L 3 AL 3792/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 44/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3792/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. August 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten, den für ihn zuständigen Arbeitsvermittler auszuwechseln.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte. Während des Leistungsbezugs wurde der Kläger u. a. durch deren Mitarbeiter Schumann (S.) als Arbeitsvermittler betreut. Am 24.09.2010 stellte der Kläger gegen diesen einen Befangenheitsantrag. S. sei nach der internen Geschäftsverteilung der Beklagten nicht für ihn zuständig. Darüber hinaus habe S. in der Vergangenheit deutlich unter Beweis gestellt, dass ihm jegliche Qualifikation fehle, er sei nicht in der Lage, seine Aufgaben als Arbeitsvermittler zu erfüllen. Ihm, dem Kläger, sei von S. keine Stelle am ersten Arbeitsmarkt nachgewiesen worden. Die Entscheidungen von S. seien willkürlich.

Mit Schreiben vom 30.10.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei nicht ersichtlich, dass die vom zugewiesenen Arbeitsvermittler S. getroffenen Entscheidungen nicht objektiv getroffen worden seien oder eingeräumtes Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt worden sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsvermittler.

Den hiergegen mit der Begründung, es bestehe ein Rechtsanspruch auf einen unbefangenen, qualifizierten und nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Sachbearbeiter, eingelegten Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2011 als unzulässig. Ihr Schreiben vom 30.10.2010 sei kein mit einem Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt. Im Übrigen räume § 17 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dem Kläger kein förmliches Ablehnungsrecht ein. Die Vorschrift verlange lediglich ein behördeninternes Prüfungsverfahren.

Am 07.01.2011 hat der Kläger hiergegen Klage zum SG erhoben, zu deren Begründung er auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen und ergänzend angeführt hat, das Verhalten der Beklagten sei selbstverständlich justiziabel und rechtsmittelfähig. Am 01.04.2011 hat der Kläger eine Kopie der Verwaltungs- und Gerichtsakte beantragt, am 26.04.2011 hat er den Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Vorsitzende handle, so der Kläger, in einer festen Rechtsbeugungsabsicht.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, das Befangenheitsgesuch hindere das Gericht nicht daran, in der Sache zu entscheiden, da es offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei. Der Antrag ziele einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Dem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht sei nicht zu entsprechen, da dieser gleichfalls als grob rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei. § 17 SGB X gewähre dem Kläger kein Recht auf die förmliche Ablehnung eines Amtsträgers auf Seiten der Behörde. Diese Bestimmung schaffe nur ein verwaltungsinternes Verfahren, mit dem Gründe, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, einer Überprüfung zugeführt werden könnten, die sodann ggf. zur verwaltungsseitigen Anordnung der Ausschließung führen könnte. Der Kläger könne dies jedoch nicht isoliert, sondern nur im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Sachentscheidung geltend machen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Zuweisung eines bestimmten Arbeitsvermittlers.

Gegen den am 02.09.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am gleichen Tag Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das Verfahren müsse zurückverwiesen werden, da die Entscheidung in der vorliegenden Form völlig unzulänglich sei. Ihm seien nicht, wie vom SG ausgeführt, Akten zugänglich gemacht worden; er habe keine Akteneinsicht erhalten. Eine Selbstentscheidung des SG über sein Befangenheitsgesuch sei unzulässig. Er habe Anspruch auf einen qualifizierten Arbeitsvermittler. S. habe zu keinem Zeitpunkt Vermittlungsbemühungen entfaltet. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. August 2011 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen,

hilfsweise,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.August 2011 aufzuheben und das Schreiben der Beklagten vom 30. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 05. Januar 2011 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten, ihm einen neuen Arbeitsvermittler zuzuweisen und festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 09.11.2011 nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ordnungsgemäß durch Übergabe der Ladung in der Justizvollzugsanstalt geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen. Der Umstand, dass sich der Kläger seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, ändert hieran, wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 21.09.2011 u.a. in den Verfahren - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -, - L 3 AL 2641/10 - und vom 19.10.2011 u.a. in den Verfahren - L 3 AL 3913/11 -, - L 3 AL 3819/11 -, L 3 AL 3917/11 - entschieden hat, nichts.

Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG); sie ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Der Rechtsstreit ist nicht, wie klägerseits beantragt, an das SG zurückzuverweisen. Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens, der zur Zurückverweisung an das SG führen könnte, liegt vor, wenn gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift verstoßen wurde und die Entscheidung des Sozialgerichts hierauf beruhen kann. Das Landessozialgericht entscheidet bei Vorliegen eines Mangels nach seinem pflichtgemäßen Ermessen, ob es in der Sache selbst entscheidet oder zurückverweisen will. Eine Verpflichtung zur Zurückverweisung besteht auch bei Vorliegen eines wesentlichen Mangels des Verfahrens nicht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17.02.1956 - 6 RKa 14/55 - veröffentlicht in juris). Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist jedoch nicht mit einem wesentlichen Mangels des Verfahrens behaftet, er ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Soweit der Kläger anführt, er habe keine Akteneinsicht erhalten, hat er diese im erstinstanzlichen Verfahren einzig und ausschließlich dergestalt begehrt, ihm Kopien der Verwaltungs- und Gerichtsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Die beanspruchte Anfertigung von Ablichtungen der gesamten Prozess- und Beiakten ohne vorherige Prüfung auf Relevanz der Aktenbestandteile für die Rechtsverfolgung und ohne Konkretisierung der Akteninhalte ist jedoch als rechtsmissbräuchlich anzusehen (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, a.a.O.), weswegen das SG nicht verpflichtet war, dem Antrag des Klägers zu entsprechen.

Auch ist ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht dadurch begründet, dass das SG selbst - im Rahmen des angefochtenen Gerichtsbescheides - über den Befangenheitsantrag des Klägers vom 26.04.2011 entschieden hat. Das Ablehnungsgesuch des Klägers hat ein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens nicht erfordert; es wurde offensichtlich nur zu dem Zweck gestellt, den Vorsitzenden aus dem Verfahren zu drängen. Über das offensichtlich unzulässige Befangenheitsgesuch konnte das SG daher selbst (vgl. Littmann in SGG-Handkommentar, 3. Aufl., § 60 Rn. 25), ohne dass es eines - isolierten - förmlichen Beschlusses hierüber bedurft hätte, entscheiden (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, a.a.O.; Beschluss des erkennenden Senats vom 21.06.2011 - L 3 AL 1568/11 NZB - veröffentlicht in juris).

Mithin unterliegt das Verfahren vor dem SG keinem wesentlichen Mangel; eine Zurückverweisung scheidet daher aus.

Auch soweit der Kläger mit der Berufung sein inhaltliches Begehren weiterverfolgt, ist die Berufung unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück und sieht von einer (weiteren) Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen lediglich auszuführen, dass die Beklagte, anders als der Kläger geltend macht, sehr wohl Bemühungen unternommen hat, dem Kläger eine Arbeitsstelle zu vermitteln. Dies belegen bereits die anhängigen Gerichtsverfahren, in denen sich der Kläger gegen Vermittlungsvorschläge der Beklagten zur Wehr setzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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