Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 594/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3476/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist zuletzt noch streitig, ob beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt.
Der 1952 geborene Kläger war seit August 1977 bei der Firma B. GmbH und Co. KG S. (B.) in verschiedenen Abteilungen beschäftigt.
Mit ärztlicher Anzeige über eine Berufskrankheit vom 06.03.2006 teilte Dr. Sche. der Berufsgenossenschaft Metall Süd - eine Rechtsvorgängerin der Beklagten - unter Vorlage eines Tonaudiogramms mit, beim Kläger bestehe eine Lärmschwerhörigkeit, die der Kläger auf berufliche Einwirkungen zurückführe.
Die Berufsgenossenschaft (BG) leitete ein Feststellungsverfahren ein. Sie zog vom betriebsärztlichen Dienst der B. Audiogramme des Klägers bei, befragte die B. zu den Tätigkeiten des Klägers und zur Lärmbelastung am Arbeitsplatz (Stellungnahme vom 11.08.2006) und holte von seinem Präventionsdienst zur beruflichen Lärmexposition des Klägers die Stellungnahme von Dipl.-Ing. G. vom 23.10.2006 ein, der mitteilte, der Kläger sei vom 01.08.1993 bis 31.12.2000 bei seiner Tätigkeit als Pressenbediener impulshaltigem Lärm mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 93 dB(A), anschließend bis aktuell als Bediener von Taumel-/Nietmaschinen impulshaltigem Lärm mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 86 dB (A) und für die Zeit vor dem 01.08.1993 einem äquivalenten Dauerschallpegel von maximal 82 dB(A) ausgesetzt gewesen. Die gesamte berufliche Lärmbelastung entspreche einem Dauerschallpegel von 90 dB(A) über einen Zeitraum von 17,1 Jahren. Die BG holte von Dr. Sche. das HNO-ärztliche Gutachten vom 28.03.2007 ein. Dr. Sche. gelangte in seinem Gutachten zum Ergebnis, beim Kläger sei von einer Schallempfindungsschwerhörigkeit auszugehen. Die jetzt vorhandene Hörverschlechterung müsse als Lärmschädigung gesehen werden. Die MdE betrage 30 v.H ... Die BG holte zum Gutachten von Dr. Sche. die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. Schm. vom 04.05.2007 ein, der die Ansicht vertrat, das Krankheitsbild ergäbe keine Anhaltspunkte für eine überwiegend durch Lärm verursachte Hörstörung. Die BG veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung des Klägers durch Dr. S ... Dr. S. gelangte in seinem HNO-ärztlichen Gutachten vom 27.08.2007 zu dem Ergebnis, aufgrund des auffälligen Verlaufs der Hörschwellenkurve und des negativen Ergebnisses des SISI-Tests sei eine überwiegend lärmbedingte Hörstörung auszuschließen. Ein zusätzlich vorhandener Lärmschaden sei zwar anzunehmen, komme aber als überwiegende Ursache der gemessenen Hörstörung nicht infrage. Ein nicht abgrenzbarer, als Teilursache unbedeutender, Hörschaden sei auf die berufliche Lärmbelastung zurückzuführen. Es bestehe keine beruflich bedingte MdE.
Mit Bescheid vom 19.09.2007 lehnte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der BKV ab und teilte außerdem mit, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestünden.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Er trug zur Begründung vor, bei der Arbeit in der Stanzerei habe sich sein davor normales Gehör im Laufe der Zeit verschlechtert, weshalb er der Meinung sei, dass es sich um eine Berufserkrankung handele. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 08.02.2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit dem Ziel, die Beklagte zu verurteilen, eine BK nach Nr. 2301 der BKV anzuerkennen sowie Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren. Er nahm zur Begründung Stellung zum Gutachten des Dr. S ... Die bisherigen medizinischen Ermittlungen/Messungen und auch die medizinischen Schlussfolgerungen seien nicht befriedigen. Es sprächen deutliche Hinweise für eine berufsbedingte Entstehung der Hörstörung, zumindest als wesentliche Teilursache.
Das SG holte von Amts wegen das HNO-ärztliche Gutachten von Dr. V. vom 11.09.2008 ein. Dr. V. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine geringgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Schwerhörigkeit links vor. Die jetzt erhobenen und vorliegenden früheren Befunde seien nicht ohne weiteres vereinbar mit einer lärmbedingten Schwerhörigkeit. Aufgrund der dokumentierten erheblichen Impulshaltigkeit des Lärms könne jedoch nicht eine klassische Hochtoninnenohrschwerhörigkeit ohne wesentliche Beteiligung der mittleren und unteren Frequenzen als Folge der Lärmexposition gefordert werden. Ein Tinnitus besitze keinen Krankheitswert. Die Schwerhörigkeit sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf die Tätigkeit in der Stanzerei der B. durch Lärmeinwirkung verursacht, da sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt habe, es sich um eine reine Innerohrschwerhörigkeit mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen handele und sich ein Metz-Recruitment nachweisen lasse, welches auf einen cochleären Haarzellschaden schließen lasse. Eine geringgradige Seitendifferenz stelle kein Hindernis dar, von einer Lärmschwerhörigkeit auszugehen. Die MdE betrage 20 v.H ...
Die Beklagte erhob unter Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. Schm. vom 03.11.2008 Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. V ... Dr. Schm. teilte in seiner Stellungnahme mit, nach der gängigen Literaturmeinung solle zwar impulshaltiger Lärm auch zu einem Hörverlust in den niedrigeren und mittleren Frequenzen führen, allerdings müsse der Pegel 115 dB(A) oder mehr betragen. Aus medizinischer Sicht könne der ganze Hörverlust nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den beruflichen Lärm zurückgeführt werden. Zu den Einwendungen der Beklagten nahm Dr. V. in Ergänzung seines Gutachtens unter dem 25.03.2009 Stellung. Es sei davon auszugehen, dass in der Stanzerei Impulsschallpegel oberhalb von 115 bis 120 dB(A) erreicht worden seien. Die Tonschwellenkurven des Klägers seien für eine Lärmbelastung mit Impulslärm typisch. Es bestünden keine Mitwirkungsfaktoren, welche die Entstehung der Schwerhörigkeit auf andere Weise plausibel erklärten. Eine Lärmschwerhörigkeit sei an Sicherheit grenzend wahrscheinlich.
Die Beklagte ist der Klage weiter entgegengetreten (Schriftsatz vom 27.05.2009).
Auf Aufforderung des SG stellte die Beklagte weitere Ermittlungen zur Exposition des Klägers wegen impulshaltigem Lärm durch seinen Präventionsdienst (Stellungnahmen Herr G. vom 23.07.2009/ Mail vom 04.09.2009) an, wonach in der Stanzerei der höchste impulsbewertete Beurteilungspegel L (Al) mit 103 dB (A) ohne Nennung von Impulsspitzen gemessen worden sei.
Mit Urteil vom 22.04.2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe fest, dass die beim Kläger vorliegende Schwerhörigkeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit wesentlich durch die berufliche Tätigkeit verursacht sei. Da nicht habe festgestellt werden können, dass ein ausreichender Impulslärm an den Arbeitsplätzen des Klägers im Zeitraum vom 1993 bis 2006 vorgelegen habe, könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit geschlussfolgert werden, dass die beim Kläger bestehende Schwerhörigkeit wesentlich durch Lärmeinwirkungen verursacht worden sei, wie Dr. V. angenommen habe.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 05.05.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.07.2010 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages die Büroorganisation und Vorkehrungen zur Wahrung von Fristen seines Prozessbevollmächtigten dargelegt und hierzu Belege vorgelegt. Das Berufungsschreiben sei zusammen mit einer anderen Berufungsschrift am 28.05.2008 in einem Briefumschlag an das Landessozialgericht zur Post gegeben worden. Nachdem Ende Juni 2010 noch keine Eingangsbestätigung des Landessozialgerichts vorgelegen habe, sei durch ein Telefonat bekannt geworden, dass die Berufung dort nicht vorliege. Dagegen sei die andere Berufungsschrift, die sich im gleichen Briefumschlag befunden habe, beim Gericht am 31.05.2010 eingegangen. Es bleibe unerklärlich, wie es dazu habe kommen können, dass das Berufungsschreiben vom 28.05.2010 beim Landessozialgericht nicht eingegangen sei. In der Sache hat der Kläger zur Begründung ausgeführt, dem schlüssigen und ausführlichen Gutachten des Dr. V. sei zu folgen. Es müsse die Impulshaltigkeit des Lärms und nicht der Impulszuschlag angegeben und berücksichtigt werden. Wenn Lärmmessungen nicht oder nur unzureichend durchgeführt worden seien und nicht nachgeholt werden könnten, seien Vergleichswerte heranzuziehen. Eine Lärmbelastung könne dann nur annähernd geschätzt werden. Das SG hätte nicht ohne weiteres annehmen dürfen, dass die von der Beklagten gemessenen Schallpegel die für die Frage der geeigneten Exposition entscheidende Werte seien. Sie stellten für die Frage der Lärmschwerhörigkeit keine aussagekräftigen Werte dar. Die von der Beklagten vorgelegten äquivalenten Dauerschallpegel erreichten bei Berücksichtigung des Impulszuschlages und der Tatsache, dass es sich hier um gemittelte Werte handele, nahezu den geforderten Impulsschallpegel von 115 dB (A). Damit hätte die Schätzung des Gutachters hinsichtlich des Impulsschallpegels vom SG herangezogen werden können. Zumindest hätte sich das SG zu einer weiteren Sachaufklärung veranlasst sehen müssen.
Der Kläger beantragt - zuletzt -,
ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Ansicht des Klägers hätten die auf Messungen einer früheren Sicherheitsfachkraft der B. vom 31.05.1994 beruhenden Ermittlungen ihres Präventionsdienstes ergeben, dass kein relevanter impulshaltiger Lärm vorgelegen habe. Die von Dr. V. in seinem Gutachten unterstellte Impulshaltigkeit habe nicht bestätigt werden können.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die formgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und insgesamt zulässig.
Die Berufung des Klägers ist nicht wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässig. Zwar hat der Kläger die Berufungsfrist von einem Monat, auf die das SG im angefochtenen Urteil mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung hingewiesen hat, versäumt. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Empfangsbekenntnis am 05.05.2010 ordnungsgemäß zugestellt worden. Damit endete die Berufungsfrist am 07.06.2010 (einem Montag). Berufung hat der Kläger erst am 23.07.2010 und damit verspätet eingelegt. Dem Kläger ist jedoch auf seinen Antrag gemäß § 67 Abs. 1 SGG wegen der versäumten Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages die Büroorganisation und Vorkehrungen zur Wahrung von Fristen ausführlich dargelegt und hierzu Belege vorgelegt und damit glaubhaft gemacht, dass es unerklärlich bleibe, wie es dazu habe kommen können, dass das Berufungsschreiben vom 28.05.2010 beim Landessozialgericht nicht eingegangen sei. Zwar bleibt die Möglichkeit offen, dass die Berufungsschrift von der zuständigen Mitarbeiterin versehentlich nicht dem Briefumschlag beigefügt worden ist, was den fehlenden Zugang beim Landessozialgericht erklären würde. Ein dem Kläger zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten ist jedoch auch bei dieser Annahme nicht ersichtlich. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Berufungsfrist ohne Verschulden versäumt worden ist. Die Fristen des § 67 Abs. 2 SGG sind gewahrt. Damit ist dem Kläger wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Gegen den Wiedereinsetzungsantrag hat sich die Beklagte im Übrigen auch nicht gewandt.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist (nur) noch, ein Anspruch des Klägers auf Feststellung einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV. Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren außerdem Verletztenrente beansprucht hat, war seine hierauf gerichtete Klage mangels Durchführung eines Verwaltungsverfahrens für diese Leistung unzulässig. Objektiver Sinngehalt des Verfügungssatzes im Bescheid vom 19.09.2007 ist allein die Feststellung, dass keine BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Soweit in dem Bescheid außerdem mitgeteilt wurde, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestünden, ist damit eine - konkludente - Entscheidung über einen Anspruch auf Verletztenrente nicht erfolgt. Das Feststellungsverfahren ist auf die ärztliche Anzeige des Verdachtes einer BK Nr. 2301 durchgeführt worden. Zwar hat die Beklagte im Verwaltungsverfahren die Höhe der MdE bei der Prüfung nicht ausgenommen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides vom 19.09.2007 hat die Beklagte jedoch ausgeführt, dass die in den eingeholten Gutachten erhobenen medizinischen Befunde gegen eine wesentliche lärmbedingten Verursachung der Hörstörung des Klägers sprächen. Dem entspricht auch die Begründung des Widerspruchsbescheids. Die Formulierung in Nr. 2 des Verfügungssatzes des Bescheides vom 19.09.2007, "Ansprüche auf Leistungen bestehen nicht. Dies gilt auch für die Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegen zu wirken." beschreibt ersichtlich nur allgemein die Folgerungen, die sich aus der Nichtanerkennung einer BK ergeben. Eine Entscheidung über einzelne konkrete Leistungsansprüche ist damit aber nicht verbunden. Leistungen (Verletztenrente) hat der Kläger im Verwaltungsverfahren auch nicht beantragt gehabt. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger des Bescheides kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das Vorliegen einer BK entscheiden wollte und etwaige Leistungsansprüche nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. auch BSG mit Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R -). Dem hat der Kläger im Berufungsverfahren auch durch seinen Berufungsantrag Rechnung getragen und die Gewährung von Verletztenrente nicht weiter verfolgt.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Im Anhang zur BKV ist die Erkrankung an einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 enthalten.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Abweichend von der früheren Verwendung des Begriffs der haftungsbegründenden Kausalität folgt der Senat der überzeugenden neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 02.04.2009, a.a.O.), dass auch im Berufskrankheiten-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung oder ihre wesentliche Verschlimmerung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen - in nachgewiesener Dauer und Intensität - begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 RdNr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Nach diesen Regeln und Maßstäben liegt beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 BKV nicht vor.
Allerdings geht der Senat nach den Ermittlungen der Beklagten durch ihre Präventionsabteilung davon aus, dass der Kläger in dem infrage kommenden Expositionszeitraum gehörschädigendem Lärm ausgesetzt war, da der Kläger vom 01.08.1993 bis 31.12.2000 bei seiner Tätigkeit als Pressenbediener impulshaltigem Lärm mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 93 dB(A) und anschließend als Bediener von Taumel-/Nietmaschinen impulshaltigem Lärm mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 86 dB (A) ausgesetzt war und dass die gesamte berufliche Lärmbelastung einem Dauerschallpegel von 90 dB(A) über einen Zeitraum von 17,1 Jahren entspricht. Die Einwirkungskausalität für die streitige Berufskrankheit Nr. 2301 liegt somit vor.
Nach dem im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholten überzeugenden Gutachten von Dr. S. vom 27.08.2007, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, ist jedoch das Krankheitsbild der beim Kläger diagnostizierten Schwerhörigkeit nicht mit dem Krankheitsbild einer Lärmschwerhörigkeit vereinbar. Gegen eine Lärmschwerhörigkeit spricht nach der gutachtlichen Beurteilung ein auffälliger Verlauf der Hörschwellenkurve und das negative Ergebnis der überschwelligen Hörprüfung (SISI-Test). Die Einschätzung des für eine Lärmschwerhörigkeit untypischen Hörkurvenverlaufs und des negativen SISI-Tests durch den Gutachter ist für den Senat überzeugend, denn sie steht im Einklang mit den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen/dem wissenschaftlichen Kenntnisstand (vgl. Schönberger / Mehrtens / Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Seiten 333 und 337). Damit kann beim Kläger allenfalls von einem nicht abgrenzbaren, als Teilursache unbedeutenden Hörschaden auf die berufliche Lärmbelastung des Klägers zurückgeführt werden, wovon Dr. S. in seinem Gutachten vom 27.08.2007 ausgeht (vgl. zur nicht abgrenzbaren Hörstörung auch: Schönberger / Mehrtens / Valentin, a.a.O., Seite 355). Mit Dr. S. gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass beim Kläger die medizinischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2301 der BKV nicht erfüllt sind.
Der abweichenden Bewertung von Dr. Sche. in dem Gutachten vom 28.03.2007 vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Auch Dr. Sche. hat beim Kläger einen auffälligen Kurvenverlauf der Hörschwellenkurve festgestellt, wie der Vergleich der vorgelegt Audiogramme des Dr. Sche. und des Dr. S. zeigen. Weiter war auch bei Dr. Sche. das Ergebnis der überschwelligen Hörprüfung (SISI-Test) beim Kläger fraglich. Selbst wenn dies auf unsichere Angaben des Klägers bei der Untersuchung zurückzuführen sein sollte, ist damit ein durch Lärm bedingter Harzellschaden (cochleäre Schwerhörigkeit) der für eine BK Nr. 2301 spricht, nicht nachgewiesen. Bei diesen Befunden ist die - nicht näher begründete - Ansicht von Dr. Sche. , dass beim Kläger von einer lärmbedingten Hörverschlechterung auszugehen sei, nicht nachvollziehbar. Eine Auseinandersetzung dazu, weshalb trotz der gegen eine lärmbedingte Hörverschlechterung sprechenden Befunde beim Kläger eine BK Nr. 2301 vorliegt, erfolgt durch Dr. Sche. nicht, weshalb sein Gutachten nicht überzeugend ist.
Auch der abweichenden Ansicht von Dr. V. in seinem Gutachten vom 11.09.2008 und der ergänzenden Stellungnahme vom 25.03.2009, dass die beim Kläger festgestellte Schwerhörigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch die Tätigkeit in der Stanzerei der B. durch impulshaltigen Lärm verursacht sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Auch bei der von Dr. V. durchgeführten überschwelligen Hörprüfung (SISI-Test und Lüscher-Test) ließ sich beim Kläger ein Recruitment nicht (SISI-Test) bzw. nicht sicher (Lüscher-Test) nachweisen. Zwar sprachen die Ergebnisse einer von Dr. V. außerdem durchgeführten Tympanometrie und Stapediusreflexprüfung für das Vorhandensein eines sogenannten Metz-Recruitments, das Dr. V. seiner gutachtlichen Bewertung maßgeblich zu Grunde legt. Er schließt aufgrund dieses Untersuchungsbefundes auf einen cochleären Haarzellschaden. Diese Schlussfolgerung ist jedoch nicht überzeugend. Dr. V. lässt die Ergebnisse der überschwelligen Hörprüfung (SISI-Test und Lüscher-Test) unberücksichtigt, die den Nachweis eines Recruitments beim Kläger gerade nicht erbracht haben. Er legt auch nicht dar, weshalb allein aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Tympanometrie und Stapediusreflexprüfung der (sichere) Nachweis eines Recruitments beim Kläger als erbracht anzusehen ist. Nach den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen sind für den Nachweis eines Recruitments zwei Tests erforderlich, die in ihrem Ergebnis übereinstimmen müssen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Seite 337). Dies trifft beim Kläger nach den von Dr. V. vorgenommenen Tests zum Bestehen eines Recruitments jedoch nicht zu. Weiter war beim Kläger nach der Ergebniskonstellation einer durchgeführten BERA mit Schwellenbestimmung (Notch-noise) elektrophysiologisch eine retrocochleäre Störung als Ursache der Schwerhörigkeit nicht auszuschließen, wodurch die Ergebnisse der durchgeführten überschwelligen Hörprüfung (SISI-Test und Lüscher-Test), die gegen eine lärmbedingte Schwerhörigkeit sprechen, bekräftigt werden, auch wenn eine kernspintomographische Untersuchung des Schädels und des zentralen Nervensystems keinen Anhalt für eine retrocochleäre Ursache der Schwerhörigkeit ergab. Allein die von Dr. V. zu Grunde gelegten Umstände, dass sich die Hörstörung des Klägers während der Lärmexposition entwickelt hat, die für eine Lärmschwerhörigkeit geforderte Symmetrie der Hörkurven beider Seiten gegeben ist und keine weiteren Erkrankungen des Klägers oder seines familiären Umfeldes vorliegen, welche die Entstehung der Schwerhörigkeit auf andere Weise plausibel erklären ließen, lassen zwar eine lärmbedingte Schwerhörigkeit des Klägers möglich erscheinen. Allein die bloße Möglichkeit genügt jedoch nicht, um von einer rechtlich hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer durch Lärmexposition am Arbeitsplatz hervorgerufenen Schwerhörigkeit auszugehen. Einer solchen Annahme stehen vielmehr die genannten medizinischen Befunde entgegen.
Auch der beim Kläger festgestellte auffällige Verlauf der Hörschwellenkurve spricht gegen das Vorliegen einer BK Nr. 2301. Die Ansicht von Dr. V. , dass sich die für eine Lärmschwerhörigkeit nicht typische Tonschwellenkurve des Klägers aufgrund einer Lärmbelastung mit Impulslärm erklärt, wird durch die im Klageverfahren vom Präventionsdienst der Beklagten durchgeführten Ermittlungen zur Exposition des Klägers mit impulshaltigem Lärm am Arbeitsplatz nicht bestätigt. Dies hat das SG im angefochtenen Urteil eingehend begründet. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zur selben Überzeugung und nimmt insoweit zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die hierzu gemachten Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen (Seite 5f) Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers bleibt hierzu auszuführen:
Allein der Umstand, dass beim Kläger eine für Lärmbelastung mit Impulslärm typische Tonschwellenkurven vorliegen, wie Dr. V. ausgeführt hat, kann noch nicht darauf zurück geschlossen werden, das die Hörstörung des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Lärmbelastung am Arbeitsplatz verursacht wurde. Erforderlich ist nach den oben dargelegten Grundsätzen, dass der Kläger mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit während seiner beruflichen Tätigkeit (in der Stanzerei der B.) impulshaltigem Lärm von mindestens 115 dB(A) ausgesetzt war, um die für eine Lärmschwerhörigkeit untypische Tonschwellenkurven des Klägers plausibel zu machen. Davon, dass der Kläger einen solchen Lärmpegel ausgesetzt gewesen sein muss, geht auch Dr. V. in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 25.03.2009 aus. Die auf Veranlassung des SG hierzu durchgeführten Ermittlungen der Beklagten durch ihren Präventionsdienst haben einen solchen Lärmpegel aber nicht bestätigt. Hierfür reichen auch die von Dr. V. in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 25.03.2009 gemachten Ausführungen nicht aus. Zwar ist dokumentiert, dass der Kläger am Arbeitsplatz impulshaltigem Lärm ausgesetzt war. Aus den dokumentierten Lärmmessungen der B., die Grundlage der Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten waren, kann aber - entgegen der Annahme von Dr. V. - nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass in der Stanzerei der B. Impulsschallpegel von 115 bis 120 dB(A) tatsächlich erreicht wurden. Hierfür gibt es keine ausreichenden Messwerte, die einen solchen gesicherten Rückschluss zuließen. Über die vom SG durchgeführten Ermittlungen hinaus bestehen keine weiteren erfolgversprechenden Ermittlungsmöglichkeiten, den Impulsschallpegel nachträglich mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Solche Ermittlungsansätze hat auch der Kläger nicht aufgezeigt.
Unabhängig davon spricht nach dem oben Ausgeführten nicht nur die für eine Lärmschwerhörigkeit nicht typische Tonschwellenkurven des Klägers dagegen, dass die Hörstörung des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch seine Tätigkeit bei der B. verursacht wurde, weshalb es auf die Tonschwellenkurven nicht allein streitentscheidend ankommt.
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist zuletzt noch streitig, ob beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt.
Der 1952 geborene Kläger war seit August 1977 bei der Firma B. GmbH und Co. KG S. (B.) in verschiedenen Abteilungen beschäftigt.
Mit ärztlicher Anzeige über eine Berufskrankheit vom 06.03.2006 teilte Dr. Sche. der Berufsgenossenschaft Metall Süd - eine Rechtsvorgängerin der Beklagten - unter Vorlage eines Tonaudiogramms mit, beim Kläger bestehe eine Lärmschwerhörigkeit, die der Kläger auf berufliche Einwirkungen zurückführe.
Die Berufsgenossenschaft (BG) leitete ein Feststellungsverfahren ein. Sie zog vom betriebsärztlichen Dienst der B. Audiogramme des Klägers bei, befragte die B. zu den Tätigkeiten des Klägers und zur Lärmbelastung am Arbeitsplatz (Stellungnahme vom 11.08.2006) und holte von seinem Präventionsdienst zur beruflichen Lärmexposition des Klägers die Stellungnahme von Dipl.-Ing. G. vom 23.10.2006 ein, der mitteilte, der Kläger sei vom 01.08.1993 bis 31.12.2000 bei seiner Tätigkeit als Pressenbediener impulshaltigem Lärm mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 93 dB(A), anschließend bis aktuell als Bediener von Taumel-/Nietmaschinen impulshaltigem Lärm mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 86 dB (A) und für die Zeit vor dem 01.08.1993 einem äquivalenten Dauerschallpegel von maximal 82 dB(A) ausgesetzt gewesen. Die gesamte berufliche Lärmbelastung entspreche einem Dauerschallpegel von 90 dB(A) über einen Zeitraum von 17,1 Jahren. Die BG holte von Dr. Sche. das HNO-ärztliche Gutachten vom 28.03.2007 ein. Dr. Sche. gelangte in seinem Gutachten zum Ergebnis, beim Kläger sei von einer Schallempfindungsschwerhörigkeit auszugehen. Die jetzt vorhandene Hörverschlechterung müsse als Lärmschädigung gesehen werden. Die MdE betrage 30 v.H ... Die BG holte zum Gutachten von Dr. Sche. die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. Schm. vom 04.05.2007 ein, der die Ansicht vertrat, das Krankheitsbild ergäbe keine Anhaltspunkte für eine überwiegend durch Lärm verursachte Hörstörung. Die BG veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung des Klägers durch Dr. S ... Dr. S. gelangte in seinem HNO-ärztlichen Gutachten vom 27.08.2007 zu dem Ergebnis, aufgrund des auffälligen Verlaufs der Hörschwellenkurve und des negativen Ergebnisses des SISI-Tests sei eine überwiegend lärmbedingte Hörstörung auszuschließen. Ein zusätzlich vorhandener Lärmschaden sei zwar anzunehmen, komme aber als überwiegende Ursache der gemessenen Hörstörung nicht infrage. Ein nicht abgrenzbarer, als Teilursache unbedeutender, Hörschaden sei auf die berufliche Lärmbelastung zurückzuführen. Es bestehe keine beruflich bedingte MdE.
Mit Bescheid vom 19.09.2007 lehnte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der BKV ab und teilte außerdem mit, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestünden.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Er trug zur Begründung vor, bei der Arbeit in der Stanzerei habe sich sein davor normales Gehör im Laufe der Zeit verschlechtert, weshalb er der Meinung sei, dass es sich um eine Berufserkrankung handele. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 08.02.2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit dem Ziel, die Beklagte zu verurteilen, eine BK nach Nr. 2301 der BKV anzuerkennen sowie Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren. Er nahm zur Begründung Stellung zum Gutachten des Dr. S ... Die bisherigen medizinischen Ermittlungen/Messungen und auch die medizinischen Schlussfolgerungen seien nicht befriedigen. Es sprächen deutliche Hinweise für eine berufsbedingte Entstehung der Hörstörung, zumindest als wesentliche Teilursache.
Das SG holte von Amts wegen das HNO-ärztliche Gutachten von Dr. V. vom 11.09.2008 ein. Dr. V. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine geringgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Schwerhörigkeit links vor. Die jetzt erhobenen und vorliegenden früheren Befunde seien nicht ohne weiteres vereinbar mit einer lärmbedingten Schwerhörigkeit. Aufgrund der dokumentierten erheblichen Impulshaltigkeit des Lärms könne jedoch nicht eine klassische Hochtoninnenohrschwerhörigkeit ohne wesentliche Beteiligung der mittleren und unteren Frequenzen als Folge der Lärmexposition gefordert werden. Ein Tinnitus besitze keinen Krankheitswert. Die Schwerhörigkeit sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf die Tätigkeit in der Stanzerei der B. durch Lärmeinwirkung verursacht, da sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt habe, es sich um eine reine Innerohrschwerhörigkeit mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen handele und sich ein Metz-Recruitment nachweisen lasse, welches auf einen cochleären Haarzellschaden schließen lasse. Eine geringgradige Seitendifferenz stelle kein Hindernis dar, von einer Lärmschwerhörigkeit auszugehen. Die MdE betrage 20 v.H ...
Die Beklagte erhob unter Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. Schm. vom 03.11.2008 Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. V ... Dr. Schm. teilte in seiner Stellungnahme mit, nach der gängigen Literaturmeinung solle zwar impulshaltiger Lärm auch zu einem Hörverlust in den niedrigeren und mittleren Frequenzen führen, allerdings müsse der Pegel 115 dB(A) oder mehr betragen. Aus medizinischer Sicht könne der ganze Hörverlust nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den beruflichen Lärm zurückgeführt werden. Zu den Einwendungen der Beklagten nahm Dr. V. in Ergänzung seines Gutachtens unter dem 25.03.2009 Stellung. Es sei davon auszugehen, dass in der Stanzerei Impulsschallpegel oberhalb von 115 bis 120 dB(A) erreicht worden seien. Die Tonschwellenkurven des Klägers seien für eine Lärmbelastung mit Impulslärm typisch. Es bestünden keine Mitwirkungsfaktoren, welche die Entstehung der Schwerhörigkeit auf andere Weise plausibel erklärten. Eine Lärmschwerhörigkeit sei an Sicherheit grenzend wahrscheinlich.
Die Beklagte ist der Klage weiter entgegengetreten (Schriftsatz vom 27.05.2009).
Auf Aufforderung des SG stellte die Beklagte weitere Ermittlungen zur Exposition des Klägers wegen impulshaltigem Lärm durch seinen Präventionsdienst (Stellungnahmen Herr G. vom 23.07.2009/ Mail vom 04.09.2009) an, wonach in der Stanzerei der höchste impulsbewertete Beurteilungspegel L (Al) mit 103 dB (A) ohne Nennung von Impulsspitzen gemessen worden sei.
Mit Urteil vom 22.04.2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe fest, dass die beim Kläger vorliegende Schwerhörigkeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit wesentlich durch die berufliche Tätigkeit verursacht sei. Da nicht habe festgestellt werden können, dass ein ausreichender Impulslärm an den Arbeitsplätzen des Klägers im Zeitraum vom 1993 bis 2006 vorgelegen habe, könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit geschlussfolgert werden, dass die beim Kläger bestehende Schwerhörigkeit wesentlich durch Lärmeinwirkungen verursacht worden sei, wie Dr. V. angenommen habe.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 05.05.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.07.2010 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages die Büroorganisation und Vorkehrungen zur Wahrung von Fristen seines Prozessbevollmächtigten dargelegt und hierzu Belege vorgelegt. Das Berufungsschreiben sei zusammen mit einer anderen Berufungsschrift am 28.05.2008 in einem Briefumschlag an das Landessozialgericht zur Post gegeben worden. Nachdem Ende Juni 2010 noch keine Eingangsbestätigung des Landessozialgerichts vorgelegen habe, sei durch ein Telefonat bekannt geworden, dass die Berufung dort nicht vorliege. Dagegen sei die andere Berufungsschrift, die sich im gleichen Briefumschlag befunden habe, beim Gericht am 31.05.2010 eingegangen. Es bleibe unerklärlich, wie es dazu habe kommen können, dass das Berufungsschreiben vom 28.05.2010 beim Landessozialgericht nicht eingegangen sei. In der Sache hat der Kläger zur Begründung ausgeführt, dem schlüssigen und ausführlichen Gutachten des Dr. V. sei zu folgen. Es müsse die Impulshaltigkeit des Lärms und nicht der Impulszuschlag angegeben und berücksichtigt werden. Wenn Lärmmessungen nicht oder nur unzureichend durchgeführt worden seien und nicht nachgeholt werden könnten, seien Vergleichswerte heranzuziehen. Eine Lärmbelastung könne dann nur annähernd geschätzt werden. Das SG hätte nicht ohne weiteres annehmen dürfen, dass die von der Beklagten gemessenen Schallpegel die für die Frage der geeigneten Exposition entscheidende Werte seien. Sie stellten für die Frage der Lärmschwerhörigkeit keine aussagekräftigen Werte dar. Die von der Beklagten vorgelegten äquivalenten Dauerschallpegel erreichten bei Berücksichtigung des Impulszuschlages und der Tatsache, dass es sich hier um gemittelte Werte handele, nahezu den geforderten Impulsschallpegel von 115 dB (A). Damit hätte die Schätzung des Gutachters hinsichtlich des Impulsschallpegels vom SG herangezogen werden können. Zumindest hätte sich das SG zu einer weiteren Sachaufklärung veranlasst sehen müssen.
Der Kläger beantragt - zuletzt -,
ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Ansicht des Klägers hätten die auf Messungen einer früheren Sicherheitsfachkraft der B. vom 31.05.1994 beruhenden Ermittlungen ihres Präventionsdienstes ergeben, dass kein relevanter impulshaltiger Lärm vorgelegen habe. Die von Dr. V. in seinem Gutachten unterstellte Impulshaltigkeit habe nicht bestätigt werden können.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die formgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und insgesamt zulässig.
Die Berufung des Klägers ist nicht wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässig. Zwar hat der Kläger die Berufungsfrist von einem Monat, auf die das SG im angefochtenen Urteil mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung hingewiesen hat, versäumt. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Empfangsbekenntnis am 05.05.2010 ordnungsgemäß zugestellt worden. Damit endete die Berufungsfrist am 07.06.2010 (einem Montag). Berufung hat der Kläger erst am 23.07.2010 und damit verspätet eingelegt. Dem Kläger ist jedoch auf seinen Antrag gemäß § 67 Abs. 1 SGG wegen der versäumten Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages die Büroorganisation und Vorkehrungen zur Wahrung von Fristen ausführlich dargelegt und hierzu Belege vorgelegt und damit glaubhaft gemacht, dass es unerklärlich bleibe, wie es dazu habe kommen können, dass das Berufungsschreiben vom 28.05.2010 beim Landessozialgericht nicht eingegangen sei. Zwar bleibt die Möglichkeit offen, dass die Berufungsschrift von der zuständigen Mitarbeiterin versehentlich nicht dem Briefumschlag beigefügt worden ist, was den fehlenden Zugang beim Landessozialgericht erklären würde. Ein dem Kläger zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten ist jedoch auch bei dieser Annahme nicht ersichtlich. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Berufungsfrist ohne Verschulden versäumt worden ist. Die Fristen des § 67 Abs. 2 SGG sind gewahrt. Damit ist dem Kläger wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Gegen den Wiedereinsetzungsantrag hat sich die Beklagte im Übrigen auch nicht gewandt.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist (nur) noch, ein Anspruch des Klägers auf Feststellung einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV. Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren außerdem Verletztenrente beansprucht hat, war seine hierauf gerichtete Klage mangels Durchführung eines Verwaltungsverfahrens für diese Leistung unzulässig. Objektiver Sinngehalt des Verfügungssatzes im Bescheid vom 19.09.2007 ist allein die Feststellung, dass keine BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Soweit in dem Bescheid außerdem mitgeteilt wurde, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestünden, ist damit eine - konkludente - Entscheidung über einen Anspruch auf Verletztenrente nicht erfolgt. Das Feststellungsverfahren ist auf die ärztliche Anzeige des Verdachtes einer BK Nr. 2301 durchgeführt worden. Zwar hat die Beklagte im Verwaltungsverfahren die Höhe der MdE bei der Prüfung nicht ausgenommen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides vom 19.09.2007 hat die Beklagte jedoch ausgeführt, dass die in den eingeholten Gutachten erhobenen medizinischen Befunde gegen eine wesentliche lärmbedingten Verursachung der Hörstörung des Klägers sprächen. Dem entspricht auch die Begründung des Widerspruchsbescheids. Die Formulierung in Nr. 2 des Verfügungssatzes des Bescheides vom 19.09.2007, "Ansprüche auf Leistungen bestehen nicht. Dies gilt auch für die Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegen zu wirken." beschreibt ersichtlich nur allgemein die Folgerungen, die sich aus der Nichtanerkennung einer BK ergeben. Eine Entscheidung über einzelne konkrete Leistungsansprüche ist damit aber nicht verbunden. Leistungen (Verletztenrente) hat der Kläger im Verwaltungsverfahren auch nicht beantragt gehabt. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger des Bescheides kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das Vorliegen einer BK entscheiden wollte und etwaige Leistungsansprüche nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. auch BSG mit Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R -). Dem hat der Kläger im Berufungsverfahren auch durch seinen Berufungsantrag Rechnung getragen und die Gewährung von Verletztenrente nicht weiter verfolgt.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Im Anhang zur BKV ist die Erkrankung an einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 enthalten.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Abweichend von der früheren Verwendung des Begriffs der haftungsbegründenden Kausalität folgt der Senat der überzeugenden neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 02.04.2009, a.a.O.), dass auch im Berufskrankheiten-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung oder ihre wesentliche Verschlimmerung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen - in nachgewiesener Dauer und Intensität - begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 RdNr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Nach diesen Regeln und Maßstäben liegt beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 BKV nicht vor.
Allerdings geht der Senat nach den Ermittlungen der Beklagten durch ihre Präventionsabteilung davon aus, dass der Kläger in dem infrage kommenden Expositionszeitraum gehörschädigendem Lärm ausgesetzt war, da der Kläger vom 01.08.1993 bis 31.12.2000 bei seiner Tätigkeit als Pressenbediener impulshaltigem Lärm mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 93 dB(A) und anschließend als Bediener von Taumel-/Nietmaschinen impulshaltigem Lärm mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 86 dB (A) ausgesetzt war und dass die gesamte berufliche Lärmbelastung einem Dauerschallpegel von 90 dB(A) über einen Zeitraum von 17,1 Jahren entspricht. Die Einwirkungskausalität für die streitige Berufskrankheit Nr. 2301 liegt somit vor.
Nach dem im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholten überzeugenden Gutachten von Dr. S. vom 27.08.2007, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, ist jedoch das Krankheitsbild der beim Kläger diagnostizierten Schwerhörigkeit nicht mit dem Krankheitsbild einer Lärmschwerhörigkeit vereinbar. Gegen eine Lärmschwerhörigkeit spricht nach der gutachtlichen Beurteilung ein auffälliger Verlauf der Hörschwellenkurve und das negative Ergebnis der überschwelligen Hörprüfung (SISI-Test). Die Einschätzung des für eine Lärmschwerhörigkeit untypischen Hörkurvenverlaufs und des negativen SISI-Tests durch den Gutachter ist für den Senat überzeugend, denn sie steht im Einklang mit den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen/dem wissenschaftlichen Kenntnisstand (vgl. Schönberger / Mehrtens / Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Seiten 333 und 337). Damit kann beim Kläger allenfalls von einem nicht abgrenzbaren, als Teilursache unbedeutenden Hörschaden auf die berufliche Lärmbelastung des Klägers zurückgeführt werden, wovon Dr. S. in seinem Gutachten vom 27.08.2007 ausgeht (vgl. zur nicht abgrenzbaren Hörstörung auch: Schönberger / Mehrtens / Valentin, a.a.O., Seite 355). Mit Dr. S. gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass beim Kläger die medizinischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2301 der BKV nicht erfüllt sind.
Der abweichenden Bewertung von Dr. Sche. in dem Gutachten vom 28.03.2007 vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Auch Dr. Sche. hat beim Kläger einen auffälligen Kurvenverlauf der Hörschwellenkurve festgestellt, wie der Vergleich der vorgelegt Audiogramme des Dr. Sche. und des Dr. S. zeigen. Weiter war auch bei Dr. Sche. das Ergebnis der überschwelligen Hörprüfung (SISI-Test) beim Kläger fraglich. Selbst wenn dies auf unsichere Angaben des Klägers bei der Untersuchung zurückzuführen sein sollte, ist damit ein durch Lärm bedingter Harzellschaden (cochleäre Schwerhörigkeit) der für eine BK Nr. 2301 spricht, nicht nachgewiesen. Bei diesen Befunden ist die - nicht näher begründete - Ansicht von Dr. Sche. , dass beim Kläger von einer lärmbedingten Hörverschlechterung auszugehen sei, nicht nachvollziehbar. Eine Auseinandersetzung dazu, weshalb trotz der gegen eine lärmbedingte Hörverschlechterung sprechenden Befunde beim Kläger eine BK Nr. 2301 vorliegt, erfolgt durch Dr. Sche. nicht, weshalb sein Gutachten nicht überzeugend ist.
Auch der abweichenden Ansicht von Dr. V. in seinem Gutachten vom 11.09.2008 und der ergänzenden Stellungnahme vom 25.03.2009, dass die beim Kläger festgestellte Schwerhörigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch die Tätigkeit in der Stanzerei der B. durch impulshaltigen Lärm verursacht sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Auch bei der von Dr. V. durchgeführten überschwelligen Hörprüfung (SISI-Test und Lüscher-Test) ließ sich beim Kläger ein Recruitment nicht (SISI-Test) bzw. nicht sicher (Lüscher-Test) nachweisen. Zwar sprachen die Ergebnisse einer von Dr. V. außerdem durchgeführten Tympanometrie und Stapediusreflexprüfung für das Vorhandensein eines sogenannten Metz-Recruitments, das Dr. V. seiner gutachtlichen Bewertung maßgeblich zu Grunde legt. Er schließt aufgrund dieses Untersuchungsbefundes auf einen cochleären Haarzellschaden. Diese Schlussfolgerung ist jedoch nicht überzeugend. Dr. V. lässt die Ergebnisse der überschwelligen Hörprüfung (SISI-Test und Lüscher-Test) unberücksichtigt, die den Nachweis eines Recruitments beim Kläger gerade nicht erbracht haben. Er legt auch nicht dar, weshalb allein aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Tympanometrie und Stapediusreflexprüfung der (sichere) Nachweis eines Recruitments beim Kläger als erbracht anzusehen ist. Nach den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen sind für den Nachweis eines Recruitments zwei Tests erforderlich, die in ihrem Ergebnis übereinstimmen müssen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Seite 337). Dies trifft beim Kläger nach den von Dr. V. vorgenommenen Tests zum Bestehen eines Recruitments jedoch nicht zu. Weiter war beim Kläger nach der Ergebniskonstellation einer durchgeführten BERA mit Schwellenbestimmung (Notch-noise) elektrophysiologisch eine retrocochleäre Störung als Ursache der Schwerhörigkeit nicht auszuschließen, wodurch die Ergebnisse der durchgeführten überschwelligen Hörprüfung (SISI-Test und Lüscher-Test), die gegen eine lärmbedingte Schwerhörigkeit sprechen, bekräftigt werden, auch wenn eine kernspintomographische Untersuchung des Schädels und des zentralen Nervensystems keinen Anhalt für eine retrocochleäre Ursache der Schwerhörigkeit ergab. Allein die von Dr. V. zu Grunde gelegten Umstände, dass sich die Hörstörung des Klägers während der Lärmexposition entwickelt hat, die für eine Lärmschwerhörigkeit geforderte Symmetrie der Hörkurven beider Seiten gegeben ist und keine weiteren Erkrankungen des Klägers oder seines familiären Umfeldes vorliegen, welche die Entstehung der Schwerhörigkeit auf andere Weise plausibel erklären ließen, lassen zwar eine lärmbedingte Schwerhörigkeit des Klägers möglich erscheinen. Allein die bloße Möglichkeit genügt jedoch nicht, um von einer rechtlich hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer durch Lärmexposition am Arbeitsplatz hervorgerufenen Schwerhörigkeit auszugehen. Einer solchen Annahme stehen vielmehr die genannten medizinischen Befunde entgegen.
Auch der beim Kläger festgestellte auffällige Verlauf der Hörschwellenkurve spricht gegen das Vorliegen einer BK Nr. 2301. Die Ansicht von Dr. V. , dass sich die für eine Lärmschwerhörigkeit nicht typische Tonschwellenkurve des Klägers aufgrund einer Lärmbelastung mit Impulslärm erklärt, wird durch die im Klageverfahren vom Präventionsdienst der Beklagten durchgeführten Ermittlungen zur Exposition des Klägers mit impulshaltigem Lärm am Arbeitsplatz nicht bestätigt. Dies hat das SG im angefochtenen Urteil eingehend begründet. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zur selben Überzeugung und nimmt insoweit zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die hierzu gemachten Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen (Seite 5f) Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers bleibt hierzu auszuführen:
Allein der Umstand, dass beim Kläger eine für Lärmbelastung mit Impulslärm typische Tonschwellenkurven vorliegen, wie Dr. V. ausgeführt hat, kann noch nicht darauf zurück geschlossen werden, das die Hörstörung des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Lärmbelastung am Arbeitsplatz verursacht wurde. Erforderlich ist nach den oben dargelegten Grundsätzen, dass der Kläger mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit während seiner beruflichen Tätigkeit (in der Stanzerei der B.) impulshaltigem Lärm von mindestens 115 dB(A) ausgesetzt war, um die für eine Lärmschwerhörigkeit untypische Tonschwellenkurven des Klägers plausibel zu machen. Davon, dass der Kläger einen solchen Lärmpegel ausgesetzt gewesen sein muss, geht auch Dr. V. in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 25.03.2009 aus. Die auf Veranlassung des SG hierzu durchgeführten Ermittlungen der Beklagten durch ihren Präventionsdienst haben einen solchen Lärmpegel aber nicht bestätigt. Hierfür reichen auch die von Dr. V. in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 25.03.2009 gemachten Ausführungen nicht aus. Zwar ist dokumentiert, dass der Kläger am Arbeitsplatz impulshaltigem Lärm ausgesetzt war. Aus den dokumentierten Lärmmessungen der B., die Grundlage der Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten waren, kann aber - entgegen der Annahme von Dr. V. - nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass in der Stanzerei der B. Impulsschallpegel von 115 bis 120 dB(A) tatsächlich erreicht wurden. Hierfür gibt es keine ausreichenden Messwerte, die einen solchen gesicherten Rückschluss zuließen. Über die vom SG durchgeführten Ermittlungen hinaus bestehen keine weiteren erfolgversprechenden Ermittlungsmöglichkeiten, den Impulsschallpegel nachträglich mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Solche Ermittlungsansätze hat auch der Kläger nicht aufgezeigt.
Unabhängig davon spricht nach dem oben Ausgeführten nicht nur die für eine Lärmschwerhörigkeit nicht typische Tonschwellenkurven des Klägers dagegen, dass die Hörstörung des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch seine Tätigkeit bei der B. verursacht wurde, weshalb es auf die Tonschwellenkurven nicht allein streitentscheidend ankommt.
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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