Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 3282/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2384/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.12.2009 abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe dem Kläger wegen des anerkannten Arbeitsunfalls am 12.05.1976 Verletztenrente ab 01.01.2002 zusteht.
Der 1943 geborene Kläger war am 12.05.1976 während seiner Tätigkeit als Gleisbauarbeiter gestürzt und von einem Bagger am rechten Fuß verletzt worden. Hierbei zog er sich eine offene Außenknöchelluxationsfraktur mit Syndesmosensprengung (Syndesmose=bandhafte Verbindung zweier Knochen durch kollagenes od. elastisches Bindegewebe) und Innenbandabriss am rechten Sprunggelenk zu (Durchgangsarztbericht Dr. R. vom 20.05.1976). Dem Kläger wurde vorläufige Rente und mit Wirkung ab 01.07.1978 eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. bewilligt (Bescheid vom 28.04.1978), wobei nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 15.12.1978) das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (S 10 U 6/79) im Wege des Vergleichs beendet wurde und die Beklagte sich bereit erklärte, eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. auch über den 30.06.1978 hinaus zu gewähren.
Auf Verschlimmerungsantrag des Klägers wurde mit Bescheid vom 08.07.1994, gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. W. vom 09.03.1994, ab 01.11.1993 eine Dauerrente nach einer MdE um 40 v.H. gewährt. Als Unfallfolge wurde festgestellt: Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes, Wackelsteife des unteren Sprunggelenkes rechts, massive Weichteileschwellung und Rückfußverkürzung rechts, schwere formverbildende Veränderungen und Kalksalzmangel im rechten oberen und unteren Sprunggelenk, Muskelverschmächtigung des rechten Ober- und Unterschenkels mit herabgesetzter Muskelspannung, Gangbehinderung rechts.
Der Klägerbevollmächtigte beantragte am 04.04.2000 wegen Verschlimmerung die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 40 v.H. Im daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 13.09.2000 führte Prof. Dr. W. aus, nach Arthrodese des oberen Sprunggelenks rechts im Dezember 1999 sei im Vergleich zum Vorgutachten eine veränderte Situation eingetreten. Die zwischenzeitlich erfolgte operative Versteifung habe zu einer Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks insbesondere aber auch zu einer Funktionsminderung des unteren Sprunggelenks geführt. Bei freier Einschätzung seien die Unfallfolgen mit einer MdE um 30 v.H. ausreichend bewertet. Im Vergleich zum Vorgutachten sei jedoch keine wesentliche MdE-relevante Änderung eingetreten. Mit Bescheid vom 29.09.2000 (Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001) wurde die Erhöhung der Verletztenrente abgelehnt. Die Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn wurde mit Gerichtsbescheid vom 14.08.2002 abgewiesen (S 6 U 284/01) - u.a. gestützt auf die sachverständigen Zeugenaussagen des den Kläger behandelnden Dr. S. vom 14.11.2001 und 10.06.2002.
Unter dem 03.03.2006 beantragte der Kläger die Überprüfung der bezahlten Rente. Seit Dezember 1999 habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert, auch hinsichtlich von Folgeschäden, die durch Mehr- und Überbelastung im Bereich der Hüfte, der Wirbelsäule sowie des anderen Beines entstanden seien. Am 14.06.2006 verwies der Kläger über seine damaligen Bevollmächtigten darauf, es verbleibe bei seinem Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X, wobei sich der Überprüfungsantrag auf den direkt an den Erlass des Gerichtsbescheids anknüpfenden Zeitraum beschränke. Er begehrte zuletzt Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v.H. seit dem 16.08.2002 und die Feststellung weiterer Unfallfolgen (Schriftsatz des früheren Klägerbevollmächtigten vom 13.12.2006).
Mit Bescheid vom 11.05.2007 lehnte die Beklagte die nach § 44 SGB X beantragte Rücknahme des Bescheids vom 29.09.2000 (i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2001) und die Erhöhung der Rente ab. Es gebe keinen Hinweis dafür, dass der Bescheid vom 29.09.2000 unrichtig gewesen sei. Ein Anspruch auf Rentenerhöhung nach § 48 Abs. 1 SGB X bestehe nicht. Die Folgen des Versicherungsfalls hätten sich gegenüber dem Bescheid vom 08.07.1994 nicht wesentlich verschlimmert. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2007 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 26.09.2007 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim, mit der er sein Begehren, die Feststellung weiterer Unfallfolgen und Erhöhung der Verletztenrente, weiterverfolgte.
Das Sozialgericht holte das Gutachten von Dr. D. vom 04.02.2008 ein, der eine Änderung im Unfallfolgezustand seit der Versteifungsoperation 1999 bejahte. Die unfallbedingte MdE betrage 30 v.H., denn nach der einschlägigen Gutachtensliteratur bedinge eine Versteifung im oberen Sprunggelenk eine MdE um 20 v.H., die zusätzliche Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk ergebe eine MdE von maximal 20 v.H., was eine Gesamt-MdE von 30 v.H. rechtfertige. Die dem Bescheid vom 08.07.1994 zu Grunde liegenden funktionellen Einschränkungen lägen in dieser Ausprägung nicht mehr vor. Die geltend gemachten Beschwerden in der Lendenwirbelsäule, die endgradige Streckhemmung sämtlicher Langfinger, die Instabilität im linken Kniegelenk sowie eine beginnende medial betonte Arthrose und Retropatellararthrose links seien keine Unfallfolgen. Diese seien auf den rechten Fuß begrenzt.
Gestützt auf dieses Gutachten und nach beratungsärztlicher Auswertung des Dr. B. (Stellungnahme vom 27.02.2008) setzte die Beklagte nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 03.03.2008) mit Bescheid vom 28.03.2008 die Verletztenrente herab. Sie gewährte ab 01.04.2008 nur noch Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. Der Bescheid wurde den vormaligen Klägerbevollmächtigten mit Zustellungsurkunde am 29.03.2008 zugestellt und enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass der Bescheid Gegenstand des derzeit anhängigen Klageverfahrens werde.
Auf die Einwände des Klägers, Dr. D. habe die vorhandene Hautveränderungen, Schmerzzustände, Weichteilschwellungen und Durchblutungsstörungen einschließlich einer Beinverkürzung rechts um 4 cm nicht ausreichend berücksichtigt, holte das Sozialgericht die ergänzenden gutachtlichen Stellungnahmen von Dr. D. vom 14.04. und 05.05.2008 ein. Danach betrage die Beinlängendifferenz nach röntgenologischer Ermittlung maximal 19-20 mm. Den Zeitpunkt der wesentlichen Veränderung der Verhältnisse lege er auf 13.06.2000, denn damals habe der Kläger ohne Unterarmgehstützen wieder frei gehen können.
Mit Urteil vom 04.12.2009 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 28.03.2008 auf und wies die Klage im Übrigen ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Bescheid vom 28.03.2008 sei gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Dieser sei rechtswidrig. Zwar sei ausweislich des überzeugenden Gutachtens von Dr. D. von einer wesentlichen Verbesserung des Unfallfolgenzustandes des Klägers ab 13.06.2000, dem Untersuchungszeitpunkt bei Prof. Dr. W. , mit einer MdE um 30 v.H. auszugehen. Jedoch stelle sich die Frage, ob es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben in Einklang zu bringen sei, wenn die Beklagte in Kenntnis der medizinischen Bewertungen des Prof. Dr. W. trotzdem in den Jahren 2000 und 2002 nicht die MdE auf 30 v.H. reduziert habe, sondern mehrfach von einer MdE von 40 v.H. ausgegangen sei und nunmehr aber die Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB X anwende. Dies könne aber dahinstehen, denn der Bescheid vom 29.09.2000/Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001 lege nicht nur dar, dass die MdE nicht bei 50 v.H. und höher liege, sondern stelle auch fest, dass eine MdE um 40 v.H. vorliege. Diesen rechtswidrigen Bescheid habe die Beklagte nicht gem. § 45 Abs. 1 SGB X zurückgenommen. Die Beklagte habe keine Vertrauensabwägung vorgenommen und keine Ermessensentscheidung getroffen, weshalb der Bescheid vom 28.03.2008, losgelöst von den in § 45 SGB X normierten Fristen, aufzuheben gewesen sei. Die Beklagte habe die erhöhten Rücknahmeanforderungen des § 45 SGB X nicht beachtet. Dagegen sei der angefochtene Bescheid vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 rechtmäßig, denn der Kläger habe keinen Anspruch auf eine höhere Verletztenrente als die gewährte Rente nach einer MdE um 40 v.H. Der Erhöhungsantrag des Klägers ist zutreffend abgelehnt worden. Aus dem überzeugenden Gutachten von Dr. D. ergebe sich, dass die unfallbedingte MdE tatsächlich nur 30 v.H. betrage.
Das Urteil ist jeweils mit Empfangsbekenntnis dem vorherigen Klägerbevollmächtigten am 28.04.2010 und der Beklagten am 26.04.2010 zugestellt worden. Der Kläger hat am 27.05.2010 und die Beklagte am 19.05.2010 Berufung gegen das Urteil eingelegt.
Der Kläger trägt vor, seine unfallbedingten Beschwerden seien höher zu bewerten als dies im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts erfolgt sei. Er verweise auf die am 29.03.2011 im Kreiskrankenhaus M. erfolgte Operation an seinem rechten Fuß.
Der Kläger beantragt - sinngemäß -, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.12.2009 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. ab 01.01.2002 zu gewähren, und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.12.2009 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen, und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie macht zur Begründung ihrer Berufung geltend, ihr Bescheid vom 28.03.2008 sei rechtmäßig, denn für die Anwendung des § 48 SGB X seien keine Fristen zu beachten, sofern der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werde. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.12.1992 - 9 a RV 20/90 - werde verwiesen. Auf den Bescheid sei § 96 SGG in der alten Fassung anwendbar. Eine Vertrauensabwägung oder Ermessensentscheidung sei nicht vorzunehmen gewesen. Ein atypischer Sonderfall, auf den das Sozialgericht offenbar abstelle, liege mangels der Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht vor. Eine Höherbewertung der unfallbedingten MdE lasse sich aufgrund der am 29.03.2011 erfolgten operativen Exotosenabtragung ausweislich der vorgelegten Durchgangsarztberichte nicht begründen. Die Wundheilung sei reizlos, Arbeitsfähigkeit sei am 11.04.2011 wieder eingetreten.
Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 20.07.2011 ist der Kläger zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen angehört worden. Auf die Niederschrift wird verwiesen. Der Senat hat von Dr. D. die ergänzende Äußerung vom 08.08.2011 eingeholt, wonach auch unter Berücksichtigung der geänderten MdE-Kriterien von einer unfallbedingten MdE um 30 v.H. auszugehen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Mannheim beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die beim Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können (§ 124 Abs. 2 SGG), sind statthaft, Berufungsausschlussgründe nach §§ 143,144 SGG liegen nicht vor. Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet (s unten B.), die der Beklagten dagegen ist begründet (siehe unten A).
A. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Ihr Bescheid vom 28.03.2008 ist rechtmäßig. Das von ihr angefochtene Urteil des Sozialgerichts war daher insoweit abzuändern, als es den Bescheid aufgehoben hat.
Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen die Aufhebung ihres Bescheides vom 28.03.2008. Sie ist nicht bereits deshalb begründet, weil das Sozialgericht den Bescheid ohne Durchführung eines Vorverfahrens als Streitgegenstand behandelt hatte. Das Sozialgericht hat ohne nähere Begründung auf den Bescheid zutreffend § 96 SGG angewendet.
Mit dem zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts geltenden § 96 SGG wäre der Bescheid nicht Verfahrensgegenstand geworden. Damit werden nur die Bescheide ohne Durchführung eines Vorverfahrens Gegenstand des Klageverfahrens, die den im Klageverfahren angefochtenen Bescheid ersetzen oder abändern. Der Bescheid der Beklagten vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 lehnte die beantragte Erhöhung der Verletztenrente nach § 48 SGB X ab, da sich nach der letzten bestandskräftigen Rentenfestsetzung mit Bescheid vom 08.07.1994 keine wesentliche Verschlechterung der Unfallfolgen ergeben habe. Mit dem gleichen Bescheid wurde auch der Antrag des Klägers nach § 44 SGB X abgelehnt, weil die Ablehnung der Rentenerhöhung wegen Verschlechterung mit Bescheid vom 29.09.2000 (Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001) nicht rechtswidrig gewesen sei. Diese Regelungen des vor dem Sozialgericht mit Klage angefochtenen Bescheids vom 11.05.2007/Widerspruchsbescheid vom 06.09.2007 wurden mit dem Bescheid vom 28.03.2008 weder ersetzt, es bleibt bei der Ablehnung der Rentenerhöhung und der Ablehnung der Rücknahme des Bescheids vom 29.09.2000, noch abgeändert, denn auch eine inhaltliche Ergänzung der genannten Regelungen, die sich in der Ablehnung einer Rentenerhöhung erschöpfen, ist damit nicht vorgenommen worden. Eine analoge Anwendung des § 96 SGG ist ausdrücklich ausgeschlossen.
Gleichwohl ist der Rentenkürzungsbescheid vom 28.03.2008 Verfahrensgegenstand geworden. Denn auf den noch vor Inkrafttreten der Neufassung des § 96 SGG am 01.04.2008 am 29.03.2008 zugestellten und damit wirksam gewordenen Bescheid ist noch § 96 SGG a.F. anwendbar, der nach einer dem Normzweck entsprechenden Auslegung aus Gründen der Prozessökonomie einer Analogie zugänglich war. Zur Neuregelung des § 96 SGG n. F. finden sich keine gesetzlichen Bestimmungen, die Übergangsregelungen enthalten, weshalb die Norm unmittelbar nach Inkrafttreten anzuwenden wäre. Vorliegend ergibt sich aber aus dem Normzweck selbst, dass die zum Zeitpunkt des Erlasses eines Bescheids eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten nicht nachträglich wieder entfallen können. Gehen die Beteiligten daher zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides zutreffend davon aus, dass ein Vorverfahren entbehrlich ist - der Bescheid enthält in der Rechtsmittelbelehrung den Hinweis auf § 96 SGG -, weil der zu diesem Zeitpunkt gültige § 96 SGG, jedenfalls in analoger Anwendung, den Bescheid unmittelbar zum Streitgegenstand des anhängigen Klageverfahren machte, und machen durch entsprechende Prozesserklärung von dieser rechtlichen Möglichkeit Gebrauch, ist dem Kläger die Fortführung der Klage gegen diesen Bescheid nicht verwehrt. Es kann nicht vom Zufall abhängen, ob der Klageweg bei Inkrafttreten der Neuregelung des § 96 SGG durch entsprechende Prozesserklärungen bereits beschritten war oder ein Vorverfahren noch hätte durchgeführt werden können. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist in diesem Fall auf die Prozesslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen. Vorliegend rechtfertigt sich die - in der alten Fassung des § 96 zulässige - analoge Anwendung der Vorschrift dadurch, dass der Kläger jedenfalls mit der Kombination seiner Anträge nach § 48 SGB X und § 44 SGB X eine auch in die Zukunft gerichtete Entscheidung der Beklagten über die richtige Beurteilung der Sach- und Rechtslage in der Vergangenheit herbeiführen wollte. Die Beklagte stützt ihre Entscheidung im Bescheid vom 28.03.2008 auf einen Sachverhalt in der Vergangenheit, den der Kläger mit seinen Anträgen erfassen wollte, lediglich die Rechtswirkung knüpft in der Zukunft an und berührt daher nur faktisch den (Rentenerhöhungs-)Ablehnungsbescheid vom 11.05.2007 nicht.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 28.03.2008 nicht rechtswidrig. Er verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Aufhebung des Bescheids im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts ist daher nicht rechtens, weshalb das Urteil in diesem Punkt abzuändern war.
Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 28.03.2008 erfolgte Minderung der Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. statt bisher 40 v.H. ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Bei Feststellung der MdE ist eine Änderung nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt und bei Renten auf unbestimmte Zeit länger als 3 Monate andauert (§ 73 Abs. 3 SGB VII). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten früheren Zustand ermittelt werden. Dies sind vorliegend die mit Bescheid vom 08.07.1994 festgestellten Unfallfolgen mit einer MdE um 40 v.H. Später erlassene Bescheide waren keine Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, denn ihr Regelungsgehalt war darauf beschränkt, eine Verschlimmerung des Unfallfolgenzustandes, die eine höhere MdE als 40 v.H. begründen würde, für den aktuellen Entscheidungszeitpunkt abzulehnen. Eine der Bestandskraft von Verwaltungsakten (§ 77 SGG) unterliegende und damit verbindliche anderweitige Feststellung der unfallbedingten MdE ist in diesen Bescheiden nicht getroffen. Die darin enthaltenen Ausführungen zur MdE sind nur Begründungselement der getroffenen Entscheidung (Ablehnung der Rentenerhöhung), weshalb es der nachträglichen Aufhebung dieser Bescheide gem. § 45 SGB X nicht bedarf.
Der Verwaltungsakt soll nach § 48 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden soweit 1. die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt oder 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 S. 2 SGB X).
Danach ist bei einer relevanten Änderung der Sach- und Rechtslage gem. S. 1 der Vorschrift der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zwingend, d.h. ohne Ermessensbetätigung der Behörde, aufzuheben. Einer Ermessensbetätigung bedarf es nur dann, wenn die Aufhebung bzw. Änderung des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit, nämlich zum Zeitpunkt des Eintritts der Änderung, unter den genannten Voraussetzungen in S. 2 der Vorschrift erfolgt. Die Rentenherabsetzung wurde mit Bescheid vom 28.03.2008 verfügt mit Wirksamkeit ab 01.04.2008, also mit Wirkung für die Zukunft. Eine zeitliche Beschränkung für die Änderung des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft ergibt sich aus § 48 SGB X nicht. Die Verweise in § 48 Abs. 4 SGB X auf die Anwendbarkeit der Fristen nach § 45 Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 SGB X beziehen sich nur auf die Rücknahme mit Wirkung in der Vergangenheit (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 48 SGB X Rdnr. 34 und Rdnr. 77).
Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend den aus dem Grundsatz von Treu und Glaube entspringenden Rechtsgedanken der Verwirkung angesprochen. Dieses Rechtsinstitut ist ebenso im Sozialrecht anerkannt und kann dem Verwaltungshandeln des Versicherungsträgers entgegengehalten werden (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6 m.w.N.). Danach ist die Geltendmachung eines Rechts verwirkt, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG a.a.O.).
Diese Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung sind nicht erfüllt. Wenn auch die vom Sozialgericht im angefochtenen Urteil angesprochenen Umstände dafür sprechen, dass jedenfalls ein Verwirkungsverhalten der Beklagten zu einer Vertrauensgrundlage geführt hat und ein Vertrauenstatbestand im Sinne der Rechtsprechung entstanden ist, was der Senat letztlich ebenso wie das Sozialgericht dahinstehen lassen kann, so ist jedenfalls nach Anhörung des Klägers in der nicht-öffentlichen Sitzung am 20.07.2011 ein Vertrauensverhalten des Klägers nicht festzustellen. Besondere Vorkehrungen oder Maßnahmen im Vertrauen auf die Höhe der Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. hat der Kläger nach seinen eigenen Einlassungen aufgrund des als (frühestes) Verwirkungsverhalten anzusehenden Erlasses des Bescheides vom 29.09.2000 seither nicht getroffen, hierzu war er nach seinen finanziellen Verhältnissen auch gar nicht in der Lage. Diese Angaben decken sich mit der Kenntnis des Senats aus dem Berufungsverfahren L 8 AL 3483/06 der Ehefrau des Klägers, wo über die Rückforderung zu Unrecht seit Januar 1997 bewilligter Arbeitslosenhilfe und Ablehnung eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe ab Januar 2001 gestritten worden ist (Urteil des Senats vom 06.03.2009). Die dort gemachten Angaben über Einkommen und Vermögen der Eheleute sind auch im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 20.07.2011 vor dem Senat angesprochen worden. Dass die Verletztenrente bei der Finanzierung des 1982 erworbenen Wohnhauses des Klägers berücksichtigt worden ist, reicht nicht aus, weil das in Frage kommende Verwirkungsverhalten hierfür nicht kausal war. Für die hier maßgebliche Zeit eines Verwirkungsverhaltens der Beklagten ab September 2000 wurden im Vertrauen auf zukünftige Rentenzahlungen in bisheriger Höhe Umschuldungen nicht vorgenommen oder neue Verpflichtungen weder bei den darlehensgebenden Banken noch bei sonstigen Gläubigern oder auch bei Freunden oder Verwandten nicht eingegangen. Sonstige, anderweitige Umstände, aus denen ersichtlich wird, dass der Kläger im Vertrauen auf die in der Höhe gleich bleibende Verletztenrente schwer rückgängig zu machende, noch andauernde sonstige Belastungen eingegangen ist, hat der Kläger nicht vorgetragen. Ein betätigtes Vertrauen im Sinne der Rechtsprechung zur Verwirkung liegt beim Kläger nicht vor.
Damit war die Beklagte rechtlich nicht gehindert, wegen der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Entscheidung mit Dauerwirkung die Verletztenrente des Klägers neu festzusetzen. Gegen die Höhe der Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. bestehen auch keine rechtlichen Bedenken. Mit diesem Unfallfolgezustand ist auch ab 13.06.2000 eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen eingetreten, die dem maßgeblichen Bescheid vom 08.07.1994 zugrundelagen. Dies hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt. Der Senat verweist insoweit nach eigener Überprüfung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (Seite 8 bis 11 des Urteils; § 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen ist, dass die zwischenzeitlich erfolgte Änderung der MdE-Bewertungskriterien bei funktionellen Einschränkungen der Sprunggelenke aufgrund neuer arbeitsmedizinischer Erfahrungstatsachen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Nummer 8.12.8, Seite 678) zu keiner anderen Einschätzung der unfallbedingten MdE beim Kläger führt. Der Senat hat hierzu die ergänzende Stellungnahme von Dr. D. vom 08.08.2011 eingeholt, der überzeugend an seiner Bewertung einer unfallbedingten Teil-MdE um 20 v.H. hinsichtlich der im 90°-Winkel erfolgten operativen Versteifung des oberen Sprunggelenks und damit an der Gesamt-MdE um 30 v.H. festgehalten hat.
B. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf Erhöhung der gewährten Verletztenrente wegen Verschlimmerung seines Unfallfolgenzustandes und auf Rücknahme früherer (Ablehnungs-)Bescheide. Der seinen Erhöhungs- und Zugunstenantrag ablehnende Bescheid der Beklagten vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 ist rechtmäßig.
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels nach § 44 SGB X ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Aus § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ergeben sich zwei Alternativen, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vgl BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Nach diesen Grundsätzen ist weder ersichtlich, dass bereits mit dem Bescheid zur Rentenerhöhung vom 08.07.1994 von einer unzutreffenden Sach- und Rechtslage bei Feststellung der MdE um 40 v.H ausgegangen wurde, noch ergibt sich dies für die nachfolgenden Ablehnungen der beantragten Rentenerhöhungen für andere, in der Vergangenheit liegende Zeiträume. Aus den gutachterlichen Äußerungen von Prof. Dr. W. und Dr. D. folgt, dass eine MdE um mehr als 40 v.H. (bis 13.06.2000) und danach mehr als 30 v.H. nicht vorgelegen hat. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Dies hat auch Dr. S. , der den Kläger seit Oktober 1991 durchgehend behandelt hatte, in seinen sachverständigen Zeugenaussagen vom 14.11.2001 und vom 10.06.2002 im Klageverfahren des Sozialgerichts Heilbronn (S 6 U 284/01) bestätigt, der in Unkenntnis etwaiger Vergleichsgutachten eine MdE um 30 v.H. angegeben und aufgrund seiner Befunde einen MdE-Satz um 40 v.H. als "Obergrenze der Norm" bezeichnet hat. Eine MdE um 50 v.H. ist diesen Darlegungen für keinen Zeitpunkt zu entnehmen.
Eine danach eingetretene, mit § 48 SGB X geltend zu machende Verschlechterung liegt nicht vor. Die vom Kläger vorgetragene Verschlechterung, wegen der er am 29.03.2011 am rechten Fuß operiert wurde, ist ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Durchgangsarztberichte vom 06.04. und 27.04.2011 nur mit einer vorübergehenden Funktionseinschränkung bei knapp 3-wöchiger Arbeitsunfähigkeit verbunden gewesen. Nach Heilbehandlung mit reizloser Wundheilung und nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit am 12.04.2011 (D-Arztmitteilung vom 11.04.2011 von Dr. J. ) bestanden keine Beeinträchtigungen mehr. Eine länger als drei Monate dauernde Funktionseinschränkung (§ 73 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VII) bestand nicht. Eine die MdE erhöhende Unfallfolge ist nicht hinzugetreten.
Die nach § 48 und § 44 SGB X gestellten Anträge des Klägers sind daher mit den genannten Bescheiden rechtmäßig abgelehnt und die Klage vom Sozialgericht zutreffend abgewiesen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe dem Kläger wegen des anerkannten Arbeitsunfalls am 12.05.1976 Verletztenrente ab 01.01.2002 zusteht.
Der 1943 geborene Kläger war am 12.05.1976 während seiner Tätigkeit als Gleisbauarbeiter gestürzt und von einem Bagger am rechten Fuß verletzt worden. Hierbei zog er sich eine offene Außenknöchelluxationsfraktur mit Syndesmosensprengung (Syndesmose=bandhafte Verbindung zweier Knochen durch kollagenes od. elastisches Bindegewebe) und Innenbandabriss am rechten Sprunggelenk zu (Durchgangsarztbericht Dr. R. vom 20.05.1976). Dem Kläger wurde vorläufige Rente und mit Wirkung ab 01.07.1978 eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. bewilligt (Bescheid vom 28.04.1978), wobei nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 15.12.1978) das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (S 10 U 6/79) im Wege des Vergleichs beendet wurde und die Beklagte sich bereit erklärte, eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. auch über den 30.06.1978 hinaus zu gewähren.
Auf Verschlimmerungsantrag des Klägers wurde mit Bescheid vom 08.07.1994, gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. W. vom 09.03.1994, ab 01.11.1993 eine Dauerrente nach einer MdE um 40 v.H. gewährt. Als Unfallfolge wurde festgestellt: Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes, Wackelsteife des unteren Sprunggelenkes rechts, massive Weichteileschwellung und Rückfußverkürzung rechts, schwere formverbildende Veränderungen und Kalksalzmangel im rechten oberen und unteren Sprunggelenk, Muskelverschmächtigung des rechten Ober- und Unterschenkels mit herabgesetzter Muskelspannung, Gangbehinderung rechts.
Der Klägerbevollmächtigte beantragte am 04.04.2000 wegen Verschlimmerung die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 40 v.H. Im daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 13.09.2000 führte Prof. Dr. W. aus, nach Arthrodese des oberen Sprunggelenks rechts im Dezember 1999 sei im Vergleich zum Vorgutachten eine veränderte Situation eingetreten. Die zwischenzeitlich erfolgte operative Versteifung habe zu einer Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks insbesondere aber auch zu einer Funktionsminderung des unteren Sprunggelenks geführt. Bei freier Einschätzung seien die Unfallfolgen mit einer MdE um 30 v.H. ausreichend bewertet. Im Vergleich zum Vorgutachten sei jedoch keine wesentliche MdE-relevante Änderung eingetreten. Mit Bescheid vom 29.09.2000 (Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001) wurde die Erhöhung der Verletztenrente abgelehnt. Die Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn wurde mit Gerichtsbescheid vom 14.08.2002 abgewiesen (S 6 U 284/01) - u.a. gestützt auf die sachverständigen Zeugenaussagen des den Kläger behandelnden Dr. S. vom 14.11.2001 und 10.06.2002.
Unter dem 03.03.2006 beantragte der Kläger die Überprüfung der bezahlten Rente. Seit Dezember 1999 habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert, auch hinsichtlich von Folgeschäden, die durch Mehr- und Überbelastung im Bereich der Hüfte, der Wirbelsäule sowie des anderen Beines entstanden seien. Am 14.06.2006 verwies der Kläger über seine damaligen Bevollmächtigten darauf, es verbleibe bei seinem Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X, wobei sich der Überprüfungsantrag auf den direkt an den Erlass des Gerichtsbescheids anknüpfenden Zeitraum beschränke. Er begehrte zuletzt Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v.H. seit dem 16.08.2002 und die Feststellung weiterer Unfallfolgen (Schriftsatz des früheren Klägerbevollmächtigten vom 13.12.2006).
Mit Bescheid vom 11.05.2007 lehnte die Beklagte die nach § 44 SGB X beantragte Rücknahme des Bescheids vom 29.09.2000 (i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2001) und die Erhöhung der Rente ab. Es gebe keinen Hinweis dafür, dass der Bescheid vom 29.09.2000 unrichtig gewesen sei. Ein Anspruch auf Rentenerhöhung nach § 48 Abs. 1 SGB X bestehe nicht. Die Folgen des Versicherungsfalls hätten sich gegenüber dem Bescheid vom 08.07.1994 nicht wesentlich verschlimmert. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2007 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 26.09.2007 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim, mit der er sein Begehren, die Feststellung weiterer Unfallfolgen und Erhöhung der Verletztenrente, weiterverfolgte.
Das Sozialgericht holte das Gutachten von Dr. D. vom 04.02.2008 ein, der eine Änderung im Unfallfolgezustand seit der Versteifungsoperation 1999 bejahte. Die unfallbedingte MdE betrage 30 v.H., denn nach der einschlägigen Gutachtensliteratur bedinge eine Versteifung im oberen Sprunggelenk eine MdE um 20 v.H., die zusätzliche Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk ergebe eine MdE von maximal 20 v.H., was eine Gesamt-MdE von 30 v.H. rechtfertige. Die dem Bescheid vom 08.07.1994 zu Grunde liegenden funktionellen Einschränkungen lägen in dieser Ausprägung nicht mehr vor. Die geltend gemachten Beschwerden in der Lendenwirbelsäule, die endgradige Streckhemmung sämtlicher Langfinger, die Instabilität im linken Kniegelenk sowie eine beginnende medial betonte Arthrose und Retropatellararthrose links seien keine Unfallfolgen. Diese seien auf den rechten Fuß begrenzt.
Gestützt auf dieses Gutachten und nach beratungsärztlicher Auswertung des Dr. B. (Stellungnahme vom 27.02.2008) setzte die Beklagte nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 03.03.2008) mit Bescheid vom 28.03.2008 die Verletztenrente herab. Sie gewährte ab 01.04.2008 nur noch Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. Der Bescheid wurde den vormaligen Klägerbevollmächtigten mit Zustellungsurkunde am 29.03.2008 zugestellt und enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass der Bescheid Gegenstand des derzeit anhängigen Klageverfahrens werde.
Auf die Einwände des Klägers, Dr. D. habe die vorhandene Hautveränderungen, Schmerzzustände, Weichteilschwellungen und Durchblutungsstörungen einschließlich einer Beinverkürzung rechts um 4 cm nicht ausreichend berücksichtigt, holte das Sozialgericht die ergänzenden gutachtlichen Stellungnahmen von Dr. D. vom 14.04. und 05.05.2008 ein. Danach betrage die Beinlängendifferenz nach röntgenologischer Ermittlung maximal 19-20 mm. Den Zeitpunkt der wesentlichen Veränderung der Verhältnisse lege er auf 13.06.2000, denn damals habe der Kläger ohne Unterarmgehstützen wieder frei gehen können.
Mit Urteil vom 04.12.2009 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 28.03.2008 auf und wies die Klage im Übrigen ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Bescheid vom 28.03.2008 sei gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Dieser sei rechtswidrig. Zwar sei ausweislich des überzeugenden Gutachtens von Dr. D. von einer wesentlichen Verbesserung des Unfallfolgenzustandes des Klägers ab 13.06.2000, dem Untersuchungszeitpunkt bei Prof. Dr. W. , mit einer MdE um 30 v.H. auszugehen. Jedoch stelle sich die Frage, ob es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben in Einklang zu bringen sei, wenn die Beklagte in Kenntnis der medizinischen Bewertungen des Prof. Dr. W. trotzdem in den Jahren 2000 und 2002 nicht die MdE auf 30 v.H. reduziert habe, sondern mehrfach von einer MdE von 40 v.H. ausgegangen sei und nunmehr aber die Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB X anwende. Dies könne aber dahinstehen, denn der Bescheid vom 29.09.2000/Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001 lege nicht nur dar, dass die MdE nicht bei 50 v.H. und höher liege, sondern stelle auch fest, dass eine MdE um 40 v.H. vorliege. Diesen rechtswidrigen Bescheid habe die Beklagte nicht gem. § 45 Abs. 1 SGB X zurückgenommen. Die Beklagte habe keine Vertrauensabwägung vorgenommen und keine Ermessensentscheidung getroffen, weshalb der Bescheid vom 28.03.2008, losgelöst von den in § 45 SGB X normierten Fristen, aufzuheben gewesen sei. Die Beklagte habe die erhöhten Rücknahmeanforderungen des § 45 SGB X nicht beachtet. Dagegen sei der angefochtene Bescheid vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 rechtmäßig, denn der Kläger habe keinen Anspruch auf eine höhere Verletztenrente als die gewährte Rente nach einer MdE um 40 v.H. Der Erhöhungsantrag des Klägers ist zutreffend abgelehnt worden. Aus dem überzeugenden Gutachten von Dr. D. ergebe sich, dass die unfallbedingte MdE tatsächlich nur 30 v.H. betrage.
Das Urteil ist jeweils mit Empfangsbekenntnis dem vorherigen Klägerbevollmächtigten am 28.04.2010 und der Beklagten am 26.04.2010 zugestellt worden. Der Kläger hat am 27.05.2010 und die Beklagte am 19.05.2010 Berufung gegen das Urteil eingelegt.
Der Kläger trägt vor, seine unfallbedingten Beschwerden seien höher zu bewerten als dies im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts erfolgt sei. Er verweise auf die am 29.03.2011 im Kreiskrankenhaus M. erfolgte Operation an seinem rechten Fuß.
Der Kläger beantragt - sinngemäß -, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.12.2009 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. ab 01.01.2002 zu gewähren, und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.12.2009 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen, und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie macht zur Begründung ihrer Berufung geltend, ihr Bescheid vom 28.03.2008 sei rechtmäßig, denn für die Anwendung des § 48 SGB X seien keine Fristen zu beachten, sofern der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werde. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.12.1992 - 9 a RV 20/90 - werde verwiesen. Auf den Bescheid sei § 96 SGG in der alten Fassung anwendbar. Eine Vertrauensabwägung oder Ermessensentscheidung sei nicht vorzunehmen gewesen. Ein atypischer Sonderfall, auf den das Sozialgericht offenbar abstelle, liege mangels der Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht vor. Eine Höherbewertung der unfallbedingten MdE lasse sich aufgrund der am 29.03.2011 erfolgten operativen Exotosenabtragung ausweislich der vorgelegten Durchgangsarztberichte nicht begründen. Die Wundheilung sei reizlos, Arbeitsfähigkeit sei am 11.04.2011 wieder eingetreten.
Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 20.07.2011 ist der Kläger zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen angehört worden. Auf die Niederschrift wird verwiesen. Der Senat hat von Dr. D. die ergänzende Äußerung vom 08.08.2011 eingeholt, wonach auch unter Berücksichtigung der geänderten MdE-Kriterien von einer unfallbedingten MdE um 30 v.H. auszugehen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Mannheim beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die beim Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können (§ 124 Abs. 2 SGG), sind statthaft, Berufungsausschlussgründe nach §§ 143,144 SGG liegen nicht vor. Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet (s unten B.), die der Beklagten dagegen ist begründet (siehe unten A).
A. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Ihr Bescheid vom 28.03.2008 ist rechtmäßig. Das von ihr angefochtene Urteil des Sozialgerichts war daher insoweit abzuändern, als es den Bescheid aufgehoben hat.
Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen die Aufhebung ihres Bescheides vom 28.03.2008. Sie ist nicht bereits deshalb begründet, weil das Sozialgericht den Bescheid ohne Durchführung eines Vorverfahrens als Streitgegenstand behandelt hatte. Das Sozialgericht hat ohne nähere Begründung auf den Bescheid zutreffend § 96 SGG angewendet.
Mit dem zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts geltenden § 96 SGG wäre der Bescheid nicht Verfahrensgegenstand geworden. Damit werden nur die Bescheide ohne Durchführung eines Vorverfahrens Gegenstand des Klageverfahrens, die den im Klageverfahren angefochtenen Bescheid ersetzen oder abändern. Der Bescheid der Beklagten vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 lehnte die beantragte Erhöhung der Verletztenrente nach § 48 SGB X ab, da sich nach der letzten bestandskräftigen Rentenfestsetzung mit Bescheid vom 08.07.1994 keine wesentliche Verschlechterung der Unfallfolgen ergeben habe. Mit dem gleichen Bescheid wurde auch der Antrag des Klägers nach § 44 SGB X abgelehnt, weil die Ablehnung der Rentenerhöhung wegen Verschlechterung mit Bescheid vom 29.09.2000 (Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001) nicht rechtswidrig gewesen sei. Diese Regelungen des vor dem Sozialgericht mit Klage angefochtenen Bescheids vom 11.05.2007/Widerspruchsbescheid vom 06.09.2007 wurden mit dem Bescheid vom 28.03.2008 weder ersetzt, es bleibt bei der Ablehnung der Rentenerhöhung und der Ablehnung der Rücknahme des Bescheids vom 29.09.2000, noch abgeändert, denn auch eine inhaltliche Ergänzung der genannten Regelungen, die sich in der Ablehnung einer Rentenerhöhung erschöpfen, ist damit nicht vorgenommen worden. Eine analoge Anwendung des § 96 SGG ist ausdrücklich ausgeschlossen.
Gleichwohl ist der Rentenkürzungsbescheid vom 28.03.2008 Verfahrensgegenstand geworden. Denn auf den noch vor Inkrafttreten der Neufassung des § 96 SGG am 01.04.2008 am 29.03.2008 zugestellten und damit wirksam gewordenen Bescheid ist noch § 96 SGG a.F. anwendbar, der nach einer dem Normzweck entsprechenden Auslegung aus Gründen der Prozessökonomie einer Analogie zugänglich war. Zur Neuregelung des § 96 SGG n. F. finden sich keine gesetzlichen Bestimmungen, die Übergangsregelungen enthalten, weshalb die Norm unmittelbar nach Inkrafttreten anzuwenden wäre. Vorliegend ergibt sich aber aus dem Normzweck selbst, dass die zum Zeitpunkt des Erlasses eines Bescheids eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten nicht nachträglich wieder entfallen können. Gehen die Beteiligten daher zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides zutreffend davon aus, dass ein Vorverfahren entbehrlich ist - der Bescheid enthält in der Rechtsmittelbelehrung den Hinweis auf § 96 SGG -, weil der zu diesem Zeitpunkt gültige § 96 SGG, jedenfalls in analoger Anwendung, den Bescheid unmittelbar zum Streitgegenstand des anhängigen Klageverfahren machte, und machen durch entsprechende Prozesserklärung von dieser rechtlichen Möglichkeit Gebrauch, ist dem Kläger die Fortführung der Klage gegen diesen Bescheid nicht verwehrt. Es kann nicht vom Zufall abhängen, ob der Klageweg bei Inkrafttreten der Neuregelung des § 96 SGG durch entsprechende Prozesserklärungen bereits beschritten war oder ein Vorverfahren noch hätte durchgeführt werden können. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist in diesem Fall auf die Prozesslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen. Vorliegend rechtfertigt sich die - in der alten Fassung des § 96 zulässige - analoge Anwendung der Vorschrift dadurch, dass der Kläger jedenfalls mit der Kombination seiner Anträge nach § 48 SGB X und § 44 SGB X eine auch in die Zukunft gerichtete Entscheidung der Beklagten über die richtige Beurteilung der Sach- und Rechtslage in der Vergangenheit herbeiführen wollte. Die Beklagte stützt ihre Entscheidung im Bescheid vom 28.03.2008 auf einen Sachverhalt in der Vergangenheit, den der Kläger mit seinen Anträgen erfassen wollte, lediglich die Rechtswirkung knüpft in der Zukunft an und berührt daher nur faktisch den (Rentenerhöhungs-)Ablehnungsbescheid vom 11.05.2007 nicht.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 28.03.2008 nicht rechtswidrig. Er verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Aufhebung des Bescheids im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts ist daher nicht rechtens, weshalb das Urteil in diesem Punkt abzuändern war.
Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 28.03.2008 erfolgte Minderung der Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. statt bisher 40 v.H. ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Bei Feststellung der MdE ist eine Änderung nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt und bei Renten auf unbestimmte Zeit länger als 3 Monate andauert (§ 73 Abs. 3 SGB VII). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten früheren Zustand ermittelt werden. Dies sind vorliegend die mit Bescheid vom 08.07.1994 festgestellten Unfallfolgen mit einer MdE um 40 v.H. Später erlassene Bescheide waren keine Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, denn ihr Regelungsgehalt war darauf beschränkt, eine Verschlimmerung des Unfallfolgenzustandes, die eine höhere MdE als 40 v.H. begründen würde, für den aktuellen Entscheidungszeitpunkt abzulehnen. Eine der Bestandskraft von Verwaltungsakten (§ 77 SGG) unterliegende und damit verbindliche anderweitige Feststellung der unfallbedingten MdE ist in diesen Bescheiden nicht getroffen. Die darin enthaltenen Ausführungen zur MdE sind nur Begründungselement der getroffenen Entscheidung (Ablehnung der Rentenerhöhung), weshalb es der nachträglichen Aufhebung dieser Bescheide gem. § 45 SGB X nicht bedarf.
Der Verwaltungsakt soll nach § 48 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden soweit 1. die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt oder 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 S. 2 SGB X).
Danach ist bei einer relevanten Änderung der Sach- und Rechtslage gem. S. 1 der Vorschrift der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zwingend, d.h. ohne Ermessensbetätigung der Behörde, aufzuheben. Einer Ermessensbetätigung bedarf es nur dann, wenn die Aufhebung bzw. Änderung des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit, nämlich zum Zeitpunkt des Eintritts der Änderung, unter den genannten Voraussetzungen in S. 2 der Vorschrift erfolgt. Die Rentenherabsetzung wurde mit Bescheid vom 28.03.2008 verfügt mit Wirksamkeit ab 01.04.2008, also mit Wirkung für die Zukunft. Eine zeitliche Beschränkung für die Änderung des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft ergibt sich aus § 48 SGB X nicht. Die Verweise in § 48 Abs. 4 SGB X auf die Anwendbarkeit der Fristen nach § 45 Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 SGB X beziehen sich nur auf die Rücknahme mit Wirkung in der Vergangenheit (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 48 SGB X Rdnr. 34 und Rdnr. 77).
Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend den aus dem Grundsatz von Treu und Glaube entspringenden Rechtsgedanken der Verwirkung angesprochen. Dieses Rechtsinstitut ist ebenso im Sozialrecht anerkannt und kann dem Verwaltungshandeln des Versicherungsträgers entgegengehalten werden (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6 m.w.N.). Danach ist die Geltendmachung eines Rechts verwirkt, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG a.a.O.).
Diese Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung sind nicht erfüllt. Wenn auch die vom Sozialgericht im angefochtenen Urteil angesprochenen Umstände dafür sprechen, dass jedenfalls ein Verwirkungsverhalten der Beklagten zu einer Vertrauensgrundlage geführt hat und ein Vertrauenstatbestand im Sinne der Rechtsprechung entstanden ist, was der Senat letztlich ebenso wie das Sozialgericht dahinstehen lassen kann, so ist jedenfalls nach Anhörung des Klägers in der nicht-öffentlichen Sitzung am 20.07.2011 ein Vertrauensverhalten des Klägers nicht festzustellen. Besondere Vorkehrungen oder Maßnahmen im Vertrauen auf die Höhe der Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. hat der Kläger nach seinen eigenen Einlassungen aufgrund des als (frühestes) Verwirkungsverhalten anzusehenden Erlasses des Bescheides vom 29.09.2000 seither nicht getroffen, hierzu war er nach seinen finanziellen Verhältnissen auch gar nicht in der Lage. Diese Angaben decken sich mit der Kenntnis des Senats aus dem Berufungsverfahren L 8 AL 3483/06 der Ehefrau des Klägers, wo über die Rückforderung zu Unrecht seit Januar 1997 bewilligter Arbeitslosenhilfe und Ablehnung eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe ab Januar 2001 gestritten worden ist (Urteil des Senats vom 06.03.2009). Die dort gemachten Angaben über Einkommen und Vermögen der Eheleute sind auch im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 20.07.2011 vor dem Senat angesprochen worden. Dass die Verletztenrente bei der Finanzierung des 1982 erworbenen Wohnhauses des Klägers berücksichtigt worden ist, reicht nicht aus, weil das in Frage kommende Verwirkungsverhalten hierfür nicht kausal war. Für die hier maßgebliche Zeit eines Verwirkungsverhaltens der Beklagten ab September 2000 wurden im Vertrauen auf zukünftige Rentenzahlungen in bisheriger Höhe Umschuldungen nicht vorgenommen oder neue Verpflichtungen weder bei den darlehensgebenden Banken noch bei sonstigen Gläubigern oder auch bei Freunden oder Verwandten nicht eingegangen. Sonstige, anderweitige Umstände, aus denen ersichtlich wird, dass der Kläger im Vertrauen auf die in der Höhe gleich bleibende Verletztenrente schwer rückgängig zu machende, noch andauernde sonstige Belastungen eingegangen ist, hat der Kläger nicht vorgetragen. Ein betätigtes Vertrauen im Sinne der Rechtsprechung zur Verwirkung liegt beim Kläger nicht vor.
Damit war die Beklagte rechtlich nicht gehindert, wegen der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Entscheidung mit Dauerwirkung die Verletztenrente des Klägers neu festzusetzen. Gegen die Höhe der Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. bestehen auch keine rechtlichen Bedenken. Mit diesem Unfallfolgezustand ist auch ab 13.06.2000 eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen eingetreten, die dem maßgeblichen Bescheid vom 08.07.1994 zugrundelagen. Dies hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt. Der Senat verweist insoweit nach eigener Überprüfung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (Seite 8 bis 11 des Urteils; § 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen ist, dass die zwischenzeitlich erfolgte Änderung der MdE-Bewertungskriterien bei funktionellen Einschränkungen der Sprunggelenke aufgrund neuer arbeitsmedizinischer Erfahrungstatsachen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Nummer 8.12.8, Seite 678) zu keiner anderen Einschätzung der unfallbedingten MdE beim Kläger führt. Der Senat hat hierzu die ergänzende Stellungnahme von Dr. D. vom 08.08.2011 eingeholt, der überzeugend an seiner Bewertung einer unfallbedingten Teil-MdE um 20 v.H. hinsichtlich der im 90°-Winkel erfolgten operativen Versteifung des oberen Sprunggelenks und damit an der Gesamt-MdE um 30 v.H. festgehalten hat.
B. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf Erhöhung der gewährten Verletztenrente wegen Verschlimmerung seines Unfallfolgenzustandes und auf Rücknahme früherer (Ablehnungs-)Bescheide. Der seinen Erhöhungs- und Zugunstenantrag ablehnende Bescheid der Beklagten vom 11.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 ist rechtmäßig.
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels nach § 44 SGB X ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Aus § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ergeben sich zwei Alternativen, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vgl BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Nach diesen Grundsätzen ist weder ersichtlich, dass bereits mit dem Bescheid zur Rentenerhöhung vom 08.07.1994 von einer unzutreffenden Sach- und Rechtslage bei Feststellung der MdE um 40 v.H ausgegangen wurde, noch ergibt sich dies für die nachfolgenden Ablehnungen der beantragten Rentenerhöhungen für andere, in der Vergangenheit liegende Zeiträume. Aus den gutachterlichen Äußerungen von Prof. Dr. W. und Dr. D. folgt, dass eine MdE um mehr als 40 v.H. (bis 13.06.2000) und danach mehr als 30 v.H. nicht vorgelegen hat. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Dies hat auch Dr. S. , der den Kläger seit Oktober 1991 durchgehend behandelt hatte, in seinen sachverständigen Zeugenaussagen vom 14.11.2001 und vom 10.06.2002 im Klageverfahren des Sozialgerichts Heilbronn (S 6 U 284/01) bestätigt, der in Unkenntnis etwaiger Vergleichsgutachten eine MdE um 30 v.H. angegeben und aufgrund seiner Befunde einen MdE-Satz um 40 v.H. als "Obergrenze der Norm" bezeichnet hat. Eine MdE um 50 v.H. ist diesen Darlegungen für keinen Zeitpunkt zu entnehmen.
Eine danach eingetretene, mit § 48 SGB X geltend zu machende Verschlechterung liegt nicht vor. Die vom Kläger vorgetragene Verschlechterung, wegen der er am 29.03.2011 am rechten Fuß operiert wurde, ist ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Durchgangsarztberichte vom 06.04. und 27.04.2011 nur mit einer vorübergehenden Funktionseinschränkung bei knapp 3-wöchiger Arbeitsunfähigkeit verbunden gewesen. Nach Heilbehandlung mit reizloser Wundheilung und nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit am 12.04.2011 (D-Arztmitteilung vom 11.04.2011 von Dr. J. ) bestanden keine Beeinträchtigungen mehr. Eine länger als drei Monate dauernde Funktionseinschränkung (§ 73 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VII) bestand nicht. Eine die MdE erhöhende Unfallfolge ist nicht hinzugetreten.
Die nach § 48 und § 44 SGB X gestellten Anträge des Klägers sind daher mit den genannten Bescheiden rechtmäßig abgelehnt und die Klage vom Sozialgericht zutreffend abgewiesen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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