Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 123/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2151/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. April 2009 abgeändert und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2007 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, einen Widerspruchsbescheid über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2011 zu erlassen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Erstattung von an eine private Hochschule entrichteten Studiengebühren gegen die Beklagte zustehen.
Der 1983 geborene Kläger legte im Sommer 2003 erfolgreich die Abiturprüfung ab. Im Wintersemester 2003/2004 begann er an der Universität M. das Studium der Betriebswirtschaftslehre. Nachdem er an Morbus Crohn erkrankte, brach er das Studium an der Universität M. ab. Im Sommer 2004 absolvierte er auf Kosten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine sogenannte Kinderkur, nach der sich sein Gesundheitszustand nach seinen eigenen Angaben besserte.
Am 09.09.2004 erkundigte sich die Mutter des Klägers bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der BfA in M. danach, wie der Kläger trotz seinen gesundheitlichen Einschränkungen sein Studium fortsetzen könnte und ob eine Übernahme der Kosten möglich sei.
Zum Wintersemester 2004/2005 (Oktober 2004) wechselte der Kläger die Hochschule und begann ein Studium zum Dipl. Betriebswirt (FH) an der Fachhochschule H. (seit Juli 2007 SRH Hochschule H. ), einer privaten Hochschule. Die hierfür anfallenden Studiengebühren betrugen ab Oktober 2004 590,00 EUR monatlich und bis März 2008 insgesamt 22.740 EUR, die vom Vater des Klägers bezahlt wurden.
Am 15.11.2004 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit dem Ziel der Übernahme der Studiengebühren und begründete dies damit, die den Bedürfnissen von Morbus Crohn Erkrankten nicht Rechnung tragenden räumlichen und sanitären Verhältnissen an der Universität M. hätten eine Fortsetzung des Studiums an dieser Universität ausgeschlossen. Seit Oktober 2004 studiere er unter für ihn optimalen Bedingungen Betriebswirtschaftslehre an der SRH in H. in der Reha-Gruppe. Es gebe genügend Sitz- und Arbeitsplätze sowie sanitäre Einrichtungen und - falls notwendig - ärztliche und soziale Betreuung. Auch die Prüfungsordnung berücksichtige die besondere Situation chronisch Kranker. Nachdem die BfA, an die die Beklagte den Antrag des Klägers zuständigkeitshalber weitergeleitet hatte, den Antrag im Einvernehmen mit der Beklagten wieder an diese zurückgab, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2005 die beantragten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit der Begründung ab, der Antrag sei nicht vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses - wie gesetzlich erforderlich - gestellt worden.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, er habe sich bereits nach seinem ersten Gespräch mit dem Reha-Berater der SRH telefonisch mit dem Arbeitsamt M. wegen der Übernahme der Studiengebühren in Verbindung gesetzt. Ihm habe jedoch keine Auskunft erteilt werden können. Am 09.09.2004 sei seine Mutter persönlich beim Arbeitsamt vorstellig geworden, sei aber abschlägig beschieden worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.
Am 24.05.2006 erhob der Kläger Klage (S 12 AL 1665/06) zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der er einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geltend machte. In der mündlichen Verhandlung am 05.12.2006 erkannte die Beklagte an, dass der Kläger am 09.09.2004 einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt hat. Die Beklagte hob den Bescheid vom 24.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2006 auf und erklärte sich bereit, über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 09.09.2004 nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Der Kläger nahm dieses Anerkenntnis an.
Mit Bescheid vom 13.03.2007 lehnte das Job-Center M. den Antrag des Klägers ab. Ein Studium werde vorrangig durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) gefördert. Im Übrigen habe wegen Art und Schwere der Behinderung keine zwingende Notwendigkeit für ein Studium an der SRH in H. bestanden, weil der Kläger an jeder anderen Hoch- oder Fachhochschule sein Studium absolvieren könne.
Dagegen legte der Kläger am 12.04.2007 Widerspruch ein und machte geltend, die besondere Schwere seiner Erkrankung habe die Fortsetzung des Studiums an der Universität M. allein aufgrund der räumlichen Verhältnisse unmöglich gemacht. Der ständige Wechsel der Vorlesungsräume zwischen den Vorlesungen und die vergleichsweise hohe Entfernung zwischen diesen Räumen hätte zu relativ weiten Fußwegen gezwungen. Diese seien von ihm aufgrund seiner körperlichen Schwäche kaum bzw. nur unter größter Anstrengung zu bewältigen und zum anderen nur sehr langsam zurückzulegen. Beim Eintreffen in den entsprechenden Vorlesungsräumen seien in der Regel alle Stühle besetzt gewesen, sodass nur Plätze am Boden oder auf der Fensterbank übrig geblieben seien. In H. gebe es dagegen in der Regel einen festen Vorlesungsraum sowie Toiletten, die im Notfall innerhalb von Sekunden zu erreichen seien. Im von der Beklagten eingeholten arbeitsamtsärztlichen Gutachten von Dr. P. vom 25.09.2007 wurde eine in Schüben verlaufende chronisch entzündliche Darmerkrankung und eine Haltungsschwäche diagnostiziert, die das Leistungsvermögen des Klägers derzeit in geringem Umfang einschränkten. Eine Ausbildung im Berufsförderungswerk sei nicht erforderlich. Am 13.12.2007 erließ die Arbeitsagentur M. einen mit dem Bescheid des Job-Center M. vom 13.03.2007 wortgleichen Bescheid, der Gegenstand des Verfahrens werde. Mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 13.12.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Hinweis auf die Beurteilung ihres Ärztlichen Dienstes zurück. Im Übrigen nehme sich das Deutsche Studentenwerk behinderten Studenten ganz besonders an und versuche Hindernisse, die aufgrund der Behinderung bestehen, auszuräumen. So würden z. B. für Studenten, die generell einen Sitzplatz oder einen solchen an ganz bestimmten Stellen im Hörsaal benötigten, Plätze reserviert.
Am 11.01.2008 erhob der Kläger Klage zum SG, mit der er einen Anspruch auf Neubescheidung und auf die beantragte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben geltend machte. Er brachte vor, maßgebend sei entgegen der - auf das jetzige arbeitsamtsärztliche Gutachten gestützten - Beurteilung der Beklagten sein gesundheitlicher Zustand zu Beginn des Studiums und der Antragstellung. Dieser sei so schlecht gewesen, dass schon allein der ständige Wechsel der Vorlesungsräume zu strapaziös gewesen sei. Auch die Ausstattung mit sanitären Anlagen sei bei weitem nicht ausreichend gewesen. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 30.10.2008 schilderte der Kläger den Krankheitsverlauf und die Studienbedingungen an der Universität M. und an der SRH in H. und gab, in den Jahren 2005 bis 2007 sei es ihm vergleichsweise gut gegangen, was natürlich nicht bedeute, dass er vollkommen beschwerdefrei gewesen sei. Es habe immer wieder einzelne Tage gegeben, an denen es ihm schlechter gegangen sei. Ein bedeutender Schub sei dann im Herbst 2007 aufgetreten. Sein erstes Studium habe er im Februar 2008 abgeschlossen. Derzeit setze er sein Studium in H. mit dem Ziel der Masterprüfung fort. Ihm gehe es jetzt wieder besser. Zur Frage, auf welchen Zeitpunkt zur Beurteilung seines Gesundheitszustandes abzustellen ist, machte der Kläger geltend, auf eine "rückblickende" Beurteilung seines Gesundheitszustandes komme es nicht an. Maßgeblich sei sein Gesundheitszustand im Jahre 2004 bei Beginn des Studiums. Zu diesem Zeitpunkt habe er die Entscheidung treffen müssen, wie er in Anbetracht seiner erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen sein Studium absolvieren könne. Es handle sich bei Morbus Crohn um eine chronische Erkrankung mit hoher Rezidivrate. Es habe nicht von längeren Phasen der Remission ausgegangen werden können.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Das SG hörte die Internistin K. und den Gastroenterologen und Internisten Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen. Die Internistin K. gab unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen (Aussage vom 27.05.2008) an, der Kläger habe sich erstmals am 22.12.2003 in ihrer Praxis vorgestellt. Bei der Diagnosestellung im Februar 2004 habe ein Morbus Crohn von erheblicher Ausdehnung in Antrum, Duodenum, terminalem Ileum und den gesamten Colon lediglich unter Aussparung des Rektums vorgelegen. Dies habe eine hoch dosierte Therapie erfordert. Deshalb halte sie die Angaben des Klägers, dass er im fraglichen Zeitraum so geschwächt gewesen sei, dass er nicht in der Lage gewesen sei, an einer normalen Universität mit langen Fußwegen und schwer erreichbaren Toiletten zu studieren, für durchaus plausibel und nachvollziehbar. Dr. B. teilte mit Schreiben vom 28.04.2008 die von ihm im Februar 2004 erhobenen Befunde mit und gab an, durch eine immunsuppressive Therapie habe ein Zustand der Remission der Erkrankung - jedoch nicht Heilung - erreicht werden können. Morbus Crohn sei eine chronische, an sich nicht heilbare Erkrankung, die mit mehr oder wenigen akuten Schüben und Remissionen verlaufe. Der Zustand des Klägers habe sich zwar gebessert, sei jedoch mit einem "Gesunden" nicht vergleichbar. Der Kläger leide hin und wieder unter Bauchschmerzen und Durchfällen. Ein Morbus Crohn im akuten Schub - wie im Jahr 2004 - könne den Allgemeinzustand des Erkrankten erheblich beeinträchtigen.
Im Erörterungstermin am 30.10.2008 wurde der Kläger gehört. Auf die Niederschrift wird verwiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.04.2009 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil der Kläger nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre. Rückblickend betrachtet habe seinerzeit (Wintersemester 2003/2004 und teilweise noch Sommersemester 2004) eine vorübergehende Studierunfähigkeit bestanden, die durch eine medikamentöse Behandlung innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes wieder habe gebessert werden können. Eine andauernde, so schwerwiegende Beeinträchtigung der Studierfähigkeit, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, nach Beendigung der vorübergehenden Studierunfähigkeit sein Studium an der Universität M. wieder aufzunehmen, sei nicht ersichtlich. Entgegen der Ansicht des Klägers komme es für die Beurteilung der Erforderlichkeit der geltend gemachten Leistung nicht auf eine Prognose aus der Sicht des Jahres 2004 an. Vielmehr sei insoweit auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens (hier Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007) abzustellen. Änderungen der Sach- und Rechtslage, die bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides eingetreten sind, seien daher bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Im Dezember 2007 sei dem Kläger nach erfolgreicher medikamentöser Therapie ohne weiteres ein Studium an einer gewöhnlichen Hochschule zumutbar gewesen. Im Übrigen hätte die Beklagte im Rahmen einer Ermessensentscheidung über die der Teilhabeleistung zu befinden gehabt, der der Kläger aber dadurch zuvor gekommen sei, dass er - ohne vorherige Beratung durch die Beklagte - von der Universität M. zur SRH nach H. gewechselt sei.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 08.04.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.05.2009 Berufung eingelegt, mit der einen Anspruch auf Erstattung der entstandenen Studiengebühren (22.740,00 EUR) zuzüglich der Immatrikulationsgebühr (450,00 EUR) geltend macht. Entgegen der Auffassung des SG komme es hier für die Beurteilung der Erforderlichkeit der Teilhabeleistung auf den Zeitpunkt der Antragstellung (09.09.2004) an, da dies Sinn und Zweck des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, der hier gegeben sei, weil die Beklagte eine Antragstellung im Jahr 2004 dadurch vereitelt habe, dass der Mutter des Klägers erklärt worden sei, man sei nicht zuständig, zuwiderlaufen würde. Im Übrigen sei der Sachverhalt vom SG nicht genügend aufgeklärt worden. So hätten die infrastrukturellen Gegebenheiten an der Universität M. weiter aufgeklärt werden müssen. Auch bei einer rückblickenden Beurteilung des Krankheitsverlaufs hätte er an der Universität M. nicht weiter studieren können. Dabei komme es nicht nur auf akute Krankheitsphasen, sondern auf das Krankheitsbild insgesamt an. Im Herbst 2007 wäre er wiederum krankheitsbedingt an der Fortsetzung des Studiums gehindert gewesen und hätte wohl wieder ein Jahr aussetzen müssen. Die SRH Hochschule H. sei hingegen auf Studierende mit Behinderung eingestellt. Die Aufnahme des Studiums an der SRH H. sei im Hinblick auf die dort eingerichtete Reha-Gruppe erfolgt. Im Übrigen gewähre die Beklagte in vergleichbaren Fällen Leistungen zur Teilhabe. Die Beklagte möge ihre Praxis zur Gewährung von Teilhabeleistungen sowie den Umfang der Leistungsgewährung in vergleichbaren Fällen offen legen. Der Kläger legt die Bescheinigungen der SRH Hochschule H. vom 30.07.2008 über die Entrichtung der Studiengebühren durch den Vater des Klägers für die Zeit von Oktober 2004 bis März 2008 sowie das ärztliche Attest der Internistin K. vom 11.08.2009 vor. Danach berichte der Kläger von 5 bis 6 Durchfällen pro Tag. Er habe ein Studium erneut unterbrechen müssen, meide Kontakt und sei in depressiver Stimmung.
Nach den Hinweisen des Senats mit richterlichen Verfügungen vom 08.06. und 28.06.2011, dass der vom Job-Center M. erlassene Bescheid vom 13.03.2007 nicht von der zuständigen Behörde erlassen worden und daher wahrscheinlich nichtig sei, der inhaltsgleiche Bescheid der Beklagten vom 13.12.2007, der zudem Begründungsfehler aufweise, nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sei und es ferner an einem Vorverfahren mangele, nachdem der Widerspruchsbescheid ebenfalls am 13.12.2007 erlassen worden sei, hat der Kläger geltend gemacht, der von der unzuständigen Behörde erlassene Bescheid vom 13.03.2007 sei nichtig. Ein ordnungsgemäßes Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sei nicht durchgeführt worden. Für einen Ersetzungsbescheid der Beklagten gebe es keine Rechtsgrundlage.
Der Kläger beantragt zuletzt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. April 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über seinen Widerspruch wegen Erstattung der Kosten für die Teilnahme am Diplomstudiengang der Betriebswirtschaftslehre an der SRH Hochschule H. für die Dauer der Studienjahre 2004/2005 bis 2007/2008 in Höhe von 23.190,00 EUR einen Widerspruchsbescheid zu erlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Im Übrigen stelle die Studiengebühr keine reha-spezifische Leistung dar und gehöre somit nicht zu den Reha-Leistungen. Dass sie sich erst im früheren Klageverfahren bereit erklärt habe, die Antragstellung als rechtzeitig erfolgt zu betrachten und in der Sache zu entscheiden, sei nicht erheblich, da sie den Antrag unter Ermessensausübung auch dann abgelehnt hätte, wenn über den Antrag nach Beratung und Feststellung der Tatsachen seinerzeit entschieden worden wäre. Auch liege eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht vor. Ob und aus welchem Grund sie im Falle einer Erkrankung an Morbus Crohn Studenten der SRH H. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewähre, könne von hier nicht beurteilt werden und würde gegebenenfalls auch keinen Rechtsanspruch für den Kläger begründen.
Die Beklagte hat zu den Hinweisen des Senats vorgebracht, bei dem Bescheid vom 13.03.2007 sei aus nicht mehr feststellbaren Gründen versehentlich der falsche Briefkopf verwendet worden. Der Bescheid vom 13.03.2007 leide aber nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler, der zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führe. Es handle sich hier lediglich um einen bedauerlichen Formfehler, der unbeachtlich bleiben könne. Ferner macht sie geltend, sie teile zwar die rechtlichen Bedenken des Senats, sei aber der Auffassung, zu jedem Zeitpunkt des laufenden Verfahrens zum Erlass eines Ersetzungsbescheides berechtigt zu sein. Sie hat den Ersetzungsbescheid vom 29.09.2011 vorgelegt und auf ihr nachgeholtes Anhörungsverfahren verwiesen. Dies entspreche der Intention des § 96 Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Ausgangspunkt dieser Bestimmung sei, dass die Rechtshängigkeit die Behörde nicht hindere, einen neuen Verwaltungsakt in derselben Sache zu erlassen. Zweck der Vorschrift sei es, eine erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren bei Vermeidung der Gefahr divergierender Entscheidungen zu ermöglichen, ohne dass es einer gewillkürten Klageänderung oder eines Vorverfahrens bedürfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz einschließlich der SG-Vorakten S 12 AL 1665/06 und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
Sie ist auch begründet. Der Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 ist rechtswidrig. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 03.04.2009 war, soweit er sich nicht durch den Ersetzungsbescheid der Beklagten und die hierauf zulässige Klageänderung erledigt hat, insoweit auf Berufung des Klägers aufzuheben.
Der Bescheid vom 13.03.2007, mit dem über den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 09.02.2005 entschieden wurde, ist nichtig. Er wurde von der ARGE Job-Center M. erlassen, wie sich sowohl aus dem Briefkopf als auch dem Brieffeld des Bescheides vom 13.03.2007 ergibt. Auch wenn es sich - wie von der Beklagten geltend gemacht - hierbei um ein Versehen gehandelt haben sollte, ändert dies an der Nichtigkeit des Bescheides nichts. Der Kläger hatte die Kostenerstattung bei der Agentur für Arbeit beantragt. Nach dem objektiven Empfängerhorizont handelt es sich um einen Bescheid des Job-Center M. und nicht der Agentur für Arbeit M ... Letztere war aber für die Entscheidung über den Antrag des Klägers zuständig. Zwar ist die Agentur für Arbeit neben der Stadt M. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Job-Center M. , handelt aber in den Angelegenheiten des Sozialgesetzbuch II für die Behörde "Arbeitsgemeinschaft". Die Zuständigkeit des Job-Center M. war unter keinem Gesichtspunkt gegeben.
Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist (§ 40 Abs. 1 SGB X). Ein besonders schwerwiegender Mangel liegt in der Regel bei fehlender sachlicher Zuständigkeit der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde vor. In § 40 Abs. 3 Nr. 1 SGB X ist bestimmt, dass ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig ist, weil Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind. Die Nichteinhaltung von Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit - wie hier - wird von dieser Vorschrift nicht erfasst. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Entscheidungen (zuletzt BSGE 24, 162,168) einen besonders schwerwiegenden Fehler bei absoluter sachlicher Unzuständigkeit der erlassenden Behörde angenommen. Der Senat nimmt daher auch im vorliegenden Fall die Nichtigkeit des Bescheides vom 13.03.2007 an. Eine Heilung der Verletzung der Vorschrift über die sachliche Zuständigkeit scheidet deshalb aus. Selbst wenn - wie die Beklagte geltend gemacht hat - lediglich ein leicht erkennbares Versehen vorgelegen hätte und deshalb nur von einer formalen Falschbezeichnung und einem heilbaren Formfehler auszugehen wäre, hätte der von der Agentur für Arbeit M. , mithin der sachlich zuständigen Behörde, erlassene Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 diesen Fehler nicht geheilt, da diesem inhalts- und wortgleichen Bescheid mangels Hinweis auf den zu heilenden Verfahrensfehler keine Heilungswirkung zukommt. Es handelt sich insoweit lediglich um eine "wiederholende" (Erst-)Verfügung, die nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist, sondern mit dem Widerspruch anzufechten war.
Darüber hinaus ist § 86 SGG in der Beziehung zum Bescheid vom 13.03.2007 nicht anwendbar gewesen. Wird während des Vorverfahrens der mit Widerspruch angegriffene Verwaltungsakt abgeändert, so wird nach dieser Vorschrift auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen. Abgesehen davon, dass eine Behörde nicht den Verwaltungsakt einer anderen Behörde mit anderer sachlicher Zuständigkeit abändern kann, ist der Bescheid vom 13.12.2007 nicht während des Vorverfahrens ergangen. Er wurde zugleich mit dem Widerspruchsbescheid gleichen Datums bekannt gegeben und dadurch mit der Beendigung des Widerspruchsverfahrens erlassen. Außerdem war ein Widerspruchsverfahren gegen die Beklagte nicht in Gang gesetzt, da sich der Widerspruch ursprünglich gegen einen Bescheid des Job-Centers richtete. Der "Abänderungsbescheid" vom 13.12.2007 war daher ein Erstbescheid, was auch seinem Wortlaut entspricht, gegen den der Rechtsbehelf Widerspruch gegeben war. Der Widerspruchsbescheid vom 13.12. 2007 ist daher rechtswidrig, weil er fehlerhaft über den Bescheid vom 13.03.2007 i.d.F. des nicht zulässigen Ersetzungsbescheids vom 13.12.2007 und ohne Einhaltung eines ordnungsgemäßen Widerspruchsverfahrens - zu diesem Zeitpunkt war noch kein Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.12.2007, der ebenfalls wie sein Vorgängerbescheid einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt hatte, erhoben worden - entschieden hat. Die mit der Berufung verfolgte und aufrechterhaltene - isolierte - Anfechtungsklage des Klägers gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 war insoweit erfolgreich.
Dagegen dürfte die Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2007) unzulässig gewesen sein, da es zum Zeitpunkt der Klageerhebung an der Sachurteilsvoraussetzung eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens gefehlt hatte. Ein Vorverfahren zum (Erst-)Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 hatte nicht stattgefunden.
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines Widerspruchsbescheids.
Diesen Anspruch hat der Kläger im Wege der Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG auch im Berufungsverfahren bei sachgerechter Auslegung seines Schriftsatzes vom 16.08.2011 zulässig geltend gemacht. Diese Klageänderung ist nach § 99 Abs. 1 SGG zulässig, denn sie ist sachdienlich, weil der Kläger das ursprüngliche Leistungsbegehren aus prozessualen Gründen nicht weiterverfolgen könnte. Andererseits hat die Beklagte die Klageänderung auch insoweit rügelos hingenommen, weshalb gem. § 99 Abs. 2 SGG die Einwilligung in die Klageänderung anzunehmen ist, denn sie hat nach Eingang des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 16.08.2011 sich mit der Vorlage des Ersetzungsbescheids vom 29.09.2011 auch sachlich zur begehrten Wiederholung des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens eingelassen. Mit dieser Klageänderung wird hingegen die Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2007 nicht weiterverfolgt, denn ihre etwaige prozessuale Durchsetzung soll erst mit Erlass des Widerspruchsbescheids ermöglicht werden.
Damit ist spätestens mit Eingang des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 16.08.2001, dem nach der vorausgegangenen Weigerung der Beklagten, ein nochmaliges Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren durchzuführen, die Fortsetzung des Berufungsverfahrens mit einer Untätigkeitsklage zu entnehmen ist, der Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 nicht mehr Streitgegenstand des Berufungsverfahrens gewesen.
Grundsätzlich kann das Vorverfahren als Prozessvoraussetzung auch noch während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 78 Rn. 3a), gegebenenfalls ist das Verfahren auszusetzen (vgl. Leitherer a.a.O. m.w.N.).
Die Beklagte hat ohne zureichenden Grund über den Widerspruch des Klägers nicht entschieden. Der zeitgleich mit dem Widerspruchsbescheid bekannt gegebene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2007 wurde mit der Klage vor dem SG angefochten, womit der Kläger zu erkennen gegeben hat, dass er mit dem Bescheid nicht einverstanden ist. Damit ist von dem rechtlich erforderlichen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 auszugehen (vgl. zur Klageerhebung als Widerspruch Leitherer a.a.O. § 78 Rn. 3b). Hierüber hat die Beklagte trotz zweier gerichtlicher Hinweise auf ein fehlendes und daher nachzuholendes Vorverfahren nicht entschieden.
Es handelt sich nicht um eine unter § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG fallende Anfechtungsklage, für die es keines Vorverfahrens bedarf. Dass die Bescheide vom 13.03.2007 und 13.12.2007 nicht rechtmäßig sind bzw. waren, bestreitet die Beklagte selbst nicht. Sie vertritt jedoch die Auffassung, dass sie diese Entscheidungen auch noch während des gerichtlichen Verfahrens durch einen rechtmäßigen Bescheid ersetzen konnte. Sie verweist hierzu auf den Ersetzungsbescheid vom 29.09.2011.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist ihr Bescheid vom 29.09.2011, mit dem die Beklagte ihren Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 ersetzt und den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Übernahme der Kosten für ein Studium an der SRH Hochschule in H. erneut abgelehnt hat, nicht nach §§ 96, 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Der Bescheid vom 29.09.2011 ist nur an die Stelle des Ablehnungsbescheides vom 13.12.2007 getreten, der zum Zeitpunkt seines Erlasses im September 2011 aber nicht mehr Streitgegenstand des Berufungsverfahrens war. Der Bescheid vom 29.09.2011 ist gemäß § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 13.12.2007, dessen Beginn mit der ursprünglichen Klageerhebung zu unterstellen ist, geworden, in dem aber noch kein Widerspruchsbescheid erlassen worden ist.
Der Ersetzungsbescheid vom 29.09.2011 ersetzt oder ändert auch nicht den noch angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007, so dass auch insoweit § 96 SGG nicht anwendbar ist. Der Abänderungsbescheid vom 29.09.2011 beseitigt den Rechtsmangel der ursprünglichen Bescheide der Beklagten vom 13.12.2007 (Ablehnungsbescheid und Widerspruchsbescheid) nicht. Der Bescheid vom 29.09.2011 ersetzt nach seinem Wortlaut nur den Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007, was auch aus der wiedergegebenen Verfahrensweise zu schließen ist, wonach der Mangel einer "fehlenden Anhörung" vor dem Bescheid vom 13.12.2007 zu beheben sei und deshalb das Anhörungsschreiben vom 28.07.2011 erging. Dass die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung der Anfechtungsklage herbeigeführt werden sollte, wird hierbei verkannt.
Der - rechtswidrige - Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 ist durch diesen Bescheid nicht aufgehoben. Der Bescheid vom 29.09.2011 ist auch nicht als den Widerspruchsbescheid ersetzender Bescheid auszulegen oder umzudeuten. Die funktionell zuständige Widerspruchsbehörde nach § 85 Abs. 2 Nr. 3 SGG in Angelegenheiten der Beklagten ist die von ihrem Verwaltungsrat bestimmte Stelle. Nach Beschluss des Verwaltungsrats vom 16.07.2007 (vgl. Leitherer a.a.O. § 85 Rn. 3e) ist dies der Geschäftsführer oder Dienststellenleiter der Agentur für Arbeit oder die von diesen bestimmte Stelle. Dem Bescheid vom 29.09.2011 ist weder die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (Abhilfeprüfung und Vorlage an die Widerspruchsstelle) noch der Erlass durch die genannte Widerspruchsstelle zu entnehmen. Das zur Durchführung der Anfechtungsklage ursprünglich bereits fehlende Vorverfahren, was grundsätzlich die Aussetzung einer gleichwohl erhobenen Klage erforderlich macht, ist als Rechtsmangel mit dem Bescheid vom 29.09.2011 nicht beseitigt.
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass der mit seiner Bekanntgabe wirksam gewordene Ersetzungsbescheid vom 29.09.2011 zwar an die Stelle des ursprünglichen Bescheides vom 13.12.2007 getreten ist, der Mangel des seinerzeit außerdem fehlenden ordnungsgemäßen Vorverfahrens damit aber nicht beseitigt wurde. Dies folgt auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 96 SGG, der zu Gunsten des Versicherten ein weiteres Vorverfahren wegen eines belastenden Verwaltungsaktes für entbehrlich erklärt, wenn der bisherige streitgegenständliche Bescheid geändert oder ersetzt wurde. Ergibt sich aber, dass die Sachurteilsvoraussetzung eines Vorverfahrens, das die Behörde im Rahmen ihrer Selbstkontrolle zwingend durchzuführen hat, nicht vorliegt, ist das - bislang unzulässige - Verfahren in der Regel auszusetzen und den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, die Sachurteilsvoraussetzung des Vorverfahrens herbeizuführen. Mit der Vorschrift des § 96 SGG kann daher die von Anfang an fehlende Prozessvoraussetzung des Vorverfahrens nicht ersetzt werden.
Da die Beklagte auch nach erneuten, auf ihr Ersuchen ergangenem richterlichen Hinweis endgültig die Nachholung eines Widerspruchsverfahrens, das durch die Selbstkontrolle der Verwaltung zur Entlastung der Gerichte beitragen soll, verweigert, war auf Untätigkeitsklage des Klägers vorliegend das Verfahren nicht auszusetzen, sondern die Beklagte entsprechend dem Verpflichtungsantrag des Klägers zu verurteilen.
Der mit Berufung verfolgten Klage war daher stattzugeben.
Die auf § 193 SGG beruhende Kostenentscheidung berücksichtigt die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidungen der Beklagten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte wird verpflichtet, einen Widerspruchsbescheid über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2011 zu erlassen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Erstattung von an eine private Hochschule entrichteten Studiengebühren gegen die Beklagte zustehen.
Der 1983 geborene Kläger legte im Sommer 2003 erfolgreich die Abiturprüfung ab. Im Wintersemester 2003/2004 begann er an der Universität M. das Studium der Betriebswirtschaftslehre. Nachdem er an Morbus Crohn erkrankte, brach er das Studium an der Universität M. ab. Im Sommer 2004 absolvierte er auf Kosten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine sogenannte Kinderkur, nach der sich sein Gesundheitszustand nach seinen eigenen Angaben besserte.
Am 09.09.2004 erkundigte sich die Mutter des Klägers bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der BfA in M. danach, wie der Kläger trotz seinen gesundheitlichen Einschränkungen sein Studium fortsetzen könnte und ob eine Übernahme der Kosten möglich sei.
Zum Wintersemester 2004/2005 (Oktober 2004) wechselte der Kläger die Hochschule und begann ein Studium zum Dipl. Betriebswirt (FH) an der Fachhochschule H. (seit Juli 2007 SRH Hochschule H. ), einer privaten Hochschule. Die hierfür anfallenden Studiengebühren betrugen ab Oktober 2004 590,00 EUR monatlich und bis März 2008 insgesamt 22.740 EUR, die vom Vater des Klägers bezahlt wurden.
Am 15.11.2004 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit dem Ziel der Übernahme der Studiengebühren und begründete dies damit, die den Bedürfnissen von Morbus Crohn Erkrankten nicht Rechnung tragenden räumlichen und sanitären Verhältnissen an der Universität M. hätten eine Fortsetzung des Studiums an dieser Universität ausgeschlossen. Seit Oktober 2004 studiere er unter für ihn optimalen Bedingungen Betriebswirtschaftslehre an der SRH in H. in der Reha-Gruppe. Es gebe genügend Sitz- und Arbeitsplätze sowie sanitäre Einrichtungen und - falls notwendig - ärztliche und soziale Betreuung. Auch die Prüfungsordnung berücksichtige die besondere Situation chronisch Kranker. Nachdem die BfA, an die die Beklagte den Antrag des Klägers zuständigkeitshalber weitergeleitet hatte, den Antrag im Einvernehmen mit der Beklagten wieder an diese zurückgab, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2005 die beantragten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit der Begründung ab, der Antrag sei nicht vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses - wie gesetzlich erforderlich - gestellt worden.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, er habe sich bereits nach seinem ersten Gespräch mit dem Reha-Berater der SRH telefonisch mit dem Arbeitsamt M. wegen der Übernahme der Studiengebühren in Verbindung gesetzt. Ihm habe jedoch keine Auskunft erteilt werden können. Am 09.09.2004 sei seine Mutter persönlich beim Arbeitsamt vorstellig geworden, sei aber abschlägig beschieden worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.
Am 24.05.2006 erhob der Kläger Klage (S 12 AL 1665/06) zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der er einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geltend machte. In der mündlichen Verhandlung am 05.12.2006 erkannte die Beklagte an, dass der Kläger am 09.09.2004 einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt hat. Die Beklagte hob den Bescheid vom 24.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2006 auf und erklärte sich bereit, über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 09.09.2004 nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Der Kläger nahm dieses Anerkenntnis an.
Mit Bescheid vom 13.03.2007 lehnte das Job-Center M. den Antrag des Klägers ab. Ein Studium werde vorrangig durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) gefördert. Im Übrigen habe wegen Art und Schwere der Behinderung keine zwingende Notwendigkeit für ein Studium an der SRH in H. bestanden, weil der Kläger an jeder anderen Hoch- oder Fachhochschule sein Studium absolvieren könne.
Dagegen legte der Kläger am 12.04.2007 Widerspruch ein und machte geltend, die besondere Schwere seiner Erkrankung habe die Fortsetzung des Studiums an der Universität M. allein aufgrund der räumlichen Verhältnisse unmöglich gemacht. Der ständige Wechsel der Vorlesungsräume zwischen den Vorlesungen und die vergleichsweise hohe Entfernung zwischen diesen Räumen hätte zu relativ weiten Fußwegen gezwungen. Diese seien von ihm aufgrund seiner körperlichen Schwäche kaum bzw. nur unter größter Anstrengung zu bewältigen und zum anderen nur sehr langsam zurückzulegen. Beim Eintreffen in den entsprechenden Vorlesungsräumen seien in der Regel alle Stühle besetzt gewesen, sodass nur Plätze am Boden oder auf der Fensterbank übrig geblieben seien. In H. gebe es dagegen in der Regel einen festen Vorlesungsraum sowie Toiletten, die im Notfall innerhalb von Sekunden zu erreichen seien. Im von der Beklagten eingeholten arbeitsamtsärztlichen Gutachten von Dr. P. vom 25.09.2007 wurde eine in Schüben verlaufende chronisch entzündliche Darmerkrankung und eine Haltungsschwäche diagnostiziert, die das Leistungsvermögen des Klägers derzeit in geringem Umfang einschränkten. Eine Ausbildung im Berufsförderungswerk sei nicht erforderlich. Am 13.12.2007 erließ die Arbeitsagentur M. einen mit dem Bescheid des Job-Center M. vom 13.03.2007 wortgleichen Bescheid, der Gegenstand des Verfahrens werde. Mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 13.12.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Hinweis auf die Beurteilung ihres Ärztlichen Dienstes zurück. Im Übrigen nehme sich das Deutsche Studentenwerk behinderten Studenten ganz besonders an und versuche Hindernisse, die aufgrund der Behinderung bestehen, auszuräumen. So würden z. B. für Studenten, die generell einen Sitzplatz oder einen solchen an ganz bestimmten Stellen im Hörsaal benötigten, Plätze reserviert.
Am 11.01.2008 erhob der Kläger Klage zum SG, mit der er einen Anspruch auf Neubescheidung und auf die beantragte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben geltend machte. Er brachte vor, maßgebend sei entgegen der - auf das jetzige arbeitsamtsärztliche Gutachten gestützten - Beurteilung der Beklagten sein gesundheitlicher Zustand zu Beginn des Studiums und der Antragstellung. Dieser sei so schlecht gewesen, dass schon allein der ständige Wechsel der Vorlesungsräume zu strapaziös gewesen sei. Auch die Ausstattung mit sanitären Anlagen sei bei weitem nicht ausreichend gewesen. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 30.10.2008 schilderte der Kläger den Krankheitsverlauf und die Studienbedingungen an der Universität M. und an der SRH in H. und gab, in den Jahren 2005 bis 2007 sei es ihm vergleichsweise gut gegangen, was natürlich nicht bedeute, dass er vollkommen beschwerdefrei gewesen sei. Es habe immer wieder einzelne Tage gegeben, an denen es ihm schlechter gegangen sei. Ein bedeutender Schub sei dann im Herbst 2007 aufgetreten. Sein erstes Studium habe er im Februar 2008 abgeschlossen. Derzeit setze er sein Studium in H. mit dem Ziel der Masterprüfung fort. Ihm gehe es jetzt wieder besser. Zur Frage, auf welchen Zeitpunkt zur Beurteilung seines Gesundheitszustandes abzustellen ist, machte der Kläger geltend, auf eine "rückblickende" Beurteilung seines Gesundheitszustandes komme es nicht an. Maßgeblich sei sein Gesundheitszustand im Jahre 2004 bei Beginn des Studiums. Zu diesem Zeitpunkt habe er die Entscheidung treffen müssen, wie er in Anbetracht seiner erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen sein Studium absolvieren könne. Es handle sich bei Morbus Crohn um eine chronische Erkrankung mit hoher Rezidivrate. Es habe nicht von längeren Phasen der Remission ausgegangen werden können.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Das SG hörte die Internistin K. und den Gastroenterologen und Internisten Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen. Die Internistin K. gab unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen (Aussage vom 27.05.2008) an, der Kläger habe sich erstmals am 22.12.2003 in ihrer Praxis vorgestellt. Bei der Diagnosestellung im Februar 2004 habe ein Morbus Crohn von erheblicher Ausdehnung in Antrum, Duodenum, terminalem Ileum und den gesamten Colon lediglich unter Aussparung des Rektums vorgelegen. Dies habe eine hoch dosierte Therapie erfordert. Deshalb halte sie die Angaben des Klägers, dass er im fraglichen Zeitraum so geschwächt gewesen sei, dass er nicht in der Lage gewesen sei, an einer normalen Universität mit langen Fußwegen und schwer erreichbaren Toiletten zu studieren, für durchaus plausibel und nachvollziehbar. Dr. B. teilte mit Schreiben vom 28.04.2008 die von ihm im Februar 2004 erhobenen Befunde mit und gab an, durch eine immunsuppressive Therapie habe ein Zustand der Remission der Erkrankung - jedoch nicht Heilung - erreicht werden können. Morbus Crohn sei eine chronische, an sich nicht heilbare Erkrankung, die mit mehr oder wenigen akuten Schüben und Remissionen verlaufe. Der Zustand des Klägers habe sich zwar gebessert, sei jedoch mit einem "Gesunden" nicht vergleichbar. Der Kläger leide hin und wieder unter Bauchschmerzen und Durchfällen. Ein Morbus Crohn im akuten Schub - wie im Jahr 2004 - könne den Allgemeinzustand des Erkrankten erheblich beeinträchtigen.
Im Erörterungstermin am 30.10.2008 wurde der Kläger gehört. Auf die Niederschrift wird verwiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.04.2009 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil der Kläger nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre. Rückblickend betrachtet habe seinerzeit (Wintersemester 2003/2004 und teilweise noch Sommersemester 2004) eine vorübergehende Studierunfähigkeit bestanden, die durch eine medikamentöse Behandlung innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes wieder habe gebessert werden können. Eine andauernde, so schwerwiegende Beeinträchtigung der Studierfähigkeit, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, nach Beendigung der vorübergehenden Studierunfähigkeit sein Studium an der Universität M. wieder aufzunehmen, sei nicht ersichtlich. Entgegen der Ansicht des Klägers komme es für die Beurteilung der Erforderlichkeit der geltend gemachten Leistung nicht auf eine Prognose aus der Sicht des Jahres 2004 an. Vielmehr sei insoweit auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens (hier Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007) abzustellen. Änderungen der Sach- und Rechtslage, die bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides eingetreten sind, seien daher bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Im Dezember 2007 sei dem Kläger nach erfolgreicher medikamentöser Therapie ohne weiteres ein Studium an einer gewöhnlichen Hochschule zumutbar gewesen. Im Übrigen hätte die Beklagte im Rahmen einer Ermessensentscheidung über die der Teilhabeleistung zu befinden gehabt, der der Kläger aber dadurch zuvor gekommen sei, dass er - ohne vorherige Beratung durch die Beklagte - von der Universität M. zur SRH nach H. gewechselt sei.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 08.04.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.05.2009 Berufung eingelegt, mit der einen Anspruch auf Erstattung der entstandenen Studiengebühren (22.740,00 EUR) zuzüglich der Immatrikulationsgebühr (450,00 EUR) geltend macht. Entgegen der Auffassung des SG komme es hier für die Beurteilung der Erforderlichkeit der Teilhabeleistung auf den Zeitpunkt der Antragstellung (09.09.2004) an, da dies Sinn und Zweck des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, der hier gegeben sei, weil die Beklagte eine Antragstellung im Jahr 2004 dadurch vereitelt habe, dass der Mutter des Klägers erklärt worden sei, man sei nicht zuständig, zuwiderlaufen würde. Im Übrigen sei der Sachverhalt vom SG nicht genügend aufgeklärt worden. So hätten die infrastrukturellen Gegebenheiten an der Universität M. weiter aufgeklärt werden müssen. Auch bei einer rückblickenden Beurteilung des Krankheitsverlaufs hätte er an der Universität M. nicht weiter studieren können. Dabei komme es nicht nur auf akute Krankheitsphasen, sondern auf das Krankheitsbild insgesamt an. Im Herbst 2007 wäre er wiederum krankheitsbedingt an der Fortsetzung des Studiums gehindert gewesen und hätte wohl wieder ein Jahr aussetzen müssen. Die SRH Hochschule H. sei hingegen auf Studierende mit Behinderung eingestellt. Die Aufnahme des Studiums an der SRH H. sei im Hinblick auf die dort eingerichtete Reha-Gruppe erfolgt. Im Übrigen gewähre die Beklagte in vergleichbaren Fällen Leistungen zur Teilhabe. Die Beklagte möge ihre Praxis zur Gewährung von Teilhabeleistungen sowie den Umfang der Leistungsgewährung in vergleichbaren Fällen offen legen. Der Kläger legt die Bescheinigungen der SRH Hochschule H. vom 30.07.2008 über die Entrichtung der Studiengebühren durch den Vater des Klägers für die Zeit von Oktober 2004 bis März 2008 sowie das ärztliche Attest der Internistin K. vom 11.08.2009 vor. Danach berichte der Kläger von 5 bis 6 Durchfällen pro Tag. Er habe ein Studium erneut unterbrechen müssen, meide Kontakt und sei in depressiver Stimmung.
Nach den Hinweisen des Senats mit richterlichen Verfügungen vom 08.06. und 28.06.2011, dass der vom Job-Center M. erlassene Bescheid vom 13.03.2007 nicht von der zuständigen Behörde erlassen worden und daher wahrscheinlich nichtig sei, der inhaltsgleiche Bescheid der Beklagten vom 13.12.2007, der zudem Begründungsfehler aufweise, nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sei und es ferner an einem Vorverfahren mangele, nachdem der Widerspruchsbescheid ebenfalls am 13.12.2007 erlassen worden sei, hat der Kläger geltend gemacht, der von der unzuständigen Behörde erlassene Bescheid vom 13.03.2007 sei nichtig. Ein ordnungsgemäßes Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sei nicht durchgeführt worden. Für einen Ersetzungsbescheid der Beklagten gebe es keine Rechtsgrundlage.
Der Kläger beantragt zuletzt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. April 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über seinen Widerspruch wegen Erstattung der Kosten für die Teilnahme am Diplomstudiengang der Betriebswirtschaftslehre an der SRH Hochschule H. für die Dauer der Studienjahre 2004/2005 bis 2007/2008 in Höhe von 23.190,00 EUR einen Widerspruchsbescheid zu erlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Im Übrigen stelle die Studiengebühr keine reha-spezifische Leistung dar und gehöre somit nicht zu den Reha-Leistungen. Dass sie sich erst im früheren Klageverfahren bereit erklärt habe, die Antragstellung als rechtzeitig erfolgt zu betrachten und in der Sache zu entscheiden, sei nicht erheblich, da sie den Antrag unter Ermessensausübung auch dann abgelehnt hätte, wenn über den Antrag nach Beratung und Feststellung der Tatsachen seinerzeit entschieden worden wäre. Auch liege eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht vor. Ob und aus welchem Grund sie im Falle einer Erkrankung an Morbus Crohn Studenten der SRH H. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewähre, könne von hier nicht beurteilt werden und würde gegebenenfalls auch keinen Rechtsanspruch für den Kläger begründen.
Die Beklagte hat zu den Hinweisen des Senats vorgebracht, bei dem Bescheid vom 13.03.2007 sei aus nicht mehr feststellbaren Gründen versehentlich der falsche Briefkopf verwendet worden. Der Bescheid vom 13.03.2007 leide aber nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler, der zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führe. Es handle sich hier lediglich um einen bedauerlichen Formfehler, der unbeachtlich bleiben könne. Ferner macht sie geltend, sie teile zwar die rechtlichen Bedenken des Senats, sei aber der Auffassung, zu jedem Zeitpunkt des laufenden Verfahrens zum Erlass eines Ersetzungsbescheides berechtigt zu sein. Sie hat den Ersetzungsbescheid vom 29.09.2011 vorgelegt und auf ihr nachgeholtes Anhörungsverfahren verwiesen. Dies entspreche der Intention des § 96 Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Ausgangspunkt dieser Bestimmung sei, dass die Rechtshängigkeit die Behörde nicht hindere, einen neuen Verwaltungsakt in derselben Sache zu erlassen. Zweck der Vorschrift sei es, eine erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren bei Vermeidung der Gefahr divergierender Entscheidungen zu ermöglichen, ohne dass es einer gewillkürten Klageänderung oder eines Vorverfahrens bedürfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz einschließlich der SG-Vorakten S 12 AL 1665/06 und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
Sie ist auch begründet. Der Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 ist rechtswidrig. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 03.04.2009 war, soweit er sich nicht durch den Ersetzungsbescheid der Beklagten und die hierauf zulässige Klageänderung erledigt hat, insoweit auf Berufung des Klägers aufzuheben.
Der Bescheid vom 13.03.2007, mit dem über den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 09.02.2005 entschieden wurde, ist nichtig. Er wurde von der ARGE Job-Center M. erlassen, wie sich sowohl aus dem Briefkopf als auch dem Brieffeld des Bescheides vom 13.03.2007 ergibt. Auch wenn es sich - wie von der Beklagten geltend gemacht - hierbei um ein Versehen gehandelt haben sollte, ändert dies an der Nichtigkeit des Bescheides nichts. Der Kläger hatte die Kostenerstattung bei der Agentur für Arbeit beantragt. Nach dem objektiven Empfängerhorizont handelt es sich um einen Bescheid des Job-Center M. und nicht der Agentur für Arbeit M ... Letztere war aber für die Entscheidung über den Antrag des Klägers zuständig. Zwar ist die Agentur für Arbeit neben der Stadt M. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Job-Center M. , handelt aber in den Angelegenheiten des Sozialgesetzbuch II für die Behörde "Arbeitsgemeinschaft". Die Zuständigkeit des Job-Center M. war unter keinem Gesichtspunkt gegeben.
Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist (§ 40 Abs. 1 SGB X). Ein besonders schwerwiegender Mangel liegt in der Regel bei fehlender sachlicher Zuständigkeit der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde vor. In § 40 Abs. 3 Nr. 1 SGB X ist bestimmt, dass ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig ist, weil Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind. Die Nichteinhaltung von Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit - wie hier - wird von dieser Vorschrift nicht erfasst. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Entscheidungen (zuletzt BSGE 24, 162,168) einen besonders schwerwiegenden Fehler bei absoluter sachlicher Unzuständigkeit der erlassenden Behörde angenommen. Der Senat nimmt daher auch im vorliegenden Fall die Nichtigkeit des Bescheides vom 13.03.2007 an. Eine Heilung der Verletzung der Vorschrift über die sachliche Zuständigkeit scheidet deshalb aus. Selbst wenn - wie die Beklagte geltend gemacht hat - lediglich ein leicht erkennbares Versehen vorgelegen hätte und deshalb nur von einer formalen Falschbezeichnung und einem heilbaren Formfehler auszugehen wäre, hätte der von der Agentur für Arbeit M. , mithin der sachlich zuständigen Behörde, erlassene Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 diesen Fehler nicht geheilt, da diesem inhalts- und wortgleichen Bescheid mangels Hinweis auf den zu heilenden Verfahrensfehler keine Heilungswirkung zukommt. Es handelt sich insoweit lediglich um eine "wiederholende" (Erst-)Verfügung, die nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist, sondern mit dem Widerspruch anzufechten war.
Darüber hinaus ist § 86 SGG in der Beziehung zum Bescheid vom 13.03.2007 nicht anwendbar gewesen. Wird während des Vorverfahrens der mit Widerspruch angegriffene Verwaltungsakt abgeändert, so wird nach dieser Vorschrift auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen. Abgesehen davon, dass eine Behörde nicht den Verwaltungsakt einer anderen Behörde mit anderer sachlicher Zuständigkeit abändern kann, ist der Bescheid vom 13.12.2007 nicht während des Vorverfahrens ergangen. Er wurde zugleich mit dem Widerspruchsbescheid gleichen Datums bekannt gegeben und dadurch mit der Beendigung des Widerspruchsverfahrens erlassen. Außerdem war ein Widerspruchsverfahren gegen die Beklagte nicht in Gang gesetzt, da sich der Widerspruch ursprünglich gegen einen Bescheid des Job-Centers richtete. Der "Abänderungsbescheid" vom 13.12.2007 war daher ein Erstbescheid, was auch seinem Wortlaut entspricht, gegen den der Rechtsbehelf Widerspruch gegeben war. Der Widerspruchsbescheid vom 13.12. 2007 ist daher rechtswidrig, weil er fehlerhaft über den Bescheid vom 13.03.2007 i.d.F. des nicht zulässigen Ersetzungsbescheids vom 13.12.2007 und ohne Einhaltung eines ordnungsgemäßen Widerspruchsverfahrens - zu diesem Zeitpunkt war noch kein Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.12.2007, der ebenfalls wie sein Vorgängerbescheid einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt hatte, erhoben worden - entschieden hat. Die mit der Berufung verfolgte und aufrechterhaltene - isolierte - Anfechtungsklage des Klägers gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 war insoweit erfolgreich.
Dagegen dürfte die Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2007) unzulässig gewesen sein, da es zum Zeitpunkt der Klageerhebung an der Sachurteilsvoraussetzung eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens gefehlt hatte. Ein Vorverfahren zum (Erst-)Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 hatte nicht stattgefunden.
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines Widerspruchsbescheids.
Diesen Anspruch hat der Kläger im Wege der Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG auch im Berufungsverfahren bei sachgerechter Auslegung seines Schriftsatzes vom 16.08.2011 zulässig geltend gemacht. Diese Klageänderung ist nach § 99 Abs. 1 SGG zulässig, denn sie ist sachdienlich, weil der Kläger das ursprüngliche Leistungsbegehren aus prozessualen Gründen nicht weiterverfolgen könnte. Andererseits hat die Beklagte die Klageänderung auch insoweit rügelos hingenommen, weshalb gem. § 99 Abs. 2 SGG die Einwilligung in die Klageänderung anzunehmen ist, denn sie hat nach Eingang des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 16.08.2011 sich mit der Vorlage des Ersetzungsbescheids vom 29.09.2011 auch sachlich zur begehrten Wiederholung des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens eingelassen. Mit dieser Klageänderung wird hingegen die Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2007 nicht weiterverfolgt, denn ihre etwaige prozessuale Durchsetzung soll erst mit Erlass des Widerspruchsbescheids ermöglicht werden.
Damit ist spätestens mit Eingang des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 16.08.2001, dem nach der vorausgegangenen Weigerung der Beklagten, ein nochmaliges Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren durchzuführen, die Fortsetzung des Berufungsverfahrens mit einer Untätigkeitsklage zu entnehmen ist, der Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 nicht mehr Streitgegenstand des Berufungsverfahrens gewesen.
Grundsätzlich kann das Vorverfahren als Prozessvoraussetzung auch noch während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 78 Rn. 3a), gegebenenfalls ist das Verfahren auszusetzen (vgl. Leitherer a.a.O. m.w.N.).
Die Beklagte hat ohne zureichenden Grund über den Widerspruch des Klägers nicht entschieden. Der zeitgleich mit dem Widerspruchsbescheid bekannt gegebene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2007 wurde mit der Klage vor dem SG angefochten, womit der Kläger zu erkennen gegeben hat, dass er mit dem Bescheid nicht einverstanden ist. Damit ist von dem rechtlich erforderlichen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 auszugehen (vgl. zur Klageerhebung als Widerspruch Leitherer a.a.O. § 78 Rn. 3b). Hierüber hat die Beklagte trotz zweier gerichtlicher Hinweise auf ein fehlendes und daher nachzuholendes Vorverfahren nicht entschieden.
Es handelt sich nicht um eine unter § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG fallende Anfechtungsklage, für die es keines Vorverfahrens bedarf. Dass die Bescheide vom 13.03.2007 und 13.12.2007 nicht rechtmäßig sind bzw. waren, bestreitet die Beklagte selbst nicht. Sie vertritt jedoch die Auffassung, dass sie diese Entscheidungen auch noch während des gerichtlichen Verfahrens durch einen rechtmäßigen Bescheid ersetzen konnte. Sie verweist hierzu auf den Ersetzungsbescheid vom 29.09.2011.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist ihr Bescheid vom 29.09.2011, mit dem die Beklagte ihren Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007 ersetzt und den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Übernahme der Kosten für ein Studium an der SRH Hochschule in H. erneut abgelehnt hat, nicht nach §§ 96, 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Der Bescheid vom 29.09.2011 ist nur an die Stelle des Ablehnungsbescheides vom 13.12.2007 getreten, der zum Zeitpunkt seines Erlasses im September 2011 aber nicht mehr Streitgegenstand des Berufungsverfahrens war. Der Bescheid vom 29.09.2011 ist gemäß § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 13.12.2007, dessen Beginn mit der ursprünglichen Klageerhebung zu unterstellen ist, geworden, in dem aber noch kein Widerspruchsbescheid erlassen worden ist.
Der Ersetzungsbescheid vom 29.09.2011 ersetzt oder ändert auch nicht den noch angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007, so dass auch insoweit § 96 SGG nicht anwendbar ist. Der Abänderungsbescheid vom 29.09.2011 beseitigt den Rechtsmangel der ursprünglichen Bescheide der Beklagten vom 13.12.2007 (Ablehnungsbescheid und Widerspruchsbescheid) nicht. Der Bescheid vom 29.09.2011 ersetzt nach seinem Wortlaut nur den Ablehnungsbescheid vom 13.12.2007, was auch aus der wiedergegebenen Verfahrensweise zu schließen ist, wonach der Mangel einer "fehlenden Anhörung" vor dem Bescheid vom 13.12.2007 zu beheben sei und deshalb das Anhörungsschreiben vom 28.07.2011 erging. Dass die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung der Anfechtungsklage herbeigeführt werden sollte, wird hierbei verkannt.
Der - rechtswidrige - Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 ist durch diesen Bescheid nicht aufgehoben. Der Bescheid vom 29.09.2011 ist auch nicht als den Widerspruchsbescheid ersetzender Bescheid auszulegen oder umzudeuten. Die funktionell zuständige Widerspruchsbehörde nach § 85 Abs. 2 Nr. 3 SGG in Angelegenheiten der Beklagten ist die von ihrem Verwaltungsrat bestimmte Stelle. Nach Beschluss des Verwaltungsrats vom 16.07.2007 (vgl. Leitherer a.a.O. § 85 Rn. 3e) ist dies der Geschäftsführer oder Dienststellenleiter der Agentur für Arbeit oder die von diesen bestimmte Stelle. Dem Bescheid vom 29.09.2011 ist weder die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (Abhilfeprüfung und Vorlage an die Widerspruchsstelle) noch der Erlass durch die genannte Widerspruchsstelle zu entnehmen. Das zur Durchführung der Anfechtungsklage ursprünglich bereits fehlende Vorverfahren, was grundsätzlich die Aussetzung einer gleichwohl erhobenen Klage erforderlich macht, ist als Rechtsmangel mit dem Bescheid vom 29.09.2011 nicht beseitigt.
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass der mit seiner Bekanntgabe wirksam gewordene Ersetzungsbescheid vom 29.09.2011 zwar an die Stelle des ursprünglichen Bescheides vom 13.12.2007 getreten ist, der Mangel des seinerzeit außerdem fehlenden ordnungsgemäßen Vorverfahrens damit aber nicht beseitigt wurde. Dies folgt auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 96 SGG, der zu Gunsten des Versicherten ein weiteres Vorverfahren wegen eines belastenden Verwaltungsaktes für entbehrlich erklärt, wenn der bisherige streitgegenständliche Bescheid geändert oder ersetzt wurde. Ergibt sich aber, dass die Sachurteilsvoraussetzung eines Vorverfahrens, das die Behörde im Rahmen ihrer Selbstkontrolle zwingend durchzuführen hat, nicht vorliegt, ist das - bislang unzulässige - Verfahren in der Regel auszusetzen und den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, die Sachurteilsvoraussetzung des Vorverfahrens herbeizuführen. Mit der Vorschrift des § 96 SGG kann daher die von Anfang an fehlende Prozessvoraussetzung des Vorverfahrens nicht ersetzt werden.
Da die Beklagte auch nach erneuten, auf ihr Ersuchen ergangenem richterlichen Hinweis endgültig die Nachholung eines Widerspruchsverfahrens, das durch die Selbstkontrolle der Verwaltung zur Entlastung der Gerichte beitragen soll, verweigert, war auf Untätigkeitsklage des Klägers vorliegend das Verfahren nicht auszusetzen, sondern die Beklagte entsprechend dem Verpflichtungsantrag des Klägers zu verurteilen.
Der mit Berufung verfolgten Klage war daher stattzugeben.
Die auf § 193 SGG beruhende Kostenentscheidung berücksichtigt die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidungen der Beklagten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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