Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 SF 447/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SF 234/11 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen Ablehnung des ärztlichen Sachverständigen
Nach § 406 ABs.2 Satz 2 ZPO kann der Ablehnungsantrag zu einem späteren Zeitpunkt gestellt werden, wenn der Antragsteller Gründe nennen kann, dass er die Befangenheit ohne sein Verschulden erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend machen konnte. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn erst aus dem schriftlich abgefassten Gutachten der Ablehnungsgrund ersichtlich wird.
Nach § 406 ABs.2 Satz 2 ZPO kann der Ablehnungsantrag zu einem späteren Zeitpunkt gestellt werden, wenn der Antragsteller Gründe nennen kann, dass er die Befangenheit ohne sein Verschulden erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend machen konnte. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn erst aus dem schriftlich abgefassten Gutachten der Ablehnungsgrund ersichtlich wird.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom
20. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. B. besteht.
Der 1954 geborene Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden Bf.) begehrt im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München wegen seines Arbeitsunfalls vom 03.06.2008 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v.H. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 15.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2010 lediglich eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. ab 01.12.2009 gewährt.
Das Sozialgericht hat mit Beweisanordnung vom 29.12.2010 den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 21.04.2011 zum Ergebnis, dass nervenärztlicherseits die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 0 v.H. einzuschätzen sei. Das Gutachten wurde den Beteiligten am 27.04.2011 zur Kenntnis übersandt. Mit Schreiben vom 10.05.2011, eingegangen beim Sozialgericht München am 13.05.2011, hat der Bf. den Sachverständigen Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er begründete dies insbesondere damit, dass eine Reihe von Formulierungen im Gutachten nicht nachvollziehbar seien. Insbesondere nannte er Beispiele für eine voreingenommene Wortwahl.
Das Sozialgericht hat den Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 20.05.2011 zurückgewiesen. Es lägen keine Gründe vor, die bei einem nüchtern denkenden Beteiligten die Befürchtung rechtfertigen könnten, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstatten.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat der Bf. vorgebracht, der Sachverständige habe ihn ohne Respekt als Simulanten bezeichnet. Er habe ihm unterstellt, dass er den Finger-Boden-Abstand nicht messen ließ, da er aufgrund der angegebenen massiven lumbalgieformen Beschwerden vorgegeben habe, nicht dazu
in der Lage zu sein. Der Sachverständige habe die offensichtlichen Wirkungen und Nebenwirkungen der angegebenen Medikamente nicht zur Kenntnis nehmen wollen und anstatt dessen ein Unwerturteil über ihn und sein vorgegebenes Verhalten gefällt. Des Weiteren habe er ihn als Lügner dargestellt, da er vorgegeben habe, dass links der Fersengang nicht möglich sei. Die Ausführungen zum Übergewicht seien nicht neutral und sachlich. Des Weiteren habe er ihm eine Hängematten-Mentalität unterstellt. Dies sei ein deutliches Unwerturteil. Ferner habe er ihm unterstellt, den Arbeitsunfall dazu zu benutzen, sich in seine angstfreie familiäre Umgebung zurückzuziehen, in gewisser Weise in eine griechische Inklave. Auch dies unterstellte ihm "eine von Haus aus vorhanden gewesene Faulheit oder Charakterschwäche".
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 26.07.2011 hierzu Stellung genommen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist unbegründet.
Nach § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach
§§ 406 Abs.1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (Thomas Putzo, ZPO, 30. Auflage, § 42 Rdnr. 9).
Nach § 406 Abs. 2 Satz 1, 411 Abs.1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder bei dem Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen - zu einem späteren Zeitpunkt nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur dann, wenn der Antragsteller Gründe nennen kann, dass er die Befangenheit ohne sein Verschulden erst zu einem späteren
Zeitpunkt geltend machen konnte. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn erst aus dem schriftlich abgefassten Gutachten der Ablehnungsgrund ersichtlich wird. In diesem Fall endet die Frist für den Ablehnungsantrag mit dem Ablauf der Frist, die das Gericht den Beteiligten zur Stellungnahme zum Gutachten eingeräumt hat. Zweck dieser Regelung ist die Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens. Das Gutachten wurde mit Schreiben vom 27.04.2011 zur Kenntnis übersandt. Dem Bf. ist eine angemessene Überlegungszeit ab Kenntniserlangung zu gewähren. Anhaltspunkt ist die Frist in § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO, also zwei Wochen. Damit ist der am 13.05.2011 eingegangene Befangenheitsantrag fristgemäß.
Der Bf. hat seine Beschwerde im Wesentlichen mit den gleichen Argumenten begründet, die bereits dem Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zugrunde lagen. Deshalb wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Begründung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 20.05.2011 verwiesen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass zur Begründung der Beschwerde vom Bf Formulierungen im Gutachten gelesen werden, die dort nicht niedergelegt sind. Dies betrifft insbesondere die Formulierung "Simulant". Weiter werden Aussagen hineininterpretiert, die als bloße subjektive - und nicht objektive - Vorstellungen des Bf zu bezeichnen sind. Dies bezieht sich insbesondere auf seine Ausführungen zum Übergewicht. Der Sachverständige hat die Pflicht, den Kläger zu untersuchen und seine Untersuchungsbefunde niederzulegen. Die Begründung der Beschwerde zeigt vielmehr eine Überinterpretation der Ausführungen des Sachverständigen.
Es war weiter die Aufgabe des Sachverständigen, Ausführungen zur Kausalität der Gesundheitsstörungen des Klägers zu machen. Als Arzt für Neurologie und Psychiatrie hat er hierbei die Pflicht, die Biographie des Klägers wertend einzubeziehen. Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit ergeben sich hieraus nicht.
Das Sozialgericht hat damit zutreffend den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. B. zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
20. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. B. besteht.
Der 1954 geborene Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden Bf.) begehrt im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München wegen seines Arbeitsunfalls vom 03.06.2008 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v.H. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 15.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2010 lediglich eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. ab 01.12.2009 gewährt.
Das Sozialgericht hat mit Beweisanordnung vom 29.12.2010 den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 21.04.2011 zum Ergebnis, dass nervenärztlicherseits die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 0 v.H. einzuschätzen sei. Das Gutachten wurde den Beteiligten am 27.04.2011 zur Kenntnis übersandt. Mit Schreiben vom 10.05.2011, eingegangen beim Sozialgericht München am 13.05.2011, hat der Bf. den Sachverständigen Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er begründete dies insbesondere damit, dass eine Reihe von Formulierungen im Gutachten nicht nachvollziehbar seien. Insbesondere nannte er Beispiele für eine voreingenommene Wortwahl.
Das Sozialgericht hat den Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 20.05.2011 zurückgewiesen. Es lägen keine Gründe vor, die bei einem nüchtern denkenden Beteiligten die Befürchtung rechtfertigen könnten, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstatten.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat der Bf. vorgebracht, der Sachverständige habe ihn ohne Respekt als Simulanten bezeichnet. Er habe ihm unterstellt, dass er den Finger-Boden-Abstand nicht messen ließ, da er aufgrund der angegebenen massiven lumbalgieformen Beschwerden vorgegeben habe, nicht dazu
in der Lage zu sein. Der Sachverständige habe die offensichtlichen Wirkungen und Nebenwirkungen der angegebenen Medikamente nicht zur Kenntnis nehmen wollen und anstatt dessen ein Unwerturteil über ihn und sein vorgegebenes Verhalten gefällt. Des Weiteren habe er ihn als Lügner dargestellt, da er vorgegeben habe, dass links der Fersengang nicht möglich sei. Die Ausführungen zum Übergewicht seien nicht neutral und sachlich. Des Weiteren habe er ihm eine Hängematten-Mentalität unterstellt. Dies sei ein deutliches Unwerturteil. Ferner habe er ihm unterstellt, den Arbeitsunfall dazu zu benutzen, sich in seine angstfreie familiäre Umgebung zurückzuziehen, in gewisser Weise in eine griechische Inklave. Auch dies unterstellte ihm "eine von Haus aus vorhanden gewesene Faulheit oder Charakterschwäche".
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 26.07.2011 hierzu Stellung genommen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist unbegründet.
Nach § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach
§§ 406 Abs.1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (Thomas Putzo, ZPO, 30. Auflage, § 42 Rdnr. 9).
Nach § 406 Abs. 2 Satz 1, 411 Abs.1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder bei dem Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen - zu einem späteren Zeitpunkt nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur dann, wenn der Antragsteller Gründe nennen kann, dass er die Befangenheit ohne sein Verschulden erst zu einem späteren
Zeitpunkt geltend machen konnte. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn erst aus dem schriftlich abgefassten Gutachten der Ablehnungsgrund ersichtlich wird. In diesem Fall endet die Frist für den Ablehnungsantrag mit dem Ablauf der Frist, die das Gericht den Beteiligten zur Stellungnahme zum Gutachten eingeräumt hat. Zweck dieser Regelung ist die Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens. Das Gutachten wurde mit Schreiben vom 27.04.2011 zur Kenntnis übersandt. Dem Bf. ist eine angemessene Überlegungszeit ab Kenntniserlangung zu gewähren. Anhaltspunkt ist die Frist in § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO, also zwei Wochen. Damit ist der am 13.05.2011 eingegangene Befangenheitsantrag fristgemäß.
Der Bf. hat seine Beschwerde im Wesentlichen mit den gleichen Argumenten begründet, die bereits dem Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zugrunde lagen. Deshalb wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Begründung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 20.05.2011 verwiesen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass zur Begründung der Beschwerde vom Bf Formulierungen im Gutachten gelesen werden, die dort nicht niedergelegt sind. Dies betrifft insbesondere die Formulierung "Simulant". Weiter werden Aussagen hineininterpretiert, die als bloße subjektive - und nicht objektive - Vorstellungen des Bf zu bezeichnen sind. Dies bezieht sich insbesondere auf seine Ausführungen zum Übergewicht. Der Sachverständige hat die Pflicht, den Kläger zu untersuchen und seine Untersuchungsbefunde niederzulegen. Die Begründung der Beschwerde zeigt vielmehr eine Überinterpretation der Ausführungen des Sachverständigen.
Es war weiter die Aufgabe des Sachverständigen, Ausführungen zur Kausalität der Gesundheitsstörungen des Klägers zu machen. Als Arzt für Neurologie und Psychiatrie hat er hierbei die Pflicht, die Biographie des Klägers wertend einzubeziehen. Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit ergeben sich hieraus nicht.
Das Sozialgericht hat damit zutreffend den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. B. zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
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