L 3 AL 1768/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 4/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1768/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, belastende Verwaltungsakte ohne vorherige Anhörung zu erlassen.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte. Nachdem die Beklagte die laufende Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2011 abänderte (Änderungsbescheid vom 27.12.20109), hierbei eine Aufrechnung i.H.v. 14,49 EUR täglich berücksichtigte (Aufrechnungsbescheid vom 27.12.2010), die sofortige Vollziehbarkeit der Aufrechnung anordnete (Anordnung vom 27.12.2010), erhob der Kläger am 01.01.2011 Klage zum SG, mit der er die ordnungsgeldbewehrte Verurteilung der Beklagten, belastende Verwaltungsakte zu erlassen, ohne ihn zuvor anzuhören, geltend gemacht hat. Die Beklagte habe, so der Kläger, die Bescheide erlassen, ohne ihn zuvor anzuhören. Dies sei rechtswidrig. Da die Beklagte dies "endlos fortsetze", bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis für eine vorbeugende Unterlassungsklage. Am 27.01.2011 hat der Kläger den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und eine Kopie der Gerichts-, Widerspruchs- und Verwaltungsakte beantragt. Der Vorsitzende habe hinreichend deutlich zur Schau gestellt, dass es ihm an der Befähigung zum Richteramt fehle.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.04.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, das Befangenheitsgesuch hindere das Gericht nicht daran, in der Sache zu entscheiden, da es offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei. Der Antrag erschöpfe sich in einem pauschalen Vorwurf und enthalte keinen substantiierten Tatsachenvortrag. Dem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht sei nicht zu entsprechen, da dieser gleichfalls als grob rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei. Der Kläger habe im März 2010 Gelegenheit erhalten, in die gesamten Akten Einsicht zu nehmen. Hierzu seien diese an die Wohnortgemeinde des Klägers übersandt worden. Mit seinem neuerlichen Antrag auf Akteneinsicht beabsichtige der Kläger lediglich, eine Entscheidung hinauszuzögern. Die Klagebegehren seien bereits unzulässig, da sich der Kläger für die von ihm verfolgte vorbeugende Unterlassungsklage nicht auf ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis berufen könne. Es sei dem Kläger zumutbar, nachgehenden Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Gegen den am 26.04.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am gleichen Tag Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das SG habe "offensichtlich unvertretbar" selbst über sein Ablehnungsgesuch entschieden. Das SG habe es ferner unterlassen, den Sachverhalt aufzuklären. Das angeblich fehlende qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis sei amts- und aktenkundig, die Beklagte habe auch in anderen Verfahren wiederholt belastende Verwaltungsakte erlassen, ohne ihn zuvor anzuhören. Nachgehender Rechtsschutz sei ihm, auch in Ansehung der bisherigen Arbeitsweise des SG, unzumutbar. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. April 2011 aufzuheben und es der Beklagten zu untersagen, belastende Verwaltungsakte zu erlassen, ohne ihn vorher anzuhören und der Beklagten für jede Zuwiderhandlung Zwangsgeld, hilfsweise Ordnungsgeld anzudrohen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 09.11.2011 nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ordnungsgemäß durch Übergabe der Ladung in der Justizvollzugsanstalt geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen. Der Umstand, dass sich der Kläger seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, ändert hieran, wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 21.09.2011 u.a. in den Verfahren - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -, - L 3 AL 2641/10 - und vom 19.10.2011 u.a. in den Verfahren - L 3 AL 3913/11 -, - L 3 AL 3819/11 -, L 3 AL 3917/11 - entschieden hat, nichts.

Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG); sie ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Gegenstand des Verfahrens ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch, es der Beklagten zu untersagen, belastende Verwaltungsakte zu erlassen, ohne ihn zuvor anzuhören. Hierbei handelt es sich der Klageart nach um eine Unterlassungsklage, einen Unterfall der echten Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG, so dass an sich keine besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis zu stellen sind. Für die hier vorliegende "vorbeugende" Unterlassungsklage, mit der der Kläger ein zukünftiges Verhalten der Beklagten zu verhindern sucht, ist hingegen ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse erforderlich. Dies setzt voraus, dass der Betroffene ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse darlegt, das regelmäßig nicht gegeben ist, solange er auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 17/95 - veröffentlicht in juris). Da jedoch nicht ersichtlich ist, das ein Zuwarten zu nicht ohne Weiteres revidierbaren Nachteilen beim Kläger führen würde, kann dieser, auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens, kein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für sich reklamieren. Da es insofern bereist an einem substantiierten Sachvortrag mangelt, geht der Einwand des Klägers, das SG habe es unterlassen, den Sachverhalt aufzuklären, fehl.

Der angefochtene Gerichtsbescheid ist auch im Übrigen verfahrensfehlerfrei ergangen. Soweit das SG über den Befangenheitsantrag des Klägers vom 27.02.2011 selbst, im Rahmen des angefochtenen Gerichtsbescheides, entschieden hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden, da das Gesuch kein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens nicht erfordert; es wurde offensichtlich nur zu dem Zweck gestellt, den Vorsitzenden aus dem Verfahren zu drängen. Über das offensichtlich unzulässige Befangenheitsgesuch konnte das SG daher selbst (vgl. Littmann in SGG-Handkommentar, 3. Aufl., § 60 Rn. 25), ohne dass es eines - isolierten - förmlichen Beschlusses hierüber bedurft hätte, entscheiden (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011 a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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