Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 5 AL 416/07
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 AL 148/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Voraussetzung für die Gewährung von Gründungszuschuss steht auch bei vorbereitenden Maßnahmen mit Außenwirkung im Geschäftsverkehr nicht entgegen, dass eine Gaststättenerlaubnis noch nicht erteilt war.
2. Zur Wirkung der Beschränkung der Erklärung eines Prozessbevollmächtigten, er nehme die "für den Kläger eingelegte Berufung zurück", auf das vom ihm eingelegte Rechtsmittel, ohne sich auf das von einem anderen Prozessbevollmächtigten eingelegte Rechtsmittel zu erstrecken.
2. Zur Wirkung der Beschränkung der Erklärung eines Prozessbevollmächtigten, er nehme die "für den Kläger eingelegte Berufung zurück", auf das vom ihm eingelegte Rechtsmittel, ohne sich auf das von einem anderen Prozessbevollmächtigten eingelegte Rechtsmittel zu erstrecken.
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 28.10.2009 - S 5 AL 416/07 - sowie der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2007 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Gründungszuschuss ab dem 10.05.2007 für neun Monate dem Grunde nach zu gewähren.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Gründungszuschusses (GZ) anlässlich der Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2007.
Der 1979 geborene Kläger übte vom 19.11.2003 bis 19.11.2004 eine selbstständige Tätigkeit im Bereich Forstwirtschaft und Landschaftsbau aus und erhielt von der Beklagten im Zeitraum vom 19.11.2003 bis 18.11.2004 einen Existenzgründungszuschuss.
Vom 28.02. bis 13.03.2004 ging er bei der D GmbH, vom 01.09. bis 25.11.2004 bei einem Eiscafé und vom 15.11.2005 bis 04.01.2007 bei der E F GmbH einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Bei der Arbeitslosmeldung am 04.01.2007 wies der Kläger darauf hin, dass er sich voraussichtlich Mitte / Ende Januar selbstständig machen wolle. Antragsunterlagen für einen GZ wurden ihm ausgehändigt. Die Beklagte gewährte ihm Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 05.01.2007 nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 79,78 EUR in Höhe von 30,07 EUR für eine Dauer von 180 Kalendertagen (Bescheid vom 15.02.2007). Mit Schreiben vom 19.12.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Anspruchsdauer acht Monate betrage. Der Kläger erhielt Alg für den Zeitraum vom 05.01. bis 10.06.2007 (157 Kalendertage) gezahlt.
Bei einer Vorsprache des Klägers vom 09.03.2007 bei der Arbeitsvermittlerin der Beklagten gab er an, sich mit einem Döner-Imbiss in H selbstständig machen zu wollen. Den Mietvertrag habe er bereits unterschrieben und sei somit an einer schnellen Eröffnung interessiert. Die Antragsunterlagen für einen GZ wurden ihm ausgehändigt. Am 16.04.2007 gab er gegenüber der Beklagten telefonisch an, dass sich die Renovierungsarbeiten hinausgezögert hätten und dass er hoffe, sich zum 30.04.2007 selbstständig machen zu können. Am 08.06.2007 teilte er der Beklagten persönlich mit, ab 11.06.2007 selbstständig zu sein. Der schriftliche Antrag auf Gewährung von GZ ging am 18.07.2007 bei der Beklagten einschließlich einer Stellungnahme der Steuerberaterin S zur Tragfähigkeit der Existenzgründung und zu den Kenntnissen und Fähigkeiten des Klägers ein. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 13.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2007 ab, da der Kläger bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 11.06.2007 lediglich noch über einen Alg-Anspruch von 23 Tagen verfügt habe.
Mit Mietvertrag vom 16.06.2006 mietete der Kläger ab 01.07.2006 in H einen Verkaufsraum und zwei Lagerräume zum Betrieb eines Döner-Grills für monatlich 350,00 EUR an. Mit Wirkung ab 01.03.2007 schloss er einen Stromversorgungsvertrag für diese Betriebsstätte ab und ab 11.04.2007 wurde dort ein Telefonanschluss eingerichtet. Am 01.02.2007 nahm er bei der C bank L einen Netto-Kredit über 17.500,00 EUR auf, der in den Sachkonten des Betriebs verbucht wurde. Am 10.05.2007 meldete er bei dem Gewerbeamt die Aufnahme eines Betriebes "Stehimbiss (Imbiss-Hallen) hier: Döner-Imbiss K -Imbiss" zum 10.05.2007 an. Der Betrieb wurde am 14.05.2008 abgemeldet. Ab 10.05.2007 wurde der Betrieb bei der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN) veranlagt (Bescheid vom 15.08.2007).
Der Kläger führte seit Anfang 2007 - zum Teil mithilfe von Freunden - Umbau- und Renovierungsarbeiten in der Betriebsstätte durch und erwarb zu diesem Zweck im März / April 2007 mehrfach bei Baumärkten Baumaterialien. Von der Firma F wurden ihm am 09.03.2007 u.a. ein Pizzakühlaufsatz und ein Pizzaofen, ein Arbeitstisch aus Edelstahl, zwei Dönergeräte und eine Wandhaube geliefert (Rechnung vom 05.04.2007). Die Firma F stellte ihm am 05.04.2007 eine Lüftungsbestätigung für die Betriebsstätte aus.
Bei einer Ortsbesichtigung durch Mitarbeiter der unteren Bauaufsichtsbehörde des Rhein-Pfalz-Kreises vom 14.05.2007 wurde festgestellt, dass der Döner-Laden bereits eingerichtet war. Am 11.06.2007 erteilte die Verbandsgemeindeverwaltung D dem Kläger eine vorläufige Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft und am 24.09.2007 eine endgültige Erlaubnis.
Der Kläger hat am 20.09.2007 Klage bei dem Sozialgericht Speyer (SG) erhoben und geltend gemacht, dass die Beklagte ihm mehrfach mündlich die Gewährung von GZ zugesichert habe. Das SG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.10.2009 den in Anwesenheit seines Prozessbevollmächtigten erschienenen Kläger gehört und die Klage durch Urteil vom gleichen Tag abgewiesen. Ein Anspruch auf GZ stehe dem Kläger nicht zu. Bei Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit am 11.06.2007 habe er nur noch über einen Alg-Anspruch für 83 Kalendertage (240 - 157) verfügt. Aus einer Zusicherung, einem etwaigen mündlichen Verwaltungsakt oder aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergebe sich ebenfalls kein Leistungsanspruch.
Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11.11.2009 zugestellt.
Am 09.12.2009 hat der vom Kläger nunmehr bevollmächtigte Prozessbevollmächtigte Berufung eingelegt.
Am 11.12.2009 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der ersten Instanz Berufung eingelegt und mit Schreiben vom 18.12.2009 "die für den Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2009 eingelegte Berufung" zurückgenommen.
Auf Anfrage des Senats haben die Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass sie davon ausgegangen seien, dass der Kläger Berufung einlegen möchte. Eine gesonderte Vollmacht für die zweite Instanz sei nicht erteilt worden. Nachdem der Kläger mitgeteilt habe, dass er durch einen Kollegen Berufung einlegen möchte, sei die Berufung wieder zurückgenommen worden.
Der Kläger beruft sich auf einen ihm erteilten mündlichen Verwaltungsakt über die Gewährung des GZ. Außerdem macht er geltend, dass er die selbstständige Tätigkeit bereits am 10.05.2007 durch die Gewerbeanmeldung aufgenommen habe. Außerdem habe er seit Anfang 2007 umfassende Aktivitäten unternommen, um den Betrieb zu eröffnen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 28.10.2009 - S 5 AL 416/07 - sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss ab dem 10.05.2007 dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass sich der Kläger erstmals im Berufungsverfahren auf eine Betriebsaufnahme am 10.05.2007 berufen und bis 10.06.2007 Alg bezogen habe. Ohne die Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft sei ihm die Ausübung dieser Tätigkeit nicht gestattet gewesen. Auf frühere Vorbereitungshandlungen zur Aufnahme der Betriebstätigkeit komme es daher nicht an.
Der Berichterstatter hat im Termin zur Beweisaufnahme vom 10.02.2011 den Kläger gehört und als Zeugin die Steuerberaterin S vernommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung eines GZ ab 10.05.2007 dem Grunde nach zu. Der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Zurücknahme der Berufung durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der ersten Instanz (Schreiben vom 18.12.2009) bewirkte nicht den Verlust des Rechtsmittels (§ 156 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Durch die von den bisherigen Prozessbevollmächtigten am 11.12.2009 eingelegte Berufung wurde - nachdem bereits am 09.12.2009 der neue Prozessbevollmächtigte Berufung eingelegt hatte - kein neues, selbstständiges Rechtsmittelverfahren eingeleitet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, Vor § 143 RdNr. 2 f). Da nur ein Berufungsverfahren anhängig war, konnte jeder der nach § 84 Zivilprozessordnung (ZPO) einzeln vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 01.02.2000 - B 10 LW 18/99 B -, Juris RdNr. 9) es durch Rücknahme beenden. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers in der ersten Instanz haben zwar keine schriftliche Vollmacht im Klageverfahren vorgelegt, jedoch im Widerspruchsverfahren eine Vollmacht vom 24.07.2008 eingereicht , die sich auch auf die Prozessführung, die Vertretung vor Sozialgerichten und die Einlegung, sowie die Rücknahme von Rechtsmitteln erstreckte. Jedenfalls ist dadurch eine mündlich - stillschweigend - erteilte Vollmacht aktenkundig geworden, als der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2009 zusammen mit dem Prozessbevollmächtigten erschien und zur Sache verhandelte (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 30.05.2007 - XII ZB 82/06 -, NJW 2007, 3640, RdNr. 41).
Ob in der Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten - wie hier durch den Kläger für die zweite Instanz - der Widerruf der Bestellung eines früheren Bevollmächtigten nur dann gesehen werden kann, wenn das Mandat ausdrücklich entzogen und dem Gericht, bei dem die Sache anhängig ist, vom Erlöschen der Vollmacht Kenntnis gegeben wird (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 45/96 -, SozR 3-1500 § 156 Nr. 1 RdNr. 14), braucht nicht entschieden zu werden. Auch kann offen bleiben, ob dies der Fall sein kann, wenn ein Prozessbevollmächtigter - wie hier der für die zweite Instanz bestellte Rechtsanwalt am 09.12.2009 - Berufung einlegt und im Rubrum ausschließlich sich selbst als Prozessbevollmächtigten bezeichnet und der erstinstanzlich tätige Prozessbevollmächtigte - wie vorliegend - zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht seinerseits Berufung eingelegt hatte (vgl. BSG, Urteil vom 26.07.1989 - 11 RAr 31/88 -, SozR 1500 § 73 Nr. 6 RdNr. 11; dagegen BGH a.a.O., RdNrn. 30, 32, 39).
Selbst wenn im vorliegenden Fall davon ausgegangen wird, dass beide Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren vertretungsberechtigt waren (§ 84 ZPO) und unabhängig voneinander die Berufung zurücknehmen konnten, beschränkte sich hier die Rücknahmeerklärung der Prozessbevollmächtigten vom 18.12.2009 auf das von ihnen eingelegte Rechtsmittel (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.1997 a.a.O., RdNr. 16; BGH a.a.O., RdNr. 26). Mit dieser Erklärung haben die Prozessbevollmächtigten die "für den Kläger eingelegte" Berufung zurückgenommen. Damit haben sie zum Ausdruck gebracht, ausschließlich die durch sie selbst eingelegte Berufung (vgl. auch Schreiben vom 04.10.2010) zurücknehmen, also gerade nicht das gesamte Prozessrechtsverhältnis beenden zu wollen. Dies war auch deshalb nachvollziehbar, da die Prozessbevollmächtigten zum Zeitpunkt der Erklärung vom 18.12.2009 wussten, dass der Kläger durch einen anderen Rechtsanwalt Berufung einlegen wollte.
Dem Kläger ist ein GZ ab dem 10.05.2007 gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zu gewähren. Anzuwenden ist die Vorschrift in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl I 1706):
Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, haben zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss.
Ein Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer
bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit
einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder
eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, und
bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt,
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Berufsständischen Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Bestehen begründete Zweifel an den Kenntnissen und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit, kann die Agentur für Arbeit vom Arbeitnehmer die Teilnahme an Maßnahmen zur Eignungsfeststellung oder zur Vorbereitung der Existenzgründung verlangen.
Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 142 - 144 vorliegen oder vorgelegen hätten.
Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
Die Voraussetzungen für die Gewährung eines GZ ab dem 10.05.2007 sind gegeben. Der Kläger war vor Aufnahme der selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit Arbeitnehmer und hat seine Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme der Tätigkeit als Betreiber eines Döner-Imbisses beendet. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III) und das Vorhandensein von Kenntnissen und Fähigkeiten zur Ausübung dieser Tätigkeit (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III) hat er durch die Vorlage der Stellungnahme der Steuerberaterin S vom 06.06.2007 als fachkundige Stelle dargelegt und nachgewiesen. Bis zur Aufnahme der Tätigkeit hatte er einen Anspruch auf Alg und damit auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a SGB III). Dies ergibt sich schon daraus, dass der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 15.02.2007 bestandskräftig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6 RdNr. 17). Es kommt damit nicht darauf an, ob Zweifel an der Verfügbarkeit (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) des Klägers gegeben waren (vgl. hierzu Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 01.10.2009 - L 12 AL 4/07 -, Juris, RdNrn. 18 und 19). Ausschlussgründe nach § 57 Abs. 3 und 4 SGB III sind nicht vorhanden. Der vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als leistungsbegründendes Ereignis zu stellende Antrag (§§ 323 Abs. 1, 324 Abs. 1 SGB III) ist möglicherweise bereits am 04.01.2007, jedoch spätestens bei der persönlichen Vorsprache vom 09.03.2007 gestellt worden. Die Auslegung seines Begehrens unter Heranziehung des Meistbegünstigungsgrundsatzes ergibt, dass er GZ für das nunmehr konkretisierte Vorhaben begehren wollte. Die Tatsache einer wirksamen Antragstellung ist nicht davon abhängig, dass der Beklagten die schriftlichen Antragsunterlagen zugegangen sind und der genaue Tag der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bekannt ist.
Auch verfügte der Kläger bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III).
Grundsätzlich wird eine selbstständige Tätigkeit dann aufgenommen, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Existenzgründung kaum jemals in einem Akt erfolgen wird. Vielmehr sind für den bislang Arbeitslosen auf dem Weg zur Selbstständigkeit zahlreiche "vorbereitende Handlungen" erforderlich, die es im Einzelfall schwierig erscheinen lassen, jeweils exakt den Zeitpunkt der "Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" zu bestimmen (BSG, Urteil vom 01.06.2006 - B 7a AL 34/05 R -, SozR 4-4300 § 57 Nr. 1 RdNrn. 10 und 11). Eine ausdrückliche Regelung im Gesetz, aus der zu schließen wäre, dass die Tätigkeit erst dann aufgenommen ist, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, also Waren produziert oder Dienstleistungen erbracht werden, existiert nicht. Maßgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls, die auch vorbereitende Tätigkeiten für eine Aufnahme ausreichen lassen können. So kann eine selbstständige Tätigkeit schon vor der eigentlichen "Geschäftseröffnung" - also beispielsweise dem Beginn der Warenproduktion, die den Gegenstand des Unternehmens darstellt - aufgenommen werden. Allerdings macht es die im Gesetz angelegte Nachhaltigkeit der Förderung erforderlich, vorbereitende Maßnahmen nur dann als "Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" zu werten, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und sie ferner nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 28/09 R -, SozR 4-4300 § 57 Nr. 5 RdNrn. 18 und 19).
Solche Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung lagen zum 10.05.2007 vor. Der Kläger hatte die Geschäftsräume bereits im Jahr 2006 angemietet, einen Stromversorgungsvertrag zum 01.03.2007 abgeschlossen und ab 11.04.2007 einen Telefonanschluss einrichten lassen. Zudem hatte er bereits am 01.02.2007 einen das Unternehmen betreffenden Kredit bei der C bank L aufgenommen und die Geschäftsräume seit Anfang 2007 umgebaut sowie renoviert, was durch die Vorlage von Rechnungen über erworbene Baumaterialien nachgewiesen ist. Die für den tatsächlichen Betrieb des Döner-Imbisses notwendige Küchenausstattung wurde bereits am 09.03.2007 geliefert und eine für den Betrieb erforderliche Lüftungsbestätigung lag am 05.04.2007 vor. Diese ernsthaft und unmittelbar auf die Geschäftseröffnung gerichteten Tätigkeiten wurden wegen eines Krankenhausaufenthaltes des Klägers vom 18. bis 22.04.2007 nur für eine unerheblich kurze Zeit unterbrochen.
Am 10.05.2007 erfolgte die Gewerbeanmeldung und der Kläger hat nach seinen glaubhaften Angaben im Termin vom 10.02.2011 seit diesem Tag die Warenproduktion "zur Probe" aufgenommen, um bis zur offiziellen Eröffnung am 11.06.2007 technische Probleme ausschließen zu können. Die Gewerbeanmeldung sowie die ab 10.05.2007 erfolgte Veranlagung von Unfallversicherungsbeiträgen durch die BGN und die steuerrechtliche Veranlagung ab diesem Tag sind vorbereitende Handlungen mit Außenwirkung im Geschäftsverkehr. Hinzu kommt, dass ab diesem Tag Versicherungen für den Betrieb zu zahlen waren, wie aus den Unterlagen der Steuerberaterin Sch hervorgeht. Unerheblich ist, ob die selbstständige Tätigkeit ab diesem Tag 15 oder mehr Wochenstunden umfasste (Link in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand März 2011, § 57 RdNr. 41), da sie hauptberuflich war. Dass der Kläger tatsächlich bis zum 10.06.2007 Alg bezogen hat, vermag zur Überzeugung des Senats an der Tatsache der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bereits am 10.05.2007 nichts zu ändern (vgl. zur möglicherweise aA.: Link a.a.O. RdNrn. 40 und 42).
Es kommt auch nicht darauf an, dass dem Kläger eine vorläufige Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft erst am 11.06.2007 mit Wirkung zu diesem Tage erteilt worden ist. Zwar handelt derjenige ordnungswidrig, der ein Gaststättengewerbe (§ 1 Abs. 1 Gaststättengesetz (GastG)) ohne Erlaubnis (§ 2 Abs. 1 GastG) betreibt (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 GastG), allerdings bedarf der Erlaubnis zum Beispiel nicht, wer unentgeltlich Kostproben verabreicht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GastG). Der Kläger hat angegeben, ab 10.05.2007 zur Probe gekocht und Bekannte animiert zu haben, sein Essen zu probieren. Selbst wenn er im Zeitraum vom 10.05. bis 10.06.2007 ein Entgelt für die verabreichten Speisen verlangt hätte, stünde dies der Tatsache der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht entgegen. Dies gilt auch für eine am 10.05.2007 möglicherweise noch nicht vorliegende Genehmigung einer baurechtlichen Nutzungsänderung. Ob dies beim Vorliegen von strafbaren Handlungen oder Unterlassungen - hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich - anders sein könnte (vgl. Link a.a.O. RdNr. 43), kann offen bleiben.
Dem Kläger steht damit ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Gründungszuschuss für neun Monate (§ 58 Abs. 1 SGB III) zu. Über einen Gründungszuschuss in der anschließenden Phase für weitere sechs Monate (§ 58 Abs. 2 SGB III) ist vorliegend nicht zu entscheiden, da ein neuer Antrag nicht vorliegt (vgl. Link a.a.O. § 58 RdNr. 32) und es sich insoweit um eine Ermessensleistung der Beklagten handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Gründungszuschuss ab dem 10.05.2007 für neun Monate dem Grunde nach zu gewähren.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Gründungszuschusses (GZ) anlässlich der Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2007.
Der 1979 geborene Kläger übte vom 19.11.2003 bis 19.11.2004 eine selbstständige Tätigkeit im Bereich Forstwirtschaft und Landschaftsbau aus und erhielt von der Beklagten im Zeitraum vom 19.11.2003 bis 18.11.2004 einen Existenzgründungszuschuss.
Vom 28.02. bis 13.03.2004 ging er bei der D GmbH, vom 01.09. bis 25.11.2004 bei einem Eiscafé und vom 15.11.2005 bis 04.01.2007 bei der E F GmbH einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Bei der Arbeitslosmeldung am 04.01.2007 wies der Kläger darauf hin, dass er sich voraussichtlich Mitte / Ende Januar selbstständig machen wolle. Antragsunterlagen für einen GZ wurden ihm ausgehändigt. Die Beklagte gewährte ihm Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 05.01.2007 nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 79,78 EUR in Höhe von 30,07 EUR für eine Dauer von 180 Kalendertagen (Bescheid vom 15.02.2007). Mit Schreiben vom 19.12.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Anspruchsdauer acht Monate betrage. Der Kläger erhielt Alg für den Zeitraum vom 05.01. bis 10.06.2007 (157 Kalendertage) gezahlt.
Bei einer Vorsprache des Klägers vom 09.03.2007 bei der Arbeitsvermittlerin der Beklagten gab er an, sich mit einem Döner-Imbiss in H selbstständig machen zu wollen. Den Mietvertrag habe er bereits unterschrieben und sei somit an einer schnellen Eröffnung interessiert. Die Antragsunterlagen für einen GZ wurden ihm ausgehändigt. Am 16.04.2007 gab er gegenüber der Beklagten telefonisch an, dass sich die Renovierungsarbeiten hinausgezögert hätten und dass er hoffe, sich zum 30.04.2007 selbstständig machen zu können. Am 08.06.2007 teilte er der Beklagten persönlich mit, ab 11.06.2007 selbstständig zu sein. Der schriftliche Antrag auf Gewährung von GZ ging am 18.07.2007 bei der Beklagten einschließlich einer Stellungnahme der Steuerberaterin S zur Tragfähigkeit der Existenzgründung und zu den Kenntnissen und Fähigkeiten des Klägers ein. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 13.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2007 ab, da der Kläger bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 11.06.2007 lediglich noch über einen Alg-Anspruch von 23 Tagen verfügt habe.
Mit Mietvertrag vom 16.06.2006 mietete der Kläger ab 01.07.2006 in H einen Verkaufsraum und zwei Lagerräume zum Betrieb eines Döner-Grills für monatlich 350,00 EUR an. Mit Wirkung ab 01.03.2007 schloss er einen Stromversorgungsvertrag für diese Betriebsstätte ab und ab 11.04.2007 wurde dort ein Telefonanschluss eingerichtet. Am 01.02.2007 nahm er bei der C bank L einen Netto-Kredit über 17.500,00 EUR auf, der in den Sachkonten des Betriebs verbucht wurde. Am 10.05.2007 meldete er bei dem Gewerbeamt die Aufnahme eines Betriebes "Stehimbiss (Imbiss-Hallen) hier: Döner-Imbiss K -Imbiss" zum 10.05.2007 an. Der Betrieb wurde am 14.05.2008 abgemeldet. Ab 10.05.2007 wurde der Betrieb bei der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN) veranlagt (Bescheid vom 15.08.2007).
Der Kläger führte seit Anfang 2007 - zum Teil mithilfe von Freunden - Umbau- und Renovierungsarbeiten in der Betriebsstätte durch und erwarb zu diesem Zweck im März / April 2007 mehrfach bei Baumärkten Baumaterialien. Von der Firma F wurden ihm am 09.03.2007 u.a. ein Pizzakühlaufsatz und ein Pizzaofen, ein Arbeitstisch aus Edelstahl, zwei Dönergeräte und eine Wandhaube geliefert (Rechnung vom 05.04.2007). Die Firma F stellte ihm am 05.04.2007 eine Lüftungsbestätigung für die Betriebsstätte aus.
Bei einer Ortsbesichtigung durch Mitarbeiter der unteren Bauaufsichtsbehörde des Rhein-Pfalz-Kreises vom 14.05.2007 wurde festgestellt, dass der Döner-Laden bereits eingerichtet war. Am 11.06.2007 erteilte die Verbandsgemeindeverwaltung D dem Kläger eine vorläufige Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft und am 24.09.2007 eine endgültige Erlaubnis.
Der Kläger hat am 20.09.2007 Klage bei dem Sozialgericht Speyer (SG) erhoben und geltend gemacht, dass die Beklagte ihm mehrfach mündlich die Gewährung von GZ zugesichert habe. Das SG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.10.2009 den in Anwesenheit seines Prozessbevollmächtigten erschienenen Kläger gehört und die Klage durch Urteil vom gleichen Tag abgewiesen. Ein Anspruch auf GZ stehe dem Kläger nicht zu. Bei Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit am 11.06.2007 habe er nur noch über einen Alg-Anspruch für 83 Kalendertage (240 - 157) verfügt. Aus einer Zusicherung, einem etwaigen mündlichen Verwaltungsakt oder aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergebe sich ebenfalls kein Leistungsanspruch.
Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11.11.2009 zugestellt.
Am 09.12.2009 hat der vom Kläger nunmehr bevollmächtigte Prozessbevollmächtigte Berufung eingelegt.
Am 11.12.2009 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der ersten Instanz Berufung eingelegt und mit Schreiben vom 18.12.2009 "die für den Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2009 eingelegte Berufung" zurückgenommen.
Auf Anfrage des Senats haben die Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass sie davon ausgegangen seien, dass der Kläger Berufung einlegen möchte. Eine gesonderte Vollmacht für die zweite Instanz sei nicht erteilt worden. Nachdem der Kläger mitgeteilt habe, dass er durch einen Kollegen Berufung einlegen möchte, sei die Berufung wieder zurückgenommen worden.
Der Kläger beruft sich auf einen ihm erteilten mündlichen Verwaltungsakt über die Gewährung des GZ. Außerdem macht er geltend, dass er die selbstständige Tätigkeit bereits am 10.05.2007 durch die Gewerbeanmeldung aufgenommen habe. Außerdem habe er seit Anfang 2007 umfassende Aktivitäten unternommen, um den Betrieb zu eröffnen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 28.10.2009 - S 5 AL 416/07 - sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss ab dem 10.05.2007 dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass sich der Kläger erstmals im Berufungsverfahren auf eine Betriebsaufnahme am 10.05.2007 berufen und bis 10.06.2007 Alg bezogen habe. Ohne die Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft sei ihm die Ausübung dieser Tätigkeit nicht gestattet gewesen. Auf frühere Vorbereitungshandlungen zur Aufnahme der Betriebstätigkeit komme es daher nicht an.
Der Berichterstatter hat im Termin zur Beweisaufnahme vom 10.02.2011 den Kläger gehört und als Zeugin die Steuerberaterin S vernommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung eines GZ ab 10.05.2007 dem Grunde nach zu. Der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Zurücknahme der Berufung durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der ersten Instanz (Schreiben vom 18.12.2009) bewirkte nicht den Verlust des Rechtsmittels (§ 156 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Durch die von den bisherigen Prozessbevollmächtigten am 11.12.2009 eingelegte Berufung wurde - nachdem bereits am 09.12.2009 der neue Prozessbevollmächtigte Berufung eingelegt hatte - kein neues, selbstständiges Rechtsmittelverfahren eingeleitet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, Vor § 143 RdNr. 2 f). Da nur ein Berufungsverfahren anhängig war, konnte jeder der nach § 84 Zivilprozessordnung (ZPO) einzeln vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 01.02.2000 - B 10 LW 18/99 B -, Juris RdNr. 9) es durch Rücknahme beenden. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers in der ersten Instanz haben zwar keine schriftliche Vollmacht im Klageverfahren vorgelegt, jedoch im Widerspruchsverfahren eine Vollmacht vom 24.07.2008 eingereicht , die sich auch auf die Prozessführung, die Vertretung vor Sozialgerichten und die Einlegung, sowie die Rücknahme von Rechtsmitteln erstreckte. Jedenfalls ist dadurch eine mündlich - stillschweigend - erteilte Vollmacht aktenkundig geworden, als der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2009 zusammen mit dem Prozessbevollmächtigten erschien und zur Sache verhandelte (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 30.05.2007 - XII ZB 82/06 -, NJW 2007, 3640, RdNr. 41).
Ob in der Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten - wie hier durch den Kläger für die zweite Instanz - der Widerruf der Bestellung eines früheren Bevollmächtigten nur dann gesehen werden kann, wenn das Mandat ausdrücklich entzogen und dem Gericht, bei dem die Sache anhängig ist, vom Erlöschen der Vollmacht Kenntnis gegeben wird (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 45/96 -, SozR 3-1500 § 156 Nr. 1 RdNr. 14), braucht nicht entschieden zu werden. Auch kann offen bleiben, ob dies der Fall sein kann, wenn ein Prozessbevollmächtigter - wie hier der für die zweite Instanz bestellte Rechtsanwalt am 09.12.2009 - Berufung einlegt und im Rubrum ausschließlich sich selbst als Prozessbevollmächtigten bezeichnet und der erstinstanzlich tätige Prozessbevollmächtigte - wie vorliegend - zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht seinerseits Berufung eingelegt hatte (vgl. BSG, Urteil vom 26.07.1989 - 11 RAr 31/88 -, SozR 1500 § 73 Nr. 6 RdNr. 11; dagegen BGH a.a.O., RdNrn. 30, 32, 39).
Selbst wenn im vorliegenden Fall davon ausgegangen wird, dass beide Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren vertretungsberechtigt waren (§ 84 ZPO) und unabhängig voneinander die Berufung zurücknehmen konnten, beschränkte sich hier die Rücknahmeerklärung der Prozessbevollmächtigten vom 18.12.2009 auf das von ihnen eingelegte Rechtsmittel (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.1997 a.a.O., RdNr. 16; BGH a.a.O., RdNr. 26). Mit dieser Erklärung haben die Prozessbevollmächtigten die "für den Kläger eingelegte" Berufung zurückgenommen. Damit haben sie zum Ausdruck gebracht, ausschließlich die durch sie selbst eingelegte Berufung (vgl. auch Schreiben vom 04.10.2010) zurücknehmen, also gerade nicht das gesamte Prozessrechtsverhältnis beenden zu wollen. Dies war auch deshalb nachvollziehbar, da die Prozessbevollmächtigten zum Zeitpunkt der Erklärung vom 18.12.2009 wussten, dass der Kläger durch einen anderen Rechtsanwalt Berufung einlegen wollte.
Dem Kläger ist ein GZ ab dem 10.05.2007 gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zu gewähren. Anzuwenden ist die Vorschrift in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl I 1706):
Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, haben zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss.
Ein Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer
bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit
einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder
eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, und
bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt,
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Berufsständischen Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Bestehen begründete Zweifel an den Kenntnissen und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit, kann die Agentur für Arbeit vom Arbeitnehmer die Teilnahme an Maßnahmen zur Eignungsfeststellung oder zur Vorbereitung der Existenzgründung verlangen.
Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 142 - 144 vorliegen oder vorgelegen hätten.
Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
Die Voraussetzungen für die Gewährung eines GZ ab dem 10.05.2007 sind gegeben. Der Kläger war vor Aufnahme der selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit Arbeitnehmer und hat seine Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme der Tätigkeit als Betreiber eines Döner-Imbisses beendet. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III) und das Vorhandensein von Kenntnissen und Fähigkeiten zur Ausübung dieser Tätigkeit (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III) hat er durch die Vorlage der Stellungnahme der Steuerberaterin S vom 06.06.2007 als fachkundige Stelle dargelegt und nachgewiesen. Bis zur Aufnahme der Tätigkeit hatte er einen Anspruch auf Alg und damit auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a SGB III). Dies ergibt sich schon daraus, dass der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 15.02.2007 bestandskräftig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6 RdNr. 17). Es kommt damit nicht darauf an, ob Zweifel an der Verfügbarkeit (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) des Klägers gegeben waren (vgl. hierzu Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 01.10.2009 - L 12 AL 4/07 -, Juris, RdNrn. 18 und 19). Ausschlussgründe nach § 57 Abs. 3 und 4 SGB III sind nicht vorhanden. Der vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als leistungsbegründendes Ereignis zu stellende Antrag (§§ 323 Abs. 1, 324 Abs. 1 SGB III) ist möglicherweise bereits am 04.01.2007, jedoch spätestens bei der persönlichen Vorsprache vom 09.03.2007 gestellt worden. Die Auslegung seines Begehrens unter Heranziehung des Meistbegünstigungsgrundsatzes ergibt, dass er GZ für das nunmehr konkretisierte Vorhaben begehren wollte. Die Tatsache einer wirksamen Antragstellung ist nicht davon abhängig, dass der Beklagten die schriftlichen Antragsunterlagen zugegangen sind und der genaue Tag der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bekannt ist.
Auch verfügte der Kläger bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III).
Grundsätzlich wird eine selbstständige Tätigkeit dann aufgenommen, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Existenzgründung kaum jemals in einem Akt erfolgen wird. Vielmehr sind für den bislang Arbeitslosen auf dem Weg zur Selbstständigkeit zahlreiche "vorbereitende Handlungen" erforderlich, die es im Einzelfall schwierig erscheinen lassen, jeweils exakt den Zeitpunkt der "Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" zu bestimmen (BSG, Urteil vom 01.06.2006 - B 7a AL 34/05 R -, SozR 4-4300 § 57 Nr. 1 RdNrn. 10 und 11). Eine ausdrückliche Regelung im Gesetz, aus der zu schließen wäre, dass die Tätigkeit erst dann aufgenommen ist, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, also Waren produziert oder Dienstleistungen erbracht werden, existiert nicht. Maßgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls, die auch vorbereitende Tätigkeiten für eine Aufnahme ausreichen lassen können. So kann eine selbstständige Tätigkeit schon vor der eigentlichen "Geschäftseröffnung" - also beispielsweise dem Beginn der Warenproduktion, die den Gegenstand des Unternehmens darstellt - aufgenommen werden. Allerdings macht es die im Gesetz angelegte Nachhaltigkeit der Förderung erforderlich, vorbereitende Maßnahmen nur dann als "Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" zu werten, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und sie ferner nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 28/09 R -, SozR 4-4300 § 57 Nr. 5 RdNrn. 18 und 19).
Solche Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung lagen zum 10.05.2007 vor. Der Kläger hatte die Geschäftsräume bereits im Jahr 2006 angemietet, einen Stromversorgungsvertrag zum 01.03.2007 abgeschlossen und ab 11.04.2007 einen Telefonanschluss einrichten lassen. Zudem hatte er bereits am 01.02.2007 einen das Unternehmen betreffenden Kredit bei der C bank L aufgenommen und die Geschäftsräume seit Anfang 2007 umgebaut sowie renoviert, was durch die Vorlage von Rechnungen über erworbene Baumaterialien nachgewiesen ist. Die für den tatsächlichen Betrieb des Döner-Imbisses notwendige Küchenausstattung wurde bereits am 09.03.2007 geliefert und eine für den Betrieb erforderliche Lüftungsbestätigung lag am 05.04.2007 vor. Diese ernsthaft und unmittelbar auf die Geschäftseröffnung gerichteten Tätigkeiten wurden wegen eines Krankenhausaufenthaltes des Klägers vom 18. bis 22.04.2007 nur für eine unerheblich kurze Zeit unterbrochen.
Am 10.05.2007 erfolgte die Gewerbeanmeldung und der Kläger hat nach seinen glaubhaften Angaben im Termin vom 10.02.2011 seit diesem Tag die Warenproduktion "zur Probe" aufgenommen, um bis zur offiziellen Eröffnung am 11.06.2007 technische Probleme ausschließen zu können. Die Gewerbeanmeldung sowie die ab 10.05.2007 erfolgte Veranlagung von Unfallversicherungsbeiträgen durch die BGN und die steuerrechtliche Veranlagung ab diesem Tag sind vorbereitende Handlungen mit Außenwirkung im Geschäftsverkehr. Hinzu kommt, dass ab diesem Tag Versicherungen für den Betrieb zu zahlen waren, wie aus den Unterlagen der Steuerberaterin Sch hervorgeht. Unerheblich ist, ob die selbstständige Tätigkeit ab diesem Tag 15 oder mehr Wochenstunden umfasste (Link in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand März 2011, § 57 RdNr. 41), da sie hauptberuflich war. Dass der Kläger tatsächlich bis zum 10.06.2007 Alg bezogen hat, vermag zur Überzeugung des Senats an der Tatsache der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bereits am 10.05.2007 nichts zu ändern (vgl. zur möglicherweise aA.: Link a.a.O. RdNrn. 40 und 42).
Es kommt auch nicht darauf an, dass dem Kläger eine vorläufige Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft erst am 11.06.2007 mit Wirkung zu diesem Tage erteilt worden ist. Zwar handelt derjenige ordnungswidrig, der ein Gaststättengewerbe (§ 1 Abs. 1 Gaststättengesetz (GastG)) ohne Erlaubnis (§ 2 Abs. 1 GastG) betreibt (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 GastG), allerdings bedarf der Erlaubnis zum Beispiel nicht, wer unentgeltlich Kostproben verabreicht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GastG). Der Kläger hat angegeben, ab 10.05.2007 zur Probe gekocht und Bekannte animiert zu haben, sein Essen zu probieren. Selbst wenn er im Zeitraum vom 10.05. bis 10.06.2007 ein Entgelt für die verabreichten Speisen verlangt hätte, stünde dies der Tatsache der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht entgegen. Dies gilt auch für eine am 10.05.2007 möglicherweise noch nicht vorliegende Genehmigung einer baurechtlichen Nutzungsänderung. Ob dies beim Vorliegen von strafbaren Handlungen oder Unterlassungen - hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich - anders sein könnte (vgl. Link a.a.O. RdNr. 43), kann offen bleiben.
Dem Kläger steht damit ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Gründungszuschuss für neun Monate (§ 58 Abs. 1 SGB III) zu. Über einen Gründungszuschuss in der anschließenden Phase für weitere sechs Monate (§ 58 Abs. 2 SGB III) ist vorliegend nicht zu entscheiden, da ein neuer Antrag nicht vorliegt (vgl. Link a.a.O. § 58 RdNr. 32) und es sich insoweit um eine Ermessensleistung der Beklagten handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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RPF
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