Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 R 1286/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 833/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 2.9.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragstellerin auch die gerichtlichen Kosten des ersten Rechtszugs trägt. Die Antragstellerin trägt außerdem die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.451,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin, eine GmbH, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin vom 6.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010, mit dem diese die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für geringfügig Beschäftigte im Zeitraum Januar 2005 bis Juni 2007 in Höhe von 4.471,05 Euro zuzüglich Säumniszuschläge von 1.333,50 Euro, insgesamt 5.804,55 Euro verlangt.
Die Antragstellerin hat vorgetragen: Der Ausgangsbescheid sei zu Unrecht nur gegen ihren Geschäftsführer gerichtet worden, der aber selbst keine Mitarbeiter beschäftige. Im von der Antragsgegnerin angegebenen Prüfzeitraum vom 30.4. bis 3.7.2009 habe keine Prüfung in ihren, der Antragstellerin, Räumlichkeiten stattgefunden. Es habe auch keine Schlussbesprechung und daher keine wirksame Anhörung im Sinne von § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegeben. Entgegen den Angaben der Antragsgegnerin seien die betroffenen Mitarbeiter nicht telefonisch befragt worden, was sie im zukünftigen Verfahren anhand von Zeugenaussagen beweisen werde. Zudem seien seit Juni 2007 überhaupt keine Mitarbeiter mehr beschäftigt worden. Bis zum 30.5.2007 seien Beiträge nachweisbar überwiesen worden, sodass eine Forderung insofern nicht gegeben sei.
Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Der Bescheid sei ordnungsgemäß bekannt gegeben worden, da er sich an die Antragstellerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer richte. Eine Prüfung in den Räumen der Antragstellerin habe mangels deren Mitwirkung nicht stattfinden können. Stattdessen seien daher die Daten und Unterlagen der Einzugsstellen ausgewertet und Auskünfte der im Prüfzeitraum gemeldeten Arbeitnehmer eingeholt worden. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen werde die Einzugsstelle (hier: die Minijob-Zentrale) in die Lage versetzt, die bisherigen Beitragsschätzungen zu überprüfen. Dieses Verfahren sei notwendig, weil nach Auskunft der Minijob-Zentrale für den gesamten Prüfzeitraum keine Beitragsnachweise eingereicht worden seien. Dass die Antragstellerin vor Erlass des Ausgangsbescheides nicht angehört worden sei, sei unerheblich, weil die Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden sei. Der entsprechende Verfahrensfehler sei hierdurch geheilt worden. In der Sache selbst seien keine Anhaltspunkte erkennbar, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von ihr getroffenen Entscheidung aufkommen ließen.
Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt und der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auferlegt (Beschluss v. 2.9.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt: Weder habe die Antragstellerin eine durch die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides eintretende besondere Härte glaubhaft gemacht, noch bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit der Beschwerde wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie beantragt sinngemäß
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 2.9.2010 zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend.
Die Akten des Prüfverfahrens sind beigezogen worden und haben bei der Beschlussfassung vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 6.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER m.w.N. zum Streitstand, juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier der Klage, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschlüsse v. 24.6.2009, L 8 B 4/09 R ER; v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER; v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER; v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 B ER; jeweils juris und sozialgerichtsbarkeit.de).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bestehen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung derzeit keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin.
1. Gegenstand der Prüfung ist der Bescheid vom 6.7.2009 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 03.05.2010 gefunden hat (vgl. § 95 SGG). Jedenfalls der Widerspruchsbescheid ist der Antragstellerin dabei ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Denn er ist an die Antragstellerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, gerichtet (§§ 37 Abs. 1, 11 Abs. 1 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 35 Abs. 1 GmbHG-Gesetz).
2. Die Prüfung konnte auch ordnungsgemäß in den Räumen der Antragsgegnerin stattfinden. Das ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Beitragsverfahrensverordnung (BVV9, der eine derartige Prüfung ausdrücklich vorsieht. Zwar enthält § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB X ein Wahlrecht des Arbeitgebers hinsichtlich des Ortes der Prüfung. Macht dieser jedoch keinen Gebrauch davon bzw. lehnt er - wie die Antragsgegnerin hier unwidersprochen vorgetragen hat - eine Prüfung in den eigenen Geschäftsräumen ab, so liegt es im Ermessen des prüfenden Rentenversicherungsträgers, die Prüfung in eigenen Räumen durchzuführen.
3. Soweit zwischen den Beteiligten - unstreitig - keine Schlussbesprechung und damit keine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden hat, ist dieser Verfahrensmangel unbeachtlich geworden, weil - nach derzeitigem Kenntnisstand - die Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Hierfür reicht es nämlich aus, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben wird, sich im Widerspruchsverfahren sachgerecht zu äußern (BSG, Urteil v. 12.12.2001, B 6 KA 3/01 R, SozR 3-2500 § 82 Nr. 3). Die Schlussbesprechung selbst braucht demgegenüber nicht nachgeholt zu werden, denn sie ist auch im Prüfverfahren nicht formell vorgeschrieben, sondern übernimmt dort lediglich die Funktion der Anhörung nach § 24 SGB X (vgl. Jochim in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 28p Rdnr. 136). Voraussetzung ist freilich, dass dem Arbeitgeber mit dem Prüfbescheid der vollständig festgestellte Sachverhalt unterbreitet wird. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dies hier nicht geschehen wäre, bestehen trotz der von der Antragstellerin gerügten Adressierung des Ausgangsbescheides allein an ihren Geschäftsführer nicht. Denn dieser hat sich im Widerspruchsverfahren ausdrücklich namens der Antragstellerin zur Sache geäußert.
4. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt spricht schließlich auch nicht mehr dafür als dagegen, dass sich der Bescheid als materiell rechtswidrig erweisen wird.
a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass im Zeitraum bis Juni 2007, den die Antragsgegnerin der Prüfung zugrunde gelegt hat, bei der Antragstellerin Arbeitnehmer geringfügig im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV beschäftigt gewesen sind. Für Arbeitgeber derartiger Beschäftigter bestimmte § 249b Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis zum 30.6.2006 geltenden Fassung einen Arbeitgeberbeitrag von 11 % und danach von 13 % des Arbeitsentgelts dieser Beschäftigung. In der gesetzlichen Rentenversicherung betrug der entsprechende Beitragssatz bis zum 30.6.2006 12 % und ab dem 1.7.2006 15 % (§ 172 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalls sind aus den Akten nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen worden. Die genannten Beitragssätze sind von der Antragsgegnerin zutreffend auf die von ihr zugrunde gelegten Arbeitsentgelte angewandt worden.
b) Es ist weiter nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin der Berechnung der von der Antragstellerin zu zahlenden Beiträge unrichtige Arbeitsentgelte zugrunde gelegt hätte.
aa) Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Zum Nachweis der richtigen Beitragszahlung hat der Arbeitgeber der Einzugsstelle Beitragsnachweise zu übermitteln (§ 28f Abs. 3 Satz 1 SGB IV). Geschieht dies nicht ordnungsgemäß, können die Einzugsstelle und im Rahmen einer Betriebsprüfung auch der prüfende Träger der Rentenversicherung Schätzungen vornehmen (vgl. im Einzelnen § 28f Abs. 2 und 3 SGB IV). Erst recht dürfen die prüfenden Träger der Rentenversicherung die zutreffenden Arbeitsentgelte von Amts wegen ermitteln (vgl. § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV) und auf diese Weise der Einzugsstelle ermöglichen, ihre Schätzungen zu prüfen und ggf. zu korrigieren. Hierzu dürfen sie z.B. Auskünfte einholen und Zeugen vernehmen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB X). Insofern bestehen verfahrensrechtlich keine Bedenken gegen die von der Antragsgegnerin bei den betroffenen geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern eingeholten telefonischen Auskünfte.
bb) Die Antragstellerin ist der inhaltlichen Richtigkeit dieser Auskünfte nicht wirksam entgegengetreten. Sie hat lediglich vorgetragen, die Antragsgegnerin habe keine telefonischen Befragungen durchgeführt. Abgesehen davon, dass sie diese Behauptung in keiner Weise - auch nicht, was im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglich gewesen wäre, durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen - belegt hat, kommt es darauf letztlich aber nicht an. Denn entscheidend ist allein, ob die Antragsgegnerin der Beitragsberechnung zutreffende Arbeitsentgelte zugrunde gelegt hat. Dies hat die Antragstellerin jedoch nicht einmal einfach, geschweige denn qualifiziert unter Angabe der ihrer Ansicht nach zutreffenden Entgelte, bestritten.
c) Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin schließlich ein, die Beiträge seien bis zum 30.5.2007 "nachweisbar überwiesen" worden. Insoweit kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, ob (ggf. inwieweit) der prüfende Träger der Rentenversicherung die tatsächliche Zahlung von Beiträgen im Rahmen einer Betriebsprüfung zu berücksichtigen hat. Für die gegenteilige Auffassung der Antragsgegnerin könnte sprechen, dass die Prüfkompetenz der Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB IV nur die Befugnis der Einzugsstellen zum Erlass von Bescheiden zu Versicherungspflicht und Beitragshöhe nach § 28h Abs. 2 SGB IV sperrt, während die in § 28h Abs. 1 SGB IV geregelte Zuständigkeit für die Überwachung der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags auch im Rahmen der Betriebsprüfung bei den Einzugsstellen verbleibt. Die damit angesprochene Frage der genauen Kompetenzverteilung zwischen prüfendem Rentenversicherungsträger und Einzugsstelle muss im vorliegenden Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz jedoch nicht geklärt werden. Denn die Antragstellerin hat nicht nur keine Beitragsnachweise vorgelegt, sondern auch sonst in keiner Weise substantiiert, in welcher Höhe sie Beiträge gezahlt haben will. Daher ist auch nicht ansatzweise erkennbar geschweige denn glaubhaft gemacht, dass die Beiträge in zutreffender Höhe entrichtet worden sind.
Nach allem war im Hinblick auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG der erstinstanzliche Tenor lediglich dahin zu ergänzen, dass die Antragstellerin auch die gerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt.
Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von einem Viertel des Hauptsachestreitwerts (Senat, Beschluss v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER, a.a.O.) einschließlich der Säumniszuschläge (Senat, Beschlüsse v. 31.8.2009, L 8 B 11/09 R und 3.9.2009, L 8 B, 12/09 R, juris und sozialgerichtsbarkeit.de) auszugehen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin, eine GmbH, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin vom 6.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010, mit dem diese die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für geringfügig Beschäftigte im Zeitraum Januar 2005 bis Juni 2007 in Höhe von 4.471,05 Euro zuzüglich Säumniszuschläge von 1.333,50 Euro, insgesamt 5.804,55 Euro verlangt.
Die Antragstellerin hat vorgetragen: Der Ausgangsbescheid sei zu Unrecht nur gegen ihren Geschäftsführer gerichtet worden, der aber selbst keine Mitarbeiter beschäftige. Im von der Antragsgegnerin angegebenen Prüfzeitraum vom 30.4. bis 3.7.2009 habe keine Prüfung in ihren, der Antragstellerin, Räumlichkeiten stattgefunden. Es habe auch keine Schlussbesprechung und daher keine wirksame Anhörung im Sinne von § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegeben. Entgegen den Angaben der Antragsgegnerin seien die betroffenen Mitarbeiter nicht telefonisch befragt worden, was sie im zukünftigen Verfahren anhand von Zeugenaussagen beweisen werde. Zudem seien seit Juni 2007 überhaupt keine Mitarbeiter mehr beschäftigt worden. Bis zum 30.5.2007 seien Beiträge nachweisbar überwiesen worden, sodass eine Forderung insofern nicht gegeben sei.
Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Der Bescheid sei ordnungsgemäß bekannt gegeben worden, da er sich an die Antragstellerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer richte. Eine Prüfung in den Räumen der Antragstellerin habe mangels deren Mitwirkung nicht stattfinden können. Stattdessen seien daher die Daten und Unterlagen der Einzugsstellen ausgewertet und Auskünfte der im Prüfzeitraum gemeldeten Arbeitnehmer eingeholt worden. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen werde die Einzugsstelle (hier: die Minijob-Zentrale) in die Lage versetzt, die bisherigen Beitragsschätzungen zu überprüfen. Dieses Verfahren sei notwendig, weil nach Auskunft der Minijob-Zentrale für den gesamten Prüfzeitraum keine Beitragsnachweise eingereicht worden seien. Dass die Antragstellerin vor Erlass des Ausgangsbescheides nicht angehört worden sei, sei unerheblich, weil die Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden sei. Der entsprechende Verfahrensfehler sei hierdurch geheilt worden. In der Sache selbst seien keine Anhaltspunkte erkennbar, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von ihr getroffenen Entscheidung aufkommen ließen.
Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt und der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auferlegt (Beschluss v. 2.9.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt: Weder habe die Antragstellerin eine durch die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides eintretende besondere Härte glaubhaft gemacht, noch bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit der Beschwerde wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie beantragt sinngemäß
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 2.9.2010 zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend.
Die Akten des Prüfverfahrens sind beigezogen worden und haben bei der Beschlussfassung vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 6.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER m.w.N. zum Streitstand, juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier der Klage, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschlüsse v. 24.6.2009, L 8 B 4/09 R ER; v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER; v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER; v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 B ER; jeweils juris und sozialgerichtsbarkeit.de).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bestehen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung derzeit keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin.
1. Gegenstand der Prüfung ist der Bescheid vom 6.7.2009 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 03.05.2010 gefunden hat (vgl. § 95 SGG). Jedenfalls der Widerspruchsbescheid ist der Antragstellerin dabei ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Denn er ist an die Antragstellerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, gerichtet (§§ 37 Abs. 1, 11 Abs. 1 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 35 Abs. 1 GmbHG-Gesetz).
2. Die Prüfung konnte auch ordnungsgemäß in den Räumen der Antragsgegnerin stattfinden. Das ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Beitragsverfahrensverordnung (BVV9, der eine derartige Prüfung ausdrücklich vorsieht. Zwar enthält § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB X ein Wahlrecht des Arbeitgebers hinsichtlich des Ortes der Prüfung. Macht dieser jedoch keinen Gebrauch davon bzw. lehnt er - wie die Antragsgegnerin hier unwidersprochen vorgetragen hat - eine Prüfung in den eigenen Geschäftsräumen ab, so liegt es im Ermessen des prüfenden Rentenversicherungsträgers, die Prüfung in eigenen Räumen durchzuführen.
3. Soweit zwischen den Beteiligten - unstreitig - keine Schlussbesprechung und damit keine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden hat, ist dieser Verfahrensmangel unbeachtlich geworden, weil - nach derzeitigem Kenntnisstand - die Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Hierfür reicht es nämlich aus, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben wird, sich im Widerspruchsverfahren sachgerecht zu äußern (BSG, Urteil v. 12.12.2001, B 6 KA 3/01 R, SozR 3-2500 § 82 Nr. 3). Die Schlussbesprechung selbst braucht demgegenüber nicht nachgeholt zu werden, denn sie ist auch im Prüfverfahren nicht formell vorgeschrieben, sondern übernimmt dort lediglich die Funktion der Anhörung nach § 24 SGB X (vgl. Jochim in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 28p Rdnr. 136). Voraussetzung ist freilich, dass dem Arbeitgeber mit dem Prüfbescheid der vollständig festgestellte Sachverhalt unterbreitet wird. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dies hier nicht geschehen wäre, bestehen trotz der von der Antragstellerin gerügten Adressierung des Ausgangsbescheides allein an ihren Geschäftsführer nicht. Denn dieser hat sich im Widerspruchsverfahren ausdrücklich namens der Antragstellerin zur Sache geäußert.
4. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt spricht schließlich auch nicht mehr dafür als dagegen, dass sich der Bescheid als materiell rechtswidrig erweisen wird.
a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass im Zeitraum bis Juni 2007, den die Antragsgegnerin der Prüfung zugrunde gelegt hat, bei der Antragstellerin Arbeitnehmer geringfügig im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV beschäftigt gewesen sind. Für Arbeitgeber derartiger Beschäftigter bestimmte § 249b Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis zum 30.6.2006 geltenden Fassung einen Arbeitgeberbeitrag von 11 % und danach von 13 % des Arbeitsentgelts dieser Beschäftigung. In der gesetzlichen Rentenversicherung betrug der entsprechende Beitragssatz bis zum 30.6.2006 12 % und ab dem 1.7.2006 15 % (§ 172 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalls sind aus den Akten nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen worden. Die genannten Beitragssätze sind von der Antragsgegnerin zutreffend auf die von ihr zugrunde gelegten Arbeitsentgelte angewandt worden.
b) Es ist weiter nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin der Berechnung der von der Antragstellerin zu zahlenden Beiträge unrichtige Arbeitsentgelte zugrunde gelegt hätte.
aa) Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Zum Nachweis der richtigen Beitragszahlung hat der Arbeitgeber der Einzugsstelle Beitragsnachweise zu übermitteln (§ 28f Abs. 3 Satz 1 SGB IV). Geschieht dies nicht ordnungsgemäß, können die Einzugsstelle und im Rahmen einer Betriebsprüfung auch der prüfende Träger der Rentenversicherung Schätzungen vornehmen (vgl. im Einzelnen § 28f Abs. 2 und 3 SGB IV). Erst recht dürfen die prüfenden Träger der Rentenversicherung die zutreffenden Arbeitsentgelte von Amts wegen ermitteln (vgl. § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV) und auf diese Weise der Einzugsstelle ermöglichen, ihre Schätzungen zu prüfen und ggf. zu korrigieren. Hierzu dürfen sie z.B. Auskünfte einholen und Zeugen vernehmen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB X). Insofern bestehen verfahrensrechtlich keine Bedenken gegen die von der Antragsgegnerin bei den betroffenen geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern eingeholten telefonischen Auskünfte.
bb) Die Antragstellerin ist der inhaltlichen Richtigkeit dieser Auskünfte nicht wirksam entgegengetreten. Sie hat lediglich vorgetragen, die Antragsgegnerin habe keine telefonischen Befragungen durchgeführt. Abgesehen davon, dass sie diese Behauptung in keiner Weise - auch nicht, was im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglich gewesen wäre, durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen - belegt hat, kommt es darauf letztlich aber nicht an. Denn entscheidend ist allein, ob die Antragsgegnerin der Beitragsberechnung zutreffende Arbeitsentgelte zugrunde gelegt hat. Dies hat die Antragstellerin jedoch nicht einmal einfach, geschweige denn qualifiziert unter Angabe der ihrer Ansicht nach zutreffenden Entgelte, bestritten.
c) Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin schließlich ein, die Beiträge seien bis zum 30.5.2007 "nachweisbar überwiesen" worden. Insoweit kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, ob (ggf. inwieweit) der prüfende Träger der Rentenversicherung die tatsächliche Zahlung von Beiträgen im Rahmen einer Betriebsprüfung zu berücksichtigen hat. Für die gegenteilige Auffassung der Antragsgegnerin könnte sprechen, dass die Prüfkompetenz der Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB IV nur die Befugnis der Einzugsstellen zum Erlass von Bescheiden zu Versicherungspflicht und Beitragshöhe nach § 28h Abs. 2 SGB IV sperrt, während die in § 28h Abs. 1 SGB IV geregelte Zuständigkeit für die Überwachung der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags auch im Rahmen der Betriebsprüfung bei den Einzugsstellen verbleibt. Die damit angesprochene Frage der genauen Kompetenzverteilung zwischen prüfendem Rentenversicherungsträger und Einzugsstelle muss im vorliegenden Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz jedoch nicht geklärt werden. Denn die Antragstellerin hat nicht nur keine Beitragsnachweise vorgelegt, sondern auch sonst in keiner Weise substantiiert, in welcher Höhe sie Beiträge gezahlt haben will. Daher ist auch nicht ansatzweise erkennbar geschweige denn glaubhaft gemacht, dass die Beiträge in zutreffender Höhe entrichtet worden sind.
Nach allem war im Hinblick auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG der erstinstanzliche Tenor lediglich dahin zu ergänzen, dass die Antragstellerin auch die gerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt.
Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von einem Viertel des Hauptsachestreitwerts (Senat, Beschluss v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER, a.a.O.) einschließlich der Säumniszuschläge (Senat, Beschlüsse v. 31.8.2009, L 8 B 11/09 R und 3.9.2009, L 8 B, 12/09 R, juris und sozialgerichtsbarkeit.de) auszugehen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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