L 1 R 287/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 505/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 287/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. August 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob zugunsten des Klägers weitere Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz mit den dabei erzielten Entgelten festzustellen sind.

Der am ... 1944 geborene Kläger erhielt mit Urkunde der Ingenieurhochschule Köthen vom 21. Januar 1972 das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieurökonom zu führen. Er war danach bis zum 31. Dezember 1979 als Ingenieurökonom beim VEB Deutsches Hydrierwerk Rodleben beschäftigt. Vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1984 arbeitete er beim Institut für Impfstoffe D. als Mitarbeiter der Gruppe Wissenschaftliche Arbeitsorganisation (WAO). Vom 1. Januar 1985 bis zum 30. Juni 1990 war er zunächst als Mitarbeiter und danach als Gruppenleiter Leitungsorganisation beim VEB Impfstoffwerk Dessau-Tornau beschäftigt. Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) entrichtete er ab November 1980. Eine schriftliche Versorgungszusage erhielt er zur Zeit der DDR nicht.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. März 2006 (Az: S 1 RA 71/04) wies das Sozialgericht Dessau (heute Dessau-Roßlau (SG)) eine auf Feststellung des Beschäftigungszeitraumes vom 21. Januar 1972 bis zum 30. Juni 1990 gerichtete Klage ab. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren (Az: L 1 R 189/06) schlug die Beklagte einen Vergleich vor, wonach sie anerkenne, dass das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) anwendbar sei, und nach Abschluss des Verfahrens einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid über die berücksichtigungsfähigen Pflichtbeitragszeiten nach § 5 AAÜG erteile. Nach Annahme des Vergleichsangebots durch den Kläger stellte die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 22. März 2007 die Zeiten vom 1. Januar 1972 bis zum 31. Dezember 1979 und vom 1. Januar 1985 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die entsprechenden Arbeitsentgelte fest. Eine Anerkennung des Zeitraums vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1984 (Zeit der Beschäftigung beim Institut für Impfstoffe Dessau) lehnte sie mit der Begründung ab, die Beschäftigung sei nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb ausgeübt worden. Hiergegen legte der Kläger am 20. April 2007 Widerspruch ein und machte geltend, bei dem Institut für Impfstoffe habe es sich um einen produzierenden Betrieb gehandelt, da die Produktion von Impfstoffen gegenüber der Forschung im Vordergrund gestanden habe. Zum Beleg legte er ein Schreiben des Geschäftsführers des Impfstoffwerks Dessau-Tornau GmbH vom 1. Februar 2007 vor, der ausführte, dass bereits seit den 1970er Jahren trotz des Namens "Institut für Impfstoffe" die Produktion gegenüber der Forschung dominiert habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2007 wies die Beklagte diesen Widerspruch zurück. Das Institut für Impfstoffe sei innerhalb der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR der Wirtschaftsgruppe 81110 (Wissenschaftliche Forschungsinstitute und Laboratorien) zugeordnet gewesen. Damit habe es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) oder einen gleichgestellten Betrieb nach § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. S. 487) gehandelt. Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger nach seinem Vortrag am 06. September 2007 bekannt gegeben worden.

Der Kläger hat daraufhin am 08. Oktober 2007 (einem Montag) Klage beim SG erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass es sich bei dem Institut für Impfstoffe Dessau. schon immer um einen Produktionsbetrieb gehandelt habe. Dazu hat er einen Aufsatz über das Institut, ein Schreiben der IDT Biologica GmbH vom 21. November 2007, das bereits genannte Schreiben der Impfstoffwerk Dessau-Tornau GmbH vom 1. Februar 2007 sowie weitere betriebliche Unterlagen vorgelegt. Nach dem Schreiben der IDT Biologica GmbH ergebe sich aus den Umsatzzahlen und weiteren Kennziffern der Charakter des Instituts als Produktionsbetrieb. Die Zuordnung als Akademie entspreche nur den staatlichen Regulierungen der DDR, nicht aber den tatsächlichen Leistungen. Das SG hat Registerauszüge zum Institut für Impfstoffe Dessau beigezogen. Es hat mit Gerichtsbescheid vom 19. August 2008 die Klage abgewiesen. Bei dem Institut für Impfstoffe Dessau habe es sich nicht um einen volkseigenen Betrieb gehandelt. Das Institut sei auch kein Forschungsinstitut gewesen, da seine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten nicht die Förderung der massenhaften Herstellung von Gütern und Waren oder Bauwerken im Sinne des fordistischen Produktionsmodells bezweckt hätten.

Gegen den am 22. August 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. September 2008 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Er ergänzt sein bisheriges Vorbringen und trägt vor, dass das Institut für Impfstoffe eine anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der bedarfsgerechten Versorgung mit Biopräparaten, Impfstoffen, Arzneimitteln, pharmazeutischen Grundstoffen und Diagnostica verfolgt habe. Die Intensivierung und Rationalisierung der Produktion habe zu den Aufgaben des Institutes gehört. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Betriebes habe eindeutig in der Produktion gelegen. Diesbezüglich verweist er erneut auf die Schreiben der Impfstoffwerk Dessau-Tornau GmbH vom 1. Februar 2007 sowie der IDT Biologica GmbH vom 21. November 2007.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. August 2008 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. März 2007 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 4. September 2007 abzuändern, und

die Beklagte zu verpflichten, auch die Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1984 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte verteidigt ihre Verwaltungsentscheidung und beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. August 2008 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte im Verfahren mit dem Az. S 1 RA 71/04 haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet, weil die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Das SG hat die dagegen gerichtete Klage deshalb zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch die Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1984 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festgestellt werden.

Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, ob der Senat der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (ablehnend z.B. Urteile vom 19. März 2009 - L 1 R 91/06 - sowie vom 22. Oktober 2009 - L 1 R 299/06 - jeweils juris). Es kommt auch nicht darauf an, ob der Senat hinsichtlich der Anwendbarkeit des AAÜG an die Feststellung der Beklagten in ihrem Bescheid vom 22. März 2007, in dem diese ausgeführt hat, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG erfüllt seien, gebunden ist. Denn zumindest für den hier streitigen Zeitraum vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1984 sind die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AAÜG nicht erfüllt.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gelten die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. Der Kläger erfüllte aber in der streitigen Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1984 nicht die später nach Auffassung des BSG zu Bundesrecht gewordenen abstraktgenerellen und zwingenden Voraussetzungen (so BSG, z.B. Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 6) des hier betroffenen Versorgungssystems der technischen Intelligenz.

Das Institut für Impfstoffe Dessau war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens und auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB.

Der Arbeitgeber des Klägers war in der streitigen Zeit nach den Eintragungen in seinem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung das Institut für Impfstoffe Dessau. Damit handelt es sich nicht um einen volkseigenen Betrieb. Dies ist aber nach der Rechtsprechung des BSG Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch.

Das Institut für Impfstoffe Dessau war auch kein Forschungsinstitut im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB. Forschungsinstitute im Sinne dieser Vorschrift sind nur Forschung betreibende selbständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung ist (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 4 RA 40/04 R - juris, Rdnr. 23). Nach dem eigenen Vortrag des Klägers lag der Hauptzweck des Instituts für Impfstoffe Dessau aber nicht in der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung, sondern in der Produktion. Dieser Vortrag wird bestätigt durch die Auskünfte der IDT Biologica GmbH vom 21. November 2007, wonach es sich bei dem Institut um einen Produktionsbetrieb gehandelt habe, sowie des Geschäftsführers der Impfstoffwerk Tornau GmbH vom 1. Februar 2007, wonach die Produktion gegenüber der Forschung seit Ende der 1970er Jahre dominiert habe. Auch aus dem vorgelegten Aufsatz des Wilfried Heinicke ("Impfstoff- und Arzneimittelindustrie"), den der Kläger mit seiner Klagebegründung eingereicht hat, geht hervor, dass die Hauptaufgabe des Instituts die Bereitstellung von Impfstoffen, Sera und Diagnostica sowie Hormon- und Fermentpräparaten gewesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision i.S.v. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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