Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 21 AS 551/10
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 212/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine rückwirkende PKH-Bewilligung ist möglich, kann sich aber frühestens auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife beziehen. Voraussetzung ist stets das Vorliegen eines vollständigen Antrags einschließlich der ausgefüllten und ggf. belegten Erklärung über die pers. und wirtschaftl. Verhältnisse.
Die Beschwerde der Kläger bzw. ihres Prozessbevollmächtigten gegen den Be-schluss des Sozialgerichts Lübeck vom 15. März 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In dem am 3. Mai 2010 bei dem Sozialgericht Lübeck eingeleiteten Klageverfahren S 21 AS 551/10 bestellte sich Rechtsanwalt B mit am 7. März 2011 eingegan-genem Schriftsatz zum Prozessbevollmächtigten der Kläger und beantragte, den Klägern unter seiner Beiordnung Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Er kündigte an, die diesbezüglichen Unterlagen alsbald nachzureichen. Am 8. März 2010 telefo-nierte die Kammervorsitzende mit Rechtsanwalt B wegen eines in dieser Sache auf den 16. März 2011 anberaumten Verhandlungstermins; der Rechtsanwalt nahm dabei einen zwecks seiner Einarbeitung in den Streitstoff zunächst gestellten Antrag auf Terminsaufhebung zurück. Mit Schriftsatz vom 11. März 2011 - ausweis-lich des Eingangsstempel des Sozialgerichts eingegangen am 14. März 2011 - reich-te der Rechtsanwalt die Erklärung der Kläger über ihre persönlichen und wirtschaftli-chen Verhältnisse ein; mit am 15. März 2011 eingegangenen Schriftsatz nahm er nach zuvor erfolgter Akteneinsicht zur Sache Stellung. Mit Beschluss vom 15. März 2011, zugestellt am 31. März 2011, bewilligte das Sozialgericht den Klägern PKH un-ter Beiordnung von Rechtsanwalt B ab dem 14. März 2011. Zur Begründung der zeitlichen Beschränkung heißt es in dem Beschluss, dass ein ordnungsgemäßer PKH-Antrag, d.h. das gemäß § 117 Abs. 3 (gemeint: Abs. 2 i.V.m. Abs. 4) Zivilpro-zessordnung (ZPO) obligatorische Formular für die Erklärung der Kläger über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, dem Gericht erst seit diesem Tag vorliege. Die Rechtsbehelfsbelehrung ging dahin, dass gegen die PKH-Bewilligung die Beschwerde der Staatskasse stattfinde.
Im Termin am 16. März 2011 beendeten die Beteiligten den Rechtsstreit mit einem Vergleich; der Beklagte übernahm dabei ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Der am 4. April 2011 eingegangene Kostenfestsetzungsantrag des Prozessbevoll-mächtigten der Kläger belief sich auf insgesamt 1.171,14 EUR. Mit Beschluss vom 19. April 2011 setzte das Sozialgericht die dem Rechtsanwalt B aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 837,88 EUR fest und führte unter anderem aus, dass nur die nach dem 14. März 2011 (Eingang der Erklärung über die persönli-chen und wirtschaftlichen Verhältnisse) geleistete anwaltliche Tätigkeit bei der Fest-setzung zu berücksichtigen sei. Hiergegen legte Rechtsanwalt B mit am 5. Mai 2011 eingegangenem Schriftsatz Erinnerung ein und machte geltend, dass seine Tätigkeit mit dem 7. März 2011 begonnen habe. Es sei nicht gerechtfertigt, die vor dem 14. März 2011 geleistete anwaltliche Tätigkeit unberücksichtigt zu lassen. Auf Nachfrage des Sozialgerichts stellte der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 4. August 2011 klar, dass seine Erinnerung als Beschwerde gegen den PKH-Be¬schluss vom 15. März 2011 angesehen werden solle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen die mit dem angefochtenen Be-schluss vom 15. März 2011 konkludent erfolgte PKH-Versagung für die Zeit vor Ein-gang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klä-ger bei Gericht am 14. März 2011 richtet. Insbesondere ist diese Versagung nicht vom Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) er-fasst. Die Beschwerdefrist ist nach § 173 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG gewahrt, weil die Rechtsbehelfsbelehrung - bezogen auf die Beschwerde gegen die teilweise Versa-gung von PKH - unvollständig war.
Soweit der Beschluss vom 15. März 2011 im Aktivrubrum auch den Sohn Finn der Kläger zu 1. und 2. aufführt, handelt es sich um ein offensichtliches Versehen, nach-dem die Kläger zu 1. und 2. die Klage insoweit mit Erklärung vom 26. Mai 2010 zu-rückgenommen haben.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat PKH zu Recht und aus zutreffenden Gründen erst ab dem 14. März 2011 bewilligt, weil die Erklä-rung der Kläger über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausweislich des Eingangsstempels erst an diesem Tag bei Gericht eingegangen ist. Gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO setzt die Gewährung von PKH neben der hier nicht weiter zu erörternden Frage der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung voraus, dass die Kläger die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können. Zur Prüfung dieser Voraussetzung ist dem Antrag gemäß § 117 Abs. 2 ZPO die Er-klärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit Belegen beizufü-gen, und zwar nach § 117 Abs. 4 ZPO auf dem entsprechenden Vordruck.
Eine rückwirkende PKH-Bewilligung ist zwar möglich, kann sich aber frühestens auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife beziehen. Das ist der Zeitpunkt, zu dem das Ge-richt PKH bei einem ordnungsgemäßen unverzüglichen Geschäftsgang bewilligen muss oder musste. Voraussetzung ist aber stets das Vorliegen eines vollständigen Antrags, mit dem insbesondere die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzun-gen nach § 117 ZPO ausreichend dargetan und ggf. belegt sein müssen (vgl. Baum-bach/Lau¬terbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl. § 119 Rz 5 ff.; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. November 2009, L 19 B 262/09 AS [juris]).
Dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger hier zweifelsfrei bereits zu einem frühe-ren Zeitpunkt tätig geworden ist, ändert nichts daran, dass die gesetzlichen PKH-Voraussetzungen erst am 14. März 2011 erfüllt waren. Auch der Gesichtspunkt, dass Rechtsanwalt B im Interesse der Verfahrensbeschleunigung auf seinen zunächst gestellten Terminsverlegungsantrag verzichtet hat, führt zu keiner anderen Beurteilung.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens sowie am Rechtsgedanken des § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
In dem am 3. Mai 2010 bei dem Sozialgericht Lübeck eingeleiteten Klageverfahren S 21 AS 551/10 bestellte sich Rechtsanwalt B mit am 7. März 2011 eingegan-genem Schriftsatz zum Prozessbevollmächtigten der Kläger und beantragte, den Klägern unter seiner Beiordnung Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Er kündigte an, die diesbezüglichen Unterlagen alsbald nachzureichen. Am 8. März 2010 telefo-nierte die Kammervorsitzende mit Rechtsanwalt B wegen eines in dieser Sache auf den 16. März 2011 anberaumten Verhandlungstermins; der Rechtsanwalt nahm dabei einen zwecks seiner Einarbeitung in den Streitstoff zunächst gestellten Antrag auf Terminsaufhebung zurück. Mit Schriftsatz vom 11. März 2011 - ausweis-lich des Eingangsstempel des Sozialgerichts eingegangen am 14. März 2011 - reich-te der Rechtsanwalt die Erklärung der Kläger über ihre persönlichen und wirtschaftli-chen Verhältnisse ein; mit am 15. März 2011 eingegangenen Schriftsatz nahm er nach zuvor erfolgter Akteneinsicht zur Sache Stellung. Mit Beschluss vom 15. März 2011, zugestellt am 31. März 2011, bewilligte das Sozialgericht den Klägern PKH un-ter Beiordnung von Rechtsanwalt B ab dem 14. März 2011. Zur Begründung der zeitlichen Beschränkung heißt es in dem Beschluss, dass ein ordnungsgemäßer PKH-Antrag, d.h. das gemäß § 117 Abs. 3 (gemeint: Abs. 2 i.V.m. Abs. 4) Zivilpro-zessordnung (ZPO) obligatorische Formular für die Erklärung der Kläger über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, dem Gericht erst seit diesem Tag vorliege. Die Rechtsbehelfsbelehrung ging dahin, dass gegen die PKH-Bewilligung die Beschwerde der Staatskasse stattfinde.
Im Termin am 16. März 2011 beendeten die Beteiligten den Rechtsstreit mit einem Vergleich; der Beklagte übernahm dabei ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Der am 4. April 2011 eingegangene Kostenfestsetzungsantrag des Prozessbevoll-mächtigten der Kläger belief sich auf insgesamt 1.171,14 EUR. Mit Beschluss vom 19. April 2011 setzte das Sozialgericht die dem Rechtsanwalt B aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 837,88 EUR fest und führte unter anderem aus, dass nur die nach dem 14. März 2011 (Eingang der Erklärung über die persönli-chen und wirtschaftlichen Verhältnisse) geleistete anwaltliche Tätigkeit bei der Fest-setzung zu berücksichtigen sei. Hiergegen legte Rechtsanwalt B mit am 5. Mai 2011 eingegangenem Schriftsatz Erinnerung ein und machte geltend, dass seine Tätigkeit mit dem 7. März 2011 begonnen habe. Es sei nicht gerechtfertigt, die vor dem 14. März 2011 geleistete anwaltliche Tätigkeit unberücksichtigt zu lassen. Auf Nachfrage des Sozialgerichts stellte der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 4. August 2011 klar, dass seine Erinnerung als Beschwerde gegen den PKH-Be¬schluss vom 15. März 2011 angesehen werden solle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen die mit dem angefochtenen Be-schluss vom 15. März 2011 konkludent erfolgte PKH-Versagung für die Zeit vor Ein-gang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klä-ger bei Gericht am 14. März 2011 richtet. Insbesondere ist diese Versagung nicht vom Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) er-fasst. Die Beschwerdefrist ist nach § 173 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG gewahrt, weil die Rechtsbehelfsbelehrung - bezogen auf die Beschwerde gegen die teilweise Versa-gung von PKH - unvollständig war.
Soweit der Beschluss vom 15. März 2011 im Aktivrubrum auch den Sohn Finn der Kläger zu 1. und 2. aufführt, handelt es sich um ein offensichtliches Versehen, nach-dem die Kläger zu 1. und 2. die Klage insoweit mit Erklärung vom 26. Mai 2010 zu-rückgenommen haben.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat PKH zu Recht und aus zutreffenden Gründen erst ab dem 14. März 2011 bewilligt, weil die Erklä-rung der Kläger über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausweislich des Eingangsstempels erst an diesem Tag bei Gericht eingegangen ist. Gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO setzt die Gewährung von PKH neben der hier nicht weiter zu erörternden Frage der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung voraus, dass die Kläger die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können. Zur Prüfung dieser Voraussetzung ist dem Antrag gemäß § 117 Abs. 2 ZPO die Er-klärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit Belegen beizufü-gen, und zwar nach § 117 Abs. 4 ZPO auf dem entsprechenden Vordruck.
Eine rückwirkende PKH-Bewilligung ist zwar möglich, kann sich aber frühestens auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife beziehen. Das ist der Zeitpunkt, zu dem das Ge-richt PKH bei einem ordnungsgemäßen unverzüglichen Geschäftsgang bewilligen muss oder musste. Voraussetzung ist aber stets das Vorliegen eines vollständigen Antrags, mit dem insbesondere die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzun-gen nach § 117 ZPO ausreichend dargetan und ggf. belegt sein müssen (vgl. Baum-bach/Lau¬terbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl. § 119 Rz 5 ff.; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. November 2009, L 19 B 262/09 AS [juris]).
Dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger hier zweifelsfrei bereits zu einem frühe-ren Zeitpunkt tätig geworden ist, ändert nichts daran, dass die gesetzlichen PKH-Voraussetzungen erst am 14. März 2011 erfüllt waren. Auch der Gesichtspunkt, dass Rechtsanwalt B im Interesse der Verfahrensbeschleunigung auf seinen zunächst gestellten Terminsverlegungsantrag verzichtet hat, führt zu keiner anderen Beurteilung.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens sowie am Rechtsgedanken des § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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