L 5 KA 3973/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 3973/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.7.2009 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen 1 und 3 bis 6, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 15.061,06 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Kürzung ihres Honorars für die Quartale 1/2004 bis 4/2004 nach Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung (Leistungen nach Geb.-Nrn. 10, 17, 18 und 60 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen, EBM 1999, in der seinerzeit geltenden Fassung (a.F.)).

Die Kläger nehmen als Fachärzte für Allgemeinmedizin mit Vertragsarztsitz in B.-H. an der vertragsärztlichen Versorgung (seit 1.8.2000 in Gemeinschaftspraxis) teil. Unter dem 27.12.2004 beantragte die Kassenärztliche Vereinigung Südwürttemberg, die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Nr. 1, die Honorarabrechnungen der Kläger für die Quartale 1 und 2/2004 einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu unterziehen; die Kläger hätten Leistungen nach Geb.-Nrn. 10, 17, 18 und 60 EBM verglichen mit der Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktische Ärzte - Gemeinschaftspraxen - auffallend häufig abgerechnet. Die genannten Gebührennummern lauteten wie folgt:

Geb.-Nr. 10:

Therapeutisches hausärztliches Gespräch zu komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblemen und/oder Beratung und Instruktion der Eltern und/oder Bezugspersonen von Kindern oder Jugendlichen mit Verhaltensstörungen oder Suchtproblemen, Dauer mindestens 10 Minuten 300 Punkte

Geb.-Nr. 17:

Intensive ärztliche Beratung und Erörterung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen Auswirkungen und deren Bewältigung bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohender Erkrankung, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Bezugspersonen und fremdanamnestischen Angaben, Dauer mindestens 10 Minuten 300 Punkte

Geb.-Nr. 18:

Zuschlag zu den Leistungen nach den Nrn. 10, 11 und 17 bei einer Gesprächsdauer von mehr als 30 Minuten 300 Punkte

Geb.-Nr. 60:

Erhebung des Ganzkörperstatus, einschl. orientierender Untersuchung des ZNS und der Sinnesorgane, einschl. Befragung, Beratung und Dokumentation, für die Gebiete Allgemeinmedizin (praktische Medizin), Innere Medizin, Kinderheilkunde, einmal im Behandlungsfall 320 Punkte

Der Prüfungsausschuss Baden Württemberg/Kammer Behandlungsweise R. (Prüfungsausschuss) leitete das Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren ein und gab den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie machten unter dem 25.1.2005 u.a. geltend, die Fallzahlüberschreitungen beruhten darauf, dass sie überdurchschnittlich viele Rentner und an komplexeren Erkrankungen leidende Patienten behandelten. Außerdem müssten absolvierte Zusatzausbildungen und umfassende Kenntnisse in der Naturheilkunde bzw. Tätigkeiten auf dem Fachgebiet der Kardiologie und eine der hochqualifizierten Ausbildung entsprechende apparative Ausstattung der Praxis berücksichtigt werden. Die intensive Behandlungstätigkeit habe Krankenhauseinweisungen und kostspielige Doppeluntersuchungen durch Fachärzte vermieden.

Mit Beschluss vom 4.5.2005/Bescheid vom 10.8.2005 verfügte der Prüfungsausschuss eine Honorarkürzung für die Quartale 1/2004 und 2/2004. Der Honorarkürzung lagen folgende Feststellungen (vor Honorarbegrenzungsmaßnahmen) zu Grunde:

Quartal Fälle Kläger Anteil Rentner Fälle Vergleichsgruppe Anteil Rentner

1/2004 1.075 36,6 % 1.477 29,4 % 2/2004 1.142 38,5 % 1.464 31,0 %

Abrechnung Fälle (Quartal 1/2004 1.075 Fälle, Quartal 2/2004 1.142 Fälle):

Leistungsgruppe/ Gesamtsumme Honoraranforderung pro Fall (Punkte) Kläger/Vergleichsgruppe Fallkostendifferenz (Punkte) ungewichtet Überschreitung (Punkte) in % ungewichtet/gewichtet Quartal 1/2004 Berat./Betr. Grundl. 867 330 537 163 147 Gesamtsumme 1.799 1.217 582 48 39

Quartal 2/2004 Berat./Betr. Grundl. 795 307 488 159 142 Gesamtsumme 1.764 1.172 592 51 41

(Bei der gewichtet berechneten Abweichung wird der unterschiedliche Anteil an Behandlungsfällen von Mitgliedern, Familienangehörigen und Rentnern, einschließlich deren Familienangehörigen im Vergleich zum Durchschnitt der Fachgruppe berücksichtigt.)

Abrechnung der Kläger nach Gebührennummern:

Quartal 1/2004:

Geb.-Nr. Häufigkeit Anzahl je 100 Fälle Kläger/Vergleichsgruppe Überschreitung % Prozentanteil der die Leistung abrechnenden Praxen in der Vergleichsgruppe 10 1.862 173,21 71,58 +142 100 17 180 16,74 3,28 +411 92 18 194 18,05 3,70 +388 93 60 740 68,84 11,22 +514 99

Quartal 2/2004:

Geb.-Nr. Häufigkeit Anzahl je 100 Fälle Kläger/Vergleichsgruppe Überschreitung % Prozentanteil der die Leistung abrechnenden Praxen in der Vergleichsgruppe 10 1.862 163,05 67,44 +142 100 17 169 14,80 3,34 +343 95 18 229 20,05 3,99 +402 91 60 659 57,71 9,04 +538 99

Gekürzt wurde wie folgt:

Geb.-Nr. 10 EBM 10 % Geb.-Nr. 17 und 18 EBM 20 % Geb.-Nr. 60 EBM 30 %

Kürzungsbetrag: Quartal 1/2004 4.497,52 EUR Quartal 2/2004 4.446,87 EUR

Zur Begründung wurde ausgeführt, Grundlage der Prüfung sei die statistische Vergleichsmethode auf der Basis der Gaußschen Normalverteilung. Dadurch werde die unterschiedliche Homogenität der jeweiligen Vergleichsgruppe angemessen berücksichtigt. Man habe als Vergleichsgruppe die Fachgruppe Allgemeinärzte/Praktische Ärzte/Ärzte - Gemeinschaftspraxen - herangezogen. Diese habe im Quartal 1/2004 insgesamt 152 Praxen, im Quartal 2/2004 insgesamt 153 Praxen umfasst. Die Honoraranforderungen der Kläger lägen nach den getroffenen Feststellungen in der Leistungsgruppe Beratungs- und Betreuungsleistungen und bei den Leistungen nach Geb.-Nrn. 10, 17, 18 und 60 EBM im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Deswegen habe man die Prüfmethode des statistischen Vergleichs gewählt. Diese gehe davon aus, dass alle Vertragsärzte im Allgemeinen nach den Regeln der ärztlichen Kunst verfahren und die Durchschnittswerte einer hinreichend großen Zahl vergleichbarer Ärzte demzufolge Rückschlüsse auf die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise zulasse (BSGE 46, 136; 55, 110). Eine praktikablere und überlegene alternative Prüfmethode stehe nicht zur Verfügung. Etwaige Praxisbesonderheiten seien freilich zu berücksichtigen.

Die Praxis der Kläger habe in den Prüfquartalen gegenüber der Fachgruppe unterdurchschnittliche Fallzahlen aufgewiesen (Quartal 1/2004: minus 27 %, Quartal 2/2004: minus 22 %.), der Rentneranteil (kostenintensivere Patienten) sei überdurchschnittlich (Quartal 1/2004: plus 24,5 %, Quartal 2/2004: plus 24,2 %.). Dies habe man bei der gewichteten Abweichungsberechnung berücksichtigt und gleichwohl in der Leistungsgruppe Beratungs- und Betreuungsgrundleistungen Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses ermittelt. Dies sei auf die Ansätze der Geb.-Nrn. 10, 17, 18 und 60 EBM zurückzuführen.

Nach den Abrechnungsausdrucken behandelten die Kläger von den Krankheitsbildern her ein für eine Allgemeinpraxis durchschnittliches hausärztliches Patientengut, aus dem sich keine Praxisbesonderheiten ergäben. Hinsichtlich der Geb.-Nrn. 10 und 17 EBM habe man aus den angegebenen Diagnosen bei einem größeren Teil der Fälle nicht auf die Notwendigkeit des Gebührenansatzes schließen können. Aufgrund des nicht auffällig anders oder schwer erkrankten Patientenguts sei nicht erkennbar, weshalb eine gehäufte Beratung oder Erörterung nach Maßgabe der Geb.-Nr. 17 EBM notwendig gewesen wäre. Die auf den Abrechnungsscheinen hierfür eingetragenen Diagnosen (u.a. Hypertonie, Grippe, Bronchitiden, KHK) seien normal und eher alltäglich. Entsprechendes gelte für die Ansätze der Geb.-Nr. 18 EBM. Eine Leistung nach Geb.-Nr. 60 EBM sei bei mindestens jedem zweiten Patienten erbracht worden. Die Erhebung des Ganzkörperstatus (Untersuchung von Kopf bis Fuß, vergleichbar der Aufnahmeuntersuchung bei stationärer Behandlung) sei in dieser Häufung nicht nachvollziehbar und - ohne Notwendigkeit - etwa bei Diagnosen wie Krankheit der Nägel, Gastroenteritis, Tonsilitis, Konjunktivitis, Bronchitis oder chronischer Sinusitis vorgenommen worden.

Kompensatorische Minderaufwendungen im Bereich der Arzneiverordnungskosten könnten nicht berücksichtigt werden, da die Kläger im Quartal 2/2004 (gewichtet berechnet) mit minus 2,5 % knapp unter, im Quartal 1/2004 mit plus 1,1% jedoch über den Werten der Vergleichsgruppe gelegen hätten. Außerdem sei ein Ursachenzusammenhang zwischen den Mehraufwendungen im Honorarbereich und Einsparungen bei den Arzneikosten nicht ersichtlich. Etwaige Einsparungen bei Krankenhauseinweisungen kämen nicht in Betracht, da hierfür in erster Linie der Zustand des Patienten ausschlaggebend sei und nur geringe Spielräume des Arztes bestünden.

Nach der Kürzung verbleibe den Klägern im Quartal 1/2004 und 2/2004 noch eine auf 100 Fälle berechnete Fachgruppendurchschnittsüberschreitung von jeweils 118 % bei Geb.-Nr. 10 EBM, von 309 % bzw. 254 % bei Geb.-Nr. 17 EBM, von 290 % bzw. 302 % bei Geb.-Nr.18 EBM und von 330 % bzw. 347 % bei Geb.-Nr. 60 EBM. In der Leistungsgruppe Beratungs- und Betreuungsleistungen verbleibe pro Fall eine Fachgruppendurchschnittsüberschreitung von 729 Punkten (121 %) bzw. 671 Punkten (118 %) im Gesamtfallwert von 1.160 Punkten (plus 36 %) bzw. 1.639 Punkten (plus 40 %).

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trugen die Kläger vor, man habe Praxisbesonderheiten nicht ausreichend berücksichtigt. Ihre Praxis habe eine kardiologische Ausrichtung. Die Ärztin S. sei Fachärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Anästhesie und Intensiv- und Notfallmedizin mit Zusatzausbildung. Dr. S. habe sich auf dem Gebiet der Kardiologie und Herzchirurgie spezialisiert. Deswegen werde die Praxis von vielen Rentnern konsultiert, da ältere Menschen unter Erkrankungen, wie koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus, Hypertonie, metabolisches Syndrom, Herzkrankheiten mit neoplasmatischen Erkrankungen, litten, die sie mit ihrer Spezialisierung behandeln könnten. Schon wegen der Grunderkrankungen bestehe bei älteren Patienten ein höherer Gesprächsbedarf als bei anderen Patientengruppen. Die Erbringung von Leistungen nach Geb.-Nr. 17 EBM sei auch bei Erkrankungen wie Hypertonie, Grippe, Bronchitiden und koronarer Herzkrankheit gerechtfertigt, die bei älteren Menschen lebensverändernd oder lebensbedrohend sein könnten. Gerade bei älteren Menschen müsse auch häufig der Ganzkörperstatus erhoben werden, um festzustellen, ob nicht noch weitere Erkrankungen vorlägen, die den Patienten dauerhaft schwer schädigen könnten. Außerdem müssten kompensatorische Einsparungen bei Krankenhauseinweisungen berücksichtigt werden. Denkbar sei insoweit ein kausaler Zusammenhang insbesondere zu vorstationärer Diagnostik. Wegen der umfangreichen Diagnostik und Beratung habe man steuernd auf die (älteren) Patienten eingewirkt, weswegen Erkrankungen früher erkannt und rechtzeitig (ambulant) hätten behandelt werden können.

Unter dem 11.5.2005 und dem 22.7.2005 beantragte die Beigeladene Nr. 1, die Honorarabrechnungen der Kläger (auch) für die Quartale 3/2004 und 4/2004 einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu unterziehen.

Nach Anhörung der Kläger (Schreiben der Kläger vom 10.6.2005 bzw. 20.8.2005) verfügte der Prüfungsausschuss mit weiterem Beschluss vom 28.9.2005/Bescheid vom 24.1.2006 eine Honorarkürzung für die Quartale 3/2004 und 4/2004.

Der Honorarkürzung lagen folgende Feststellungen (vor Honorarbegrenzungsmaßnahmen) zu Grunde:

Quartal Fälle Kläger Anteil Rentner Fälle Vergleichsgruppe Anteil Rentner

3/2004 1.120 40,3 % 1.418 31,7 % 4/2004 1.197 37,6 % 1.478 31,2 %

Abrechnung Fälle (Quartal 3/2004: 1.120 Fälle, Quartal 4/2004: 1.197 Fälle):

Leistungsgruppe/ Gesamtsumme Honoraranforderung pro Fall (Punkte) Kläger/Vergleichsgruppe Fallkostendifferenz (Punkte) ungewichtet Überschreitung (Punkte) in % ungewichtet/gewichtet Quartal 3/2004 Berat./Betr. Grundl. 771 310 461 149 130 Gesamtsumme 1.668 1.176 492 42 32

Quartal 4/2004 Berat./Betr. Grundl. 786 330 456 138 126 Gesamtsumme 1.671 1.215 456 38 30

Abrechnung der Kläger nach Gebührennummern:

Quartal 3/2004:

Geb.-Nr. Häufigkeit Anzahl je 100 Fälle Kläger/Vergleichsgruppe Überschreitung % Prozentanteil der die Leistung abrechnenden Praxen in der Vergleichsgruppe 10 1.722 153,75 67,07 +129 99 17 163 14,55 3,32 +339 98 18 219 19,55 4,32 +353 92 60 644 57,50 9,03 +537 99

Quartal 4/2004: Geb.-Nr. Häufigkeit Anzahl je 100 Fälle Kläger/Vergleichsgruppe Überschreitung % Prozentanteil der die Leistung abrechnenden Praxen in der Vergleichsgruppe 10 1.959 163,66 71,59 +129 99 17 118 9,86 3,59 +175 96 18 184 15,37 4,10 +275 95 60 747 62,41 10,67 +485 98

Gekürzt wurde wie folgt:

Quartal 3/2004:

Geb.-Nr. 10 EBM 5 % Geb.-Nr. 17 EBM 20 % Geb.-Nr. 18 EBM 15 % Geb.-Nr. 60 EBM 30 %

Quartal 4/2004:

Geb.-Nr. 10 EBM 5 % Geb.-Nr. 60 EBM 25 %

Kürzungsbetrag:

Quartal 3/2004 3.239,71 EUR Quartal 4/2004 2.876,96 EUR

Zur Begründung wurde (ergänzend zur Begründung des Beschlusses vom 4.5.2005/Bescheids vom 10.8.2005) ausgeführt, die als Vergleichsgruppe herangezogene Fachgruppe Allgemeinärzte/Praktische Ärzte/Ärzte - Gemeinschaftspraxen - habe im Quartal 3/2004 insgesamt 153 Praxen, im Quartal 4/2004 insgesamt 163 Praxen umfasst. Die Honoraranforderungen der Kläger lägen nach den getroffenen Feststellungen in der Leistungsgruppe Beratungs- und Betreuungsleistungen und bei den Leistungen nach Geb.-Nrn. 10, 17, 18 und 60 EBM im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Deswegen habe man (wiederum) die Prüfmethode des statistischen Vergleichs gewählt.

Die Praxis der Kläger habe in den Prüfquartalen gegenüber der Fachgruppe unterdurchschnittliche Fallzahlen aufzuweisen (Quartal 3/2004: minus 23 %, Quartal 4/2004: minus 19 %.). Wenngleich sich deswegen besonders schwere Fälle stärker auf die durchschnittlichen Fallwerte auswirken könnten, sei eine kleinere Praxis für sich allein keine Rechtfertigung für deutliche Fallkostenüberschreitungen. Der Rentneranteil sei überdurchschnittlich (Quartal 3/2004: plus 27,1 %, Quartal 4/2004: plus 20,5 %.). Dies habe man bei der gewichteten Abweichungsberechnung berücksichtigt und gleichwohl in der Leistungsgruppe Beratungs- und Betreuungsgrundleistungen Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses ermittelt. Dies sei auf die Ansätze der Geb.-Nrn. 10, 17, 18 und 60 EBM zurückzuführen.

Nach den Abrechnungsausdrucken (auch) der Quartale 3 und 4/2004 behandelten die Kläger von den Krankheitsbildern her ein für eine Allgemeinpraxis durchschnittliches hausärztliches Patientengut, aus dem sich keine Praxisbesonderheiten ergäben. Die apparative Ausstattung und die geltend gemachte umfangreiche Leistungspalette begründeten ebenfalls keine Praxisbesonderheit. Maßgeblich sei, ob die Erkrankungen der Patienten deren Einsatz erforderten. Hinsichtlich der Geb.-Nrn. 10 und 17 EBM habe man aus den angegebenen Diagnosen (wiederum) bei einem Teil der Fälle nicht auf die Notwendigkeit des Gebührenansatzes schließen können. Entsprechendes gelte für die Ansätze der Geb.-Nr. 18 EBM, wobei allerdings eine positive Entwicklung im Quartal 4/2004 anerkannt werde. Die gehäufte Erhebung des Ganzkörperstatus sei ebenfalls nicht nachvollziehbar.

Kompensatorische Minderaufwendungen (Arzneiverordnungskosten) seien bei der Geb.-Nr. 10 EBM berücksichtigt worden; andernfalls hätte man noch stärker kürzen müssen. Im Bereich der Arzneiverordnungskosten hätten die Kläger im Quartal 3/2004 (gewichtet berechnet) mit minus 8,6 % und im Quartal 4/2004 mit minus 12,2 % unter den Werten der Vergleichsgruppe gelegen. Etwaige Einsparungen bei Krankenhauseinweisungen kämen nicht in Betracht; das gelte auch für Arbeitsunfähigkeitsschreibungen, zumal dabei u.a. regionale Besonderheiten des Arbeitsmarkts bedacht werden müssten und wenige Langzeitkranke die Statistik verändern könnten.

Nach der Kürzung verbleibe den Klägern im Quartal 3/2004 und 4/2004 noch eine auf 100 Fälle berechnete Fachgruppendurchschnittsüberschreitung von 118 % bzw. 117 % bei Geb.-Nr. 10 EBM, von 249 % bei Geb.-Nr. 17 EBM, von 284 % bei Geb.-Nr.18 EBM und von 346 % bzw. 338 % bei Geb.-Nr. 60 EBM. In der Leistungsgruppe Beratungs- und Betreuungsleistungen verbleibe pro Fall eine Fachgruppendurchschnittsüberschreitung von 676 Punkten (118 %) bzw. 712 Punkten (116 %) im Gesamtfallwert von 1.573 Punkten (plus 34 %) bzw. 1.597 Punkten (plus 31 %).

Die Kläger erhoben auch dagegen Widerspruch; eine weitere Widerspruchsbegründung legten sie nicht vor.

Mit Beschluss vom 16.3.2006/Bescheid vom 27.6.2006 wies der Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte er nach Darlegung der Rechtsgrundlagen der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der einschlägigen Rechtsprechung des BSG ergänzend zu den Gründen der Ausgangsbescheide (u.a.) aus, die Überschreitungen bei der Abrechnung von Leistungen nach Geb.-Nrn. 10, 17, 18 und 60 EBM in den Quartalen 1 bis 3/2004 und Geb.-Nrn. 10 und 60 EBM im Quartal 4/2004 lägen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses; dieses werde bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 100 % angenommen. Eine beispielhafte Einzelfallprüfung zur Feststellung der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise sei vorliegend nicht notwendig. Die Überschreitungen seien auch nicht primär auf die Praxis- und Patientenstruktur der Kläger zurückzuführen.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 9.11.1982, - 6 RKa 23/82 -) begründeten schwere Fälle für sich allein keine Praxisbesonderheit, weil sie in jeder Praxis vorkämen und die dadurch verursachten Kosten in den Fachgruppendurchschnittswerten berücksichtigt würden. Nach den Erfahrungen des Beschwerdeausschusses machten schwere Fälle in der Regel 3 % bis 5 % der Gesamtfallzahl aus; eine höhere Quote hätten die Kläger nicht dargetan. Der Anteil der Rentner in den Quartalen 1 bis 4/2004 habe mit plus 25 %, plus 24 %, plus 27 % und plus 21 % zwar deutlich über der Fachgruppe gelegen. Der genaue Anteil der einzelnen Versichertengruppen werde aber bei der gewichtet berechneten Abweichung mit berücksichtigt, bei der der Anteil der Praxis an Behandlungsfällen von Mitgliedern, Familienangehörigen und Rentnern einschließlich deren Familienangehörigen im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt in die Berechnung einbezogen werde. Verursachten Rentner in einem Leistungsbereich höhere Fallkosten als die anderen Versichertengruppen und weise die Praxis einen überdurchschnittlichen Rentneranteil auf, falle die gewichtet berechnete Abweichung niedriger aus als die Überschreitung im Vergleich mit dem ungewichteten Fachgruppenwert. Bei den Klägern lägen die gewichtet berechneten Überschreitungen in der Leistungsgruppe Beratungs-, Betreuungs- und Grundleistungen in den streitigen Quartalen (weiterhin) im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Außerdem habe man den Klägern hohe Restüberschreitungen belassen.

Die Praxis der Kläger sei zu Recht mit Praxen der Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktische Ärzte - Gemeinschaftspraxen - verglichen worden. Teilgebietsbezeichnungen würden nicht geführt, die geltend gemachte umfassende Ausbildung und die apparative Ausstattung der Praxis erforderten keinen verfeinerten Vergleich. Die Patienten der Kläger unterschieden sich hinsichtlich der Schwere der Diagnosen nicht wesentlich von denjenigen der Fachkollegen. Deswegen gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die streitigen Leistungen, namentlich die Erhebung eines Ganzkörperstatus, besonders häufig erbracht werden müssten. Auffällig sei zudem das nahezu vollständige Fehlen hausarzttypischer Gesprächsleistungen (Geb.-Nr. 11 EBM), so dass die Geb.-Nr. 10 EBM nur selten im Zusammenhang mit Besuchsleistungen abgerechnet worden sei. Außerdem hätten die Kläger in nicht nachvollziehbarer Weise Leistungen nach Geb.-Nrn. 60, 17 und 18 EBM gleich beim ersten Patientenkontakt im Quartal kombiniert erbracht.

Kompensatorische Einsparungen durch Minderaufwendungen bei der Arzneimittelverordnung kämen (entgegen der Auffassung des Prüfungsausschusses) nicht in Betracht, weil ein Ursachenzusammenhang zwischen den Mehraufwendungen bei Geb.-Nrn. 10, 17, 18 und 60 EBM und den teilweise unterdurchschnittlichen Arzneimittelkosten nicht hergestellt werden könne. Das gelte auch für etwaige Einsparungen im Bereich der Krankenhauseinweisung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.3.1998, - L 5 KA 2539/96 -) und bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Bei Krankenhauseinweisungen komme es auf den Zustand des Patienten und auch auf dessen soziales und häusliches Umfeld an. Die Kläger hätten zudem nicht konkret dargelegt, bei welchen Diagnosen durch vermehrte Gesprächs- oder Untersuchungsleistungen Krankenhauseinweisungen vermieden worden wären. Im Übrigen kämen hierfür am ehesten noch vermehrte Hausbesuche in Frage; hier lägen die Kläger aber unter dem Fachgruppendurchschnitt.

Die extremen Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts bei Geb.-Nrn. 17, 18 und 60 EBM, die der Prüfungsausschuss den Klägern belassen habe, könne man nur deswegen nicht auf das nach der Rechtsprechung des BSG angemessene Maß herabsetzen, weil allein die Kläger Widerspruch eingelegt hätten (Verbot der reformatio in peius im Widerspruchsverfahren). Damit wäre im Übrigen auch der konkreten Praxissituation, insbesondere dem Rentneranteil, in reichlichem Maße Rechnung getragen.

Am 25.7.2006 erhoben die Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Sie trugen ergänzend vor, der Widerspruchsbescheid ähnele in weiten Teilen den Ausgangsbescheiden und sei deswegen nicht ausreichend begründet; der Beklagte habe sich mit ihrem Vorbringen offenbar nicht hinreichend auseinandergesetzt. Kompensatorische Einsparungen bei Krankenhauseinweisungen (Quartal 1/2004 minus 50 %, Quartal 2/2004 minus 53,3 %) hätten nicht unter Hinweis auf einen fehlenden Ursachenzusammenhang abgelehnt, sondern durch Einzelfallprüfungen geklärt werden müssen. Auch darin liege ein Begründungsmangel des Bescheids. Die umfangreiche Beratung und Diagnostik führe zur Früherkennung von Krankheiten und wirke so der Notwendigkeit von Krankenhausbehandlungen entgegen. Ihre Praxisbesonderheiten, insbesondere der hohe Rentneranteil und die kardiologische Ausrichtung, seien nicht richtig gewürdigt worden. Bei Rentnern müsse häufig der Ganzkörperstatus erhoben werden, um weitere alterstypische Erkrankungen auszuschließen. Sie behandelten eine vergleichsweise höhere Zahl von Patienten mit komplexen Erkrankungen (Herzinsuffizienz, KHK, Diabetes, Bluthochdruck, metabolisches Syndrom, Schmerzerkrankungen). Ermessen sei gar nicht oder jedenfalls unzureichend ausgeübt worden. Der Beklagte habe insbesondere eine gezielte Beratung als Alternative zur Honorarkürzung nicht in Erwägung gezogen. Er habe nicht dargelegt, dass eine vorherige Beratung wegen eines besonderen Maßes der Unwirtschaftlichkeit entbehrlich sei.

Der Beklagte trug ergänzend vor, man habe den hohen Rentneranteil berücksichtigt. Er rechtfertige die Überschreitungen nicht. Bei Rentnern handele es sich zudem überwiegend um Patienten, die in der Regel von Quartal zu Quartal den gleichen Arzt aufsuchten und ihm bekannt seien. Daher sei medizinisch nicht nachvollziehbar, weshalb in jedem Quartal nahezu standardisiert Leistungen nach Geb.-Nrn. 17/18 bzw. 60 EBM erbracht worden seien. Die behauptete Spezialisierung auf dem Gebiet der Kardiologie sei ebenfalls nicht nachvollziehbar und habe auch nicht vorgelegen. Sie könne weder aus den Diagnoseangaben noch aus dem Abrechnungsspektrum der Kläger abgeleitet werden. Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit sei ohnehin nicht die Ausbildung eines Vertragsarztes oder die apparative Ausstattung der Praxis, sondern der Gesundheitszustand der Patienten maßgeblich. Die Patienten der Kläger seien insgesamt nicht besonders schwer krank gewesen. Durch intensive und häufige Gespräche könnten Krankenhauseinweisungen nicht vermieden werden; das gelte auch für die Erhebung des Ganzkörperstatus, bei dem es sich um eine ausschließlich basisdiagnostische Leistung handele. Allenfalls Besuchsleistungen könnten Krankenhauseinweisungen ggf. vermindern. In diesem Bereich hätten die Kläger in den streitigen Quartalen aber unterdurchschnittlich abgerechnet (ca. minus 40 %). Honorarkürzungen setzten eine vorherige gezielte Beratung des Vertragsarztes nicht voraus. Eine Beratung sei zudem schon wegen des Ausmaßes der unwirtschaftlichen Leistungserbringung nicht in Betracht gekommen.

Mit Urteil vom 22.7.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Er beruhe auf § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V (in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung). Danach könnten die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Gem. § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V werde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben geprüft, die mindestens 2 vH der Ärzte je Quartal umfassten (Zufälligkeitsprüfung). Es liege damit in der Entscheidungskompetenz der Vertragspartner nach § 106 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 4 SGB V (Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen, Kassenärztliche Vereinigungen), die Prüfung nach Durchschnittswerten auch nach dem 1.1.2004 fortzuführen (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 9.4.2008, - B 6 KA 34/07 R-).

Die vor dem 1.1.2004 einschlägige Prüfvereinbarung habe eine Prüfung ärztlicher bzw. ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten vorgesehen. Diese Prüfung habe auch nach dem 1.1.2004 weiter stattfinden sollen, soweit dem gesetzliche Vorgaben nicht entgegenstünden (vgl. § 9 der Vereinbarung zur Organisation der Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse gem. § 106 Abs. 4 Satz 5 SGB V sowie der Geschäftsstellen nach § 106 Abs. 4a SGB V v. 24.1.2005). Auch die ab 1.1.2006 geltende Prüfvereinbarung vom 25.11.2005 sehe weiterhin die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten vor (§§ 3, 5 der Prüfvereinbarung). Der Beklagte habe deshalb für die streitigen Quartale die Prüfung nach Durchschnittswerten vornehmen dürfen (BSG, Urt. v. 9.4.2008, - B 6 KA 34/07 R -).

Bei einer solchen Prüfung würden die Abrechnungswerte des Arztes mit denjenigen der Fachgruppe oder mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die so genannte intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt würden, stelle dies die Methode dar, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse biete. Die arztbezogene Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten sei nicht nur hinsichtlich des Gesamtfallwertes, sondern unter den Voraussetzungen einer hinreichenden Vergleichbarkeit auch zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Ansatzes einer einzelnen Leistungsposition bzw. mehrerer zu Leistungssparten zusammengefasster Leistungspositionen des EBM heranzuziehen. Ein statistischer Einzelleistungsvergleich setze voraus, dass davon Leistungen betroffen seien, die für die gebildete Vergleichsgruppe typisch seien und zumindest von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht würden. Die Vergleichsgruppe müsse ausreichend groß und hinreichend homogen zusammengesetzt sein, um statistisch aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Die Kriterien der Homogenität und der Größe der Vergleichsgruppe stünden dabei in einer Wechselbeziehung zueinander in dem Sinne, dass eine Gruppe um so größer sein müsse, je weniger homogen sie sei, während für sehr homogene Gruppen auch kleine Zahlen ausreichend sein könnten (BSG, Urt. v. 23.2.2005, - B 6 KA 72/03 R -).

Hier habe man als Vergleichsgruppe zu Recht die Gruppe der Allgemeinärzte herangezogen, weil die Kläger als Ärzte für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen seien. Anhaltspunkte für die Bildung einer engeren Vergleichsgruppe lägen nicht vor. Die streitigen Gebührennummern könnten von ihrem Leistungsinhalt her auch als für Allgemeinärzte fachgruppentypische Grundleistung angesehen werden. Das folge für die Geb.-Nrn. 10, 17 und 18 EBM schon aus ihrer Zuordnung zu den Beratungs- und Betreuungsgrundleistungen sowie daraus, dass sie jeweils von mindestens 91 % der Fachgruppe abgerechnet worden seien. Auch die Geb.-Nr. 60 EBM, die von jeweils mindestens 98 % der Fachgruppe in mindestens 9,03 % der Fälle abgerechnet worden sei, stelle eine fachgruppentypische Leistung dar.

Die von den Klägern angeführten Umstände, wie eine kardiologische Ausrichtung der Praxis, ein hoher Anteil von Rentnern und von Patienten mit schweren Erkrankungen, rechtfertigten keine andere Beurteilung. Die Bildung engerer Vergleichsgruppen sei bei Allgemeinärzten allenfalls dann erforderlich, wenn sich die Praxisstruktur eines allgemeinmedizinisch tätigen Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung der Patientenklientel als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots so weit von der Typik einer allgemeinärztlichen Praxis entfernt habe, dass der primärärztliche Versorgungsauftrag nicht mehr umfassend wahrgenommen werde (vgl. BSG, Urt. v. 28.6.2000, - B 6 KA 36/98 R -). Das sei hier nicht der Fall. Insbesondere könne eine Praxisspezialisierung auf dem Gebiet der Kardiologie weder aus den Diagnoseangaben noch aus dem Abrechnungsspektrum abgeleitet werden. Die Kläger hätten auch nicht außergewöhnlich viele schwerkranke Patienten behandelt.

Der Beklagte habe rechtsfehlerfrei ein offensichtliches Missverhältnis bei Überschreitungen zwischen 129 % (Minimum bei Geb.-Nr. 10 EBM in den Quartalen 3 und 4/2004) und 538 % (Maximum bei Geb.-Nr. 60 EBM im Quartal 2/2004) angenommen. Bei homogener Zusammensetzung der Vergleichsgruppe und bei Leistungen, die für die Gruppe typisch seien, könne der Ansatz des offensichtlichen Missverhältnisses bereits bei einer Leistungsmenge von 50 % über dem Fachgruppendurchschnitt nicht beanstandet werden (BSG, Urt. v. 28.4.2004, - B KA 24/03 R -). Der Beklagte habe diese Grenze zu Gunsten der Kläger bei 100 % angenommen. Er sei auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Anscheinsbeweis unwirtschaftlicher Behandlungsweise nicht durch Praxisbesonderheiten entkräftet sei; hierfür werde auf die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen. Kompensatorische Einsparungen seien mit dem pauschalen Hinweis auf weniger Krankenhauseinweisungen und Krankschreibungen nicht darzutun. Auch die in den Quartalen 2/2004 (minus 2,49 %), 3/2004 (minus 8,55 %) und 4/2004 (minus 12,16 %) im Vergleich zur Fachgruppe geringeren Arzneiverordnungskosten könnten mangels Ursachenzusammenhangs mit den streitigen Leistungen nicht als kompensatorische Einsparungen berücksichtigt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit Gesprächs- und Beratungsleistungen bzw. die Erhebung des Ganzkörperstatus als Diagnostikleistung Arzneikosten einsparen sollten.

Die Höhe der verfügten Kürzung sei nicht zu beanstanden, zumal man den Klägern bei den jeweiligen Gebührennummern immer noch Überschreitungen zwischen 117 % und 338 % belassen habe. Eine gezielte Beratung der Kläger als Alternative zur Honorarkürzung sei entbehrlich (BSG, Urt. v. 6.5.2009, - B 6 KA 3/08 R -). Der angefochtene Bescheid sei auch ausreichend begründet.

Auf das ihnen am 31.7.2009 zugestellte Urteil haben die Kläger am 31.8.2009 Berufung eingelegt. Sie tragen vor, ihre Einwendungen beschränkten sich im Wesentlichen auf das Vorliegen von Praxisbesonderheiten. Der Beklagte habe zu Unrecht die Gruppe der Allgemeinärzte als Vergleichsgruppe herangezogen. Er hätte eine engere Vergleichsgruppe bilden müssen. Sie stellten die kardiologische Versorgung in einem ländlichen Gebiet sicher, da es Kardiologen im näheren Umkreis nicht gebe. Den schwerkranken Patienten sei nicht zumutbar, weit entfernte Kardiologen aufzusuchen. Mit der apparativen Ausstattung ihrer Praxis hätten sie sich eine Patientenklientel mit schweren Erkrankungen aufgebaut. Für diese seien auch die streitigen Gesprächsleistungen erforderlich. Man hätte daher die Fachgruppe der Kardiologen als Vergleichsgruppe heranziehen müssen. Insoweit könnten sie nicht mit Allgemeinpraxen in einem Ballungsgebiet verglichen werden. Der Anscheinsbeweis unwirtschaftlicher Behandlungsweise sei entkräftet. Das Sozialgericht habe auch die kompensatorischen Einsparungen nicht ausreichend berücksichtigt. Durch die Gesprächsleistungen hätten vielfach Krankenhauseinweisungen vermieden werden können.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.7.2009 und den Beschluss/Bescheid des Beklagten vom 16.3.2006/27.6.2006 aufzuheben,

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, über ihre Widersprüche gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 10.8.2005 und 24.1.2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2 beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge.

Der Beklagte macht ergänzend geltend, die von den Klägern behaupteten Praxisbesonderheiten lägen nicht vor. Sowohl die Diagnoseangaben wie das Abrechnungsspektrum der Kläger zeige, dass kardiologische Behandlungsfälle nicht in für Allgemeinpraxen ungewöhnlicher Häufigkeit vorkämen. Für die Wirtschaftlichkeitsprüfung seien der Gesundheitszustand und der Behandlungsbedarf der Patienten und nicht die Ausbildung des Vertragsarztes oder die apparative Ausstattung der Praxis maßgeblich. Deren Standort stelle ebenfalls keine Praxisbesonderheit dar. B. (15.000 Einwohner) sei nur etwa 6 km von U. entfernt, wo sich kardiologische Schwerpunktpraxen befänden. Die Bus- und Bahnverbindung sei gut. Der geringere Anteil der Kläger an Krankenhauseinweisungen sei nicht als kompensatorische Einsparung zu berücksichtigen; weder durch lange und häufige Gespräche noch durch die vermehrte Erhebung eines Ganzkörperstatus könnten Krankenhauseinweisungen vermieden werden.

Die Beigeladene zu 1 hat sich den Ausführungen des Beklagten angeschlossen. Die übrigen Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragsärzte, weil es sich vorliegend um eine Angelegenheit der Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Streitgegenstand ist allein der Bescheid des Beklagten (Beschwerdeausschuss, vgl. BSG, Urt. v. 29.6.2011, - B 6 KA 16/10 R -). Die Kläger, die die vertragsärztliche Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis ausüben, können die Honorarkürzungen (Honorarrückforderungen) gemeinschaftlich abwehren (vgl. BSG, Urt. v. 3.2.2010, - B 6 KA 37/08 R –).

Die Berufung der Kläger ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bei einem mit der Klage angefochtenen Kürzungsbetrag von 15.061,06 EUR ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft und gem. § 151 SGG auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.

Der Senat nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und auf die Begründung des angefochtenen Bescheids des Beklagten Bezug (§§ 153 Abs. 1, 2, 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend sei insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten angemerkt:

Die Prüfgremien haben die Leistungserbringung der Kläger in den Quartalen 1 bis 4/2004 zu Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfung unter Anwendung der (Regel-)Prüfmethode der statistischen Vergleichsprüfung unterzogen (dazu nur etwa BSG, Urt. v. 6.5.2009, - B 6 KA 17/08 R -; Urt. v. 28.4.2004, - B 6 KA 24/03 R -; zur Fortführung der Prüfung nach Durchschnittswerten BSG, Urt. v. 9.4.2008, - B 6 KA 34/07 R -). Sie haben die Maßgaben des § 106 SGB V und der einschlägigen Prüfvereinbarung beachtet, ihrer Entscheidung einen zutreffenden und vollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt und das Honorar der Kläger rechtsfehlerfrei um den streitigen Betrag gekürzt.

Die Kläger machen mit der Berufung im Kern allein noch Praxisbesonderheiten geltend. Damit können sie jedoch nicht durchdringen. Die Prüfgremien haben das Vorliegen von Praxisbesonderheiten nämlich rechtsfehlerfrei (zum Beurteilungsspielraum der Prüfgremien insoweit BSG, Urt. v. 23.3.2011, - B 6 KA 9/10 R -; Beschl. v. 29.11.2006, - B 6 KA 49/06 B -) verneint.

Praxisbesonderheiten sind aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind. Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden, und diese Abweichung muss sich gerade auf die überdurchschnittlich häufig erbrachten Leistungen auswirken (BSG, Urt. v. 23.2.2005, - B 6 KA 79/03 R -).

Der Beklagte und der Prüfungsausschuss haben die Abrechnungsunterlagen der Kläger (für die streitigen Quartale) geprüft und beide Prüfgremien haben auf dieser Grundlage festgestellt, dass in der Gemeinschaftspraxis der Kläger ein für eine Allgemeinpraxis durchschnittliches Patientengut behandelt wird. Besonderheiten haben sich weder hinsichtlich der Art noch hinsichtlich der Schwere der Krankheitsbilder gezeigt. Das gilt auch für die von den Klägern angeführte kardiologische Ausrichtung ihrer Praxis. Die Prüfgremien konnten eine solche Praxisausrichtung weder aus den Diagnoseangaben noch aus dem Abrechnungsspektrum der Kläger herleiten. Dass die apparative Ausstattung der Praxis oder besondere Erfahrungen des Arztes – hier des Dr. S. auf dem Gebiet der Kardiologie und der Herzchirurgie – für sich allein Praxisbesonderheiten im hier maßgeblichen Sinn nicht begründen können, haben die Prüfgremien in ihren Bescheiden und das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt; unter den Beteiligten ist das auch nicht streitig. Eine besondere Versorgungsfunktion für die Behandlung von Herzkrankheiten kommt der Praxis der Kläger auch im Hinblick auf deren Lage im ländlichen Raum nicht zu, nachdem die Standortgemeinde (B.) – bei guter Bus- und Bahnverbindung - nur etwa 6 km von U. entfernt ist und sich dort kardiologische Schwerpunktpraxen befinden. Die Kläger haben ihre Behauptungen weder im Klage- noch im Berufungsverfahren – etwa an Hand des patientenbezogenen Diagnosespektrums oder der Häufigkeit bestimmter Behandlungen in den streitigen Quartalen - näher substantiiert und den Feststellungen der Prüfgremien Stichhaltiges nicht entgegengesetzt. Mit der pauschalen Behauptung, ihre Allgemeinpraxis stelle die kardiologische Versorgung in der Region sicher und den Patienten sei (auch angesichts der geringen Entfernung nach U.) nicht zumutbar, (dort) kardiologische Praxen aufzusuchen, ist die Notwendigkeit eines Vergleichs mit der Fachgruppe der Kardiologen nicht dargetan. Die Prüfgremien haben daher zu Recht auf die Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktische Ärzte (Gemeinschaftspraxen) abgestellt.

Die übermäßige Erbringung der streitigen Leistungen, insbesondere der Gesprächsleistungen, ist nach dem Gesagten auch nicht durch Art oder Schwere der von den Klägern behandelten Krankheitsbilder zu erklären. Das ist bei einer hausärztlichen Praxis auch nicht naheliegend (BSG, Urt. v. 23.2.2005, - B 6 KA 79/03 R -) und von den Klägern nicht patientenbezogen substantiiert geltend gemacht, vielmehr (ebenfalls) nur pauschal behauptet worden.

Kompensatorische Einsparungen (dazu, insbesondere zum erforderlichen Ursachenzusammenhang, BSG, Beschl. v. 18.8.2010, - B 6 KA 21/10 B – m. w. N.) haben die Prüfgremien schließlich zu Recht nicht berücksichtigt; auch hierfür ist auf den angefochtenen Bescheid des Beklagten und das Urteil des Sozialgerichts Bezug zu nehmen. Neues habe die Kläger nicht vorgebracht, vielmehr wiederum lediglich behauptet, durch die im Übermaß erbrachten Gesprächsleistungen Krankenhauseinweisungen entgegengewirkt zu haben. Hierfür kämen, wie der Beklagte in seinem Bescheid zutreffend dargelegt hat, aber allenfalls vermehrte Hausbesuche in Betracht, mit denen stationäre Krankenhausbehandlungen in Einzelfällen vermieden werden können; in diesem Leistungsbereich liegen die Kläger (in den streitigen Quartalen) aber unter dem Fachgruppendurchschnitt.

Der angefochtene Bescheid weist Rechtsfehler auch im Übrigen nicht auf. Er ist (wogegen sich die Kläger mit der Berufung nicht mehr wenden) ausreichend begründet (dazu etwa LSG Hessen, Beschl. v. 10.11.2009, - L 4 KA 70/09 B ER -). Die Kläger haben – wie die Prüfgremien festgestellt und in den ergangenen Bescheiden eingehend dargelegt haben - hinsichtlich der streitigen Leistungen das Gebot wirtschaftlicher Leistungserbringung (teils schwerwiegend) verletzt. Ihnen ist durch unwirtschaftliche Behandlungsweise erlangtes Honorar in erheblichem Maß belassen worden. Eine vorgängige Beratung hatte (was ersichtlich ebenfalls nicht mehr eingewandt wird) nicht stattzufinden (dazu BSG, Urt. v. 3.2.2010, - B 6 KA 37/08 R -; Beschl. v. 30.5.2006, - B 6 KA 14/06 B -). Der Beklagte hat damit sein Kürzungsermessen (dazu BSG, Urt. v. 28.4.2004, - B 6 KA 24/03 R -) ohne die Kläger belastende Rechtsfehler ausgeübt, weshalb die Honorarkürzung Bestand behält. Auch sonst liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Prüfgremien von dem ihnen eingeräumten Beurteilungsspielraum in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hätten, weswegen auch der hilfsweise gestellte Antrag der Kläger auf Neubescheidung insgesamt ohne Erfolg bleiben musste.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 und 3 sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese (insbesondere) Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
Rechtskraft
Aus
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