L 13 AS 4219/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 3522/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4219/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2011 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft, form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 172 Abs. 1, 3 und 173 SGG). Die Beschwerde ist auch begründet; das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht für den Zeitraum vom 19. August 2011 bis 31. Januar 2012 entsprochen. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Antragsgengerin, ihm vorläufig höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, als mit Bescheid vom 25. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2011 für die Zeit vom 1. August 2011 bis 31. Januar 2012 bewilligt worden ist, zu gewähren. Die Antragsgegnerin hat zu Recht bei der Leistungsgewährung Einkommen in Höhe von 296 EUR (590 EUR Mieteinnahmen, abzüglich 264 EUR Kosten für die im Eigentum des Antragstellers stehende Immobilie, abzüglich 30 EUR Pauschbetrag gem § 6 Abs. 1 Alg II-V) monatlich bedarfsmindernd vom Regelsatz in Höhe von 364 EUR abgezogen und 68 EUR monatlich gewährt.

Der Senat verweist hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung und hinsichtlich der Hilfsbedürftigkeit als Voraussetzung einer Leistungsgewährung auf den insoweit zutreffenden angefochtenen Beschluss des SG (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Nicht gefolgt werden kann jedoch dem SG darin, dass es von einer konkludenten Abtretung der Mietzinsforderung gegenüber Christa B. in Höhe von 590,- EUR vom Antragsteller an seine Mutter ausgegangen ist.

Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass der Antragsteller mit Eigentumserwerb (1. Oktober 2008) an dem Grundstück in die Position des früheren Vermieters, seiner Mutter, getreten ist (§ 566 Abs. 1 BGB). Damit ist der Antragsteller kraft Gesetzes Forderungsinhaber geworden. Eine ausdrückliche Abtretung der Mietzinsforderung an die Mutter oder eine Verpflichtung hierzu findet sich im notariellen Übergabevertrag vom 9. September 2008 nicht. Aus der Tatsache, dass der Mutter des Antragstellers im Übergabevertrag ein Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB für die im Erdgeschoss der Immobilie befindlichen Räume eingeräumt und auch nur hinsichtlich des Erdgeschosses (s. Auskunft des Grundbuchamtes vom 30. August 2010, Blatt 205 der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin) ein Leibgeding im Grundbuch eingetragen worden ist, folgt nicht, dass die Mietzinsforderung bezüglich des ersten Obergeschosses der Mutter des Antragstellers zusteht (s. hierzu den angefochtenen Beschluss des SG). Dass der Antragsteller die Mietzinsforderung auch nicht konkludent abgetreten oder sich hierzu verpflichtet hat, ergibt sich für den Senat aus § 1 Abs. 4 des Übergabevertrages. Dieser lautet wie folgt: "Der Vertragsgegenstand ist teilweise vermietet oder verpachtet. Dem Erwerber sind die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse bekannt. Der bisherige Vermieter scheidet erst mit Eigentumsüberschreibung aus dem Mietverhältnis aus und wird zur Vermeidung der Fortdauer seiner Haftung dem Nutzungsberechtigten den Eigentumsübergang anzeigen". Damit wird ausdrücklich auf das Ausscheiden der bisherigen Vermieterin aus dem Mietverhältnis mit Eigentumsübergang hingewiesen. Hätten die Vertragsparteien gewollt, dass trotz des Ausscheidens der bisherigen Vermieterin aus dem Mietverhältnis dieser die Mietforderung (weiterhin) zustehen soll, wäre dies hier wenigstens ansatzweise zu beschreiben gewesen. Da trotz Erwähnung des vermieteten Teils und dem Ausscheiden der Mutter aus dem Mietverhältnis nichts erwähnt oder gar geregelt worden ist, dem Erwerber die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse bekannt gewesen sind (s. § 1 Abs. 4 Satz 2 des notariellen Übergabevertrages), ist zu folgern, dass der Antragsteller Mietforderungsinhaber geworden ist. Bestätigt wird dies auch davon, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt ist (§ 2 des Vertrages) und die Erbfolge vorweggenommen werden sollte (§ 1 des Vertrages). Die anwaltlich vorgetragene Behauptung, Mutter und Sohn seien sich einig gewesen, dass die Mietansprüche der Mutter abgetreten worden seien, ist hiernach nicht glaubhaft und wird so nicht einmal von den eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers und seiner Mutter vom 17. August 2011 dargestellt. Darin wird lediglich auf das der Mutter zustehende Leibgeding abgestellt und so getan, dass deshalb die Mutter Forderungsinhaber bezüglich der Mietzinses für das erste Obergeschoss sei. Die Glaubwürdigkeit dieses Vortrages wird auch dadurch in Mitleidenschaft gezogen, dass der Antragsteller das am 1. Oktober 2008 erworbene Grundeigentum dem Antragsgegner gegenüber verschwiegen hat. So hat der Antragsteller in der Anlage VM zum Antrag vom 12. Januar 2010 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II jegliches Grundeigentum ausdrücklich verneint und im Antrag vom 18. Mai 2010 Änderungen im Vermögen verneint; die Antragsgegnerin bzw. der Kosten der Unterkunft gewährende Landkreis K. hat lediglich wegen einer einmaligen Abbuchung einer Grundsteuer vom Konto des Antragstellers nachgehakt und erst dann vom drei Parteien beherbergenden Grundeigentum des Antragstellers erfahren. Eine nach dem Übergabevertrag vorgenommene Abtretung wurde nicht dargelegt -stünde auch im Widerspruch zum Vortrag, sie seien sich bereits beim Übergabevertrag einig gewesen- und auch nicht glaubhaft gemacht, so dass der Senat auch nicht darüber zu entscheiden hatte, ob eine solche Abtretung gem. § 138 BGB nichtig ist (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senates vom 27. September 2011, L 13 AS 4496/10, veröffentlicht in Juris, Nasall in Juris PK-BGB, 5. Auflage 2010, § 138 BGB Rdnr. 114 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22. Juni 2004, 20 W 332/03, veröffentlicht in Juris).

Obwohl die Mieteinnahmen nicht auf ein Konto des Antragstellers, sondern auf ein Konto der Mutter eingezahlt werden, sind sie dennoch beim Antragsteller als zu berücksichtigendes Einkommen gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bedarfsdeckend zu berücksichtigen. Denn sie sind als sofort realisierbare Ansprüche ohne hinreichenden Grund nicht geltend gemacht worden. Zwar ist dem SG beizustimmen, dass Einnahmen, die ein Hilfebedürftiger erzielen könnte, aber tatsächlich nicht erhält, grundsätzlich kein Einkommen im Sinne des § 11 SGB II sind (vgl. Eicher/Spellbrink, Kommentar zu SGB II, 2. Auflage, § 11 SGB II Rdnr. 13; ). Anderes gilt jedoch bei tatsächlich bestehenden, zumutbaren und kurzfristig realisierbaren, aber ungenutzten Selbsthilfemöglichkeiten des Hilfebedürftigen (Eicher/Spellbrink, § 11 SGB II Rdnr. 14 m.w.N.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Februar 2009, L 5 AS 34/09 ER-B, veröffentlicht in Juris). Das ist hier der Fall. Der Antragsteller kann durch Vorlage eines Auszugs aus dem Grundbuch den Eigentumsübergang gegenüber der Mieterin dokumentieren und die Mietzahlung an sich sicherstellen (s. § 566 c BGB), wohingegen sich die Mutter gegenüber der Mieterin lediglich auf eine behauptete konkludente bzw. stillschweigende Abtretung der Mietforderung berufen könnte. Zu einer derartigen Vorgehensweise hatte der Antragsteller nach dem Beschluss des SG vom 16. Februar 2011, S 14 AS 528/ 11 ER, allen Grund, da bereits darin darauf hingewiesen worden ist, dass das Leibgeding nicht eine Forderungsinhaberschaft der Mutter zur Folge hat. Der Antragsteller hatte auch im Anschluss an den Beschluss genug Zeit, die Zahlungen an sich sicher zu stellen.

Der Vortrag des Antragstellers, er sei nicht in den Genuss der Mietzahlungen gelangt, ist auch nicht glaubhaft. Entweder hat die Mutter des Antragstellers der Mieterin ihr Ausscheiden aus dem Mietvertragsverhältnis bzw. den Eigentumsübergang trotz Ankündigung im Übergabevertrag vom 9. September 2008 (s. § 1 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2) immer noch nicht angezeigt, wie im Übrigen auch der Antragsteller, was nicht erklärbar wäre oder aber es wurde angezeigt, aber mitgeteilt, dass die Miete weiterhin auf das bisherige Konto überwiesen werden soll. Zu Letzterem passt, dass auch nach den Angaben des Antragstellers u.a. sämtliche Kosten für das Haus (Versicherungen, Reparaturen etc.), das im Eigentum des Antragstellers steht, von diesem Konto beglichen werden. Demnach ist das betreffende Konto zur Abwicklung der Einnahmen und Ausgaben des Antragstellers bezüglich des Hauses eingesetzt worden, womit der Einfachheit halber erreicht worden ist, dass gegenüber der Zeit vor dem Eigentumsübergang keinerlei Änderungen an der Handhabung vorgenommen werden mussten. Ob diese Vorgehensweise gewählt worden ist, um den Eigentumserwerb zu verschleiern (s.o.), braucht nicht entschieden zu werden.

Auch brauchte nicht mehr geklärt werden, ob es sich bei dem Grundeigentum um verwertbares Vermögen gem. § 12 SGB II handelt.

Auch eine Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) ist zu verneinen. Der Antragsteller hat bis heute ohne rechtfertigenden Grund -spätestens durch Beschluss des SG vom 16. Februar 2011, S 14 AS 528/11 ER, ist der Antragsteller darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass das zur Begründung hergehaltene Leibgeding nicht die Mietforderung erfasst- angeblich nicht sicher gestellt, dass ihm die gesamte Miete zugutekommt, obwohl dies ein Leichtes wäre. Zudem könnte er nötigenfalls seinen Bedarf in Anbetracht des erheblichen Grundvermögens vorübergehend selbst durch Kreditaufnahme befriedigen, so dass es ihm auch zuzumuten ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens (Klage beim SG, S 14 AS 4108/11) abzuwarten.

Soweit der Antragsteller geltend macht, offen sei auch, ob die neue gesetzliche Regelung über die Regelleistung den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts entspreche, verneint der Senat im Hinblick auf das zumindest belastbare Vermögen des Antragstellers jedenfalls einen Anordnungsgrund, aber auch einen Anordnungsanspruch, da die Neuregelung für alleinstehende Personen nicht zu beanstanden ist (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Juni 2011, L 12 AS 1077/11, veröffentlicht in Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des hierbei eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Antragsgegnerin keinen berechtigten Anlass zur Antragstellung gegeben und die Rechtverfolgung keinen Erfolg hat.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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