S 2 KA 188/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 188/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 24.03.2010 wird aufgehoben. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Regress wegen der Verordnung von Heilmitteln für drei bei der Beigeladenen zu 1) Versicherte.

Die Kläger sind als Fachärzte für Orthopädie in S niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Unter dem 03.07.2008 und 18.08.2008 verordneten sie für die Versicherte F C, geb. 00.00.1925, jeweils 6x Bindegewebsmassage des Rückens. Den Indikationsschlüssel benannten sie mit "WS2e", zur Diagnose mit Leitsymptomatik führten sie "Wirbelsäule/lang, Muskelspannungsstörungen, Verkürzung elastischer + kontraktiler Osteoporose degeneratives Wirbelsäulenleiden, chronisch" an und das Therapieziel spezifizierten sie mit "Regulierung der schmerzhaften Muskelspannung, der Durchblutung d. Stoffwechsels".

Ferner verordneten sie unter dem 21.07.2008 und 28.08.2008 für den Versicherten E L, geb. 00.00.1990, jeweils 6x Allgemeine Krankengymnastik auf neurophysiologischer Basis nach Bobath. Den Indikationsschlüssel benannten sie mit "EX3a", zur Diagnose mit Leitsymptomatik führten sie "Extremitäten & Becken/lang: Gelenkfunktionsstörungen, Bewegungsstörungen, Kontrakturen spastische Hemiparese Zust. n. Achillessehnenverlängerungs-OP" an und das Therapieziel spezifizierten sie mit "Wiederherstellung, Besserung der gestörten Beweglichkeit, um das bisher erreichte Therapieziel zu sichern und zu verbessern".

Schließlich verordneten sie unter dem 14.07.2008, 18.08.2008 und 24.09.2008 für die Versicherte J U, geb. 00.00.1971, jeweils 6x KGG (gerätegestützte Krankengymnastik). Den Indikationsschlüssel benannten sie mit "EX3a", zur Diagnose mit Leitsymptomatik führten sie "Extremitäten & Becken/lang: Gelenkfunktionsstörungen, Bewegungsstörungen, Kontrakturen Zust. n. Außenmeniskusnaht Zust. n. vorderer Kreuzbandplastik" an und das Therapieziel spezifizierten sie mit "Wiederherstellung, Besserung der gestörten Beweglichkeit", zum Teil mit Zusatz: "zur Sicherung des OP-Erfolges und zur weiteren Befundbesserung".

Unter dem 01.09.2009 stellte die Beigeladene zu 1) einen Antrag auf Prüfung in besonderen Fällen. Die ausgestellten Verordnungen entsprächen nicht dem Heilmittelkatalog. Mit Schreiben vom April 2008 habe sie gemeinsam mit der zu 2) beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein die Ärzte informiert. Das Verordnungsverhalten habe sich jedoch nicht geändert. Im Falle C sei bei einer Indikation von WS2e nach dem Heilmittelkatalog keine Bindegewebsmassage als Heilmittel verordnungsfähig. Im Falle L sei bei einer Indikation von EX3a nach dem Heilmittelkatalog keine KG nach Bobath verordnungsfähig. Im Falle U sei bei einer Indikation von EX3a nach dem Heilmittelkatalog keine KG-Gerät als Heilmittel verordnungsfähig.

Hierzu nahmen die Kläger mit Schreiben vom 28.10.2009 Stellung:

1. Frau F C - hier Verordnung außerhalb des Regelfalls - Es sei korrekt, dass hier außerhalb des Regelfalles verordnet worden sei, jedoch medizinisch begründet und notwendig. Frau F C leide unter einer ausgeprägten Osteoporose mit multiplen Frakturen und therapieresistenten Rückenschmerzen, desweiteren unter massiven Allergien und Medikamenten-unverträglichkeiten, so dass die verordnete Heilmitteltherapie die einzige von der Patientin tolerierte Therapie sei, die zu einer Linderung der Beschwerden führe.

2. Herr E L - hier Verordnung außerhalb des Regelfalls - leide an einer infantilen Cerebralparese mit spastischem Gangbild und daher bedingter dauerhafte Therapiebedürftigkeit. Gerne werde auf die Schreiben der entsprechenden neurologischen und kinderorthopädischen Kliniken verwiesen. Ohne eine dauerhafte Therapie, die dann zwangsläufig auch außerhalb des Regelfalls stattfinden müsse, wären hier deutliche Rückschritte zu erwarten.

3. Frau J U - hier Verordnung außerhalb des Regelfalls - (gem. Indikationsschlüssel EX3a) Bei Frau U hätte eine komplexe Kniegelenksrekonstruktion mit Außenmeniskusnaht und Kreuzbandplastik stattgefunden. Postoperativ sei es zur ausgeprägten Bewegungseinschränkung eines besonderen Muskels und Muskelatrophie gekommen, so dass hier eine länger währende Krankengymnastik mit Geräten notwendig gewesen sei, diese außerhalb des Regelfalles, aber medizinisch indiziert und notwendig verordnet worden sei.

Mit Bescheid vom 24.03.2010 setzte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein für die Verordnungen der genannten drei Patienten einen Regress in Höhe von insgesamt 375,42 EUR für das Quartal 3/2008 fest:

Im Falle C sei bei der Überprüfung der Verordnungen aufgefallen, dass der Indikationsschlüssel WS2e eingetragen worden sei. Als Heilmittel sei je 6-mal Bindegewebsmassage verordnet worden. Laut Heilmittelkatalog sei bei dem Indikationsschlüssel WS2e als vorrangiges Heilmittel entweder Allgemeine Krankengymnastik oder Krankengymnastik-Gerät, als optionales Heilmittel die Übungsbehandlung und als ergänzendes Heilmittel die Elektrostimulation verordnungsfähig. Bei dem Indikationsschlüssel WS2e sei die Verordnung von Bindegewebsmassage nicht zulässig. In Regress genommen wurden die gesamten Verordnungskosten von 113,04 EUR.

Im Falle L sei bei der Überprüfung der Verordnungen aufgefallen, dass der Indikationsschlüssel EX3a eingetragen worden sei. Als Heilmittel sei je 6-mal Krankengymnastik nach Bobath verordnet worden. Diese sei gemäß Heilmittel-Richtlinien der Krankengymnastik-ZNS zuzuordnen. Laut Heilmittelkatalog sei bei dem Indikationsschlüssel EX3a als vorrangiges Heilmittel entweder Allgemeine Krankengymnastik oder Manuelle Therapie verordnungsfähig. Bei dem Indikationsschlüssel EX3a sei die Verordnung von Krankengymnastik-ZNS nicht zulässig. Als Teilregress festgesetzt wurde insofern die Differenz der Kosten der Krankengymnastik-ZNS zu der Allgemeinen Krankengymnastik in Höhe von (2 x 32,10 EUR =) 64,20 EUR.

Im Falle U sei bei der Überprüfung der Verordnungen aufgefallen, dass der Indikationsschlüssel EX3a eingetragen worden sei. Als Heilmittel sei je 6-mal Krankengymnastik-Gerät verordnet worden. Laut Heilmittelkatalog sei bei dem Indikationsschlüssel EX3a als vorrangiges Heilmittel entweder Allgemeine Krankengymnastik oder Manuelle Therapie verordnungsfähig. Bei dem Indikationsschlüssel EX3a sei die Verordnung von Krankengymnastik-Gerät nicht zulässig. Als Teilregress festgesetzt wurde insofern die Differenz der Kosten der Krankengymnastik-Gerät zu der Allgemeinen Krankengymnastik in Höhe von (3 x 66,06 EUR =) 198,18 EUR.

Hiergegen richtet sich die am 22.04.2010 erhobene Klage.

Die Kläger tragen vor, es sei in den drei Behandlungsfällen zu einer fehlerhaften Angabe des Indikationsschlüssels gekommen. Bei der Patientin C wäre dieser richtigerweise WS2f statt WS2e gewesen, bei dem Patienten L ZN2a statt EX3a und bei der Patientin U EX3b statt EX3a. Die verordneten Heilmittel seien bei diesen Indikationen auch jeweils zulässig gewesen. Dies hätte die Beklagte auch erkennen können, da in den außergerichtlichen Angaben der Kläger die Erkrankungen der Patienten ausdrücklich beschrieben seien. Die fehlerhafte Angabe lediglich der Indikationsschlüssel könne nicht dazu führen, dass bei materiell rechtmäßiger Verordnung nach den Heilmittel-Richtlinien ein Regress ausgesprochen werde, weil allein als einziges Kriterium formalistisch der Indikationsschlüssel berücksichtigt werde.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 24.03.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig. Der Indikationsschlüssel sei im Heilmittelkatalog genannt und auf den Vordrucken in dem dafür vorgesehenen Feld anzugeben. Verordnungsfähig seien ausschließlich Heilmittel, die im Heilmittelkatalog bei dem jeweiligen Indikationsschlüssel genannt seien. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen habe die Beklagte festgestellt, dass Indikationsschlüssel und Heilmittel nicht zusammen gepasst hätten. Damit sei die entsprechende Verordnung unzulässig gewesen. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Korrektur habe nicht bestanden. Hierzu sei sie auch nicht berechtigt, da aus ihrer Sicht nicht festzustellen sei, ob Indikationsschlüssel oder Heilmittel falsch angesetzt worden seien. Bereits für die Quartale 1/2006 bis 3/2006 seien die Kläger auf indikationsbezogenen Katalog und Indikationsschlüssel ausdrücklich hingewiesen worden. Im Übrigen sei zumindest für die Patientin U neben den inhaltlichen Ausführungen der - fehlerhafte - Indikationsschlüssel EX3a auch im vorgerichtlichen Verfahren wiederholt worden.

Die Beigeladenen stellen keine Prozessanträge.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte in Abwesenheit von Vertretern der Beigeladenen zu 2) verhandeln und entscheiden, da auf diese Möglichkeit in der form- und fristgerecht zugestellten Terminbenachrichtigung hingewiesen worden ist.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger sind durch den Bescheid der Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da der verfügte Regress im Ergebnis rechtswidrig ist.

Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung und damit auch die Beklagte sind befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Heilmitteln festzusetzen. Dies ergibt sich aus § 16 Ziffer 1 c der Prüfvereinbarung (Rhein. Ärzteblatt 12/2007, S. 69). Die Ermächtigungsgrundlage hierfür findet sich in § 106 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), nach dem die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vorsehen können. Demgemäß ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass den Prüfgremien die Zuständigkeit für Regresse wegen unzulässiger Arznei- und Heilmittelverordnung durch gesamtvertragliche Vereinbarung übertragen werden darf (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 6 KA 6/09 R - m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R - m.w.N.).

Der Bescheid der Beklagten war auch unmittelbar mit der Klage anzufechten. § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V schließt ein Vorverfahren vor dem Beschwerdeausschuss bei Verordnungsregressen aus, denen ein Verordnungsausschluss zugrunde liegt, der sich unmittelbar und eindeutig aus spezifischen gesetzlichen Regelungen des Krankenversicherungsrechts bzw. den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ergibt. Die Zielsetzung der zum 01.01.2008 neu eingeführten Regelung geht dahin, den Beschwerdeausschuss von Entscheidungen zu entlasten, die eher technischen Charakter haben und ganz überwiegend in der Umsetzung eindeutiger normativer Vorgaben bestehen (BSG, Urteil vom 11.05.2011 - B 6 KA 13/10 R - gemäß Terminbericht Nr. 23/11). Das ist hier der Fall. Die Entscheidung der Beklagten stützt sich darauf, dass nach dem Heilmittelkatalog (Anlage 2 der Heilmittel-Richtlinien des G-BA) die verordneten Heilmittel nicht bei Indikationen gemäß den von den Klägern angegebenen Indikationsschlüsseln verordnungsfähig waren.

Der von der Beklagten ausgesprochene Regress ist aber materiell-rechtlich nicht (mehr) begründet. Nachdem die Kläger im Klageverfahren die Angaben zu den Indikationsschlüsseln berichtigt haben, rechtfertigen die Indikationen in allen drei streitbefangenen Fällen die verordneten Heilmittel.

Im Falle C haben die Kläger den Indikationsschlüssel in "WS2f" korrigiert. Dieser erfasst die Leitsymptomatik "Schmerzen/Funktionsstörungen durch Muskelspannungsstörungen; Verkürzung elastischer und kontraktiler Strukturen, Gewebequellungen, -verhärtungen, -verklebungen" und berechtigt zur Verordnung des optionalen Heilmittels "BGM" (Bindegewebsmassage).

Im Falle L haben die Kläger den Indikationsschlüssel in "ZN2a" korrigiert. Dieser erfasst die Leitsymptomatik "Bewegungsstörungen von Extremitäten, Rumpf- und Kopfmuskulatur z.B. mit Hemi-, Tetra-, Paraplegie/ -parese" und berechtigt zur Verordnung des Heilmittels "KG-ZNS" (spezielle Krankengymnastik zur Behandlung von Erkrankungen des Zentralnervensystems bzw. des Rückenmarks unter Einsatz der neurophysiologischen Techniken u.a. nach Bobath).

Im Falle U haben die Kläger den Indikationsschlüssel in "EX3b" korrigiert. Dieser erfasst die Leitsymptomatik "Funktionsstörungen durch Muskeldysbalance, -insuffizienz, -verkürzung" und berechtigt zur Verordnung des Heilmittels "KG-Gerät" (gerätegestützte Krankengymnastik).

Materiell-rechtlich stützten sich die verordneten Heilmittel damit auf die entsprechenden Indikationsschlüssel nach dem Heilmittelkatalog, so dass der angefochtene Bescheid im Ergebnis aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 155 Abs. 4, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach § 155 Abs. 4 VwGO können Kosten, die durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Vorliegend gibt das vorprozessuale Verhalten der Kläger Anlass, diesen die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (vgl. zum Umfang der gemäß § 155 Abs. 4 VwGO auferlegungsfähigen Kosten zuletzt OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.03.2011 - 7 KS 25/11 -).

Die Kläger haben die - sich im Nachhinein als materiell rechtswidrig darstellende - Entscheidung der Beklagten durch schuldhaftes Verhalten herbeigeführt, indem sie zumindest fahrlässig auf den Heilmittelverordnungs-Vordrucken die Indikationsschlüssel bei den drei Versicherten unzutreffend bezeichnet und diese bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten nicht berichtigt hatten. Wie die Beklagte in ihrem Bescheid vom 24.03.2010 im Einzelnen zutreffend ausführt, "passen" die verordneten Heilmittel nicht zu den von den Klägern angegebenen Indikationsschlüsseln. Auf diesen Umstand hatte bereits die Beigeladene zu 1) in der Begründung ihres Prüfantrages vom 01.09.2009 hinreichend deutlich hingewiesen. In einem Massengeschäft wie der Verordnung von Heilmitteln kommt der Angabe des Indikationsschlüssels durchaus gewichtige Bedeutung zu (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2010 - L 11 KR 690/10 -; Bayer. LSG, Urteil vom 15.11.2007 - L 7 AS 262/07 -), denn er ermöglicht für alle Beteiligten (Vertragsarzt, Heilmittelerbringer, Krankenkasse, Prüfungsstelle) eine schnelle, unkomplizierte Prüfung des Zusammenhangs zwischen Indikation und dem entsprechenden Heilmittel aufgrund der Vorgaben der Heilmittel-Richtlinien. Zudem bildet der Indikationsschlüssel eine wesentliche Grundlage für die diagnosebezogene Auswertung im Rahmen des Heilmittel-Informations-Systems als Frühinformation nach § 84 Abs. 5, 8 SGB V (vgl. www.gkv-his.de). Deshalb hatten die Beigeladenen zu 1) und 2) in einem gemeinsamen Rundschreiben vom 01.04.2008 alle Vertragsärzte, die sich in der Vergangenheit bei der Verordnung von Heilmitteln nicht an den Heilmittel-Richtlinien und dem dazu gehörigen Heilmittelkatalog orientiert hatten, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass den Diagnosegruppen jeweils ein Indikationsschlüssel zugeordnet sei, der im Heilmittelkatalog genannt und bei einer Verordnung auf den jeweiligen Verordnungsvordrucken in dem dafür vorgesehenen Feld anzugeben sei. Verordnungsfähig seien ausschließlich Heilmittel, die im Heilmittelkatalog bei dem jeweiligen Indikationsschlüssel genannt seien. Den Klägern hätte es daher bei der gebotenen Sorgfalt oblegen, bereits im Verwaltungsverfahren und nicht erst im gerichtlichen Prozess die zutreffenden Indikationsschlüssel zu benennen. Das war ihnen auch ohne Weiteres möglich, da sie durch den Prüfantrag der Beigeladenen zu 1) auf die Unzulässigkeit der verordneten Heilmittel in Bezug auf die von ihnen angegebenen Indikationsschlüssel ausdrücklich hingewiesen worden waren.

Hinzu kommt, dass die Kläger zum Teil auch unscharfe Angaben in den Klartexten auf den Verordnungsvordrucken gemacht haben. Im Falle L haben sie im Feld: "Diagnose mit Leitsymptomatik, ggf. wesentliche Befunde" angegeben: "Extremitäten & Becken/lang: Gelenkfunktionsstörungen, Bewegungsstörungen, Kontrakturen spastische Hemiparese Zust. n. Achillessehnenverlängerungs-OP". Das Therapieziel haben sie in dem entsprechenden Feld spezifiziert mit "Wiederherstellung, Besserung der gestörten Beweglichkeit, um das bisher erreichte Therapieziel zu sichern und zu verbessern". Dieses Therapieziel "passt" ebenso wie weite Teile der Diagnose mit Leitsymptomatik zu dem von den Klägern angegebenen Indikationsschlüssel EX3a. Lediglich die Hinweise auf eine spastische Hemiparese im Verordnungsvordruck und auf eine infantile Cerebralparese mit spastischem Gangbild in der späteren Stellungnahme vom 28.10.2009 deuten auf eine Indikation nach Schlüssel ZN2a hin, ohne dass die Kläger indes ein entsprechendes Therapieziel: "Förderung und Besserung der Motorik und Sensomotorik" mitgeteilt haben.

Im Fall U sind die Kläger noch in ihrer Stellungnahme vom 28.10.2009 bei dem Indikationsschlüssel EX3a verblieben. Allein ihr Hinweis darauf, postoperativ sei es zur ausgeprägten Bewegungseinschränkung eines besonderen Muskels und Muskelatrophie gekommen, deutet auf die zum Indikationsschlüssel EX3b gehörige Leitsymptomatik: "Funktionsstörungen durch Muskeldysbalance, -insuffizienz, -verkürzung" hin. Das entsprechende Therapieziel: "Wiederherstellung, Besserung der gestörten Muskelfunktion" haben die Kläger aber nicht mitgeteilt, sondern passend zum Indikationsschlüssel EX3a das Therapieziel spezifiziert mit "Wiederherstellung, Besserung der gestörten Beweglichkeit", zum Teil mit Zusatz: "zur Sicherung des OP-Erfolges und zur weiteren Befundbesserung".

Bei solcherart Widersprüchlichkeiten zwischen Indikationsschlüssel, Leitsymptomatik und Ziel der physikalischen Therapie war es keinesfalls Aufgabe der Beklagten, sich aus den unterschiedlichen Informationsfragmenten diejenigen herauszusuchen, die das verordnete Heilmittel rechtfertigen. Das Risiko unklarer oder gar widersprüchlicher Angaben trägt in Fällen der vorliegenden Art der Vertragsarzt, jedenfalls in Form des Kostenrisikos bei einem anschließenden gerichtlichen Verfahren.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer die Berufung zugelassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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