L 7 R 2105/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3741/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 2105/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. März 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung weiterer 24 Monate Kindererziehungszeiten für jedes von sieben Kindern, die vor dem 1. Januar 1992 geboren wurden.

Die am 1945 geborene Klägerin hat sieben Kinder geboren (L. geb. am 1963, G. geb. am 1965; J. geb. am 1966; T. ebenfalls geb. am 1966; U. geb. am 1968; K. geb. am 1971 und M. geb. am 1972). Im Versicherungsverlauf der Klägerin vom 1. November 2001 sind für jedes Kind zwölf Kalendermonate Kindererziehungszeiten berücksichtigt (insgesamt 84 Kalendermonate); daneben sind Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung gespeichert.

Den gegen diesen Versicherungsverlauf gerichteten Widerspruch, mit dem die Klägerin u.a. die Anrechnung der Kindererziehungszeiten "im jetzigen Umfang" geltend machte, wertete die Beklagte als Antrag auf Vormerkung dieser Zeiten und lehnte mit Bescheid vom 20. April 2005 die Anerkennung weiterer Kindererziehungszeiten ab. Den auf Anerkennung von 36 Kalendermonaten Kindererziehungszeiten je Kind gerichteten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2006). Die dagegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Ulm (SG) blieb erfolglos (Urteil vom 19. September 2006 - S 2 R 1229/06). Mit Beschluss vom 6. Juni 2007 (L 2 R 5486/06) wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin zurück. Für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder seien nach § 249 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nur zwölf Kalendermonate Kindererziehungszeiten anzuerkennen. Diese gesetzliche Regelung verstoße nicht gegen Verfassungsrecht. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Beschluss vom 3. Januar 2008 als unzulässig verworfen (B 5a R 318/07 B).

Mit Bescheid vom 29. September 2005 gewährte die Beklagte der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Mai bis 30. November 2005, die sie mit Bescheiden vom 23. Dezember 2005 und 29. Juni 2006 neu feststellte.

Mit Bescheid vom 28. Juni 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer ab dem 1. Dezember 2005. Die Höhe der Rente könne aus technischen Gründen noch nicht abschließend bestimmt werden. Daher werde sie vorläufig in Höhe der bisherigen Rente geleistet. Hintergrund dieser Vorläufigkeit war die Rechtsprechung des BSG, dass es sich bei der Weiterzahlung einer befristeten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit um eine eigenständige und voll inhaltlich erneute Zuerkennung eines Rentenanspruches handle, so dass abgestellt auf den Zeitpunkt des Beginns des Rentenanspruches die Rentenhöhe neu zu bestimmen war.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 17. Juli 2006 begehrte die Klägerin die Überprüfung der bisherigen Bescheide hinsichtlich der Absenkung des Zugangsfaktors aufgrund der Entscheidung des BSG (B 4 RA 22/05 R) im Widerspruchsverfahren oder nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Dabei verwies sie auf das anhängiges Klageverfahren zu den Kindererziehungszeiten, weshalb noch keine abschließende Entscheidung über die Höhe der Rente getroffen werden solle.

Mit Bescheid vom 25. April 2008 stellte die Beklagte die Höhe der Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 1. Dezember 2005 (längstens bis zum 30. November 2010 - Erreichen der Regelaltersgrenze) endgültig fest und stellte weiter auf den Antrag vom 14. Oktober 2005 diese Rente neu fest. Die Neuberechnung der Rente führe aber zu keiner Veränderung des Zahlbetrages. Mit diesem Bescheid erledige sich der Weiterbewilligungsbescheid vom 28. Juni 2006 hinsichtlich der vorläufigen Feststellung der Rentenhöhe. Die Feststellungen zum Rentenanspruch, -beginn und zum Wegfall der Rente blieben weiterhin wirksam. Der Bescheid ergehe in Ergänzung zum Weiterbewilligungsbescheid vom 28. Juni 2006. Der Widerspruch könne sich daher nur gegen die Bestimmung der Rentenhöhe richten, die erst mit diesem Bescheid endgültig erfolgt sei. Bei der Berechnung der Rentenhöhe wurden wiederum 84 Monate Kindererziehungszeiten berücksichtigt, die mit 0,0833 Entgeltpunkten pro Kalendermonat bewertet wurden. Des Weiteren ist die Zeit vom 25. Januar 1963 bis 1. Oktober 1982 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung belegt.

Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin vom 13. Mai 2008, mit dem sie insbesondere die Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2008 zurück. Die der bisherigen Rentenberechnung zugrunde liegenden Versicherungszeiten seien durch die Neufeststellung der Rente nicht verändert worden. Insoweit könne der Bescheid daher nicht mit Widerspruch angefochten werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. Oktober 2008 Klage beim SG erhoben, mit der sie die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten von 36 Kalendermonaten je Kind begehrt hat; die Begrenzung auf zwölf Kalendermonate für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder sei verfassungswidrig.

Seit dem 1. Dezember 2010 bezieht die Klägerin Regelaltersrente.

Mit Urteil vom 14. März 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Rente sei entsprechend der gesetzlichen Vorschriften berechnet worden. Die Beschränkung der Kindererziehungszeiten auf zwölf Kalendermonate je Kind sei nicht zu beanstanden.

Gegen diese ihrem Bevollmächtigten am 13. April 2011 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, die am 10. Mai 2011 beim SG eingegangen ist. Zur Begründung hat sie ausgeführt, aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. Juli 1992 (BVerfGE 87, 1) zum Ausschluss der vor 1921 geborenen Versicherten von Kindererziehungszeiten ergebe sich, dass ab 1921 geborene Eltern im Rentensystem nicht mehr benachteiligt werden dürften. Diesen Eltern sei der Schutz umso mehr zu bewilligen, als die Verbesserung der Alterssicherung Kinder erziehender Personen ohnehin nur auf einen Wert von 75% des Durchschnittseinkommens begrenzt worden sei. Die Stichtagsregelung des § 249 Abs. 1 SGB VI (Geburt vor dem 1. Januar 1992) sei mangels sachlichen Grundes verfassungswidrig. Darüber hinaus sei auch der Eigentumsschutz zu berücksichtigen; sie habe "zu diesem Zeitpunkt" bereits nicht unerhebliche Rechtspositionen in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben gehabt, die durch die Nichtanerkennung der weiteren Kindererziehungszeiten erheblich beeinträchtigt worden seien. Schließlich stelle die gesetzliche Regelung auch einen Verstoß gegen die Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherung (im Folgenden Richtlinie 79/7/EWG) dar. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf Bl. 10/13 der Senatsakte verwiesen.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. März 2011 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2008 zu verurteilen, ihr eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Dezember 2005 bis 31. November 2010 unter zusätzlicher Berücksichtigung von jeweils weiteren 24 Kalendermonaten Kindererziehungszeiten für die am 1963, 1965, 1966, 1966, 1968, 1971 und 1972 geborenen Kinder zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf ihre Gesetzesbindung als Träger der öffentlichen Verwaltung verwiesen, hält des Weiteren aber die gesetzliche Regelung für verfassungsgemäß.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gem. §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin kann ihr Begehren auf höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Bescheid vom 25. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2008 geltend machen. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte die Anerkennung dieser Zeiten bereits mit Bescheid vom 20. April 2005 und Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2006 abgelehnt hatte, die nach der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BSG vom 3. Januar 2008 bestandskräftig geworden sind. Unabhängig von der Frage, inwieweit eine solche Verwaltungsentscheidung oder generell ein Vormerkungsbescheid für den späteren rentengewährenden Bescheid bindend wird, hat die Beklagte im Bescheid vom 25. April 2008 eine erneute Entscheidung zum streitgegenständlichen Begehren getroffen: Mit Bescheid vom 28. Juni 2006 hatte die Beklagte zwar die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2005 bewilligt, deren Höhe jedoch nur vorläufig festgesetzt. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 17. Juli 2006 hatte die Klägerin hiergegen Widerspruch wegen der Berücksichtigung eines abgesenkten Zugangsfaktors eingelegt, gleichzeitig jedoch auf das damals noch offene Verfahren wegen der Anerkennung weiterer Kindererziehungszeiten hingewiesen. Damit hat sie deutlich gemacht, dass die Rente wegen Erwerbsminderung endgültig nicht ohne Berücksichtigung dieser zusätzlichen Kindererziehungszeiten zu zahlen sei. Dieses Begehren hat die Beklagte im Bescheid vom 25. April 2008 abgelehnt. Denn sie hat nicht nur die vorläufige Festsetzung der Rentenhöhe durch eine endgültige ersetzt, sondern auch die Rente neu festgesetzt, ohne die weiteren Zeiten zu berücksichtigen. Damit hat sie das im Schriftsatz vom 17. Juli 2006 geäußerte Begehren der Klägerin erneut abgelehnt, ohne sich gerade diesbezüglich auf die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 20. April 2005 zu berufen.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die für die Berechnung der Rentenhöhe maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften genannt und zutreffend dargelegt, dass die Beklagte diese korrekt angewandt hat. Der Senat nimmt insoweit nach eigener Prüfung auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG), nachdem dies auch von der Klägerin nicht länger in Abrede gestellt wird. Die Beklagte hat Kindererziehungszeiten im Umfange von 84 Kalendermonaten berücksichtigt, mithin für jedes der sieben Kinder 12 Kalendermonate. Soweit während der berücksichtigten Kindererziehungszeit ein weiteres Kind erzogen wurde (hier insbesondere bei den am 1966 geborenen Zwillingen), hat die Beklagte die Kindererziehungszeit um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Kindererziehung verlängert. Dies entspricht der gesetzlichen Vorgabe des § 56 Abs. 5 Satz 2 SGB VI.

Die Klägerin kann nicht erfolgreich geltend machen, es seien für jedes Kind weitere 24 Kalendermonate Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen. Zwar gelten nach dem seit 1. Januar 1992 geltenden § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung durch das Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261; die späteren Änderungen haben Satz 1 unberührt gelassen) für Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren Pflichtbeiträge als gezahlt. Allerdings sieht § 249 Abs. 1 SGB VI (ebenfalls in der Fassung des Rentenreformgesetztes 1992 vom 18. Dezember 1989, a.a.O.) eine Sonderregelung hierzu vor, wonach die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt endet.

Diese Vorschrift verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Entgegen der Auffassung der Klägerin scheidet ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) aus. Der Eigentumsschutz setzt eine gesetzlich anerkannte Rechtsposition voraus (vgl. BVerfGE 87, 1). Der Klägerin war jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Rentenanwartschaft erwachsen, die eine Anerkennung von 36 Kalendermonaten Kindererziehungszeiten je Kind beinhaltet hätte. Vielmehr rügt sie ja selbst, dass eine solche Ausweitung - im Gegensatz zu ab dem 1. Januar 1992 geborenen Kindern - gesetzlich nicht vorgenommen wurde.

Aus dem in Art. 6 Abs. 1 GG niedergelegten Schutz der Familie lässt sich auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip allenfalls eine allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, keinesfalls aber konkrete Folgerungen für dessen Ausgestaltung durch einzelne Rechtsnormen. Vielmehr besteht insoweit eine weitreichende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Prüfungsmaßstab ist daher der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, der allerdings in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG gesehen werden muss (hierzu und zum Nachstehenden vgl. BVerfG a.a.O.). Differenziert der Gesetzgeber zum Nachteil der Familie, so ist der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG der Familie schuldet. Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ist des Weiteren deren Konzeption im Rahmen des sog. Generationenvertrages zu beachten, nach dem die Kindererziehung bestandssicherende Bedeutung für das System der Altersversorgung gewinnt. Allerdings ergibt sich hieraus keine Pflicht des Gesetzgebers, hinsichtlich der Begründung von Rentenanwartschaften die Kindererziehung der Beitragszahlung gleichzusetzen. Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung eine Benachteiligung von Kinder erziehenden Familien gegenüber Kinderlosen in den rentenrechtlichen Vorschriften gesehen, die auch die Einführung eines "Babyjahres", also die Berücksichtigung von zwölf Monaten Kindererziehungszeiten, nur in verhältnismäßig geringem Umfang ausgeglichen habe. Diese Feststellung führte aber nicht zu einer verfassungsrechtlichen Beanstandung der entsprechenden rentenrechtlichen Regelungen. Vielmehr ergibt sich aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben lediglich die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Benachteiligung in weiterem Umfang als bisher schrittweise abzubauen.

Die Verlängerung der Kindererziehungszeit auf 36 Monate durch das Rentenreformgesetz 1992 stellt einen weiteren Schritt in diesem Sinne dar, wenn auch gerade beschränkt auf ab dem 1. Januar 1992 geborene Kinder. Die Regelung baut aber die Benachteiligung von Familien gegenüber Kinderlosen weiter ab; die Differenzierung innerhalb der Vergleichsgruppe Familie ist getrennt zu bewerten. Des Weiteren wurde ebenfalls mit dem Rentenreformgesetz die Bewertung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung eingeführt, die durch die Neufassung zum 1. Juli 1998 weiter verbessert wurde. Die Bewertung von Kindererziehungszeiten wurde zum selben Zeitpunkt auf 0,0833 Entgeltpunkte pro Kalendermonat erhöht (§ 70 Abs. 2 SGB VI). Die Argumentation der Klägerin, Kindererziehungszeiten seien nur mit 75% des Durchschnittsverdienstes bewertet, übersieht daher die aktuelle Rechtslage. Die zwölf Kalendermonate Kindererziehungszeiten sind vielmehr fast vollständig dem Durchschnittsverdienst (1 Entgeltpunkt) angepasst (12x 0,0833 Entgeltpunkte = 0,9996 Entgeltpunkte). Dies wurde bei der der Klägerin gewährten Rente auch berücksichtigt. Auch außerhalb des Rentenrechts sind weitere Verbesserungen für Kindererziehende erfolgt (z.B. niedrigerer Beitragssatz in der Pflegeversicherung), auf die die Klägerin überhaupt nicht eingegangen ist. Eine pflichtwidrige Verzögerung bei der Erledigung des verfassungsrechtlichen Auftrags entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann dem Gesetzgeber daher nicht angelastet werden.

Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu Versicherten rügt, deren Kinder nach dem 31. Dezember 1991 geboren sind, resultiert diese aus der gesetzlichen Stichtagsregelung. Diese ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, worauf das LSG bereits im früheren Verfahren (L 2 R 5486/06) hingewiesen hatte. Im Nichtannahmebeschluss vom 29. März 1996 (- 1 BvR 1238/95 - FamRZ 1996, 789) hatte das BVerfG dargelegt, ihm sei in der Entscheidung vom 7. Juli 1992 (BVerfGE 87, 1) auch die Ausdehnung der Kindererziehungszeiten für Tatbestände der Kindererziehung ab dem 1. Januar 1992 von bisher einem Jahr Kindererziehungszeit auf drei Jahre Kindererziehungszeit je Kind bekannt gewesen. Eine gegen das Grundgesetz verstoßende Ungleichbehandlung der Tatbestände der Kindererziehung in der Zeit vor Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1992 am 1. Januar 1992 einerseits und den Tatbeständen der Kindererziehungszeit ab Inkrafttreten des SGB VI am 1. Januar 1992 andererseits liege jedoch nicht vor. Der Gesetzgeber sei mit der zeitlichen Ausdehnung ab dem Stichtag 1. Januar 1992 seinem verfassungsrechtlichen Auftrag weiter nachgekommen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers würde unzulässig beschränkt, wenn es ihm verwehrt wäre, eine derart komplexe Reform wie die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Altersversorgung in mehreren Stufen zu verwirklichen. Dem schließt sich der Senat an.

Deutsches Verfassungsrecht ist mithin nicht verletzt. Inwieweit die Regelung des § 249 Abs. 1 SGB VI gegen die Richtlinie 79/7/EWG verstoßen könnte, ist für den Senat nicht ersichtlich. Diese Richtlinie hat zum Ziel, dass auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und der sonstigen Bestandteile der sozialen Sicherung der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit schrittweise verwirklicht wird (Art. 1 Richtlinie 79/7/EWG). Nach dem von der Klägerin ausdrücklich angeführten Art. 4 Richtlinie 79/7/EWG beinhaltet der Grundsatz der Gleichbehandlung den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im besonderen betreffend: - den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen, - die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge, - die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen.

Die Regelung des § 249 Abs. 1 SGB VI differenziert jedoch nicht nach dem Geschlecht des Elternteils oder dessen Familienstand, sondern allein nach dem Geburtsdatum des Kindes. Des Weiteren kann die Kindererziehungszeit nach dem von § 249 Abs. 1 SGB VI nicht verdrängten § 56 Abs. 2 SGB VI entweder dem Vater oder der Mutter zugeordnet werden. Eine auch nur mittelbare oder gar unmittelbare Geschlechterdiskriminierung kann hierin also nicht gesehen werden. Auch wenn man zugrundelegt, dass zumindest in der Generation der Klägerin in der Regel Frauen wegen der Kindererziehung Lücken in der Erwerbsbiographie hingenommen oder von einer Erwerbstätigkeit vollständig abgesehen hatten, ist zu beachten, dass die Einführung von Kindererziehungszeiten sowie deren steigende Bewertung und zeitliche Ausdehnung gerade diese Benachteiligung zurückführen sollen. Auch die Richtlinie 79/7/EWG sieht ausdrücklich nur einen schrittweisen Abbau vor.

Die Berücksichtigung eines Zugangsfaktors für die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich aus § 77 Abs. 2 SGB VI; auch dieser ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG SozR 4-2600 § 77 Nr. 9; BSG, Urteil vom 25. November 2008 - B 5 R 112/08 R - (juris))

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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