L 7 AS 3759/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 5212/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 3759/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. August 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); des Weiteren begehrt er die Erstattung von Fahrkosten.

Der am 1954 geborene Kläger bezieht von der Beklagten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 29. Juli 2010 gewährte die Beklagte dem in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Lebensgefährtin S. D. (SD) stehenden Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2010 Arbeitslosengeld II (Alg II) i.H.v. EUR 303.- monatlich. Wegen des Bezuges von Einkommen der SD sowie deren Ausscheiden aus der Bedarfsgemeinschaft zum 15. Oktober 2010 wurde die Bewilligung durch Bescheide vom 7. und 11. Oktober 2010 geändert.

Bereits mit Schreiben vom 29. Juli 2010 hatte die Beklagte den Kläger zur persönlichen Meldung am 6. August 2010 eingeladen (zugestellt per Postzustellungsurkunde am 2. August 2010). Nachdem der Kläger nicht erschienen war, lud ihn die Beklagte unter dem 6. August 2010 zum 17. August 2010 (Folgeeinladung) erneut ein. Auch diese Einladung wurde dem Kläger unter seiner Wohnanschrift durch Einlegung in den zugehörigen Briefkasten am 10. August 2010 zugestellt, nachdem eine persönliche Übergabe nicht möglich war (Postzustellungsurkunde vom 10. August 2010). Nachdem der Kläger erneut nicht erschienen war, wurde ihm eine dritte Einladung zum 23. August 2010 zugesandt, die in gleicher Weise zugestellt wurde (Postzustellungsurkunde vom 18. August 2010). Auch diesen Termin nahm der Kläger nicht wahr. Er sprach jedoch am 24. August 2010 bei der Beklagten persönlich vor. Dabei führte er an, die Post aus dem Briefkasten genommen zu haben, eine Zustellung mittels Postzustellungsurkunde habe jedoch seiner Ansicht nach laut einem Gerichtsurteil keine Wirkung, da das Schriftstück persönlich übergeben werden müsse.

Wegen dieser drei Meldeverstöße senkte die Beklagte mit drei Bescheiden vom 30. August 2010 das Alg II im Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2010 jeweils um monatlich 10 vom Hundert (EUR 32,30) und damit insgesamt um EUR 96,90 monatlich ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug der Kläger vor, den Termin am 6. August 2010 wegen erheblicher Schmerzen nach einem Zahnarzttermin am Vortag nicht habe wahrnehmen können. Eine Einladung zum 17. August 2010 habe er nicht erhalten, was bei ihm schon mehrfach vorgekommen sei. Unter Verweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz (WF 1013/04) wandte er ein, der Einwurf eines Einschreibens in den Briefkasten stelle keinen ausreichenden Nachweis für einen tatsächlichen Zugang dar. Den Termin vom 23. August 2010 habe er in seinem Kalender versehentlich auf den Folgetag eingetragen, an dem er dann auch zur angegebenen Uhrzeit bei der Beklagten vorgesprochen habe.

Auf ein ausführliches Anhörungsschreiben der Beklagten vom 25. Oktober 2010 trug der Kläger ergänzend vor, nach der Schließung der Poststelle in W. komme es zu erheblichen Unzulänglichkeiten bei der Postzustellung; oft habe er fremde Post in seinem Briefkasten; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 374/375 der Verwaltungsakten Bezug genommen. Gleichzeitig wiederholte er einen bereits am 6. September 2010 gestellten Antrag auf Fahrkostenerstattung i.H.v. EUR 6,40 für die Vorsprache am 24. August 2010.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2010 hob die Beklagte den Sanktionsbescheid vom 30. August 2010 hinsichtlich des Meldetermins vom 6. August 2010 auf und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Absenkung betrage nunmehr nur noch EUR 64,60 monatlich.

Nachdem die Beklagte bereits mit nicht angefochtenem Bescheid vom 9. September 2010 den Antrag auf Fahrkostenerstattung abgelehnt hatte, lehnte sie diese mit Bescheid vom 16. November 2010 erneut ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2010 als unbegründet zurück; Fahrkosten könnten nur erstattet werden, wenn der Betroffene im Rahmen seiner Meldepflicht auf Aufforderung der Agentur für Arbeit bei dieser vorspreche.

Am 9. Dezember 2010 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der er sich unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens gegen die Absenkungsentscheidungen gewandt und des Weiteren die Erstattung der Fahrkosten begehrt hat. Ergänzend hat er vorgetragen, laut Information des Brief- und Frachtzentrums Pforzheim werde eine formelle Zustellung niemals persönlich übergeben. Der Postbote trage lediglich in eine Liste ein, dass er die Sendungen in den Postkasten eingeworfen habe. Es gebe aber keine Gewähr dafür, dass dies der richtige gewesen sei. In seinem Besitz befinde sich ein adressierter Umschlag einer formellen Zustellung der Beklagten (Einladung zum 23. August 2010), auf dem weder das Datum noch die Unterschrift des Postboten vorhanden seien.

Mit Urteil vom 23. August 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Absenkungsentscheidungen und die diese umsetzenden Bescheide vom 7. und 11. Oktober 2010 seien rechtmäßig. Der Kläger könne mit seinem Vortrag, die Einladung zum 17. August 2010 nicht erhalten zu haben, nicht durchdringen. Die Zustellung sei wirksam und anhand der Postzustellungsurkunde nachgewiesen. Diese stelle eine öffentliche Urkunde dar, die den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen erbringe. Die Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde könne nur durch den vollen Gegenbeweis belegt werden. Ein solcher Gegenbeweis sei dem Kläger vorliegend jedoch nicht gelungen. Die von ihm angeführte Entscheidung des OLG Koblenz betreffe lediglich das sog. Einwurf-Einschreiben, nicht aber die anders ausgestaltete Postzustellungsurkunde. Auch die Absenkung wegen des Meldeversäumnisses am 23. August 2010 sei nicht zu beanstanden; in der behaupteten Terminsverwechslung sei kein wichtiger Grund zu sehen. Einem Leistungsempfänger sei es zuzumuten, ein Aufforderungsschreiben zur Meldung mit der nötigen Sorgfalt zu lesen und die Befolgung sicherzustellen. Ein Anspruch auf Fahrkostenerstattung für ein irrtümliches Erscheinen bestehe weder nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 Abs. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) noch aus § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 1 SGB III. Die angefügte Rechtsmittelbelehrung benannte als statthaften Rechtsbehelf die Nichtzulassungsbeschwerde.

Gegen dieses ihm am 1. September 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, die bereits am 26. August 2011 beim SG einging. Wegen der Begründung wird auf Bl. 2 der Senatsakte Bezug genommen.

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 2. September 2011 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung unstatthaft und die Nichtzulassungsbeschwerde der richtige Rechtsbehelf sei. Gleichzeitig wurden beide Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung, sollte sie nicht zurückgenommen werden, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu verwerfen. Ihnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zum beabsichtigten Vorgehen eingeräumt.

Am 30. September 2011 hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die beim Senat unter dem Aktenzeichen L 7 AS 4249/11 NZB geführt wird. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2011 hat er deutlich gemacht, dennoch an der bereits eingelegten Berufung festzuhalten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. August 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 30. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2010 und Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 7. und 11. Oktober 2010 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2010 um EUR 64,60 monatlich höheres Arbeitslosengeld II zu gewähren sowie diese unter Aufhebung des Bescheides vom 16. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2010 zur Zahlung von Fahrkosten i.H.v. EUR 6,40 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zwar gemäß § 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden, sie ist aber nicht statthaft und damit nicht zulässig. Der Senat konnte daher nach § 158 Satz 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden.

Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beläuft sich vorliegend auf eine monatliche Absenkung i.H.v. EUR 64,60 für einen Zeitraum von drei Monaten (insgesamt EUR 193,80) zzgl. der begehrten Fahrkostenerstattung i.H.v. EUR 6,40, insgesamt also EUR 200,20. Somit ist die Berufung weder nach § 144 Abs. 1 Satz 1 noch Satz 2 SGG statthaft. Sie war als unzulässig zu verwerfen. Eine Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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