L 2 AS 99/11 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 3696/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 99/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 21. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Klägerinnen begehren Prozesskostenhilfe für eine Klage auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und gegen die Aufhebung und Erstattung der genannten Leistungen im Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009.

Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 18. Februar 2009 für den Zeitraum ab dem 1. März 2009 bis zum 31. August 2009 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 640,06 Euro für die Klägerin zu 1) und 93,04 Euro für die am 2008 geborene Klägerin zu 2). Die Klägerinnen erhoben gegen den Bescheid Widerspruch.

Nachdem die Klägerin zu 1) die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) in Höhe von täglich 31,38 Euro ab dem 27. Februar 2009 bei dem Beklagten am 30. März 2009 bekanntgab, hob dieser die Bewilligung für die Klägerinnen mit Bescheid vom 7. April 2009 vollständig auf. In zwei weiteren Bescheiden vom 7. April 2009 regelte der Beklagte die Erstattung durch die Klägerin zu 1) von 1.280,12 Euro bzw. 186,08 Euro für die Klägerin zu 2). Als Grund für die Änderung bzw. Aufhebung mit den Bescheiden vom 7. April 2009 war jeweils der Bezug von Arbeitslosengeld durch die Klägerin zu 1) ab dem 27. Februar 2009 ausgeführt.

Den Widerspruch der Klägerinnen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2009 zurück.

Am 10. August 2009 haben die Klägerinnen beim Sozialgericht Halle (SG) Klage gegen die Leistungshöhe nach dem Bescheid des Beklagten vom 18. Februar 2009 in der Fassung des Bescheides vom 7. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2009 (Bewilligungszeitraum vom März 2009 bis August 2009) erhoben. Zugleich wenden sie sich gegen die Bescheide vom 7. April 2009 über die Aufhebung und Erstattung der bewilligten Leistungen im Bewilligungszeitraum über 1.280,12 Euro (Klägerin zu 1) bzw. 186,08 Euro (Klägerin zu 2). Zeitgleich mit der Klage haben die Klägerinnen Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung der Klage führten sie aus: Die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig. Hinzu komme, dass die Regelleistung bezüglich der Klägerin zu 2) möglicherweise verfassungswidrig sei. Letztendlich seien auch die Kosten der Unterkunft "festzusetzen".

Am 4. Januar 2010 reichten die Klägerinnen ihre Anträge auf Prozesskostenhilfe gemäß dem amtlichen Muster ein und äußerten, dass nach der Bescheidung des Antrages einer Ruhendstellung nichts im Wege stehe. Hiernach forderte das SG die Klägerinnen mit Verfügung vom 10. Februar 2010 auf, die Klage weiter zu begründen, denn nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010 seien rückwirkend keine höheren Leistungen zu gewähren. Die Klägerinnen meinten hierauf mit Schriftsatz vom 4. März 2010, dass ihnen durch die nicht erfolgte Anordnung einer rückwirkenden Neubestimmung der Regelleistungen kein Nachteil entstehen dürfe. Ihnen sei deshalb Prozesskostenhilfe zu gewähren. Jedenfalls seien vom Beklagten die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen und deshalb Prozesskostenhilfe wegen der falschen Kostenentscheidung in dem Widerspruchsbescheid zu gewähren. Andere Kammern des SG entschieden in dieser Weise. Nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe werde zu den weiteren Erfolgsaussichten der Klage vorgetragen.

Das SG hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 21. Februar 2011 abgelehnt: Die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil durch die Zahlung von Arbeitslosengeld an die Klägerin zu 1) ab dem 27. Februar 2009 nachträglich eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei. Der monatliche Bedarf sei durch das Einkommen in Form des Arbeitslosengeldes mehr als gedeckt. Hieran ändere die Verfassungswidrigkeit der Herleitung der Regelleistungen nichts, da hierdurch kein höherer Bedarf begründet sei.

Die Klägerinnen haben gegen den ihnen am 1. März 2011 zugestellten Beschluss am 11. März 2011 Beschwerde erhoben: Wegen der für die Auszahlung der Leistungen geltenden Rundungsregelung habe ihre Klage Aussicht auf Erfolg. Zudem seien ihre Leistungen für die Kosten der Unterkunft zu Unrecht gekürzt worden, weil diese nach einer Richtlinie des Beklagten gezahlt seien. Die Richtlinie entspreche nicht den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Die Klägerinnen beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 21. März 2011 aufzuheben und ihnen für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin R. –K. zu bewilligen.

Der Beklagte hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Beschlusses des SG, die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist fristgerecht im Sinne des § 173 S. 1 des Sozialgerichtsgerichtsgesetzes (SGG) erhoben und auch zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Erfolgsaussichten der Klage im Ergebnis zu Recht verneint.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG – v. 13. 03.1990 - 1 BvR 94/98, NJW 1991, S. 413 ff.). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht – BSG – v. 17.02.1989 - B 13 RJ 83/97 R, SozR 1500, § 72 Nr. 19). Die Entscheidung, ob Erfolgsaussichten bestehen, trifft mithin das Gericht auf Grundlage einer objektiven Prüfung.

Nach diesen Maßstäben bestehen zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife (1.) weder wegen der Höhe der Ansprüche nach Maßgabe der Bestimmungen des SGB II (2.) noch wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Festlegung der Regelleistungen (3.) hinreichende Erfolgsaussichten.

1. Eine Entscheidung zur Prozesskostenhilfe war erst ab dem 4. Januar 2010 und nicht schon mit Antragstellung am 11. August 2009 möglich. Denn neben dem Antrag – und der Darstellung des Klagegrundes – war noch der Eingang der ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllten Erklärung durch die Klägerinnen am 4. Januar 2010 erforderlich. Die Obliegenheit zur Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 117 Abs. 2 und 4 ZPO). In diesem Zeitpunkt war der Antrag auch ansonsten entscheidungsreif. Ein vollständiger und damit bewilligungsreifer Antrag auf Prozesskostenhilfe setzt unter anderem gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Darstellung des Streitverhältnisses unter Angabe der Beweismittel voraus (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Aufl. 2010, Rn. 120). Eine solche Prüfung ist dem Gericht jedoch nur möglich, wenn ihm eine substantiierte Darstellung des Streitverhältnisses vorgelegt worden ist (vgl. Völker/Zempel, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 2010, § 117 Rn. 7). § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO setzt daher voraus, dass derjenige, der Prozesskostenhilfe begehrt, den Sachverhalt schildert (vgl. Fischer, in: Musielak, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 117 Rn. 15; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn. 120) und wenigstens im Kern deutlich macht, auf welche rechtliche Beanstandung er seine Klage stützt (vgl. BVerfG v. 20.10.1993 - 1 BvR 1686/93 - Juris Rn. 1; BVerfG v. 14.04.2010 - 1 BvR 362/10 – Juris Rn. 15). Dies ist hier gegeben. Die Klägerinnen haben zwar keine Angaben zum Sachverhalt unterbreitet, aber ihre Klage dennoch nicht ohne jede Begründung bzw. Bezugnahme auf konkrete Verwaltungsentscheidungen erhoben. Sie haben die angefochtenen Bescheide bezeichnet und deren Rechtmäßigkeit unter anderem mit dem impliziten Verweis auf die offene Beurteilung der wegen der Festlegung der Regelleistung erfolgten Vorlage des Bundessozialgerichts an das Bundesverfassungsgericht (BSG v. 27.01.2009 - B 14/11b AS 9/07 R – Juris) und die Höhe der Kosten der Unterkunft bestritten. Damit ist ihr Klagebegehren hinreichend dargelegt, weil sie zwar kurz aber prüfbar darlegen, dass sie aus verfassungsrechtlichen und zum anderen aus einfachrechtlichen Gründen höhere Leistungsansprüche als begründet ansehen.

2. Die Klage ist zwar zulässig, aber ihr Erfolg unwahrscheinlich Die Prüfung der Erfolgsaussichten richtet sich nach dem Gegenstand der Klage. Die Klage umfasst hier die Anfechtung der Verwaltungsakte des Beklagten vom 18. Februar 2009 in der Fassung vom 7. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2009 sowie die geltend gemachten höheren Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II im Bewilligungszeitraum vom März 2009 bis August 2009 (Anfechtungs- und Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1 und 4 SGG).

Die angefochtenen Verwaltungsakte sind nach den im Streitfall anzuwendenden Normen des einfachen Rechts nicht zu beanstanden und verletzen die Klägerinnen nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten.

Die entgegen § 24 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nicht durchgeführte Anhörung vor Erlass der ändernden bzw. aufhebenden Verwaltungsakte ist durch die vollständige Bekanntgabe der Beweggründe in den jeweiligen Bescheiden geheilt, § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X. Die Klägerinnen konnten den angefochtenen Entscheidungen sämtliche für die Aufhebung relevanten Tatsachen entnehmen und daher bereits im Widerspruchsverfahren Stellung nehmen. Eine nochmalige formale Anhörung ist daher nicht notwendig.

Der Beklagte durfte die ursprüngliche Leistungsbewilligung vom 18. Februar 2009 mit dem Verwaltungsakt vom 7. April 2009 aufheben und Erstattung der bereits gezahlten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verlangen.

Der die Bewilligung ändernde Verwaltungsakt vom 7. April 2009 kann sich auf § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X und § 330 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) stützen. Nach Erteilung der Leistungsbewilligung mit Verwaltungsakt vom 18. Februar 2009 sind wesentliche Änderungen in den bei Bewilligung vorliegenden Verhältnissen eingetreten. Die Klägerin erhielt ab dem 27. Februar 2009 für 360 Tage Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 31,38 Euro. Das Arbeitslosengeld stellt eine Einnahme in Geld während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II dar und ist als Einkommen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II) der Klägerin zu 1) zu berücksichtigen. Durch diesen Zufluss sowie die weiteren Einnahmen der Bedarfsgemeinschaft in Form von Kindergeld und Unterhaltsvorschuss sind die Klägerinnen insgesamt nicht mehr hilfebedürftig.

Ihr monatlicher Hilfebedarf ergibt sich aus den jeweiligen Regelleistungen (für die Klägerin zu 1) 351 Euro und für die am 2. September 2008 geborene Klägerin zu 2) 211 Euro) zuzüglich des Zuschlages für Alleinerziehende (126 Euro) und den Kosten für die Unterkunft und Heizung (je 117,23 Euro für die Miete, 23,28 Euro für Nebenkosten und 22,55 für Heizkosten). Ein höherer Regelleistungsbedarf ergibt sich für die Klägerinnen trotz der von BVerfG festgestellten Verfassungswidrigkeit der früheren gesetzlichen Regelung zur Regelleistungshöhe (vgl. BVerfG v. 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – BVerfGE 125, 175) aufgrund der Abweichung von den Strukturprinzipien des von ihm gewählten Statistikmodells bei der Herleitung der Regelleistungen nicht. Der Gesetzgeber ist nicht zu einer rückwirkenden, sondern zu einer ab dem 1. Januar 2011 wirkenden Neuregelung verpflichtet. Ob wegen der zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife noch nicht geklärten verfassungsrechtlichen Frage, inwieweit die Regelleistungen verfassungswidrig gesetzlich festgelegt waren, Erfolgsaussichten bestanden, wird unter 3. behandelt werden.

Ebenso ist kein höherer Bedarf wegen der Kosten der Unterkunft und Heizung gegeben. Die Kosten der Unterkunft werden entgegen der Behauptung der Klägerinnen nicht (gekürzt) nach einer Richtlinie, sondern gemäß den realen Kosten der Unterkunft gewährt. Aus den Berechnungsbögen des Bescheides vom 7. April 2009 lässt sich entnehmen, dass keine "Kürzung wegen Unangemessenheit" vorgenommen wird, so dass die Leistungen nicht nach einer Verwaltungsvorgabe begrenzt sind. Die Leistungen für die Kosten der Unterkunft werden vom Beklagten insgesamt auf die vormaligen monatlichen Leistungen von 326,10 Euro begrenzt, weil die Klägerinnen ohne Zustimmung des Beklagten am 1. Oktober 2008 in ihre jetzige Wohnung gezogen sind. Die monatlichen Kosten der neuen Wohnung betragen für die Grundmiete 303,28 Euro, Betriebskosten 46,55 Euro und Heizkosten 71,22 Euro. Mithin wären ohne die Begrenzung monatlich 349,83 Euro wegen Miete und Nebenkosten zuzüglich 61,09 Euro wegen Heizkosten (Abzug für Warmwasserbereitung 6,33 Euro + 3,80 Euro, vgl. BSG v. 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - Juris), d.h. 410,91 Euro monatlich für die Leistungsbewilligung beachtlich. Wie die weitere Berechnung zeigt, kann dahinstehen, ob die bisherigen Kosten der Unterkunft und Heizung oder die nunmehr anfallenden Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen sind. Sollte die Begrenzung auf die bisherigen Kosten nicht rechtmäßig sein, wird die Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Bewilligungsentscheidung nicht beeinflusst.

Der Bedarf der Klägerinnen mindert sich um ihr gemäß § 11 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen. Dieses setzt sich für die Klägerin zu 2) monatlich ab dem Februar 2009 zusammen aus Kindergeld (164 Euro) und Unterhaltsvorschuss (117 Euro). Die Klägerin zu 1) erhält ab März 2009 Arbeitslosengeld (941,40 Euro monatlich). Von dem Einkommen der Klägerin zu 1) ist lediglich die Versicherungspauschale von 30 Euro monatlich abzusetzen. Bereinigt stehen den Klägerinnen so insgesamt 1.192,40 Euro zum Lebensunterhalt zur Verfügung.

Diese Summe übersteigt den monatlichen Bedarf der Klägerinnen selbst dann, wenn die realen Kosten der Unterkunft (s.o.) angesetzt würden (1.098,91 Euro). Im Zeitraum ab dem Monat März 2009 bis zum Ende des Monats August 2009 besteht daher kein Leistungsanspruch.

Ein eventuell gegebenes Vertrauen der Klägerinnen, die Leistungen im März und April 2009 zu Recht bewilligt und ausgezahlt erhalten zu haben, ist bei einer Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X unbeachtlich. Die Aufhebung erfolgte auch innerhalb der gesetzlichen Frist vom einem Jahr seit Kenntnis des Beklagten über die Gründe für die Aufhebung, § 48 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X.

Der Beklagte darf von der Aufhebung der Leistungen für die Monate ab März 2009 bis August 2008 gemäß § 330 Abs. 3 SGB III nicht absehen.

Die Festsetzung der Erstattung mit den Verwaltungsakten vom 7. April 2009 für den Zeitraum ab März 2009 bis April 2009 ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Die Erstattungsentscheidungen folgen der vollständigen Aufhebung, § 50 Abs. 1 SGB X, und betragen nicht mehr als die jeweiligen Auszahlungen in den Monaten März 2009 und April 2009 an die Klägerinnen. So ergehen ein Verwaltungsakt an die Klägerin zu 1) selbst und ein weiterer an die Klägerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin der Klägerin zu 2). Damit sind die einzelnen Rückforderungsbeträge entsprechend der Individualansprüche für die Klägerinnen aufgegliedert.

Den Klägerinnen ist Prozesskostenhilfe mithin nicht deshalb zu gewähren, weil sie in der Sache höhere Leistungsansprüche gegen den Beklagten haben bzw. die Rückforderung nur in geringerer Höhe rechtmäßig ist.

3. Den Klägerinnen ist keine Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu gewähren, weil zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages die Verfassungsmäßigkeit der Herleitung der Regelleistungen für die Grundsicherung mit Recht angezweifelt werden konnte und zu diesem Zeitpunkt eine Klärung durch das BVerfG noch nicht erfolgt war. Dies gilt jedenfalls, wenn wie hier keine Leistungen in Betracht kommen, weil das zu berücksichtigende Einkommen den Bedarf erheblich übersteigt. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass in der Regel Erfolgsaussichten zu bejahen sind, wenn sich in dem Rechtsstreit rechtliche und speziell verfassungsrechtliche Fragen von erheblicher Tragweite stellen (vgl. BVerfG v. 10.12.2001 - 1 BvR 1803/97 – Juris Rn. 11). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bewilligungsentscheidungen bzw. Rückforderungen von Leistungen nach dem SGB II ist die Höhe der Regelleistungen von zentraler Bedeutung, weil die Regelleistungen das soziokulturelle Existenzminimum abbilden sollen. Allerdings begründet eine aussichtsreiche Rüge der Verfassungswidrigkeit der Regelleistungshöhe im hier zu entscheidenden Fall noch keine Erfolgsaussichten für eine Klage auf höhere Leistungen aus der Grundsicherung. Denn mit der Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen zur Regelleistungshöhe ist der Umfang des Leistungsanspruchs nicht bestimmt. Es liegt kein Fall vor, in dem bereits aufgrund der Rüge der Verfassungswidrigkeit einer Norm und unterstellt, sie läge tatsächlich vor, eine günstige bzw. günstigere Sachentscheidung als wahrscheinlich erschien.

Die Fachgerichte sind an gesetzliche Vorgaben zur Festlegung der Regelleistung gebunden. Aufgrund ihrer Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes – GG –) und dem Vorbehalt des Gesetzes (§ 31 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil) sind die Sozialgerichte nicht berechtigt, Sozialleistungen zuzuerkennen, die sich nicht aus unmittelbar aus dem geschriebenen Recht bzw. durch rechtswissenschaftliche Auslegung unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben ergeben. Durch verfassungsrechtlich geprägte Auslegung lässt sich die gesetzlich festgelegte Regelleistung nicht revidieren. Nur die Zuordnung eines Hilfebedürftigen zu den jeweiligen Abstufungen ist der Auslegung zugänglich (vgl. beispielsweise BSG v. 09.06.2011 - B 8 SO 11/10 R – Juris Rn. 17ff.). Für die Prüfung, ob die Regelleistungshöhe verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt oder die entsprechenden Normen zu verwerfen sind, ist allein das Bundesverfassungsgericht zuständig. Eine entsprechende Prüfung ist im konkreten Fall nur auf eine Verfassungsbeschwerde der Klägerinnen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) bzw. eine Richtervorlage (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG) möglich. Im Fall der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Regelungen des SGB II zur Regelleistungshöhe, hat die Entscheidung des BVerfG zwar Gesetzeskraft (vgl. § 31 Abs. 2 Sätze 1, 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes – BVerfGG –), kann eine gesetzliche Regelung aber nicht ersetzen bzw. hat unmittelbar keine höhere materielle Anspruchsberechtigung zur Folge. Denn aufgrund der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes ist das Bundesverfassungsgericht nicht selbst befugt, die Höhe der Regelleistungen mit Gesetzeskraft zu bestimmen. Eine Norm kann vom Bundesverfassungsgericht lediglich für mit dem Grundgesetz unvereinbar bzw. nichtig erklärt werden, §§ 78, 79 Abs. 1 BVerfGG. Daraus würde folgen, dass sie im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf. Im Übrigen ist der Gesetzgeber in aller Regel nicht verpflichtet, die Auswirkungen einer verfassungswidrigen Regelung insgesamt, d.h. auch für alle Zeiten, auszugleichen. Schon vor der Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09 u.a.) war in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der Gesetzgeber das Existenzminimum zu sichern hat und hierbei dessen Höhe zu bestimmen hat. Die Sicherung des Existenzminimums ist eine der selbstverständlichen Pflichten eines Sozialstaats (vgl. schon BVerfG v. 18.06.1975 – 1 BvL 4/74BVerfGE 40, 121 – Juris Rn. 44). Es ist die originäre Aufgabe des Gesetzgebers, diesen von der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf festzustellen (vgl. BVerfG v. 25.09.1992 - 2 BvL 5/91BVerfGE 87, 153 – Juris Rn. 68). Hierbei hat der Gesetzgeber zudem zu bestimmen, wie dieser Mindestbedarf gedeckt wird (vgl. BVerfG v. 18.06.1975 – 1 BvL 4/74BVerfGE 40, 121 – Juris Rn. 44), d.h. er hat auch zu entscheiden welche Leistungen in Geld oder als Dienst- bzw. Sachleistungen zu gewähren sind. Der Gesetzgeber hat einen Gestaltungsspielraum bei den Wertungen, die mit der Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden sind. An diesen Grundsätzen hat das Bundesverfassungsgericht auch jüngst festgehalten, wenn es formuliert, dass sich der Grundsicherungsanspruch nur dem Grunde nach und nicht in der Höhe aus der Verfassung ableitet und dass es eines Parlamentsgesetzes für die Festlegung bedarf (BVerfG v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09BVerfGE 125, 175 – Juris Rn. 138 und 136). Mithin bedarf es, bietet die Ermittlungsmethode des Gesetzgebers keine hinreichende Gewähr für die Sicherung des Existenzminimums, einer anderen gesetzlichen Regelung durch den Bundesgesetzgeber.

Es war nur entfernt denkbar, dass infolge einer Entscheidung des BVerfG hierbei überhaupt eine rückwirkende Neuregelung durch den Gesetzgeber notwendig geworden wäre und dass zudem eine massiv höhere Festlegung der Regelleistungen die Folge wäre. Bereits bei Entscheidungsreife des Antrages auf Prozesskostenhilfe war anerkannt, dass der Gesetzgeber im Fall der Unvereinbarkeit bzw. Nichtigkeit einer Anspruchsnorm nicht grundsätzlich verpflichtet ist, eine Neuregelung mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Gesetzgeber einen mit dem Grundgesetz unvereinbaren Rechtszustand nicht rückwirkend beseitigen, wenn dies einer geordneten Finanz- und Haushaltsplanung zuwiderläuft oder die Verfassungsrechtslage bisher nicht hinreichend geklärt war und dem Gesetzgeber aus diesem Grund eine angemessene Frist zur Schaffung einer Neuregelung zu gewähren ist (vgl. BVerfG v. 13.02.2008 - 2 BvL 1/06 - BVerfGE 120, 125, 168 – Juris Rn. 146 m.w.N.). Es konnte daher wegen der bisher nicht erfolgten verfassungsrechtlichen Klärung und der erheblichen fiskalischen Auswirkungen mit Recht angenommen werden, dass selbst bei Unvereinbarkeit der Festlegung der Regelleistungen mit dem GG keine rückwirkende Neuregelung vorgenommen werden musste. Selbst wenn eine ggf. auch rückwirkende Neuregelung notwendig geworden wäre, konnte auch nicht erwartet werden, dass mit der Neuregelung eine Erhöhung der Regelleistungen einherzugehen hatte. Denn wie bereits ausgeführt, ist dem Gesetzgeber bei der Sicherung des Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum eingeräumt. Gerade in Anbetracht der Höhe des den Hilfebedarf übersteigenden Einkommens, wie sie sich aus der oben stehenden Berechnung ergibt, wäre aber ein Erfolg der Klage nur wahrscheinlich gewesen, wenn eine mehr als 50 Euro je Person höhere Festlegung der Regelleistungen zu erwarten gewesen wäre.

Letztlich kam es den Klägerinnen im vorliegenden Rechtsstreit auch ersichtlich nicht darauf an, eine Richtervorlage zu erreichen bzw. selbst die Verfassungsbeschwerde zu erheben. Sie hätten nach ihrem Schriftsatz vom 30. Dezember 2009 die Klage ruhend gestellt, wenn die Prozesskostenhilfeentscheidung günstig ausgefallen wäre. Ging es den Klägerinnen mit ihrer verfassungsrechtlichen Argumentation also nicht nur darum, Prozesskostenhilfe zu erreichen, sondern einen Aufschub bis zur Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen zu erreichen, hätte es weder der Klage bzw. ihrer weiteren Betreibung noch der anwaltlichen Vertretung bedurft. Denn Prozesskostenhilfe dient nur der Gleichstellung von unbemittelten Rechtsschutzsuchenden mit Vermögenden. Würde ein vernünftiger bemittelter Rechtsschutzsuchender unter Abwägung des Kostenrisikos von der Rechtsverfolgung absehen, ist keine Prozesskostenhilfe zu gewähren. Ein vernünftiger Rechtsschutzsuchender würde unter Abwägung der Kosten ein Verfahren nicht bzw. nicht weiter betreiben, wenn die gleiche Rechtsfrage bereits bei einem Obergericht zur Klärung anhängig ist, er das Verfahren ohne Nachteile ruhend stellen kann, und ihm nach der Klärung auch weiter alle Rechtsbehelfe offenstehen. Dann ist auch eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich. Denn der Rechtsschutzsuchende kann nach dem Ausgang des bereits anhängigen (Muster-)Verfahrens entweder von der Klärung ohne eigene Kosten profitieren oder sein Verfahren auf eigene Kosten weiter betreiben (vgl. zum Ganzen BVerfG v. 18.11.2009 – 1 BvR 2455/08 – Juris Rn. 10). Hier wäre es zur Vermeidung weiterer Kosten ohne ersichtliche Nachteile möglich gewesen, bis zur Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen entweder das Widerspruchsverfahren oder die Klage ruhen zu lassen.

Die Klage ist nicht deshalb erfolgversprechend, weil die Klägerinnen meinen, dass sie wegen ihrer Kosten im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren wenigstens zum Teil obsiegen könnten. Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO ist nur zu gewähren, wenn in der Hauptsache Erfolgsaussichten bestehen. Zwar ist es möglich, gegen die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid gemäß § 63 SGB X isoliert vorzugehen. Solange sich die Klage – wie hier – nicht allein gegen die Kostenentscheidung in dem Widerspruchsbescheid richtet, ist dies nicht die Hauptsache. Die Kostenentscheidung ergeht dann einheitlich nach § 193 SGG. Wie dargestellt, hat die Klage in der Hauptsache, d.h. wegen des Begehrens auf höhere Leistungen und Anfechtung der aufhebenden Verwaltungsakte keine Aussichten auf Erfolg. Eine möglicherweise günstige Kostenentscheidung nach § 193 SGG begründet keine Erfolgsaussichten. Bei dieser Kostenentscheidung handelt es sich nur um eine Nebenentscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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