dr. F. und meint, das Sozialgericht hätte der Bewertung von Dr. Dr. R. folgen müssen, der sie am Besten kenne und über lange Jahre hinweg festgestellt habe, dass sie nicht in der Lage sei, wenigstens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Berücksichtigt werden müsse auch, dass in einer Begutachtungssituation lediglich eine Momentaufnahme gemacht werde. Deshalb sei ein Obergutachten erforderlich.
Die Klägerin beantragt (Berufungsschrift vom 06.04.2011, sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgericht Stuttgart vom 25.02.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2008 zu verurteilen, ihr über den 31.07.2008 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Rechtsstreit ist der Bescheid der Beklagten vom 16.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2008 mit der erfolgten Ablehnung der Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, allerdings im Berufungsverfahren allein in Bezug auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Denn die rechtskundig vertretene Klägerin folgt ausweislich des ausdrücklich gestellten Berufungsantrages in der Berufungsschrift vom 06.04.2011 lediglich diesen Rentenanspruch weiter.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat, weil sie noch in der Lage ist, unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Zutreffend hat sich das Sozialgericht dabei den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. sowie den Leistungsbeurteilungen der von der Beklagten beauftragten Gutachter Dr. B. und Dr. H. angeschlossen. Dabei hat sich das Sozialgericht auch mit den - im Berufungsverfahren wiederholten - Einwänden der Klägerin gegen die Ausführungen von Dr. F. auseinander gesetzt und diese Einwände zu Recht als nicht durchgreifend erachtet. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung der Klägerin aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung die Einwände gegenüber dem Gutachten von Dr. F. wiederholt, hat das Sozialgericht somit das hierzu Erforderliche ausgeführt. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es dem Sachverständigen in eigener Verantwortung obliegt, wie er seine Untersuchung des Probanden durchführt und ob er hierzu "Checklisten" verwendet. Alleine maßgebend ist, dass der Sachverständige die für sein Fachgebiet relevanten Befunde erhebt und die Angaben des Probanden einer kritischen Überprüfung unterzieht, um so zu einer nachvollziehbaren Einschätzung des Leistungsvermögens zu gelangen. Dementsprechend ist auch nicht zu beanstanden, wenn der nervenärztliche Sachverständige aus erfolgten oder unterbliebenen Reaktionen des Probanden in der Untersuchungssituation Rückschlüsse zieht. So begegnet es auch keinen Bedenken, dass Dr. F. das einmalige Weinen der Klägerin, als von ihren Enkelkindern die Rede war, ins Verhältnis zu ihren eigenen Angaben (drei Mal täglich weinen) und seiner nervenärztlichen Erfahrung gestellt hat, wonach bei auch der Klägerin gestellten Fragen viele andere Probanden affektlabil zu reagieren pflegen. Gerade hieraus wird die für einen Sachverständigen erforderliche kritische Distanz deutlich. Von einer "Auslegung zu Lasten der Klägerin" kann daher keine Rede sein.
Wie das Sozialgericht vermag auch der Senat der Beurteilung des behandelnden Psychiaters Dr. Dr. R. nicht zu folgen. Denn dessen Beurteilung hat sich im Rahmen der nachfolgenden Sachaufklärung durch das Sozialgericht - Gutachten von Dr. F. - gerade nicht bestätigt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Einwand der Klägerin - Dr. Dr. R. kenne sie am Besten, ein Gutachten sei nur eine Momentaufnahme - nicht stichhaltig ist. Aufgabe des behandelnden Arztes ist - anders als beim Sachverständigen - nicht eine kritische Leistungsbeurteilung, sondern die Hilfe gegenüber dem Patienten. Dementsprechend legt der behandelnde Arzt typischerweise die Beschwerdeschilderung seines Patienten seiner Beurteilung zu Grunde, während der gerichtliche Sachverständige eine kritische Distanz zum Probanden einzunehmen hat, um so zu einer möglichst objektiven Leistungsbeurteilung zu gelangen. Dem entsprechend hält der Senat eine erneute Befragung von Dr. Dr. R. nicht für erforderlich.
Soweit die Klägerin die Sachaufklärung des Sozialgerichts, insbesondere das Gutachten von Dr. F. in Zweifel zieht, weil eine Begutachtung nur eine Momentaufnahme sei, übersieht sie, dass der Sachverständige seine Leistungsbeurteilung gerade nicht allein auf den aktuell von ihm erhobenen, eher geringfügigen Befund gestützt, sondern insbesondere auch die anamnestische Angaben der Klägerin einbezogen hat. Diese beruhen gerade nicht auf einer Momentaufnahme. Wenn aber - wie hier - die anamnestischen Angaben und der erhobene psychische Befund in Einklang stehen, beruht die Leistungsbeurteilung gerade nicht auf einer bloßen Momentaufnahme.
Wie das Sozialgericht hält auch der Senat das Gutachten von Dr. N. nicht für überzeugend. Auch der Senat vermisst eine kritische Distanz des Sachverständigen gegenüber dem Beschwerdevorbringen der Klägerin. Zu einer besonders kritischen Haltung hätte Dr. N. angesichts der Diskrepanzen zwischen den im Tatbestand dargestellten Angaben der Klägerin über ihre Aktivitäten gegenüber Dr. F. einerseits (insbesondere: ihre Enkelkinder sehe sie in der Regel drei bis vier Mal wöchentlich, sie bereiteten ihr Freude, ihre Freundin treffe sie etwa zwei Mal in der Woche, die Hausarbeit mache sie gemeinsam mit ihrem Mann) und Dr. N. andererseits (im Haushalt helfe sie nur wenig, das meiste mache ihr Mann und ihre Schwester, am Wochenende kämen gelegentlich die Enkelkinder zu Besuch) allen Anlass gehabt.
Da der Sachverhalt durch das überzeugende Gutachten von Dr. F. geklärt ist, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens zur Beurteilung der von der Klägerin behaupteten Leistungsminderung nicht erforderlich. Den Antrag der Klägerin auf Einholung eines "Obergutachtens" lehnt der Senat daher ab. Allein der Umstand, dass vorliegend hinsichtlich der Beurteilung des Leistungsvermögens sich widersprechende Beurteilungen vorliegen, zwingt nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens (BSG, Beschluss vom 26.06.2001, B 2 U 83/01 B). Insbesondere sieht das SGG, ebenso wenig wie die übrigen Prozessordnungen, keinen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" vor (BSG, Beschluss vom 23.05.2006, B 13 RJ 272/05 B m.w.N.). Vielmehr ist das Gericht in der Würdigung der Sachverständigengutachten und der Leistungseinschätzungen der behandelnden Ärzte grundsätzlich frei und es kann deshalb auch ohne Einholung weiterer Gutachten von einem bereits eingeholten Gutachten abweichen (BSG, Beschluss vom 26.06.2001, B 2 U 83/01 B, auch zum Nachfolgenden). Ein - neues - Gutachten ist somit nur dann einzuholen, wenn das Gericht sich auf Grund der schon vorliegenden Gutachten keine hinreichend sichere Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt bilden kann und die Einholung eines Gutachten insoweit erfolgversprechend ist (BSG, a.a.O.). Ersteres ist aber vorliegend - wie oben ausgeführt - nicht der Fall. Denn der Senat ist ebenso wie das Sozialgericht auf Grund des Gutachtens von Dr. F. davon überzeugt, dass die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten verrichten kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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