Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 259/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 107/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 23/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. März 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in einem Fall der sog. Gleichwohlgewährung darum, ob der Klägerin noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht.
Die 1948 geborene Klägerin war bei der Firma CD. Gebäudeservice GmbH seit 12. August 1991 als Objektleiterin beschäftigt. Ihr letztes Bruttogehalt betrug 2.643,29 Euro.
Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis erstmals mit Schreiben vom 10. Juni 2005 zum 30. September 2005, da sie betriebsbedingt keine Möglichkeit sehe, die Klägerin über den 31. Juli 2005 hinaus zu beschäftigen. Mit außerordentlicher Kündigung vom 30. August 2005 (hilfsweise ordentlicher Kündigung zum 31. Januar 2006) kündigte die Arbeitgeberin der Klägerin erneut. Gegen beide Kündigungen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage.
Nach einer Zeit der Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeit meldete sich die Klägerin am 19. September 2005 zum 1. Oktober 2005 bei der Beklagten arbeitslos.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheiden vom 26. und 27. Oktober 2005 zunächst vorläufig Arbeitslosengeld ab 1. Oktober 2005, unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts in Höhe von 45,00 Euro täglich für eine Anspruchsdauer von 960 Tagen.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 machte die Beklagte gegenüber der Firma CD. Gebäudeservice GmbH den Anspruchsübergang gemäß § 143 Abs. 3 bzw. § 143a Abs. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i. V. m. § 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend, mit der Folge, dass eventuelle Ansprüche der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis bis zur Höhe der gezahlten Leistung auf sie übergingen. Ebenfalls mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 teilte die Beklagte auch der Klägerin den Anspruchsübergang mit und wies sie darauf hin, dass sie über ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht verfügen dürfe, soweit sie im gleichen Zeitraum Leistungen von der Beklagten erhalten habe. In dieser Höhe seien ihre Ansprüche auf die Beklagte übergegangen.
Mit Urteil vom 9. November 2005 entschied das Arbeitsgericht E-Stadt über die Kündigungsschutzklage der Klägerin und gab der Klage teilweise statt. Die Beklagte erhielt am 2. Dezember 2005 vom damaligen Bevollmächtigten der Klägerin im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Rechtsanwalt F., eine Abschrift des Urteils. Gegen das Urteil legte die Klägerin Berufung zum Landesarbeitsgericht ein. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2005 fragte die Beklagte bei der Firma CD. Gebäudeservice GmbH an, ob der arbeitsgerichtliche Rechtsstreit zwischenzeitlich beendet sei bzw. wann mit seiner Erledigung zu rechnen sei.
Nach Vorlage der Arbeitsbescheinigung der CD. Gebäudeservice GmbH bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Verfügung vom 13. Januar 2006 Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von 80,57 Euro / Leistungssatz 35,83 Euro. Nachdem die Klägerin am 15. März 2006 gegenüber der Beklagten die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III erklärt hatte, bewilligte die Beklagte mit Verfügung vom 20. April 2006 erneut Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 80,57 Euro / Leistungssatz 35,83 Euro für eine (verbleibende) Anspruchsdauer von 750 Tagen.
Mit Urteil vom 23. Oktober 2006 änderte das Hessische Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts vom 9. November 2005 ab und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der CD. Gebäudeservice GmbH durch keine der bisher erfolgten Kündigungen beendet worden ist. Die Arbeitgeberin wurde außerdem verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen und an sie einen (Teil-) Betrag in Höhe von 3.648,06 Euro zu zahlen.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 kündigte die Firma CD. Gebäudeservice GmbH der Klägerin erneut, diesmal zum 30. April 2007. Auch dagegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage.
Mit Schreiben vom 8. November 2006 fragte die Beklagte bei der Firma CD. Gebäudeservice GmbH erneut an, ob das arbeitsgerichtliche Verfahren zwischenzeitlich beendet sei, bzw. wann mit seiner Erledigung zu rechnen sei. Ebenfalls mit Schreiben vom 8. November 2006 bat die Beklagte die Klägerin um Sachstandsmitteilung im Arbeitsgerichtsverfahren. Am 16. November 2008 erfolgte ein Anruf der Arbeitgeberin, die um Bezifferung des Anspruchs für 2005 bat. Mit Schreiben vom 16. November 2006 teilte die Beklagte gegenüber der Arbeitgeberin der Klägerin mit, für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2005 sei Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 bzw. § 143 a Abs. 4 SGB III in Höhe eines Betrages von 3.224,70 Euro gezahlt worden. Dieser Betrag sei von den zu erfüllenden Ansprüchen einzubehalten und an die Beklagte zu überweisen. Eine gleichlautende Mitteilung erging auch gegenüber der Klägerin mit dem Hinweis, dass sie vorerst keine Zahlung zu leisten habe; weitere Nachricht werde erfolgen, falls die ehemalige Arbeitgeberin den Betrag nicht überweisen würde. Mit Schreiben vom 22. November 2006 informierte der damalige Bevollmächtigte der Klägerin, Rechtsanwalt F., die Beklagte über das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23. Oktober 2006 und teilte mit, dass die Klägerin im Kündigungsrechtsstreit obsiegt habe und ihre Arbeitgeberin sie als Objektleiterin weiterzubeschäftigen habe. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte ihre Ansprüche gegenüber der CD. Gebäudeservice GmbH übergeleitet habe, machte Rechtsanwalt F. die Beklagte darauf aufmerksam, dass der allgemein verbindliche Tarifvertrag für das Gebäudereingier-Handwerk Anwendung finde und für den Fall, dass die Arbeitgeberin ihr gegenüber nicht auf die Ausschlussfristen verzichtet habe, die Beklagte keine Handhabe mehr hätte, das Entgelt bei der Arbeitgeberin beizutreiben. Er wies die Beklagte auch darauf hin, dass dieser Mangel behebbar sei. Er habe bisher die Entgelte bis einschließlich September 2006 beim Arbeitsgericht in einem weiteren, eigenen Rechtsstreit eingeklagt. Am 7. Februar 2007 sei Termin zur mündlichen Verhandlung. Bis dahin müsse er die Klage wegen der Arbeitslosengeldbezüge teilweise zurücknehmen. Für den Fall, dass ihn die Beklagte aber ermächtige, die Entgelte für die Zeit und in der Höhe, in der Arbeitslosengeld gezahlt worden sei, weiterhin gegenüber der Arbeitgeberin geltend zu machen, könne er die Klage in voller Höhe aufrecht erhalten. In diesem Fall würde er wegen dieser Ansprüche den Klageantrag insoweit auf Zahlung an die Beklagte ändern. Allerdings müsse sie dann auch für die Kosten aufkommen; diese könnten nach dem Verhältnis der Ansprüche zu denen seiner Mandantin gequotelt werden. Er bat um Mitteilung, wie weiter verfahren werden solle. Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2007 teilte die CD. Gebäudeservice GmbH der Beklagten ebenfalls mit, dass vor dem Arbeitsgericht E-Stadt eine Klage anhängig sei, in der am 7. Februar 2007 über die Höhe der zu leistenden Zahlung entschieden werde und bat bis zur endgültigen Entscheidung die Zahlung auszusetzen.
Mit Urteil des Arbeitsgerichts E-Stadt vom 14. März 2007 wurde die ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin verurteilt, an sie 34.190,00 Euro brutto abzüglich gezahlter Arbeitslosengelder in Höhe von 12.898,80 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2007 machte die Beklagte bei der Firma CD. Gebäudeservice GmbH für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 den Betrag in Höhe von 12.898,80 Euro geltend. Die Klägerin erhielt eine entsprechende Mitteilung.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2007 erkundigte sich die Beklagte bei der Firma CD. Gebäudeservice GmbH, ob für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis zur erneut ausgesprochenen Kündigung zum 30. April 2007 noch Anspruch auf Arbeitsentgelt bestehe bzw. ob Gehalt für geleistete Arbeit gezahlt worden sei. Mit Schreiben vom 4. Juli 2007 teilte der Prozessbevollmächtigte der Arbeitgeberin (Rechtsanwalt G.) gegenüber der Beklagten mit, im Hinblick auf den allgemein verbindlichen Tarifvertrag der Angestellten im Gebäudereiniger-Handwerk seien die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verjährt, weil diese nicht innerhalb der vorgegebenen Frist gerichtlich geltend gemacht worden seien; die Arbeitgeberin habe nicht auf die Geltendmachung der tarifvertraglichen Ausschlussfristen verzichtet. Auf eine erneute Anfrage der Beklagten vom 19. Juli 2007, ob für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 Arbeitsentgelt an die Klägerin ausgezahlt worden sei, und Erinnerung vom 17. Oktober 2007, teilte die Firma CD. Gebäudeservice GmbH der Beklagten mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 mit, dass die Klägerin Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 am 30. April 2007 erhalten habe.
Daraufhin machte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Oktober 2007 gegenüber der Klägerin den Anspruchsübergang geltend und forderte sie auf, den Betrag in Höhe von 12.898,80 Euro an sie zu überweisen, da ihr ehemaliger Arbeitgeber das Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 an sie ausgezahlt habe. Dem dagegen von der Klägerin am 6. November 2007 erhobenen Widerspruch gab die Beklagte im Hinblick auf das Urteil des Arbeitsgerichts E-Stadt vom 14. März 2007 mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 statt.
Nachdem die Beklagte sich im Dezember 2007 die Tarifverträge für Angestellte im Gebäudereiniger-Handwerk hatte zukommen lassen, erging unter dem 14. Januar 2008 folgender Aktenvermerk: "Verzichtserklärung auf die Einrede der Verjährung wurde nicht abgegeben (auch nicht verfolgt). Die Ansprüche wurden seitens der AA nicht innerhalb der geforderten 2 Monatsfrist geltend gemacht. Eine Geltendmachung zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht mehr möglich."
Mit Schreiben vom 18. April 2008 teilte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit, ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III ende voraussichtlich am 30. Mai 2008. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 13. Mai 2008 legte die Klägerin gegen dieses Schreiben Widerspruch ein und führte aus, der Leistungsbeginn sei falsch berechnet worden. Da das Hessische Landesarbeitsgericht zwischenzeitlich rechtskräftig festgestellt habe, dass die Kündigung zum 30. September 2005 unwirksam gewesen und der Arbeitgeber von der Beklagten vom 1. Oktober 2005 bis 30. April 2007 in Anspruch genommen worden sei, hätte wegen der Folgekündigung vom 30. Oktober 2006 zum 30. April 2007 der Leistungsbeginn nunmehr auf den 1. Mai 2007 festgestellt werden müssen. Die Wirksamkeit der Kündigung vom 30. Oktober 2006 sei nunmehr Streitgegenstand eines neuen Verfahrens beim Landesarbeitsgericht. Mit Schreiben vom 3. Juni 2008 übersandte der Bevollmächtigte der Klägerin den Vergleich des Landesarbeitsgerichts vom 26. Mai 2008, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung am 30. April 2007 geendet habe.
Den Widerspruch der Klägerin verwarf die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008 als unzulässig mit der Begründung, ihr Schreiben vom 18. April 2008 stelle keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar; es habe lediglich zur Information bezüglich der Beendigung des bewilligten Leistungsanspruchs gedient. Zugleich wertete die Beklagte den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 13. Mai 2008 als Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung des Beginns des Leistungsanspruchs, der sodann durch Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2008 mit der Begründung abgelehnt worden ist, die Überprüfung habe ergeben, dass der Bescheid vom 27. Oktober 2005 nicht zu beanstanden sei. Mit Eintritt der Beschäftigungslosigkeit zum 1. Oktober 2005 sei Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 960 Kalendertagen bewilligt worden. Die Gewährung von Arbeitslosengeld sei nach § 143 Abs. 3 SGB III erfolgt, da gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses Klage erhoben worden sei. Das Arbeitsverhältnis sei aufgrund der Feststellung des Landesarbeitsgerichts nunmehr zum 30. April 2007 beendet worden. Der übergegangene Arbeitsentgeltanspruch könne gegenüber dem Arbeitgeber nicht geltend gemacht werden. Werde der auf die Beklagte übergegangene Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht realisiert, verbleibe es bei der Minderung der Anspruchsdauer. Der ab dem 1. Oktober 2005 in Anspruch genommene Arbeitslosengeldanspruch sei daher mit Ablauf des 30. Mai 2008 verbraucht, weshalb der Bescheid nicht zu beanstanden sei.
Den dagegen am 8. Juli 2008 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2008 zurück und führte zur Begründung aus, der Bescheid vom 27. Oktober 2005 sei von Rechtswegen nicht zu beanstanden, weshalb sie die sachliche Prüfung des Bescheides hätte ablehnen dürfen. Nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III mindere sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Anzahl an Tagen, für die der Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt worden sei. Der Klägerin sei durchgehend ab dem 1. Oktober 2005 Arbeitslosengeld gewährt worden und die Anspruchsdauer daher entsprechend zu mindern, sodass der Anspruch am 30. Mai 2008 erschöpft gewesen sei. Die Gewährung von Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III sei rechtmäßig erfolgt. Die Minderung der Anspruchsdauer sei nur dann unbillig und infolgedessen rückgängig zu machen, wenn der gemäß § 115 SGB X auf die Beklagte übergegangene Arbeitsentgeltanspruch befriedigt worden sei. Werde der auf die Beklagte übergegangene Arbeitsentgeltanspruch nicht realisiert, verbleibe es bei der Minderung der Anspruchsdauer. Dies gelte auch dann, wenn die Arbeitsagentur trotz möglicher Erfolgsaussichten die übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche nicht beitreibe. Im Falle der Klägerin sei der Anspruch der Arbeitsagentur trotz Anmeldung durch die Arbeitgeberin nicht erfüllt worden. Es komme auch nicht darauf an, dass seitens der Arbeitsagentur keine Klage zur Durchsetzung des Anspruchs erhoben worden sei. Nur im Falle der Befriedigung eines angemeldeten Anspruchs könne die Anspruchsdauer berichtigt werden; da im Falle der Klägerin der Anspruch nicht befriedigt worden sei, könne auch keine Berichtigung der Anspruchsdauer erfolgen.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 19. August 2008 beim Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, sie habe durch das Schreiben ihres damaligen Bevollmächtigten, Rechtsanwalt F., vom 22. November 2006 seinerzeit auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, Regressansprüche in dem vor dem Arbeitsgericht anhängigen Klageverfahren zu befriedigen. Rechtsanwalt F. habe unter Hinweis auf den anstehenden Gerichtstermin die Beklagte um Mitteilung gebeten, ob der Erstattungsanspruch für sie realisiert werden solle. Diese Anfrage sei unbeantwortet geblieben. Auch auf ihre Bitte zu bestätigen, bis wann sie Arbeitslosengeld beziehen könne, habe sie keine Antwort erhalten. Die Beklagte habe es daher bewusst unterlassen, die auf sie übergegangenen Ansprüche gegenüber ihrer ehemaligen Arbeitgeberin geltend zu machen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die Klage unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet, da die Beklagte es verabsäumt habe, sie (und ihren Bevollmächtigten) auf Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen bzw. die Realisierung der Ansprüche im Wege gewillkürter Prozesstandschaft zu ermöglichen. Dadurch entstünden auch rechtliche Nachteile in Bezug auf die Höhe ihrer Rentenansprüche. Ausgehend davon, dass sie ab dem 1. Dezember 2009 eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen würde, errechne sich eine Rentendifferenz von monatlich 27,27 Euro, was bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von noch 23,21 Jahren einen überschlägigen "Rentenschaden" von 7.600,00 Euro zur Folge habe.
Die Beklagte hat sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen und ergänzend vorgetragen, auch dann, wenn die Verjährung der Lohnansprüche für die Dauer des arbeitsgerichtlichen Verfahrens bis zum Vergleich vom 26. Mai 2008 unterbrochen gewesen wäre, wären diese Ansprüche inzwischen verfallen und eine gerichtliche Geltendmachung jetzt ohne jede Erfolgsaussicht. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Verpflichtung der Beklagten bestanden, übergegangene Ansprüche beizutreiben. Ein Unterbleiben der Beitreibung könne deshalb nicht der Minderung der Anspruchsdauer entgegenstehen. Haushaltsrechtliche Vorschriften, die die Beklagte gegebenenfalls zur Einziehung von Forderungen anhalte, begründeten keinen subjektiven Anspruch der Klägerin und damit auch keinen Anspruch, aus Billigkeitserwägungen die Anspruchsdauer zu verlängern. Schließlich sei es auch unerheblich, dass das Ansinnen des damaligen Bevollmächtigten der Klägerin, die Beklagte möge ihn beauftragen, die übergegangenen Entgeltansprüche gerichtlich geltend zu machen, nicht angenommen worden sei, weil der Anspruch auf Arbeitslosengeld durch die Zahlung bis zum 30. Mai 2008 einschließlich der Gleichwohlgewährung für die volle Anspruchsdauer erfüllt worden sei. Eine doppelte Auszahlung des Arbeitslosengeldanspruchs darüber hinaus komme nicht in Betracht.
Mit Urteil vom 5. März 2009 hat das Sozialgericht Darmstadt die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2008 dazu verurteilt, den Bescheid vom 27. Oktober 2005 zu ändern und der Klägerin Arbeitslosengeld über den 30. April 2008 hinaus bis zum 30. April 2009 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe es zu Unrecht abgelehnt, den gemäß Bescheid vom 27. Oktober 2005 festgesetzten Endzeitpunkt der Leistungsbewilligung von Arbeitslosengeld zu ändern und der Klägerin Arbeitslosengeld über den 30. April 2008 hinaus zu zahlen. Entscheidungsgrundlage sei § 44 SGB X in Verbindung mit dem richterrechtlich entwickelten Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieser habe zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder eines sozialen Rechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I) verletzt habe, also insbesondere bei einem konkret bestehenden Anlass zur Aufklärung und Beratung falsch und/oder unvollständige Hinweise gegeben oder solche ganz unterlassen habe. Dies habe auch zu gelten, soweit die Beklagte einen Hinweis oder eine Handlung unterlasse, die zur Begründung oder Verbesserung einer Leistungsposition eines Versicherten hätte führen können. Zwischen der daraus resultierenden Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen müsse ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Schließlich müsse der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Darüber hinaus müsse die Korrektur auch mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang stehen. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs seien vorliegend zu Gunsten der Klägerin erfüllt. Die Beklagte sei unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet, das Ende des Leistungsbezuges der Klägerin auf einen späteren Zeitpunkt zu legen. Hätte die Beklagte - entsprechend der Aufforderung des die Klägerin im Arbeitsgerichtsprozess vertretenden Bevollmächtigten, Rechtsanwalt F. - der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt, eine Zahlung an die Beklagte zu bewirken, hätte dies zur Folge gehabt, dass in Höhe von und für den Zeitraum, für den Arbeitsentgelt aus übergeleitetem Recht an die Beklagte gezahlt worden wäre, der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld nicht hätte nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gemindert werden dürfen. Die Beklagte könne nicht damit gehört werden, dass im Rahmen der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 SGB III, wie sie hier erfolgt sei, eine Verpflichtung ihrerseits zur klageweisen Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Arbeitgeber nicht bestanden habe. Zwar sei die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich nicht verpflichtet, selbst die Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber im Klagewege geltend zu machen. Danach bleibe die Minderung der Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld im Falle der Gleichwohlgewährung bestehen, auch wenn die Bundesagentur den übergegangenen Arbeitsentgeltanspruch trotz möglicher Erfolgsaussicht nicht beitreibe. Die Bundesagentur sei danach zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, das Prozessrisiko für die Geltendmachung rückständiger Arbeitsentgeltansprüche des Arbeitslosen zu übernehmen, weil der Arbeitslose selber gegen den ehemaligen Arbeitgeber Klage auf Zahlung des Entgeltanspruchs erheben könne, wenn er eine "Gutschrift" verbrauchter Anspruchstage erreichen wolle. Abweichend von der dort entschiedenen Fallkonstellation sei die Beklagte hier jedoch seitens der Klägerin konkret gefragt worden, ob sie einwillige, dass das Arbeitsentgelt im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht und an sie ausgezahlt werde. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass nach der gefestigten Rechtsprechung der Arbeitsgerichte die Klägerin gehindert gewesen sei, einen Anspruch auf Zahlung an sie selbst geltend zu machen, weil die Klage insoweit unbegründet gewesen wäre, denn die Klägerin sei wegen des kraft Gesetzes erfolgten Anspruchsüberganges im Rahmen der Gleichwohlgewährung nicht mehr Inhaberin der Forderung, andererseits sei aber allein durch ein Tätigwerden der Klägerin vor dem Arbeitsgericht zum damaligen Zeitpunkt der Entgeltanspruch mit Sicherheit realisierbar gewesen, ohne dass der ehemalige Arbeitgeber die Verfallklausel nach dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag habe entgegenhalten können. In diesem Sinne habe auch das Bundessozialgericht im Urteil vom 29. November 1988 ausdrücklich festgestellt, dass die Minderung des im Wege der Gleichwohlgewährung gezahlten Arbeitslosengeldes dadurch vermieden werden könne, dass der Leistungsempfänger gegen den Arbeitgeber auf Zahlung des übergegangenen Entgeltanspruchs an die Bundesagentur klage. Dann sei die insoweit allein anspruchsberechtigte Beklagte aber auch verpflichtet, die Klägerin wirksam zur gerichtlichen Geltendmachung der übergegangenen Vergütungsansprüche zu ermächtigen. Ein Kostenrisiko hätte die Beklagte dabei - wie sie bei sorgfältiger Prüfung hätte feststellen können - gar nicht oder nur in ganz geringem Umfang zu tragen gehabt. Aus diesem Pflichtversäumnis der Beklagten sei der Klägerin kausal ein Schaden entstanden - nicht nur im Hinblick auf den Wegfall des Arbeitslosengeld-Anspruchs ab 1. Juni 2008, sondern auch langfristig und in erheblichem Umfang in Bezug auf die Minderung des Rentenanspruchs. Der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil sei auch durch eine zulässige Amtshandlung zu beseitigen und die Korrektur stehe mit dem Gesetzeszweck im Einklang. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, die Klägerin habe den ihr zustehenden Gesamtanspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 960 Tagen ausgeschöpft, weshalb eine Anspruchsverlängerung nicht in Betracht kommen könne. Nach den in § 48 SGB X enthaltenen Rechtsregeln über die Korrektur von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung (so auch ein Arbeitslosengeld bewilligender Bescheid) sei dann, wenn in den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vorgelegen haben, eine Änderung eingetreten sei, der Bescheid zu ändern. Vorliegend sei die Änderung der Verhältnisse mit dem Urteil des Arbeitsgerichts über die Nachzahlung von Arbeitsentgelt bis einschließlich 30. April 2007 eingetreten. Mit der Zahlung des Entgeltes aus übergeleitetem Recht an die Beklagte wäre nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht eingetreten. Nach allgemeiner Auffassung entfalle nämlich die Minderung aus Billigkeitsgründen in dem Umfang, in dem die Bundesagentur für Arbeit Zahlungen des Arbeitgebers erhalte. Insoweit hätte die Beklagte - hätte sie der Klägerin das Recht eingeräumt, die Entgeltzahlung zu Gunsten der Beklagten gerichtlich durchzusetzen - mit Empfang der Zahlung die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung gehabt, den Bezugszeitraum von Arbeitslosengeld zu verlängern und den Endzeitpunkt der Leistungsbewilligung auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. Die Klägerin hätte in diesem Fall insgesamt nicht länger Arbeitslosengeld bezogen, als eben für die ihr zuerkannten 960 Tage, weil mit dem Zugang des Geldes bei der Beklagten eine "Gutschrift" der Anspruchsminderung hätte erfolgen und der Endzeitpunkt der Leistungsbewilligung entsprechend verschoben werden müssen. Die Beklagte sei deshalb zu verurteilen gewesen, der Klägerin Arbeitslosengeld auch über den 31. Mai 2008 (nicht 30. April 2008) hinaus zu gewähren.
Gegen das ihr am 10. Juni 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Juli 2009 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dem Urteil des Sozialgerichts Darmstadt könne weder im Ergebnis noch hinsichtlich der Begründung gefolgt werden. Die Klägerin habe Arbeitslosengeld unter Anwendung des § 143 Abs. 3 SGB III erhalten. Es handele sich um eine rechtmäßige Zahlung, die gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III zur Minderung der Anspruchsdauer führe. Die Minderung könne nur rückgängig gemacht werden, wenn ein nach § 115 SGB X auf die Beklagte übergegangener Anspruch vom (früheren) Arbeitgeber der Klägerin befriedigt werde. Werde der auf sie übergegangene Arbeitsentgeltanspruch nicht realisiert, verbleibe es bei der Minderung der Anspruchsdauer. Dies gelte auch dann, wenn die Beklagte trotz möglicher Erfolgsaussichten den übergegangenen Entgeltanspruch nicht beitreibe. Unter Berücksichtigung dieser, von der Rechtsprechung bestätigter, Grundsätze müsse es deshalb bei der Minderung der Anspruchsdauer für die hier maßgebliche Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 verbleiben. Der Auffassung des Sozialgerichts, die Beklagte sei über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verpflichtet, das Ende des Leistungsbezuges der Klägerin auf einen späteren Zeitpunkt zu legen, könne nicht gefolgt werden, denn die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu Gunsten der Klägerin seien nicht erfüllt. Bestandteil ihrer Auskunfts- und Beratungspflicht sei es, den Arbeitslosen auf Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch hinzuweisen, um ihn in die Lage zu versetzen, das zu unternehmen, was seine Leistungsposition verbessere. Es gehöre dagegen nicht zu ihren Pflichten, dem Arbeitslosen eine bestimmte Vorgehensweise vor dem Arbeitsgericht zu empfehlen. Folglich könne es keinen Verstoß gegen die Auskunfts- und Beratungspflicht darstellen, wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trotz seines Vorschlags nicht von ihr ermächtigt worden sei, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft den auf sie übergegangenen Entgeltanspruch im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch könnte aber auch bei anderer Betrachtungsweise nicht zur Anwendung kommen, denn ein aufgrund einer Verletzung der Auskunfts- und Beratungspflicht entstandener Nachteil könne im Rahmen des Herstellungsanspruchs nur durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für eine Dauer von 960 Tagen mit Ablauf des 30. Mai 2008 erfüllt gewesen sei. Eine weitere Zahlung von Arbeitslosengeld über die gesetzlich zustehende und bereits erfüllte Dauer hinaus sei nicht möglich. Damit scheide eine zulässige Amtshandlung aus. Daran ändere auch die vom Sozialgericht herangezogene Korrekturmöglichkeit des § 48 SGB X für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung nichts. § 48 SGB X setze eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen voraus. Das Sozialgericht beziehe sich insoweit auf den Umstand, dass ein Urteil des Arbeitsgerichts über die Nachzahlung von Arbeitsentgelt erging. Die Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, den Bezugszeitraum von Arbeitslosengeld zu verlängern, wenn sie der Klägerin die Ermächtigung zur Geltendmachung der Entgeltansprüche zu Gunsten der Beklagten vor dem Arbeitsgericht erteilt hätte. Die Änderung der Verhältnisse wäre aus Sicht des Sozialgerichts eingetreten, wenn der Arbeitgeber den auf die Beklagte übergegangenen Entgeltanteil gezahlt hätte. Damit stelle das Sozialgericht aber auf fiktive Ereignisse ab, die für die Anwendung des § 48 SGB X nicht ausreichten. Eine Befriedigung übergegangener Ansprüche sei gerade nicht erfolgt. Selbst bei einem (wie von der Klägerseite unterstellten) Fehlverhalten der Beklagten käme eine Korrektur im Wege des Herstellungsanspruchs jedenfalls deshalb nicht in Frage, weil ein Ausgleich des behaupteten Nachteils auf ein gesetzwidriges Handeln der Beklagten hinauslaufen würde, denn es stehe kein Arbeitslosengeldanspruch mehr zur Verfügung, der noch erfüllt werden könnte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin, die seit dem 1. Mai 2009 Rente bezieht, macht geltend, die Berufungsbegründung der Beklagten gehe am Kern des Rechtsstreits vorbei und greife das Urteil des Sozialgerichts im entscheidenden Punkt überhaupt nicht an. Das Gericht stütze seine Entscheidung keineswegs (allein) auf den Umstand, die Beklagte habe es versäumt, den Bevollmächtigten der Klägerin im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu ermächtigen, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft die auf sie übergegangenen Entgeltansprüche geltend zu machen. Maßgeblich sei vielmehr, dass dann, wenn die Beklagte entsprechend der Aufforderung des die Klägerin damals vertretenden Rechtsanwalts F., ihr die Möglichkeit eingeräumt hätte, eine Zahlung an die Beklagte zu bewirken, dies zur Folge gehabt hätte, dass in Höhe von und für den Zeitraum, für den Arbeitsentgelt aus übergeleitetem Recht an sie gezahlt worden wäre, der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld nicht nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III hätte gemindert werden dürfen. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einem wesentlichen Punkt. Die Beklagte sei vom Bevollmächtigten der Klägerin im anhängig gewesenen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht, aber auch noch während des Ablaufs der Ausschlussfrist von der Klägerin selbst, wiederholt darauf hingewiesen worden, dass Erstattungsansprüche gegenüber dem damaligen Arbeitgeber geltend gemacht werden könnten, indem man sie zur Geltendmachung ermächtige, oder mit guten Erfolgsaussichten wegen des zusprechenden Urteils des Arbeitsgerichts von der Beklagten selbst hätten geltend gemacht werden können. Da die Beklagte auf wiederholte Hinweise nicht reagiert und das Naheliegende nicht veranlasst habe, stelle dies nach vollkommen zutreffender Auffassung der angegriffenen Entscheidung den Beratungsfehler dar. Es gehe mitnichten um die Frage, ob die Beklagte nur verpflichtet gewesen sei, den Arbeitslosen auf Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch hinzuweisen, um ihn in die Lage zu versetzen, das zu unternehmen, was seine Leistungsposition verbessern könnte. Das Sozialgesetzbuch biete mit § 115 SGB X und §§ 143, 128 SGB III das "sozialrechtliche Rüstzeug", um die vom Sozialgericht zugesprochene Verbesserung der Rechtsposition der Klägerin zu erreichen. Die weitere Argumentation der Beklagten, über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne nur eine Rechtsposition zugesprochen werden, auf die ein Anspruch bestehe, die Klägerin habe aber rechtmäßig ihren Leistungsanspruch ausgeschöpft, breche dann in sich zusammen. Die Beklagte wolle ganz offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen, wie der Sachverhalt "rechtmäßiger" abgewickelt worden wäre, wenn die Klägerin von ihr ermächtigt worden wäre, übergegangene Vergütungsansprüche für sie geltend zu machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Darmstadt hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2008 dazu verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld bis zum 30. April 2009 zu gewähren.
Zutreffend geht die Beklagte allerdings davon aus, dass sie den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den §§ 117 ff. SGB III im Umfang der von der Klägerin nach ihrer Vorversicherungszeit erworbenen Anwartschaft (zunächst) vollständig in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. Mai 2008 (960 Tage) erfüllt hat. Das im Wege der Gleichwohlgewährung, also für die Zeit des eigentlich zustehenden Lohnanspruchs, gezahlte Arbeitslosengeld ist auf die Anspruchsdauer anzurechnen. Das folgt zwingend aus § 143 Abs. 1 und 3 SGB III. Denn dort heißt es zwar in Absatz 1 zunächst, der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe während der Zeit, während der der Arbeitslose Arbeitsentgelt (erhalte oder) zu beanspruchen habe, hier also in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. April 2007. Im Anschluss ist jedoch in Absatz 3 Satz 1 weitergehend geregelt, dass das Arbeitslosengeld (ausnahmsweise) auch für diejenige Zeit geleistet werde, in der der Arbeitslosengeld-Anspruch ruhe, soweit der Arbeitslose das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhalte. Dass sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Zahl von Tagen mindert, für die der Anspruch erfüllt worden ist, ist in § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ausdrücklich vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 11. Juni 1987 - 7 RAr 16/86 -, SozR 4100 § 117 Nr. 18 und Urteil vom 29. November 1988 - 11/7 RAr 79/87 -, SozR 4100 § 117 Nr. 23) bleibt es bei der unter Anrechnung des Gleichwohlgewährungszeitraumes ermittelten Leistungsdauer auch dann, wenn die Arbeitsverwaltung, aus welchen Gründen auch immer, den auf sie übergegangenen Entgeltanspruch nicht beitreibt.
Demgegenüber besteht in der Praxis der Beklagten und in der Literatur - bestätigt durch die höchstrichterliche Rechtsprechung - bereits seit Jahrzehnten Einigkeit darin, dass die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes in Fällen der Gleichwohlgewährung nachträglich durch eine entsprechende "Gutschrift" zu verlängern ist, wenn es die Billigkeit erfordert bzw. die Versagung einer Gutschrift "unbillig erscheint" (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 1979 - 7 RAr 51/78 -, in juris; Urteil vom 24. Juli 1986, - 7 RAr 4/85 -, SozR 4100 § 117 Nr. 16; Urteil vom 11. Juni 1987, a.a.O. und Urteil vom 29. Januar 2008 B 7/7a AL 58/06 R, in juris, vgl. auch Hessisches LSG, Urteil vom 26. Juni 2006 - L 9 AL 1189/03 -, in juris). Eine solche Unbilligkeit ist bisher in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - soweit ersichtlich - ausschließlich angenommen worden, wenn die Beklagte für das in der Zeit der Gleichwohlgewährung gezahlte Arbeitslosengeld tatsächlich Ersatz erlangt hat. Dagegen ist eine Gutschrift abgelehnt worden, wenn die Beklagte lediglich (möglicherweise) hätte Ersatz erlangen können, sofern sie den Anspruch mit allen Mitteln, ggf. auch gerichtlich, beigetrieben hätte, diesen Ersatz aber tatsächlich nicht erlangt hat. Das ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Verfolgung von Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers nicht zu den Aufgaben der Beklagten gehöre und sie nicht zur Tragung des Prozessrisikos verpflichtet sein könne, während der Arbeitnehmer auf diese Weise quasi eine "unentgeltliche Rechtsschutzversicherung" (BSG Urteil vom 29. November 1988, a. a. O.) erhalte. Darüber hinaus hat das Bundessozialgericht in der letztgenannten Entscheidung auch eine Rechtspflicht der Beklagten verneint, den Arbeitslosen über die Möglichkeit zu belehren, selbst Klage zu erheben, weil davon ausgegangen werden müsse, dass der Arbeitnehmer wisse, auf welche Weise er gegen den Arbeitgeber vorzugehen habe, wenngleich insoweit ein Hinweis im Merkblatt der Arbeitsverwaltung für zweckmäßig angesehen wurde.
Gegenüber der Beschränkung der "Gutschrift-Regel" auf die Fälle tatsächlicher Refinanzierung der Arbeitsverwaltung werden in der Literatur Bedenken geltend gemacht. So wird vertreten, dass die Arbeitsverwaltung, jedenfalls in nicht aussichtslosen Fällen, den Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend zu machen habe und anderenfalls ein Herstellungsanspruch in Betracht komme bzw. dass die Beklagte nur aus sachgerechten Gründen im Hinblick auf das Kostenrisiko die Beitreibung unterlassen dürfe, in diesem Fall aber außerdem eine rechtzeitige Information des Arbeitnehmers erforderlich sei (vgl. Steinmeyer in: Gagel, AFG, Stand: 1998, § 110 Rdnr. 28; Winkler in: Gagel, Stand: Juli 2010, SGB II/SGB III, § 143 Rdnr. 93, 94). Habe die Arbeitsagentur tarifvertragliche Verfallfristen verstreichen lassen, gehe dies nicht zu Lasten des Arbeitnehmers, da er ansonsten hinsichtlich der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld allein deshalb benachteiligt würde, weil die Arbeitsagentur - pflichtwidrig - Fristen versäumt habe (Köhler in: BeckOK, SGB III, § 143 Rdnr. 10, unter Befürwortung einer entsprechenden Anwendung der Rechtsgrundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch). Die Rechtsstellung des Arbeitnehmers könne in problematischer Weise beeinträchtigt werden, weil die Möglichkeit, den Entgeltanspruch, auch im Wege der Klage, zugunsten der Beklagten geltend zu machen, dem Arbeitnehmer in der Regel - jedenfalls ohne entsprechende Beratung - kaum erkennbar sei (Düe in: Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 143 Rdnr. 47). Der Anspruchsübergang begründe eine "treuhänderische Bindung" der Beklagten, wobei der Gefährdung des Arbeitslosengeldanspruchs hinsichtlich seiner vollen Leistungsdauer aufgrund der nunmehr geltenden regelmäßigen Beschränkung des Anspruchs auf zwölf Monate erhöhtes Gewicht zukomme (Düe, a. a. O.).
Diese in der Literatur schon seit längerem geäußerten Erwägungen wurden inzwischen auch von der Rechtsprechung aufgegriffen, insbesondere vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 3. September 2009 (L 12 AL 46/07, in juris). Insoweit wird allerdings darauf abgestellt, dass das angesprochene - richterrechtlich entwickelte - Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht heranzuziehen sei, wenn sich der Anspruch direkt aufgrund einer (speziellen) Anspruchsgrundlage ergebe und dass davon auszugehen sei, dass die oben beschriebene anerkannte Praxis der Gutschrift - schon im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) - mehr als eine unverbindliche "Kulanzpraxis" sei, vielmehr als verbindliche Regel anzusehen sei, wobei dahingestellt bleiben könne, ob es sich bereits um eine gewohnheits- oder richterrechtlich begründete Norm handele. Sie lasse sich abstrahiert von der konkreten Fallgestaltung einer tatsächlich erfolgten Refinanzierung des Arbeitslosengeldes bei der Beklagten - dahin fassen, dass die Anspruchsdauer nach Gleichwohlgewährung durch eine Gutschrift zu verlängern sei, wenn es die Billigkeit erfordere. Soweit diese Regel - entsprechend den bisherigen Anwendungsfällen - auf den Fall tatsächlicher Refinanzierung beschränkt sein sollte, sei - jedenfalls für Fälle wie den dort entschiedenen - ihre Erweiterung geboten. Dieser Auffassung schließt sich der entscheidende Senat an und hält auch hinsichtlich der Konstellation im hier zu beurteilenden Fall eine Erweiterung der "Gutschrift-Regel" für geboten.
Die Verweigerung einer Gutschrift wäre im vorliegenden Fall - ebenso wie in den Fällen der erfolgten Refinanzierung - unbillig. Denn die Klägerin erlitte einen Nachteil, dessen Eintritt die Beklagte durch ihr Verhalten mit verursacht hat, während der Klägerin eine schuldhafte Verletzung von Obliegenheiten nicht vorgeworfen werden kann. Das ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles. Diese sind im vorliegenden Fall vor allem dadurch geprägt, dass die Beklagte (nach erfolgter Anzeige) selbst nichts unternommen hat, um die auf sie übergegangenen Ansprüche gegenüber der früheren Arbeitgeberin der Klägerin durchzusetzen und die Klägerin - selbst auf Nachfrage - darüber nicht informiert hat. Die Pflicht zumindest zu entsprechenden Hinweisen ergibt sich bereits aus den aus § 14 und § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) abzuleitenden Pflichten zur Beratung sowie zu einer dem konkreten Anlass entsprechenden "verständnisvollen Förderung" (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 1992, - 11 RAr 65/91 -, SozR 3-4100 § 103 Nr. 8) aufgrund des Sozialrechtsverhältnisses, das zwischen dem Kläger und der Beklagten mit dem Antrag auf Arbeitslosengeld entstanden ist, ebenso wie aus der oben erwähnten "treuhänderischen Bindung" nach gesetzlichem Forderungsübergang. Der Beratungsbedarf in dieser Lage ist erkennbar hoch im Hinblick auf die - für den Arbeitslosen nicht ohne Weiteres zu erwartende und keineswegs allgemein bekannte - juristische Konstruktion im Rahmen der Gleichwohlgewährung mit gesetzlichem Forderungsübergang und dem daraus resultierenden rechtlichen Schicksal des Arbeitslosengeldanspruchs einerseits und des Arbeitsentgeltanspruchs andererseits. Besonderer Beratungsbedarf ergibt sich in dieser Situation auch deshalb, weil der Arbeitslose sich in einer Zwangslage befindet, wenn er einerseits auf Arbeitslohn oder Lohnersatzleistungen angewiesen ist, andererseits aber noch nicht weiß, ob er seinen Arbeitsentgeltanspruch gegen den Arbeitgeber durchsetzen kann und deshalb zunächst Arbeitslosengeld beantragen muss (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.).
Im vorliegenden Fall hatte der im arbeitsrechtlichen Verfahren Bevollmächtigte der Klägerin, Rechtsanwalt F., die Beklagte mit seinem Schreiben vom 22. November 2006 vollumfänglich über den Stand der arbeitsgerichtlichen Verfahren informiert und mitgeteilt, dass das Hessische Landesarbeitsgericht festgestellt habe, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch keine der bisher ausgesprochenen Kündigungen gelöst worden und sie weiter zu beschäftigen sei. Gleichzeitig hat er die Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Klägerin das ausstehende Entgelt bis einschließlich September 2006 beim Arbeitsgericht eingeklagt habe und am 7. Februar 2007 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat auch auf den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für das Gebäudereiniger-Handwerk und die darin enthaltenen Ausschlussfristen hingewiesen, sowie die Möglichkeit aufgezeigt, die Ansprüche für die Beklagte im Arbeitsgerichtsverfahren mit geltend zu machen. Damit lagen der Beklagten die relevanten Informationen über den Stand der arbeitsgerichtlichen Verfahren vor und die Klägerin durfte auf ein Eingehen der Beklagten auf diese Situation und ggf. von ihr zu beachtende Konsequenzen vertrauen.
Die Beklagte mag zwar nicht zur Eingehung eines Prozessrisikos verpflichtet sein, sie muss dem Arbeitslosen jedoch die Möglichkeit der Wahrung seiner Rechte einräumen. In dem gegebenen Dreiecksverhältnis (Kläger - Arbeitgeber - Beklagte) muss die Beklagte den Arbeitslosen zumindest darüber informieren, inwieweit sie selbst etwas zur Sicherung und Durchsetzung des Anspruchs unternimmt oder nicht und ihm ggf. die Möglichkeit einräumen, den auf sie übergegangenen Anspruch in Prozessstandschaft gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, a.a.O.). Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht hinreichend gerecht geworden und hat so der Klägerin keine Möglichkeit gegeben, ihr entstehende Nachteile ggf. abzuwenden.
In dem hier zu entscheidenden Fall liegt eine vergleichbare Konstellation, wie in dem vom LSG Niedersachsen-Bremen entschiedenen Fall vor. Auch dort hatte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers die Erstattung des geleisteten Arbeitslosengeldes unter Berufung auf die Ausschlussregelung in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag (Bundes-Rahmentarifvertrag für das Baugewerbe) abgelehnt. Aus diesem Tarifvertrag hat sich ebenso wie im vorliegenden Fall die Ausschlussfrist von zwei Monaten sowohl für die schriftliche Geltendmachung nach Fälligkeit (erste Stufe) als auch für die gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung oder zweiwöchigem Schweigen nach Geltendmachung (zweite Stufe) ergeben. Auf die Möglichkeit, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen, wurde ebenfalls nicht verzichtet, weshalb die Forderung der Beklagten letztendlich verfristet war.
Anders als in dem entschiedenen Fall ist die Klägerin hier zwar durch die Beklagten bereits mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 (und nachfolgenden Schreiben vom 8. November 2006, 16. November 2006 und 9. Mai 2007) über den Anspruchsübergang informiert worden, die fehlende Information hat das LSG Niedersachsen-Bremen, aber auch nicht als kausal für den eingetretenen Schaden angesehen. Denn die Erhebung der Kündigungsschutzklage durch den Kläger hat (zunächst) den Eintritt der tarifvertraglichen Ausschlussfrist in der ersten Stufe - auch für den auf die Beklagte übergegangenen Teil des Anspruchs - vermieden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.).
Kausal geworden sind aber weitere Versäumnisse der Beklagten im Zusammenhang mit der Mitteilung des Anspruchsübergangs im Schreiben vom 26. Oktober 2005 und den weiteren Schreiben vom 8. November 2006, 16. November 2006 und 9. Mai 2007. Im Schreiben vom 26. Oktober 2005 hat die Beklagte die Klägerin erstmals auf den Forderungsübergang hingewiesen und ihr mitgeteilt, dass ihre Arbeitgeberin einen Teil des Entgelts, der dem gezahlten Arbeitslosengeld entsprach, an die Beklagte abführen müsse und die Klägerin zur Verfügung darüber nicht (mehr) berechtigt sei. Nach Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.) war der dortige Kläger, der ein entsprechendes Schreiben erhielt, aufgrund dessen über die schwierig zu durchschauende Rechtslage nicht hinreichend informiert, sondern eher fehlgeleitet. Er habe danach konsequenterweise gegenüber dem Arbeitgeber nur seine eigenen Ansprüche auf den (die Höhe des Arbeitslosengeldes übersteigenden) "Spitzbetrag" geltend gemacht. Die Beklagte aber hat den von ihr gegenüber dem Arbeitgeber zwar angemeldeten Anspruch nicht ausreichend weiter verfolgt, deshalb ist die Verfallfrist (2. Stufe) hinsichtlich der der Beklagten zustehenden Arbeitsentgelte eingetreten. Das LSG Niedersachsen-Bremen führt weiter aus, wäre der - auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertretene - Kläger auf diese Zusammenhänge hingewiesen worden, hätte er rechtzeitig den gesamten Anspruch - ggf. z.T. als an die Beklagte zu zahlen - geltend machen können, was im Ergebnis zu einer Gutschrift und der begehrten weiteren Zahlung von Arbeitslosengeld geführt hätte. Mithin bestanden hier naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten zur Sicherung des (vollen) Arbeitslosengeldanspruchs und zur Vermeidung des Eintritts einer Ausfallfrist.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin sogar den vollen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Arbeitsgerichtsprozess geltend gemacht. Worüber ihr damaliger Bevollmächtigter, Rechtsanwalt F., die Beklagte mit Schreiben vom 22. November 2006 unter ausdrücklichem Hinweis auf den geltenden Tarifvertrag für das Gebäudereiniger-Handwerk und die sich daraus ergebenden Verfallfristen informiert hat. Gleichzeitig hat er auf die Möglichkeit der Ermächtigung zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderungen der Beklagten hingewiesen und darauf, dass andernfalls die Klage insoweit zurückgenommen werden müsste. Auf dieses Schreiben hat die Beklagte gegenüber der Klägerin jedoch nicht reagiert. Und das, obwohl die Beklagte in anderen Fällen, nachweislich die betroffenen Arbeitslosen zur Geltendmachung ihrer Rechte gegenüber dem Arbeitgeber bevollmächtigt hat und eine solche Ermächtigung auch möglich und wirksam ist, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt (vgl. Urteile vom 19. März 2008 - 5 AZR 432/07 - und vom 23. September 2009 - 5 AZR 518/08 -, beide in juris). Danach kann ein Arbeitnehmer Vergütungsansprüche, die wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für die Bundesagentur geltend machen.
Wie im Fall des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.) ist der Ausfall der Refinanzierung auch im hier zu beurteilenden Fall noch auf weitere Fehler der Beklagten zurückzuführen. So hat sie im Schreiben vom 26. Oktober 2005 die frühere Arbeitgeberin der Klägerin zwar zur Erklärung des Einredeverzichts aufgefordert, die Abgabe der Erklärung aber nicht weiter verfolgt. Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht die Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber der damaligen Arbeitgeberin der Klägerin zeitnah verfolgt, solange eine Geltendmachung noch möglich war. Der Klägerin kann hieran keine Mitschuld angelastet werden. Sie hat ihrerseits die Beklagte stets rechtzeitig über den Stand der arbeitsgerichtlichen Verfahren informiert, insbesondere durch das Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 22. November 2006 und durch umgehende Vorlage des Urteils des Arbeitsgerichts E-Stadt vom 14. März 2007, mit dem ihr nachträglich Arbeitsentgelt (der sog. Spitzbetrag) zugesprochen worden war.
Unter den dargestellten Voraussetzungen erscheint es hier ebenso unbillig, der Klägerin die Gutschrift für die Zeit der Gleichwohlgewährung zu verweigern, wie in den Fällen, in denen die Beklagte sich tatsächlich hat refinanzieren können, weil der Ausfall der Refinanzierung allein dem Verhalten der Beklagten zuzuschreiben ist. Nach der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.) lässt sich eine Unbilligkeit dabei bereits aus der mangelnden Wahrnehmung einer Beratungspflicht im Sozialrechtsverhältnis ableiten. Darüber hinaus seien im Versicherungsverhältnis bestehende gegenseitige Pflichten der Rücksichtnahme und Schadensvermeidung, die letztlich auf den - auch im öffentlichen Recht geltenden - Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zurückgingen, verletzt. Auch rechtsstaatliche Grundsätze verlangten, den Bürger nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu machen, das dessen Folgen in jedem Fall hinzunehmen habe, ohne die Chance hinreichender eigener Einflussnahme zu haben. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheine es unbillig, den Eintritt oder die Vermeidung eines Nachteils in die Beliebigkeit des Handelns der öffentlichen Gewalt zu stellen. Diesen Erwägungen schließt sich der erkennende Senat an, zumal im hier zu entscheidenden Fall die Klägerin - durch ihren damaligen Bevollmächtigten - alles in ihrer Macht stehende getan hat, um die Beklagte zur Durchsetzung des auf sie übergegangenen Anspruchs zu veranlassen. Das Kostenrisiko wäre demgegenüber vergleichsweise gering gewesen. In Fällen wie dem vorliegenden ist die Unbilligkeit vor allem deshalb evident, weil es ausschließlich in der Macht und im Belieben der Beklagten steht, ihre Rechte gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen und die Beitreibung der auf sie übergegangenen Ansprüche durchzusetzen - oder eben nicht.
Fasst man allerdings die oben zugrunde gelegte bisherige Regel enger dahingehend auf, dass die Gutschrift nicht in jedem Fall der Unbilligkeit, sondern nur zu gewähren ist, soweit die Beklagte vom Arbeitgeber tatsächlich einen Betrag in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes erhalten hat, und lehnt eine Weiterentwicklung für andere Fälle der Unbilligkeit ab, so ergibt sich der Anspruch nach den - auch vom erstinstanzlichen Gericht angewandten - Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.). Zu den Voraussetzungen im Einzelnen und deren Vorliegen wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ein Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers kann nicht zu Lasten des auf die Sozialleistung angewiesenen Arbeitslosen gehen (Köhler in: BeckOK, SGB III, § 143 Rdnr. 10)
Ein Schaden und die Verletzung einer Nebenpflicht sowie die kausale Verknüpfung zwischen beiden sind, wie oben bereits dargelegt, gegeben. Der Schaden kann auch durch eine rechtmäßige Amtshandlung, die "ihrer Art nach" (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 1992, a. a. O.) in der Rechtsordnung vorgesehen ist, beseitigt werden, ohne die Beklagte zu rechtswidrigem Verwaltungshandeln zu verpflichten. Denn die nachträgliche Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld nach Gleichwohlgewährung ist wenn auch nicht gesetzlich vorgesehen - so doch eine in der Rechtsordnung anerkannte Folge, die die Beklagte aussprechen kann und muss, wie der Fall, dass die Arbeitsverwaltung für ihre Arbeitslosengeldleistung Ersatz erlangt hat, zeigt. Der erlittene Nachteil kann somit durch eine im Recht vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden. Die Frage der Refinanzierung betrifft eine Gegebenheit bei der Beklagten, nicht einen außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegenden Tatbestand; dessen Umgestaltung (Fiktion) ist deshalb dem (rechtmäßigen) Verwaltungshandeln der Beklagten zugänglich (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, a.a.O., m.w.N.).
Einer Aufhebung der ergangenen Bewilligungsbescheide bedurfte es nicht, denn die Bewilligung nach § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist keine vorläufige, sondern eine endgültige Entscheidung. Sie bleibt rechtmäßig, auch wenn der Arbeitslose das Arbeitsentgelt nachträglich von seinem Arbeitgeber erhält, denn die Zahlung des Arbeitgebers wirkt nicht auf die Zeit der Gleichwohlgewährung zurück (st. Rspr., z.B. BSG, Urteil vom 24. Juli 1986 - 7 RAr 4/85 – SozR 4100 § 117 Rdnr. 16; Hessisches LSG, Urteil vom 26. Juni 2006 - L 9 AL 1189/03, in juris; Keller in: NK-SGB III, 3. Aufl. 2008, § 143 Rdnr. 48).
Vorliegend hätte bei sorgfältigem Vorgehen der Beklagten von der früheren Arbeitgeberin der Klägerin Ersatz für geleistetes Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 erlangt werden können, dementsprechend hätte der Klägerin eine Gutschrift von 12 Monaten zugestanden. Diese Zeit hätte sich an den ursprünglichen Bewilligungszeitraum, der bis zum 30. Mai 2008 lief, angeschlossen. Mit dem erstinstanzlichen Urteil wurde der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 30. April 2008 bis 30. April 2009 zugesprochen. Der zeitliche Ansatz des Gutschrift-Jahres ist zwar nicht ganz korrekt erfolgt, der frühere Beginn (Überschneidung mit der Arbeitslosengeldgewährung bis 30. Mai 2008) ist jedoch unschädlich, und da von Klägerseite keine Berufung eingelegt worden ist, war auch der Beendigungszeitpunkt nicht zu korrigieren.
Die Kostenentscheidung folgt auch § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, weil die Ausweitung der bisher etablierten Billigkeitspraxis auf Fälle einer fehlenden, allein durch Verschulden der Beklagten unterbliebenen Finanzierung klärungsbedürftig erscheint.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in einem Fall der sog. Gleichwohlgewährung darum, ob der Klägerin noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht.
Die 1948 geborene Klägerin war bei der Firma CD. Gebäudeservice GmbH seit 12. August 1991 als Objektleiterin beschäftigt. Ihr letztes Bruttogehalt betrug 2.643,29 Euro.
Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis erstmals mit Schreiben vom 10. Juni 2005 zum 30. September 2005, da sie betriebsbedingt keine Möglichkeit sehe, die Klägerin über den 31. Juli 2005 hinaus zu beschäftigen. Mit außerordentlicher Kündigung vom 30. August 2005 (hilfsweise ordentlicher Kündigung zum 31. Januar 2006) kündigte die Arbeitgeberin der Klägerin erneut. Gegen beide Kündigungen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage.
Nach einer Zeit der Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeit meldete sich die Klägerin am 19. September 2005 zum 1. Oktober 2005 bei der Beklagten arbeitslos.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheiden vom 26. und 27. Oktober 2005 zunächst vorläufig Arbeitslosengeld ab 1. Oktober 2005, unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts in Höhe von 45,00 Euro täglich für eine Anspruchsdauer von 960 Tagen.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 machte die Beklagte gegenüber der Firma CD. Gebäudeservice GmbH den Anspruchsübergang gemäß § 143 Abs. 3 bzw. § 143a Abs. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i. V. m. § 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend, mit der Folge, dass eventuelle Ansprüche der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis bis zur Höhe der gezahlten Leistung auf sie übergingen. Ebenfalls mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 teilte die Beklagte auch der Klägerin den Anspruchsübergang mit und wies sie darauf hin, dass sie über ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht verfügen dürfe, soweit sie im gleichen Zeitraum Leistungen von der Beklagten erhalten habe. In dieser Höhe seien ihre Ansprüche auf die Beklagte übergegangen.
Mit Urteil vom 9. November 2005 entschied das Arbeitsgericht E-Stadt über die Kündigungsschutzklage der Klägerin und gab der Klage teilweise statt. Die Beklagte erhielt am 2. Dezember 2005 vom damaligen Bevollmächtigten der Klägerin im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Rechtsanwalt F., eine Abschrift des Urteils. Gegen das Urteil legte die Klägerin Berufung zum Landesarbeitsgericht ein. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2005 fragte die Beklagte bei der Firma CD. Gebäudeservice GmbH an, ob der arbeitsgerichtliche Rechtsstreit zwischenzeitlich beendet sei bzw. wann mit seiner Erledigung zu rechnen sei.
Nach Vorlage der Arbeitsbescheinigung der CD. Gebäudeservice GmbH bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Verfügung vom 13. Januar 2006 Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von 80,57 Euro / Leistungssatz 35,83 Euro. Nachdem die Klägerin am 15. März 2006 gegenüber der Beklagten die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III erklärt hatte, bewilligte die Beklagte mit Verfügung vom 20. April 2006 erneut Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 80,57 Euro / Leistungssatz 35,83 Euro für eine (verbleibende) Anspruchsdauer von 750 Tagen.
Mit Urteil vom 23. Oktober 2006 änderte das Hessische Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts vom 9. November 2005 ab und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der CD. Gebäudeservice GmbH durch keine der bisher erfolgten Kündigungen beendet worden ist. Die Arbeitgeberin wurde außerdem verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen und an sie einen (Teil-) Betrag in Höhe von 3.648,06 Euro zu zahlen.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 kündigte die Firma CD. Gebäudeservice GmbH der Klägerin erneut, diesmal zum 30. April 2007. Auch dagegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage.
Mit Schreiben vom 8. November 2006 fragte die Beklagte bei der Firma CD. Gebäudeservice GmbH erneut an, ob das arbeitsgerichtliche Verfahren zwischenzeitlich beendet sei, bzw. wann mit seiner Erledigung zu rechnen sei. Ebenfalls mit Schreiben vom 8. November 2006 bat die Beklagte die Klägerin um Sachstandsmitteilung im Arbeitsgerichtsverfahren. Am 16. November 2008 erfolgte ein Anruf der Arbeitgeberin, die um Bezifferung des Anspruchs für 2005 bat. Mit Schreiben vom 16. November 2006 teilte die Beklagte gegenüber der Arbeitgeberin der Klägerin mit, für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2005 sei Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 bzw. § 143 a Abs. 4 SGB III in Höhe eines Betrages von 3.224,70 Euro gezahlt worden. Dieser Betrag sei von den zu erfüllenden Ansprüchen einzubehalten und an die Beklagte zu überweisen. Eine gleichlautende Mitteilung erging auch gegenüber der Klägerin mit dem Hinweis, dass sie vorerst keine Zahlung zu leisten habe; weitere Nachricht werde erfolgen, falls die ehemalige Arbeitgeberin den Betrag nicht überweisen würde. Mit Schreiben vom 22. November 2006 informierte der damalige Bevollmächtigte der Klägerin, Rechtsanwalt F., die Beklagte über das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23. Oktober 2006 und teilte mit, dass die Klägerin im Kündigungsrechtsstreit obsiegt habe und ihre Arbeitgeberin sie als Objektleiterin weiterzubeschäftigen habe. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte ihre Ansprüche gegenüber der CD. Gebäudeservice GmbH übergeleitet habe, machte Rechtsanwalt F. die Beklagte darauf aufmerksam, dass der allgemein verbindliche Tarifvertrag für das Gebäudereingier-Handwerk Anwendung finde und für den Fall, dass die Arbeitgeberin ihr gegenüber nicht auf die Ausschlussfristen verzichtet habe, die Beklagte keine Handhabe mehr hätte, das Entgelt bei der Arbeitgeberin beizutreiben. Er wies die Beklagte auch darauf hin, dass dieser Mangel behebbar sei. Er habe bisher die Entgelte bis einschließlich September 2006 beim Arbeitsgericht in einem weiteren, eigenen Rechtsstreit eingeklagt. Am 7. Februar 2007 sei Termin zur mündlichen Verhandlung. Bis dahin müsse er die Klage wegen der Arbeitslosengeldbezüge teilweise zurücknehmen. Für den Fall, dass ihn die Beklagte aber ermächtige, die Entgelte für die Zeit und in der Höhe, in der Arbeitslosengeld gezahlt worden sei, weiterhin gegenüber der Arbeitgeberin geltend zu machen, könne er die Klage in voller Höhe aufrecht erhalten. In diesem Fall würde er wegen dieser Ansprüche den Klageantrag insoweit auf Zahlung an die Beklagte ändern. Allerdings müsse sie dann auch für die Kosten aufkommen; diese könnten nach dem Verhältnis der Ansprüche zu denen seiner Mandantin gequotelt werden. Er bat um Mitteilung, wie weiter verfahren werden solle. Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2007 teilte die CD. Gebäudeservice GmbH der Beklagten ebenfalls mit, dass vor dem Arbeitsgericht E-Stadt eine Klage anhängig sei, in der am 7. Februar 2007 über die Höhe der zu leistenden Zahlung entschieden werde und bat bis zur endgültigen Entscheidung die Zahlung auszusetzen.
Mit Urteil des Arbeitsgerichts E-Stadt vom 14. März 2007 wurde die ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin verurteilt, an sie 34.190,00 Euro brutto abzüglich gezahlter Arbeitslosengelder in Höhe von 12.898,80 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2007 machte die Beklagte bei der Firma CD. Gebäudeservice GmbH für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 den Betrag in Höhe von 12.898,80 Euro geltend. Die Klägerin erhielt eine entsprechende Mitteilung.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2007 erkundigte sich die Beklagte bei der Firma CD. Gebäudeservice GmbH, ob für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis zur erneut ausgesprochenen Kündigung zum 30. April 2007 noch Anspruch auf Arbeitsentgelt bestehe bzw. ob Gehalt für geleistete Arbeit gezahlt worden sei. Mit Schreiben vom 4. Juli 2007 teilte der Prozessbevollmächtigte der Arbeitgeberin (Rechtsanwalt G.) gegenüber der Beklagten mit, im Hinblick auf den allgemein verbindlichen Tarifvertrag der Angestellten im Gebäudereiniger-Handwerk seien die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verjährt, weil diese nicht innerhalb der vorgegebenen Frist gerichtlich geltend gemacht worden seien; die Arbeitgeberin habe nicht auf die Geltendmachung der tarifvertraglichen Ausschlussfristen verzichtet. Auf eine erneute Anfrage der Beklagten vom 19. Juli 2007, ob für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 Arbeitsentgelt an die Klägerin ausgezahlt worden sei, und Erinnerung vom 17. Oktober 2007, teilte die Firma CD. Gebäudeservice GmbH der Beklagten mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 mit, dass die Klägerin Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 am 30. April 2007 erhalten habe.
Daraufhin machte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Oktober 2007 gegenüber der Klägerin den Anspruchsübergang geltend und forderte sie auf, den Betrag in Höhe von 12.898,80 Euro an sie zu überweisen, da ihr ehemaliger Arbeitgeber das Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 an sie ausgezahlt habe. Dem dagegen von der Klägerin am 6. November 2007 erhobenen Widerspruch gab die Beklagte im Hinblick auf das Urteil des Arbeitsgerichts E-Stadt vom 14. März 2007 mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 statt.
Nachdem die Beklagte sich im Dezember 2007 die Tarifverträge für Angestellte im Gebäudereiniger-Handwerk hatte zukommen lassen, erging unter dem 14. Januar 2008 folgender Aktenvermerk: "Verzichtserklärung auf die Einrede der Verjährung wurde nicht abgegeben (auch nicht verfolgt). Die Ansprüche wurden seitens der AA nicht innerhalb der geforderten 2 Monatsfrist geltend gemacht. Eine Geltendmachung zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht mehr möglich."
Mit Schreiben vom 18. April 2008 teilte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit, ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III ende voraussichtlich am 30. Mai 2008. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 13. Mai 2008 legte die Klägerin gegen dieses Schreiben Widerspruch ein und führte aus, der Leistungsbeginn sei falsch berechnet worden. Da das Hessische Landesarbeitsgericht zwischenzeitlich rechtskräftig festgestellt habe, dass die Kündigung zum 30. September 2005 unwirksam gewesen und der Arbeitgeber von der Beklagten vom 1. Oktober 2005 bis 30. April 2007 in Anspruch genommen worden sei, hätte wegen der Folgekündigung vom 30. Oktober 2006 zum 30. April 2007 der Leistungsbeginn nunmehr auf den 1. Mai 2007 festgestellt werden müssen. Die Wirksamkeit der Kündigung vom 30. Oktober 2006 sei nunmehr Streitgegenstand eines neuen Verfahrens beim Landesarbeitsgericht. Mit Schreiben vom 3. Juni 2008 übersandte der Bevollmächtigte der Klägerin den Vergleich des Landesarbeitsgerichts vom 26. Mai 2008, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung am 30. April 2007 geendet habe.
Den Widerspruch der Klägerin verwarf die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008 als unzulässig mit der Begründung, ihr Schreiben vom 18. April 2008 stelle keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar; es habe lediglich zur Information bezüglich der Beendigung des bewilligten Leistungsanspruchs gedient. Zugleich wertete die Beklagte den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 13. Mai 2008 als Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung des Beginns des Leistungsanspruchs, der sodann durch Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2008 mit der Begründung abgelehnt worden ist, die Überprüfung habe ergeben, dass der Bescheid vom 27. Oktober 2005 nicht zu beanstanden sei. Mit Eintritt der Beschäftigungslosigkeit zum 1. Oktober 2005 sei Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 960 Kalendertagen bewilligt worden. Die Gewährung von Arbeitslosengeld sei nach § 143 Abs. 3 SGB III erfolgt, da gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses Klage erhoben worden sei. Das Arbeitsverhältnis sei aufgrund der Feststellung des Landesarbeitsgerichts nunmehr zum 30. April 2007 beendet worden. Der übergegangene Arbeitsentgeltanspruch könne gegenüber dem Arbeitgeber nicht geltend gemacht werden. Werde der auf die Beklagte übergegangene Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht realisiert, verbleibe es bei der Minderung der Anspruchsdauer. Der ab dem 1. Oktober 2005 in Anspruch genommene Arbeitslosengeldanspruch sei daher mit Ablauf des 30. Mai 2008 verbraucht, weshalb der Bescheid nicht zu beanstanden sei.
Den dagegen am 8. Juli 2008 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2008 zurück und führte zur Begründung aus, der Bescheid vom 27. Oktober 2005 sei von Rechtswegen nicht zu beanstanden, weshalb sie die sachliche Prüfung des Bescheides hätte ablehnen dürfen. Nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III mindere sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Anzahl an Tagen, für die der Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt worden sei. Der Klägerin sei durchgehend ab dem 1. Oktober 2005 Arbeitslosengeld gewährt worden und die Anspruchsdauer daher entsprechend zu mindern, sodass der Anspruch am 30. Mai 2008 erschöpft gewesen sei. Die Gewährung von Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III sei rechtmäßig erfolgt. Die Minderung der Anspruchsdauer sei nur dann unbillig und infolgedessen rückgängig zu machen, wenn der gemäß § 115 SGB X auf die Beklagte übergegangene Arbeitsentgeltanspruch befriedigt worden sei. Werde der auf die Beklagte übergegangene Arbeitsentgeltanspruch nicht realisiert, verbleibe es bei der Minderung der Anspruchsdauer. Dies gelte auch dann, wenn die Arbeitsagentur trotz möglicher Erfolgsaussichten die übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche nicht beitreibe. Im Falle der Klägerin sei der Anspruch der Arbeitsagentur trotz Anmeldung durch die Arbeitgeberin nicht erfüllt worden. Es komme auch nicht darauf an, dass seitens der Arbeitsagentur keine Klage zur Durchsetzung des Anspruchs erhoben worden sei. Nur im Falle der Befriedigung eines angemeldeten Anspruchs könne die Anspruchsdauer berichtigt werden; da im Falle der Klägerin der Anspruch nicht befriedigt worden sei, könne auch keine Berichtigung der Anspruchsdauer erfolgen.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 19. August 2008 beim Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, sie habe durch das Schreiben ihres damaligen Bevollmächtigten, Rechtsanwalt F., vom 22. November 2006 seinerzeit auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, Regressansprüche in dem vor dem Arbeitsgericht anhängigen Klageverfahren zu befriedigen. Rechtsanwalt F. habe unter Hinweis auf den anstehenden Gerichtstermin die Beklagte um Mitteilung gebeten, ob der Erstattungsanspruch für sie realisiert werden solle. Diese Anfrage sei unbeantwortet geblieben. Auch auf ihre Bitte zu bestätigen, bis wann sie Arbeitslosengeld beziehen könne, habe sie keine Antwort erhalten. Die Beklagte habe es daher bewusst unterlassen, die auf sie übergegangenen Ansprüche gegenüber ihrer ehemaligen Arbeitgeberin geltend zu machen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die Klage unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet, da die Beklagte es verabsäumt habe, sie (und ihren Bevollmächtigten) auf Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen bzw. die Realisierung der Ansprüche im Wege gewillkürter Prozesstandschaft zu ermöglichen. Dadurch entstünden auch rechtliche Nachteile in Bezug auf die Höhe ihrer Rentenansprüche. Ausgehend davon, dass sie ab dem 1. Dezember 2009 eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen würde, errechne sich eine Rentendifferenz von monatlich 27,27 Euro, was bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von noch 23,21 Jahren einen überschlägigen "Rentenschaden" von 7.600,00 Euro zur Folge habe.
Die Beklagte hat sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen und ergänzend vorgetragen, auch dann, wenn die Verjährung der Lohnansprüche für die Dauer des arbeitsgerichtlichen Verfahrens bis zum Vergleich vom 26. Mai 2008 unterbrochen gewesen wäre, wären diese Ansprüche inzwischen verfallen und eine gerichtliche Geltendmachung jetzt ohne jede Erfolgsaussicht. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Verpflichtung der Beklagten bestanden, übergegangene Ansprüche beizutreiben. Ein Unterbleiben der Beitreibung könne deshalb nicht der Minderung der Anspruchsdauer entgegenstehen. Haushaltsrechtliche Vorschriften, die die Beklagte gegebenenfalls zur Einziehung von Forderungen anhalte, begründeten keinen subjektiven Anspruch der Klägerin und damit auch keinen Anspruch, aus Billigkeitserwägungen die Anspruchsdauer zu verlängern. Schließlich sei es auch unerheblich, dass das Ansinnen des damaligen Bevollmächtigten der Klägerin, die Beklagte möge ihn beauftragen, die übergegangenen Entgeltansprüche gerichtlich geltend zu machen, nicht angenommen worden sei, weil der Anspruch auf Arbeitslosengeld durch die Zahlung bis zum 30. Mai 2008 einschließlich der Gleichwohlgewährung für die volle Anspruchsdauer erfüllt worden sei. Eine doppelte Auszahlung des Arbeitslosengeldanspruchs darüber hinaus komme nicht in Betracht.
Mit Urteil vom 5. März 2009 hat das Sozialgericht Darmstadt die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2008 dazu verurteilt, den Bescheid vom 27. Oktober 2005 zu ändern und der Klägerin Arbeitslosengeld über den 30. April 2008 hinaus bis zum 30. April 2009 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe es zu Unrecht abgelehnt, den gemäß Bescheid vom 27. Oktober 2005 festgesetzten Endzeitpunkt der Leistungsbewilligung von Arbeitslosengeld zu ändern und der Klägerin Arbeitslosengeld über den 30. April 2008 hinaus zu zahlen. Entscheidungsgrundlage sei § 44 SGB X in Verbindung mit dem richterrechtlich entwickelten Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieser habe zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder eines sozialen Rechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I) verletzt habe, also insbesondere bei einem konkret bestehenden Anlass zur Aufklärung und Beratung falsch und/oder unvollständige Hinweise gegeben oder solche ganz unterlassen habe. Dies habe auch zu gelten, soweit die Beklagte einen Hinweis oder eine Handlung unterlasse, die zur Begründung oder Verbesserung einer Leistungsposition eines Versicherten hätte führen können. Zwischen der daraus resultierenden Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen müsse ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Schließlich müsse der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Darüber hinaus müsse die Korrektur auch mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang stehen. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs seien vorliegend zu Gunsten der Klägerin erfüllt. Die Beklagte sei unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet, das Ende des Leistungsbezuges der Klägerin auf einen späteren Zeitpunkt zu legen. Hätte die Beklagte - entsprechend der Aufforderung des die Klägerin im Arbeitsgerichtsprozess vertretenden Bevollmächtigten, Rechtsanwalt F. - der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt, eine Zahlung an die Beklagte zu bewirken, hätte dies zur Folge gehabt, dass in Höhe von und für den Zeitraum, für den Arbeitsentgelt aus übergeleitetem Recht an die Beklagte gezahlt worden wäre, der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld nicht hätte nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gemindert werden dürfen. Die Beklagte könne nicht damit gehört werden, dass im Rahmen der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 SGB III, wie sie hier erfolgt sei, eine Verpflichtung ihrerseits zur klageweisen Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Arbeitgeber nicht bestanden habe. Zwar sei die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich nicht verpflichtet, selbst die Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber im Klagewege geltend zu machen. Danach bleibe die Minderung der Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld im Falle der Gleichwohlgewährung bestehen, auch wenn die Bundesagentur den übergegangenen Arbeitsentgeltanspruch trotz möglicher Erfolgsaussicht nicht beitreibe. Die Bundesagentur sei danach zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, das Prozessrisiko für die Geltendmachung rückständiger Arbeitsentgeltansprüche des Arbeitslosen zu übernehmen, weil der Arbeitslose selber gegen den ehemaligen Arbeitgeber Klage auf Zahlung des Entgeltanspruchs erheben könne, wenn er eine "Gutschrift" verbrauchter Anspruchstage erreichen wolle. Abweichend von der dort entschiedenen Fallkonstellation sei die Beklagte hier jedoch seitens der Klägerin konkret gefragt worden, ob sie einwillige, dass das Arbeitsentgelt im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht und an sie ausgezahlt werde. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass nach der gefestigten Rechtsprechung der Arbeitsgerichte die Klägerin gehindert gewesen sei, einen Anspruch auf Zahlung an sie selbst geltend zu machen, weil die Klage insoweit unbegründet gewesen wäre, denn die Klägerin sei wegen des kraft Gesetzes erfolgten Anspruchsüberganges im Rahmen der Gleichwohlgewährung nicht mehr Inhaberin der Forderung, andererseits sei aber allein durch ein Tätigwerden der Klägerin vor dem Arbeitsgericht zum damaligen Zeitpunkt der Entgeltanspruch mit Sicherheit realisierbar gewesen, ohne dass der ehemalige Arbeitgeber die Verfallklausel nach dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag habe entgegenhalten können. In diesem Sinne habe auch das Bundessozialgericht im Urteil vom 29. November 1988 ausdrücklich festgestellt, dass die Minderung des im Wege der Gleichwohlgewährung gezahlten Arbeitslosengeldes dadurch vermieden werden könne, dass der Leistungsempfänger gegen den Arbeitgeber auf Zahlung des übergegangenen Entgeltanspruchs an die Bundesagentur klage. Dann sei die insoweit allein anspruchsberechtigte Beklagte aber auch verpflichtet, die Klägerin wirksam zur gerichtlichen Geltendmachung der übergegangenen Vergütungsansprüche zu ermächtigen. Ein Kostenrisiko hätte die Beklagte dabei - wie sie bei sorgfältiger Prüfung hätte feststellen können - gar nicht oder nur in ganz geringem Umfang zu tragen gehabt. Aus diesem Pflichtversäumnis der Beklagten sei der Klägerin kausal ein Schaden entstanden - nicht nur im Hinblick auf den Wegfall des Arbeitslosengeld-Anspruchs ab 1. Juni 2008, sondern auch langfristig und in erheblichem Umfang in Bezug auf die Minderung des Rentenanspruchs. Der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil sei auch durch eine zulässige Amtshandlung zu beseitigen und die Korrektur stehe mit dem Gesetzeszweck im Einklang. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, die Klägerin habe den ihr zustehenden Gesamtanspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 960 Tagen ausgeschöpft, weshalb eine Anspruchsverlängerung nicht in Betracht kommen könne. Nach den in § 48 SGB X enthaltenen Rechtsregeln über die Korrektur von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung (so auch ein Arbeitslosengeld bewilligender Bescheid) sei dann, wenn in den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vorgelegen haben, eine Änderung eingetreten sei, der Bescheid zu ändern. Vorliegend sei die Änderung der Verhältnisse mit dem Urteil des Arbeitsgerichts über die Nachzahlung von Arbeitsentgelt bis einschließlich 30. April 2007 eingetreten. Mit der Zahlung des Entgeltes aus übergeleitetem Recht an die Beklagte wäre nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht eingetreten. Nach allgemeiner Auffassung entfalle nämlich die Minderung aus Billigkeitsgründen in dem Umfang, in dem die Bundesagentur für Arbeit Zahlungen des Arbeitgebers erhalte. Insoweit hätte die Beklagte - hätte sie der Klägerin das Recht eingeräumt, die Entgeltzahlung zu Gunsten der Beklagten gerichtlich durchzusetzen - mit Empfang der Zahlung die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung gehabt, den Bezugszeitraum von Arbeitslosengeld zu verlängern und den Endzeitpunkt der Leistungsbewilligung auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. Die Klägerin hätte in diesem Fall insgesamt nicht länger Arbeitslosengeld bezogen, als eben für die ihr zuerkannten 960 Tage, weil mit dem Zugang des Geldes bei der Beklagten eine "Gutschrift" der Anspruchsminderung hätte erfolgen und der Endzeitpunkt der Leistungsbewilligung entsprechend verschoben werden müssen. Die Beklagte sei deshalb zu verurteilen gewesen, der Klägerin Arbeitslosengeld auch über den 31. Mai 2008 (nicht 30. April 2008) hinaus zu gewähren.
Gegen das ihr am 10. Juni 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Juli 2009 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dem Urteil des Sozialgerichts Darmstadt könne weder im Ergebnis noch hinsichtlich der Begründung gefolgt werden. Die Klägerin habe Arbeitslosengeld unter Anwendung des § 143 Abs. 3 SGB III erhalten. Es handele sich um eine rechtmäßige Zahlung, die gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III zur Minderung der Anspruchsdauer führe. Die Minderung könne nur rückgängig gemacht werden, wenn ein nach § 115 SGB X auf die Beklagte übergegangener Anspruch vom (früheren) Arbeitgeber der Klägerin befriedigt werde. Werde der auf sie übergegangene Arbeitsentgeltanspruch nicht realisiert, verbleibe es bei der Minderung der Anspruchsdauer. Dies gelte auch dann, wenn die Beklagte trotz möglicher Erfolgsaussichten den übergegangenen Entgeltanspruch nicht beitreibe. Unter Berücksichtigung dieser, von der Rechtsprechung bestätigter, Grundsätze müsse es deshalb bei der Minderung der Anspruchsdauer für die hier maßgebliche Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 verbleiben. Der Auffassung des Sozialgerichts, die Beklagte sei über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verpflichtet, das Ende des Leistungsbezuges der Klägerin auf einen späteren Zeitpunkt zu legen, könne nicht gefolgt werden, denn die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu Gunsten der Klägerin seien nicht erfüllt. Bestandteil ihrer Auskunfts- und Beratungspflicht sei es, den Arbeitslosen auf Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch hinzuweisen, um ihn in die Lage zu versetzen, das zu unternehmen, was seine Leistungsposition verbessere. Es gehöre dagegen nicht zu ihren Pflichten, dem Arbeitslosen eine bestimmte Vorgehensweise vor dem Arbeitsgericht zu empfehlen. Folglich könne es keinen Verstoß gegen die Auskunfts- und Beratungspflicht darstellen, wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trotz seines Vorschlags nicht von ihr ermächtigt worden sei, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft den auf sie übergegangenen Entgeltanspruch im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch könnte aber auch bei anderer Betrachtungsweise nicht zur Anwendung kommen, denn ein aufgrund einer Verletzung der Auskunfts- und Beratungspflicht entstandener Nachteil könne im Rahmen des Herstellungsanspruchs nur durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für eine Dauer von 960 Tagen mit Ablauf des 30. Mai 2008 erfüllt gewesen sei. Eine weitere Zahlung von Arbeitslosengeld über die gesetzlich zustehende und bereits erfüllte Dauer hinaus sei nicht möglich. Damit scheide eine zulässige Amtshandlung aus. Daran ändere auch die vom Sozialgericht herangezogene Korrekturmöglichkeit des § 48 SGB X für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung nichts. § 48 SGB X setze eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen voraus. Das Sozialgericht beziehe sich insoweit auf den Umstand, dass ein Urteil des Arbeitsgerichts über die Nachzahlung von Arbeitsentgelt erging. Die Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, den Bezugszeitraum von Arbeitslosengeld zu verlängern, wenn sie der Klägerin die Ermächtigung zur Geltendmachung der Entgeltansprüche zu Gunsten der Beklagten vor dem Arbeitsgericht erteilt hätte. Die Änderung der Verhältnisse wäre aus Sicht des Sozialgerichts eingetreten, wenn der Arbeitgeber den auf die Beklagte übergegangenen Entgeltanteil gezahlt hätte. Damit stelle das Sozialgericht aber auf fiktive Ereignisse ab, die für die Anwendung des § 48 SGB X nicht ausreichten. Eine Befriedigung übergegangener Ansprüche sei gerade nicht erfolgt. Selbst bei einem (wie von der Klägerseite unterstellten) Fehlverhalten der Beklagten käme eine Korrektur im Wege des Herstellungsanspruchs jedenfalls deshalb nicht in Frage, weil ein Ausgleich des behaupteten Nachteils auf ein gesetzwidriges Handeln der Beklagten hinauslaufen würde, denn es stehe kein Arbeitslosengeldanspruch mehr zur Verfügung, der noch erfüllt werden könnte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin, die seit dem 1. Mai 2009 Rente bezieht, macht geltend, die Berufungsbegründung der Beklagten gehe am Kern des Rechtsstreits vorbei und greife das Urteil des Sozialgerichts im entscheidenden Punkt überhaupt nicht an. Das Gericht stütze seine Entscheidung keineswegs (allein) auf den Umstand, die Beklagte habe es versäumt, den Bevollmächtigten der Klägerin im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu ermächtigen, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft die auf sie übergegangenen Entgeltansprüche geltend zu machen. Maßgeblich sei vielmehr, dass dann, wenn die Beklagte entsprechend der Aufforderung des die Klägerin damals vertretenden Rechtsanwalts F., ihr die Möglichkeit eingeräumt hätte, eine Zahlung an die Beklagte zu bewirken, dies zur Folge gehabt hätte, dass in Höhe von und für den Zeitraum, für den Arbeitsentgelt aus übergeleitetem Recht an sie gezahlt worden wäre, der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld nicht nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III hätte gemindert werden dürfen. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einem wesentlichen Punkt. Die Beklagte sei vom Bevollmächtigten der Klägerin im anhängig gewesenen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht, aber auch noch während des Ablaufs der Ausschlussfrist von der Klägerin selbst, wiederholt darauf hingewiesen worden, dass Erstattungsansprüche gegenüber dem damaligen Arbeitgeber geltend gemacht werden könnten, indem man sie zur Geltendmachung ermächtige, oder mit guten Erfolgsaussichten wegen des zusprechenden Urteils des Arbeitsgerichts von der Beklagten selbst hätten geltend gemacht werden können. Da die Beklagte auf wiederholte Hinweise nicht reagiert und das Naheliegende nicht veranlasst habe, stelle dies nach vollkommen zutreffender Auffassung der angegriffenen Entscheidung den Beratungsfehler dar. Es gehe mitnichten um die Frage, ob die Beklagte nur verpflichtet gewesen sei, den Arbeitslosen auf Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch hinzuweisen, um ihn in die Lage zu versetzen, das zu unternehmen, was seine Leistungsposition verbessern könnte. Das Sozialgesetzbuch biete mit § 115 SGB X und §§ 143, 128 SGB III das "sozialrechtliche Rüstzeug", um die vom Sozialgericht zugesprochene Verbesserung der Rechtsposition der Klägerin zu erreichen. Die weitere Argumentation der Beklagten, über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne nur eine Rechtsposition zugesprochen werden, auf die ein Anspruch bestehe, die Klägerin habe aber rechtmäßig ihren Leistungsanspruch ausgeschöpft, breche dann in sich zusammen. Die Beklagte wolle ganz offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen, wie der Sachverhalt "rechtmäßiger" abgewickelt worden wäre, wenn die Klägerin von ihr ermächtigt worden wäre, übergegangene Vergütungsansprüche für sie geltend zu machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Darmstadt hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2008 dazu verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld bis zum 30. April 2009 zu gewähren.
Zutreffend geht die Beklagte allerdings davon aus, dass sie den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den §§ 117 ff. SGB III im Umfang der von der Klägerin nach ihrer Vorversicherungszeit erworbenen Anwartschaft (zunächst) vollständig in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. Mai 2008 (960 Tage) erfüllt hat. Das im Wege der Gleichwohlgewährung, also für die Zeit des eigentlich zustehenden Lohnanspruchs, gezahlte Arbeitslosengeld ist auf die Anspruchsdauer anzurechnen. Das folgt zwingend aus § 143 Abs. 1 und 3 SGB III. Denn dort heißt es zwar in Absatz 1 zunächst, der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe während der Zeit, während der der Arbeitslose Arbeitsentgelt (erhalte oder) zu beanspruchen habe, hier also in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. April 2007. Im Anschluss ist jedoch in Absatz 3 Satz 1 weitergehend geregelt, dass das Arbeitslosengeld (ausnahmsweise) auch für diejenige Zeit geleistet werde, in der der Arbeitslosengeld-Anspruch ruhe, soweit der Arbeitslose das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhalte. Dass sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Zahl von Tagen mindert, für die der Anspruch erfüllt worden ist, ist in § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ausdrücklich vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 11. Juni 1987 - 7 RAr 16/86 -, SozR 4100 § 117 Nr. 18 und Urteil vom 29. November 1988 - 11/7 RAr 79/87 -, SozR 4100 § 117 Nr. 23) bleibt es bei der unter Anrechnung des Gleichwohlgewährungszeitraumes ermittelten Leistungsdauer auch dann, wenn die Arbeitsverwaltung, aus welchen Gründen auch immer, den auf sie übergegangenen Entgeltanspruch nicht beitreibt.
Demgegenüber besteht in der Praxis der Beklagten und in der Literatur - bestätigt durch die höchstrichterliche Rechtsprechung - bereits seit Jahrzehnten Einigkeit darin, dass die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes in Fällen der Gleichwohlgewährung nachträglich durch eine entsprechende "Gutschrift" zu verlängern ist, wenn es die Billigkeit erfordert bzw. die Versagung einer Gutschrift "unbillig erscheint" (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 1979 - 7 RAr 51/78 -, in juris; Urteil vom 24. Juli 1986, - 7 RAr 4/85 -, SozR 4100 § 117 Nr. 16; Urteil vom 11. Juni 1987, a.a.O. und Urteil vom 29. Januar 2008 B 7/7a AL 58/06 R, in juris, vgl. auch Hessisches LSG, Urteil vom 26. Juni 2006 - L 9 AL 1189/03 -, in juris). Eine solche Unbilligkeit ist bisher in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - soweit ersichtlich - ausschließlich angenommen worden, wenn die Beklagte für das in der Zeit der Gleichwohlgewährung gezahlte Arbeitslosengeld tatsächlich Ersatz erlangt hat. Dagegen ist eine Gutschrift abgelehnt worden, wenn die Beklagte lediglich (möglicherweise) hätte Ersatz erlangen können, sofern sie den Anspruch mit allen Mitteln, ggf. auch gerichtlich, beigetrieben hätte, diesen Ersatz aber tatsächlich nicht erlangt hat. Das ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Verfolgung von Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers nicht zu den Aufgaben der Beklagten gehöre und sie nicht zur Tragung des Prozessrisikos verpflichtet sein könne, während der Arbeitnehmer auf diese Weise quasi eine "unentgeltliche Rechtsschutzversicherung" (BSG Urteil vom 29. November 1988, a. a. O.) erhalte. Darüber hinaus hat das Bundessozialgericht in der letztgenannten Entscheidung auch eine Rechtspflicht der Beklagten verneint, den Arbeitslosen über die Möglichkeit zu belehren, selbst Klage zu erheben, weil davon ausgegangen werden müsse, dass der Arbeitnehmer wisse, auf welche Weise er gegen den Arbeitgeber vorzugehen habe, wenngleich insoweit ein Hinweis im Merkblatt der Arbeitsverwaltung für zweckmäßig angesehen wurde.
Gegenüber der Beschränkung der "Gutschrift-Regel" auf die Fälle tatsächlicher Refinanzierung der Arbeitsverwaltung werden in der Literatur Bedenken geltend gemacht. So wird vertreten, dass die Arbeitsverwaltung, jedenfalls in nicht aussichtslosen Fällen, den Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend zu machen habe und anderenfalls ein Herstellungsanspruch in Betracht komme bzw. dass die Beklagte nur aus sachgerechten Gründen im Hinblick auf das Kostenrisiko die Beitreibung unterlassen dürfe, in diesem Fall aber außerdem eine rechtzeitige Information des Arbeitnehmers erforderlich sei (vgl. Steinmeyer in: Gagel, AFG, Stand: 1998, § 110 Rdnr. 28; Winkler in: Gagel, Stand: Juli 2010, SGB II/SGB III, § 143 Rdnr. 93, 94). Habe die Arbeitsagentur tarifvertragliche Verfallfristen verstreichen lassen, gehe dies nicht zu Lasten des Arbeitnehmers, da er ansonsten hinsichtlich der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld allein deshalb benachteiligt würde, weil die Arbeitsagentur - pflichtwidrig - Fristen versäumt habe (Köhler in: BeckOK, SGB III, § 143 Rdnr. 10, unter Befürwortung einer entsprechenden Anwendung der Rechtsgrundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch). Die Rechtsstellung des Arbeitnehmers könne in problematischer Weise beeinträchtigt werden, weil die Möglichkeit, den Entgeltanspruch, auch im Wege der Klage, zugunsten der Beklagten geltend zu machen, dem Arbeitnehmer in der Regel - jedenfalls ohne entsprechende Beratung - kaum erkennbar sei (Düe in: Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 143 Rdnr. 47). Der Anspruchsübergang begründe eine "treuhänderische Bindung" der Beklagten, wobei der Gefährdung des Arbeitslosengeldanspruchs hinsichtlich seiner vollen Leistungsdauer aufgrund der nunmehr geltenden regelmäßigen Beschränkung des Anspruchs auf zwölf Monate erhöhtes Gewicht zukomme (Düe, a. a. O.).
Diese in der Literatur schon seit längerem geäußerten Erwägungen wurden inzwischen auch von der Rechtsprechung aufgegriffen, insbesondere vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 3. September 2009 (L 12 AL 46/07, in juris). Insoweit wird allerdings darauf abgestellt, dass das angesprochene - richterrechtlich entwickelte - Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht heranzuziehen sei, wenn sich der Anspruch direkt aufgrund einer (speziellen) Anspruchsgrundlage ergebe und dass davon auszugehen sei, dass die oben beschriebene anerkannte Praxis der Gutschrift - schon im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) - mehr als eine unverbindliche "Kulanzpraxis" sei, vielmehr als verbindliche Regel anzusehen sei, wobei dahingestellt bleiben könne, ob es sich bereits um eine gewohnheits- oder richterrechtlich begründete Norm handele. Sie lasse sich abstrahiert von der konkreten Fallgestaltung einer tatsächlich erfolgten Refinanzierung des Arbeitslosengeldes bei der Beklagten - dahin fassen, dass die Anspruchsdauer nach Gleichwohlgewährung durch eine Gutschrift zu verlängern sei, wenn es die Billigkeit erfordere. Soweit diese Regel - entsprechend den bisherigen Anwendungsfällen - auf den Fall tatsächlicher Refinanzierung beschränkt sein sollte, sei - jedenfalls für Fälle wie den dort entschiedenen - ihre Erweiterung geboten. Dieser Auffassung schließt sich der entscheidende Senat an und hält auch hinsichtlich der Konstellation im hier zu beurteilenden Fall eine Erweiterung der "Gutschrift-Regel" für geboten.
Die Verweigerung einer Gutschrift wäre im vorliegenden Fall - ebenso wie in den Fällen der erfolgten Refinanzierung - unbillig. Denn die Klägerin erlitte einen Nachteil, dessen Eintritt die Beklagte durch ihr Verhalten mit verursacht hat, während der Klägerin eine schuldhafte Verletzung von Obliegenheiten nicht vorgeworfen werden kann. Das ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles. Diese sind im vorliegenden Fall vor allem dadurch geprägt, dass die Beklagte (nach erfolgter Anzeige) selbst nichts unternommen hat, um die auf sie übergegangenen Ansprüche gegenüber der früheren Arbeitgeberin der Klägerin durchzusetzen und die Klägerin - selbst auf Nachfrage - darüber nicht informiert hat. Die Pflicht zumindest zu entsprechenden Hinweisen ergibt sich bereits aus den aus § 14 und § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) abzuleitenden Pflichten zur Beratung sowie zu einer dem konkreten Anlass entsprechenden "verständnisvollen Förderung" (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 1992, - 11 RAr 65/91 -, SozR 3-4100 § 103 Nr. 8) aufgrund des Sozialrechtsverhältnisses, das zwischen dem Kläger und der Beklagten mit dem Antrag auf Arbeitslosengeld entstanden ist, ebenso wie aus der oben erwähnten "treuhänderischen Bindung" nach gesetzlichem Forderungsübergang. Der Beratungsbedarf in dieser Lage ist erkennbar hoch im Hinblick auf die - für den Arbeitslosen nicht ohne Weiteres zu erwartende und keineswegs allgemein bekannte - juristische Konstruktion im Rahmen der Gleichwohlgewährung mit gesetzlichem Forderungsübergang und dem daraus resultierenden rechtlichen Schicksal des Arbeitslosengeldanspruchs einerseits und des Arbeitsentgeltanspruchs andererseits. Besonderer Beratungsbedarf ergibt sich in dieser Situation auch deshalb, weil der Arbeitslose sich in einer Zwangslage befindet, wenn er einerseits auf Arbeitslohn oder Lohnersatzleistungen angewiesen ist, andererseits aber noch nicht weiß, ob er seinen Arbeitsentgeltanspruch gegen den Arbeitgeber durchsetzen kann und deshalb zunächst Arbeitslosengeld beantragen muss (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.).
Im vorliegenden Fall hatte der im arbeitsrechtlichen Verfahren Bevollmächtigte der Klägerin, Rechtsanwalt F., die Beklagte mit seinem Schreiben vom 22. November 2006 vollumfänglich über den Stand der arbeitsgerichtlichen Verfahren informiert und mitgeteilt, dass das Hessische Landesarbeitsgericht festgestellt habe, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch keine der bisher ausgesprochenen Kündigungen gelöst worden und sie weiter zu beschäftigen sei. Gleichzeitig hat er die Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Klägerin das ausstehende Entgelt bis einschließlich September 2006 beim Arbeitsgericht eingeklagt habe und am 7. Februar 2007 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat auch auf den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für das Gebäudereiniger-Handwerk und die darin enthaltenen Ausschlussfristen hingewiesen, sowie die Möglichkeit aufgezeigt, die Ansprüche für die Beklagte im Arbeitsgerichtsverfahren mit geltend zu machen. Damit lagen der Beklagten die relevanten Informationen über den Stand der arbeitsgerichtlichen Verfahren vor und die Klägerin durfte auf ein Eingehen der Beklagten auf diese Situation und ggf. von ihr zu beachtende Konsequenzen vertrauen.
Die Beklagte mag zwar nicht zur Eingehung eines Prozessrisikos verpflichtet sein, sie muss dem Arbeitslosen jedoch die Möglichkeit der Wahrung seiner Rechte einräumen. In dem gegebenen Dreiecksverhältnis (Kläger - Arbeitgeber - Beklagte) muss die Beklagte den Arbeitslosen zumindest darüber informieren, inwieweit sie selbst etwas zur Sicherung und Durchsetzung des Anspruchs unternimmt oder nicht und ihm ggf. die Möglichkeit einräumen, den auf sie übergegangenen Anspruch in Prozessstandschaft gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, a.a.O.). Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht hinreichend gerecht geworden und hat so der Klägerin keine Möglichkeit gegeben, ihr entstehende Nachteile ggf. abzuwenden.
In dem hier zu entscheidenden Fall liegt eine vergleichbare Konstellation, wie in dem vom LSG Niedersachsen-Bremen entschiedenen Fall vor. Auch dort hatte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers die Erstattung des geleisteten Arbeitslosengeldes unter Berufung auf die Ausschlussregelung in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag (Bundes-Rahmentarifvertrag für das Baugewerbe) abgelehnt. Aus diesem Tarifvertrag hat sich ebenso wie im vorliegenden Fall die Ausschlussfrist von zwei Monaten sowohl für die schriftliche Geltendmachung nach Fälligkeit (erste Stufe) als auch für die gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung oder zweiwöchigem Schweigen nach Geltendmachung (zweite Stufe) ergeben. Auf die Möglichkeit, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen, wurde ebenfalls nicht verzichtet, weshalb die Forderung der Beklagten letztendlich verfristet war.
Anders als in dem entschiedenen Fall ist die Klägerin hier zwar durch die Beklagten bereits mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 (und nachfolgenden Schreiben vom 8. November 2006, 16. November 2006 und 9. Mai 2007) über den Anspruchsübergang informiert worden, die fehlende Information hat das LSG Niedersachsen-Bremen, aber auch nicht als kausal für den eingetretenen Schaden angesehen. Denn die Erhebung der Kündigungsschutzklage durch den Kläger hat (zunächst) den Eintritt der tarifvertraglichen Ausschlussfrist in der ersten Stufe - auch für den auf die Beklagte übergegangenen Teil des Anspruchs - vermieden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.).
Kausal geworden sind aber weitere Versäumnisse der Beklagten im Zusammenhang mit der Mitteilung des Anspruchsübergangs im Schreiben vom 26. Oktober 2005 und den weiteren Schreiben vom 8. November 2006, 16. November 2006 und 9. Mai 2007. Im Schreiben vom 26. Oktober 2005 hat die Beklagte die Klägerin erstmals auf den Forderungsübergang hingewiesen und ihr mitgeteilt, dass ihre Arbeitgeberin einen Teil des Entgelts, der dem gezahlten Arbeitslosengeld entsprach, an die Beklagte abführen müsse und die Klägerin zur Verfügung darüber nicht (mehr) berechtigt sei. Nach Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.) war der dortige Kläger, der ein entsprechendes Schreiben erhielt, aufgrund dessen über die schwierig zu durchschauende Rechtslage nicht hinreichend informiert, sondern eher fehlgeleitet. Er habe danach konsequenterweise gegenüber dem Arbeitgeber nur seine eigenen Ansprüche auf den (die Höhe des Arbeitslosengeldes übersteigenden) "Spitzbetrag" geltend gemacht. Die Beklagte aber hat den von ihr gegenüber dem Arbeitgeber zwar angemeldeten Anspruch nicht ausreichend weiter verfolgt, deshalb ist die Verfallfrist (2. Stufe) hinsichtlich der der Beklagten zustehenden Arbeitsentgelte eingetreten. Das LSG Niedersachsen-Bremen führt weiter aus, wäre der - auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertretene - Kläger auf diese Zusammenhänge hingewiesen worden, hätte er rechtzeitig den gesamten Anspruch - ggf. z.T. als an die Beklagte zu zahlen - geltend machen können, was im Ergebnis zu einer Gutschrift und der begehrten weiteren Zahlung von Arbeitslosengeld geführt hätte. Mithin bestanden hier naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten zur Sicherung des (vollen) Arbeitslosengeldanspruchs und zur Vermeidung des Eintritts einer Ausfallfrist.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin sogar den vollen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Arbeitsgerichtsprozess geltend gemacht. Worüber ihr damaliger Bevollmächtigter, Rechtsanwalt F., die Beklagte mit Schreiben vom 22. November 2006 unter ausdrücklichem Hinweis auf den geltenden Tarifvertrag für das Gebäudereiniger-Handwerk und die sich daraus ergebenden Verfallfristen informiert hat. Gleichzeitig hat er auf die Möglichkeit der Ermächtigung zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderungen der Beklagten hingewiesen und darauf, dass andernfalls die Klage insoweit zurückgenommen werden müsste. Auf dieses Schreiben hat die Beklagte gegenüber der Klägerin jedoch nicht reagiert. Und das, obwohl die Beklagte in anderen Fällen, nachweislich die betroffenen Arbeitslosen zur Geltendmachung ihrer Rechte gegenüber dem Arbeitgeber bevollmächtigt hat und eine solche Ermächtigung auch möglich und wirksam ist, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt (vgl. Urteile vom 19. März 2008 - 5 AZR 432/07 - und vom 23. September 2009 - 5 AZR 518/08 -, beide in juris). Danach kann ein Arbeitnehmer Vergütungsansprüche, die wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für die Bundesagentur geltend machen.
Wie im Fall des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.) ist der Ausfall der Refinanzierung auch im hier zu beurteilenden Fall noch auf weitere Fehler der Beklagten zurückzuführen. So hat sie im Schreiben vom 26. Oktober 2005 die frühere Arbeitgeberin der Klägerin zwar zur Erklärung des Einredeverzichts aufgefordert, die Abgabe der Erklärung aber nicht weiter verfolgt. Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht die Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber der damaligen Arbeitgeberin der Klägerin zeitnah verfolgt, solange eine Geltendmachung noch möglich war. Der Klägerin kann hieran keine Mitschuld angelastet werden. Sie hat ihrerseits die Beklagte stets rechtzeitig über den Stand der arbeitsgerichtlichen Verfahren informiert, insbesondere durch das Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 22. November 2006 und durch umgehende Vorlage des Urteils des Arbeitsgerichts E-Stadt vom 14. März 2007, mit dem ihr nachträglich Arbeitsentgelt (der sog. Spitzbetrag) zugesprochen worden war.
Unter den dargestellten Voraussetzungen erscheint es hier ebenso unbillig, der Klägerin die Gutschrift für die Zeit der Gleichwohlgewährung zu verweigern, wie in den Fällen, in denen die Beklagte sich tatsächlich hat refinanzieren können, weil der Ausfall der Refinanzierung allein dem Verhalten der Beklagten zuzuschreiben ist. Nach der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.) lässt sich eine Unbilligkeit dabei bereits aus der mangelnden Wahrnehmung einer Beratungspflicht im Sozialrechtsverhältnis ableiten. Darüber hinaus seien im Versicherungsverhältnis bestehende gegenseitige Pflichten der Rücksichtnahme und Schadensvermeidung, die letztlich auf den - auch im öffentlichen Recht geltenden - Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zurückgingen, verletzt. Auch rechtsstaatliche Grundsätze verlangten, den Bürger nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu machen, das dessen Folgen in jedem Fall hinzunehmen habe, ohne die Chance hinreichender eigener Einflussnahme zu haben. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheine es unbillig, den Eintritt oder die Vermeidung eines Nachteils in die Beliebigkeit des Handelns der öffentlichen Gewalt zu stellen. Diesen Erwägungen schließt sich der erkennende Senat an, zumal im hier zu entscheidenden Fall die Klägerin - durch ihren damaligen Bevollmächtigten - alles in ihrer Macht stehende getan hat, um die Beklagte zur Durchsetzung des auf sie übergegangenen Anspruchs zu veranlassen. Das Kostenrisiko wäre demgegenüber vergleichsweise gering gewesen. In Fällen wie dem vorliegenden ist die Unbilligkeit vor allem deshalb evident, weil es ausschließlich in der Macht und im Belieben der Beklagten steht, ihre Rechte gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen und die Beitreibung der auf sie übergegangenen Ansprüche durchzusetzen - oder eben nicht.
Fasst man allerdings die oben zugrunde gelegte bisherige Regel enger dahingehend auf, dass die Gutschrift nicht in jedem Fall der Unbilligkeit, sondern nur zu gewähren ist, soweit die Beklagte vom Arbeitgeber tatsächlich einen Betrag in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes erhalten hat, und lehnt eine Weiterentwicklung für andere Fälle der Unbilligkeit ab, so ergibt sich der Anspruch nach den - auch vom erstinstanzlichen Gericht angewandten - Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, a. a. O.). Zu den Voraussetzungen im Einzelnen und deren Vorliegen wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ein Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers kann nicht zu Lasten des auf die Sozialleistung angewiesenen Arbeitslosen gehen (Köhler in: BeckOK, SGB III, § 143 Rdnr. 10)
Ein Schaden und die Verletzung einer Nebenpflicht sowie die kausale Verknüpfung zwischen beiden sind, wie oben bereits dargelegt, gegeben. Der Schaden kann auch durch eine rechtmäßige Amtshandlung, die "ihrer Art nach" (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 1992, a. a. O.) in der Rechtsordnung vorgesehen ist, beseitigt werden, ohne die Beklagte zu rechtswidrigem Verwaltungshandeln zu verpflichten. Denn die nachträgliche Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld nach Gleichwohlgewährung ist wenn auch nicht gesetzlich vorgesehen - so doch eine in der Rechtsordnung anerkannte Folge, die die Beklagte aussprechen kann und muss, wie der Fall, dass die Arbeitsverwaltung für ihre Arbeitslosengeldleistung Ersatz erlangt hat, zeigt. Der erlittene Nachteil kann somit durch eine im Recht vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden. Die Frage der Refinanzierung betrifft eine Gegebenheit bei der Beklagten, nicht einen außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegenden Tatbestand; dessen Umgestaltung (Fiktion) ist deshalb dem (rechtmäßigen) Verwaltungshandeln der Beklagten zugänglich (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, a.a.O., m.w.N.).
Einer Aufhebung der ergangenen Bewilligungsbescheide bedurfte es nicht, denn die Bewilligung nach § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist keine vorläufige, sondern eine endgültige Entscheidung. Sie bleibt rechtmäßig, auch wenn der Arbeitslose das Arbeitsentgelt nachträglich von seinem Arbeitgeber erhält, denn die Zahlung des Arbeitgebers wirkt nicht auf die Zeit der Gleichwohlgewährung zurück (st. Rspr., z.B. BSG, Urteil vom 24. Juli 1986 - 7 RAr 4/85 – SozR 4100 § 117 Rdnr. 16; Hessisches LSG, Urteil vom 26. Juni 2006 - L 9 AL 1189/03, in juris; Keller in: NK-SGB III, 3. Aufl. 2008, § 143 Rdnr. 48).
Vorliegend hätte bei sorgfältigem Vorgehen der Beklagten von der früheren Arbeitgeberin der Klägerin Ersatz für geleistetes Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 erlangt werden können, dementsprechend hätte der Klägerin eine Gutschrift von 12 Monaten zugestanden. Diese Zeit hätte sich an den ursprünglichen Bewilligungszeitraum, der bis zum 30. Mai 2008 lief, angeschlossen. Mit dem erstinstanzlichen Urteil wurde der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 30. April 2008 bis 30. April 2009 zugesprochen. Der zeitliche Ansatz des Gutschrift-Jahres ist zwar nicht ganz korrekt erfolgt, der frühere Beginn (Überschneidung mit der Arbeitslosengeldgewährung bis 30. Mai 2008) ist jedoch unschädlich, und da von Klägerseite keine Berufung eingelegt worden ist, war auch der Beendigungszeitpunkt nicht zu korrigieren.
Die Kostenentscheidung folgt auch § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, weil die Ausweitung der bisher etablierten Billigkeitspraxis auf Fälle einer fehlenden, allein durch Verschulden der Beklagten unterbliebenen Finanzierung klärungsbedürftig erscheint.
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